Dienstag, 24. Februar 2009

Zwei Frauen über den Nahen Osten

24.2.2009

Ich möchte zwei Frauen vorstellen, die Schweizer Schriftstellerin Zöe Jenny und eine Italo-Israelin, die Journalistin und Politikerin Fiamma Nirenstein. Beide sind erfolgreich, Jenny schreibt Romane, die in andere Sprachen übersetzt werden und gilt zurzeit als Erfolgsautorin der jungen Schweizer Literaturszene. Warum ich sie und die konservative Fiamma Nirenstein vorstelle hat einen Grund. Beide besitzen eine sehr ausgeprägte Meinung und machen keine ideologischen Moden entsprechende Äusserungen. Das heisst, mit anderen Worten, sie schreiben über die Lage Israels gegenüber seinen es umgebenden Feinden und verlieren dabei nicht den Boden unter den Füssen.

Zoë Jenny scheint keine wirklich politische Person zu sein, in ihren Schriften habe ich wenig davon entdeckt. Aber in der Neuen Luzerner Zeitung vom 23.2.2009 ist ihre Stellungnahme zu den Vorgängen in unserer nahöstlichen Gegen zu lesen, die, in starkem Gegensatz zur Israelkritik politischer Trendies, sich an Fakten statt ideologisch festgesetzten Vorurteilen orientiert. Was Zoë Jenny schreibt, zeigt, dass sie sich mit der Materie vertieft befasst. Ihre Gedanken implizieren, wenigstens für mich, wie stark die Hamas und auch andere jihadistische Extremisten eine Gefahr nicht nur für Israel, sondern sogar noch mehr für die eigene, die palästinensische Gesellschaft ist. Diese wird, durch den vor kurzem stattgefundenen Krieg aller Welt demonstrierend, zur Geisel genommen und nach belieben und ohne Bedenken geopfert. Das ist, so denke ich, nicht nur der Todessucht dieser lebensfeindlichen Fanatiker zu verdanken, sondern auch deren Wissen, dass ihre direkten und indirekten Massenmorde von der gutmenschlichen Welt des Westens gedankenlos akzeptiert und Israel in die Schuhe geschoben werden. Genau so ist es geschehen. Ich danke ihr für diese Courage, denn in unseren Tagen braucht es dazu innere Überzeugung und den Mut sich hysterischer Kritik zu stellen. Zoë's Gedanken sind eigentlich nicht viel mehr, als die Zusammenfassung der Fakten über das Geschehen in Gaza, seit dem Abzug Israels in 2005 bis zum Krieg im Winter 2008/9. Wichtig ist vor allem die Tatsache, dass sie das Thema selbst gewählt hat. Sie erinnert mich im Ansatz an Friedrich Dürrenmatts mutiges Buch "Zusammenhänge", das einen Ehrenplatz in meiner Bibliothek einnimmt und in dem ich oft blättere.

Raketen statt Erdbeeren von Zoë Jenny

Seit ich mich erinnern kann, ist der Mittlere Osten ein Krisengebiet. Im Sommer 2005, als Tausende von israelischen Siedlern ihre Häuser verliessen und aus dem Gazastreifen abzogen, gab es neue Hoffnung.

Die Palästinenser haben den ersehnten Boden zurückgewonnen. Aber anstatt den Boden zum Pflanzen von Olivenbäumen und Erdbeeren zu nutzen, hatte die radikalislamische Hamas nichts Besseres im Sinn, als insgesamt 7000 Raketen über die Grenze nach Israel zu schiessen und
damit die israelische Bevölkerung tagtäglich zu terrorisieren.

Unter grossem Arbeitsaufwand wurden Tunnels nach Ägypten gegraben,
um Waffen nach Gaza zu schmuggeln. Hätte man mit so viel Manpower nicht besser Schulen und Krankenhäuser gebaut? Schade. Wo kein guter Wille ist, ist leider auch kein Weg. Der Angriff aus Israel kam meines Erachtens nicht überraschend. Erstaunlich lange hat sich Israel den täglichen Terror der Raketen gefallen lassen, kein Land würde zuwarten, seine Bevölkerung zu beschützen und zu verteidigen.

Die Terrororganisation Hamas hingegen hat nicht das Wohl der Bevölkerung im Sinn, sie möchte sie weder beschützen noch verteidigen. Sie ist durch nichts anderes getrieben als Rache und blinden Hass. Ein denkbar schlechter Begleiter auf dem Weg zum Frieden. «Wer Handlungen begeht, um einen Beschluss der Ausrottung durchzuführen, ist ein Feind des Menschengeschlechts und darf als solcher nicht leben.» Dieser Satz des Existenzphilosophen Karl Jaspers trifft auf jede Terrororganisation zu, denn sie hat per definitionem die Ausrottung einer anderen Menschengruppe im Sinn. Die Hamas will keinen Frieden, sie proklamiert maschinengewehrschwingend die Destruktion von Israel. Hamas ist nicht nur ein Feind Israels, sie ist, wie jede Terrororganisation, ein Feind des Menschengeschlechts.

In Sätzen wie: «Ihr fürchtet den Tod, wir suchen ihn», kommt der abgedroschene Todeskult einer bankrotten Ideologie zum Ausdruck, die in ihrer lebensfeindlichen Stupidität einzigartig ist. Man würde sich damit auch keine Sekunde länger beschäftigen, würden der Todesmaschinerie der Hamas nicht so viele Menschenleben zum Opfer fallen. Kinder und Frauen sind der Hamas gerade gut genug, um im Krieg als lebendige Schutzschilder herzuhalten. In der perversen Denkweise der Hamas dienen Bilder von toten Kindern als ausgezeichnetes Propagandamaterial gegen Israel.

Den nun schon so lange gequälten Palästinensern ist endlich eine Führung zu wünschen, die ihre Interessen im Sinn hat. Es ist zu hoffen dass die gemässigte Fatah-Bewegung in nächster Zukunft wieder an Autorität gewinnen wird und das Land wieder an den politischen Tisch bringen kann. Denn mit der Hamas wird man nicht einen einzigen Schritt weiterkommen. Dann kann die palästinensische Bevölkerung vielleicht endlich darüber nachdenken, was sie auf ihrem Boden anpflanzen will.

Hinweis: Zoë Jenny (34) ist Schriftstellerin. Ihr Roman «Das Blütenstaubzimmer» (1997) wurde weltweit in 27 Sprachen übersetzt. Sie lebt in London. In dieser Kolumne äussert sie sich zu einem selbst gewählten Thema.

Fiamma Nirenstein heisst die zweite Dame, sie ist reifer und besitzt nicht nur Interesse am Thema, sondern auch Erfahrung. Seit Jahrzehnten wohnt sie in Italien und in Jerusalem oder besser ausgedrückt, in dessen Stadtteil Gilo, einem früher beliebten Ziel palästinensischer Beschiessungen. Nirenstein trägt viele Hüte, unter anderem den einer Professorin für Mittelostgeschichte an der Luiss Universität in Rom, als Berichterstatterin in Filmen, in der gedruckten Presse und Kommentatorin des israelisch-palästinensischen Konflikts, als Feministin, als "Fellow" (Kollege) einiger Think-Tanks (Forschungsinstitute, vor allem politischer Themen), wie dem Hudson Institute in Washington. Durch ihre Arbeit fliesst ihr Hauptanliegen, nämlich der Verbund von Totalitarismus, Terrorismus, Antisemitismus und der Hass auf Israel. Heute ist Fiamma Nierenstein zudem noch Mitglied des italienischen Parlaments, für die konservative Partei Berlusconis.

Die Frau hat Temperament, ihre Aussagen gefallen nicht allen. So etwas wie "Jeder Jude in der Welt ist ein Israeli, sogar wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Jeder, der das nicht weiss, macht einen grossen Fehler". Oder: "Moralisch gesehen, darf es keine Verhandlungen mit Hamas geben, denn diese denkt Juden seien Söhne von Affen und Schweinen. Man kann mit Kannibalen, die Menschen essen, nicht verhandeln". Aus einem Interview in 2004 ein weitere Zitate. Auf die Bemerkung, der damalige Papst Johanne Paul II habe gesagt, das Heilige Land brauche keine Mauern, sondern Brücken, antwortete sie: "Terrorismus lässt keine Brücken zu. Brücken werden gebaut, wenn Terrorismus überwunden ist und Frieden einzieht". Auf die Unterschiede zwischen Präsident Bush und Ministerpräsident Sharon angesprochen, sagte sie: "Das sind zwei ganz verschiedene Männer. Bush kämpft nur gegen Terror, aber Sharon bekämpft Terror und kämpft auch für das Überleben eines Staates". Oder gefragt über die Zusammenhänge zwischen Jihadismus und dem Konflikt Israel-Palästina: "Der Israel-Palästina Konflikt hat nicht das geringste mit allen anderen Konflikten im Mittleren Osten zu tun. Ich frage sie: Ist Israel der Grund für die Existenz Al-Kaidas oder die Tatsache, dass es in den arabischen Staaten Diktaturen gibt. Ist Israel der Grund zum Krieg in Irak oder internationaler Terrorismus? Der Israel-Palästina Konflikt hat keine Folgewirkung dazu. Pollitische Entwicklungen ergaben einen Mix von Islam mit Diktaturen und den unbändigen Drang die westliche Gesellschaft zu attackieren. Israel ist ein kleines Stück Zivilisation im Mittleren Osten. Israel hat diese Probleme nicht geschaffen". Oder nach der Verurteilung der Erstellung des Schutzzaunes zwischen Israel und der Westbank durch den Internationalen Gerichtshof: "… Das ist eine Bewilligung zum Töten. Die Botschaft ist, dass sogar wenn die Palästinenser mit ihrem Terrorismus fortfahren, dieser akzeptiert wird. Es unterschlägt die Tatsache, dass Terrorismus rassistischer Völkermord ist". Ihr Bericht in der New York Sun vom 7. August 2007 über die Vorgänge in Gaza, als Hamas Hunderte von Fatah Mitglieder auf phantasievollste Weise umbrachte, ist inzwischen zu einem Klassiker geworden.

Fiamma Nirenstein hat, so ist mein Eindruck, die Nachfolge von Oriana Fallaci überbernommen, vielen auf die Zehen tretend und mit italienisch-israelischem Feingefühl rücksichtslos und möglichst politisch inkorrekt, sagt was sie denkt und jenen, denen das eben nicht gefällt den Finger zeigt. Avanti!

Samstag, 21. Februar 2009

Rubens Appetit und ein alter Held




21.2.2009

Ich wusste nicht, dass Ruben eine solch ausgeprägte Wertschätzung der darstellenden Künste besitzt - er sandte mir heute dieses appetitliche Meisterstück mit dem Titel "Kein Wunder, dass der Mittlere Osten so tief in der Scheisse steckt". Ruben ist ein Meisterkoch, vielleicht wollte er da hineinbeissen.
Soweit meine Einleitung zu diesem Tagebucheintrag.

Von Matthias Küntzel erhielt ich den Link zu einer wichtigen Mitteilung: "Anfang dieser Woche wurde in London die Interparlamentarische Koalition zur Bekämpfung des Antisemitismus gegründet" und ich empfehle die Lektüre dieser Mitteilung. Es scheint, dass das Thema des wiedererwachten Antisemitismus nun wirklich diskutiert wird. Allerdings, so denke ich, solange diese Diskussion nur in akademischem Rahmen geführt und die Öffentlichkeit von diesem Thema verschont wird und weiter fast ungestört dem Judenhass frönen kann, ist noch nicht erreicht, was erreicht werden soll. Das ist, da diese Geisteskrankheit weitgehend unheilbar ist, sie wenigstens zu retabuisieren und zweitens, Antisemitismus nicht mit der gerade modischen Islamophobie zu relativieren.

Etwas Neues aus der Familie. Unser Sohn Jehoshua ist in unsere Nähe, nach Zichron Ya'akov gezogen, allerdings im feinen Giv'at Eden, wo die schönen neuen Villen stehen. Dort wohnt der ehemalige Kapitän des berühmten Schiffes "Exodus", Ike Aronowitz, heute 85 Jahre alt (rechts im Bild, mit seinen ehemaligen Zweiten Offizier Jack Johnson), dessen Haus eine angebaute Dreizimmerwohnung besitzt, die Jehoshua gemietet hat. Nun wohnt er bei einer historischen
Persönlichkeit, in einem Haus dessen Terrasse über dem Wadi Milek hängt, gegenüber unserem arabischen Nachbardorf Faradis. Die Aussicht auf das Araberdorf und über die Felder und Fischteiche bis ans Meer ist einmalig. Er wird sich damit abfinden müssen, täglich fünf Mal den Muezzin aus den Lautsprechern der Moscheen zum Gebet aufrufen zu hören. Das stört ihn nicht, er habe vorher in Galiläa gewohnt, sagt mein Sohn, dort wohnen alle, Araber und Juden, recht nah bei- oder aufeinander und sind gegenseitigen Lärm gewohnt.

Etwas zur Exodusgeschichte:. Ike war der Kapitän und sein Kollege Yossi Harel, war Verantwortlicher für das gesamte Unternehmen, nämlich das Schiff mit 4500 jüdischen Überlebenden des Holocausts in ihre neue Heimat, dann noch Palästina zu bringen und dort, wenn auf See von der British Navy aufgriffen, für die Welt zu demonstrieren, wie England Überlebende des Nazihorrors behandelt. Wie erzählt wird, habe Yossi Harel, den Befehl zum Wenden gegeben, als englische Kriegsschiffe die Exodus einkreisten und sie aufforderten in den Herkunftshafen zurückzukehren. Der Zweck der Reise sei erfüllt, meinte er. Da habe Ike gemeutert, den Befehl verweigert und mit Volldampf Kurs auf die palästinensische Küste genommen. Englische Soldaten enterten daraufhin das Schiff. Ein sechzehnjähriger sei mit einem Schuss ins Gesicht getötet worden und ein Matrose mit einem Gewehrkolben erschlagen worden. Das sei der Auslöser zur UNO-Resolution 181 im November 1947 zur Teilung Palästinas gewesen. Wieweit das stimmt weiss man nicht, doch Ike Aronowitz ist davon fest überzeugt. Mit dem von Paul Newman dargestellten Ari Ben Canaan im Filmklassiker "Exodus" hat Ike herzlich wenig gemeinsam – aber Jehoshua findet den alten Helden, so wie wir in vorfanden, einfach herzig.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Prioritäten

16.2.2009

Man mag über israelische Regierungen denken, was man will, doch die Tradition, dass Schutz der Bevölkerung vor Krieg und Terror erste Priorität hat, besteht seit der Staatsgründung in 1948. Das ist bestimmt richtig so, aber nicht, wenn es als Ausrede dafür dient, dass Regierungschefs kein Interesse für anderes übrig haben. Das ging und geht auf Kosten der Entwicklung von Sozialwerken und Bildung. Alle Ministerpräsidenten, auch Ben-Gurion, erklärten wiederholt, sie hätten kaum Zeit, sich etwas anderem zu widmen, als der Sicherheits- und Aussenpolitik. Trotzdem wurde in den ersten dreissig Jahren eines der erfolgreichsten Schulsysteme der Welt aufgebaut. Mit der wachsenden Machtübernahme durch politisch rechts stehende Parteien seit Menachem Begin begann der Niedergang, eingeleitet mit vermehrter Erziehung zu nationalistischer "Heimatliebe" auf Kosten wirklicher Bildungsfächer. Obwohl hervorragende Erziehungsminister wie Yossi Sarid und Shulamit Aloni der Meretzpartei oder die heutige Yuli Tamir der Arbeitspartei, versuchten diese Erosion zu stoppen, wurden ihre Anstrengungen durch spätere Regierungen aus koalitionspolitischen Gründen wieder rückgängig gemacht oder während ihrer Amtszeit unterlaufen, was besonders für die noch im Amt stehende Yuli Tamir zutrifft und sie frustriert. Stattdessen wurden ultraorthodoxe Schulen, in denen vor allem Abneigung zu produktiver Arbeit und keinerlei Vorbereitungen für ein produktives Leben gelehrt werden, gefördert und viele öffentliche Schulen budgetmässig benachteiligt – das Resultat ist heute zu sehen. Israels Schüler, einst zu vorderst im internationalen Vergleich, zieren die untere Hälfte. Ähnliches gilt für das grundsätzlich hervorragende israelische Sozialsystem, das besser ist, als viele europäische und sicher weit fortschrittlicher als das amerikanische. Es ist eine weitere einsame Oase in der nahöstlichen sozialen Wüste und eine der Quellen antiisraelischen Neides und, als Resultat davon, unsäglichen Hasses aus unserer Nachbarschaft. Mit wenigen Ausnahmen, vielleicht Itzhak Rabin, versuchten bisherige Regierungen nicht, Ausgewogenheit zwischen Israels Sicherheitsbedürfnis und Lebensqualität (Bildungswesen, freie Gesellschaft, zukunftsträchtige Wirtschaft) zu finden. Deshalb, da wiederhole ich mich wieder einmal, könnte der Tag kommen, an dem wir israelischen Bürger eines Morgens aufwachen und einen jüdischen Staat vorfinden, den zu schützen sich nicht mehr lohnt. Meine Theorie ist vielleicht etwas weit hergeholt, doch müssten zukunftsträchtige politische Entscheide auch diese Möglichkeit berücksichtigen.

Die hübsche Oberstin Miri Eisen, früher einmal Regierungssprecherin, hält in ihren Händen eine Landkarte Israels, in der die Grenzen Gazas und der Westbank (die grüne Linie) auf der jeweils israelischen Seite jeweils mit einem vielfarbigen Streifen versehen sind. Diese zeigen die Reichweite der bisher den Palästinensern zugänglichen Raketen an. Raketen der Hisbullah sind nicht gezeigt. Hamas- und andere palästinensische Terroristen haben in den vergangenen Jahren demonstriert, wie weit ihre Grads und Kassams reichen. Die Karte zeigt auch, wie weit dieselben Raketen, wenn von der Westbank aus abgefeuert, in Israel fliegen würden. Unser Zichron Ya'akov wäre in Zieldistanz, Haifa nicht, jedoch von Libanon aus erfahrungsgemäss schon. Was ist noch für eine kleine Kassam aus der Westbank erreichbar: der interkontinentale Flughafen Ben-Gurion, die Stadt Modiin, Tel Aviv, Kfar Saba, Raanana, eigentlich fast alle Ballungszentren um Tel Aviv. Obwohl von antiisraelischen Hysterikern und Kritikastern bestritten, muss ein allfälliger Abzug aus der Westbank in den heutige n Tagen äusserst kritisch erwägt werden, sonst hätte Israel keine Lufttransportverbindung zum Ausland mehr, das am dichtesten bevölkerte Zentrum des Landes um Tel Aviv käme unter Dauerbeschuss – kurz, sogar ich würde nervös. Mir ist klar, dass die Herrschaft Israels über die Palästinenser ausserhalb den Grenzen Israels keine Zukunft hat. Es war kein Fehler in 1967 die Westbank zu besetzen – es gab Krieg und wir wurden von dort aus beschossen – aber es war ein riesiger Fehler, dort aus nicht sicherheitstechnischen, sondern aus falsch verstandenen religiös-mythischen Gründen zu siedeln. Zwar machen sich israelische Araber ihr eigenes Leben zum grossen Teil selbst ungemütlich und das theoretische Vorhaben eines Avigdor Liebermans, einen Teil von ihnen samt ihrem Land nach Palästina abzuschieben ist, wenn man es genauer betrachtet, das Spiegelbild des palästinensischen Traums des eigenen Staates, der, sollte es einmal dazu kommen, judenrein sein müsse. Lieberman hat sich, das ist klar ersichtlich, nur an die Gepflogenheiten und die Mentalitäten der Mehrheit im Nahen Osten angepasst. Demokratieverständnis ist bei ihm als ehemaligen Russen, fast wo wenig vorhanden, wie im arabischen Nahen Osten. Damit will ich aber unter keinen Umständen, Liebermans Abschiebungstheorien begrüssen – sie sind abscheulich. Allerdings in Einem hat er meine Zustimmung: seine Freude an der hiesigen Ultraorthodoxie ist so beschränkt, wie die meine.

Samstag, 14. Februar 2009

Khaled Abu Toameh bringt Fakten

14.2.2009

Zufälle gibt es: im letzten Eintrag in Uris Tagebuch schrieb ich über einen Krimi (übrigens kommt, vorerst in English, ein dritter Band heraus) und machte auf die Beschreibung des palästinensischen Lebens in der Westbank und die noch weit schlimmere Situation in Gaza aufmerksam. Die Krimis von Matt Rees sind Romane und man könnte, wenn so motiviert, sagen, es sei alles Fantasie. Gestern sandte mir jemand einen Vortrag mit anschliessenden Frage und Antwort des bekannten palästinensischen Journalisten Khaled Abu Toameh englischer Sprache zu, kurz darauf erhielt ich dessen deutschsprachige Version, die ich hier, mangels Link, wiedergeben will. Die deutsche Uebersetzung ist nicht gerade professionell, wer damit Mühe hat, kann problemlos auf das englische Original zurückgreifen (siehe Link).Es sind viele Seiten aber wichtig und, so denke ich, seit Jahren das wichtigste Dokument zum Thema der innerpalästinensischen Zerfleischung über die Jahrzehnte. Khaled Abu Toameh bringt Fakten, klagt nicht an und ist gerade deshalb überzeugend. Hier, bitte sehr, der vollständige Vortrag und Diskussion. Die Krimis von Matt Rees zu lesen, lohnt sich aber immer noch.

Ein Blick hinter die Kulissen des israelisch –palästinensischen Konflikts
Ein Vortrag von Khaled Abu Toameh, palästinensischer Journalist bei der ‚Jerusalem Post‘, vom 1. Februar 2009

Nachdem ich meine Mittelschule beendet hatte, stellten mich die PLO-Büros als Korrespondent an. Ich arbeitete sieben Jahre lang für eine PLO-Zeitung während ich an einer Universität in Jerusalem studierte. Nach Abschluss meines Studiums musste ich mich entscheiden: soll ich weiter für die PLO arbeiten, oder versuche ich ein richtiger Journalist zu werden? In zwei Sekunden fällte ich meinen Entscheid. Ich beschloss, mit den internationalen und den israelischen Medien zu arbeiten.


Was heisst das, wenn ich sage „mit den internationalen Medien arbeiten“? Wir haben Hunderte von ausländischen Journalisten, die in unseren Teil der Welt kommen – jedes Jahr, jeden Monat und manchmal jede Woche – um über die hiesigen Geschichten zu schreiben. Nun gibt es hier zwei Geschichten: eine, die in Israel geschieht und eine in den Palästinensergebieten.

Glücklicherweise ist Israel eine offene Nation, die den Menschen erlaubt über alles zu schreiben. Sie können den Premierminister kritisieren, den Verteidigungsminister, die israelische Armee. Man kann über all die schlimmen Dinge gegen Israel schreiben und sich immer noch im Stadtzentrum von Jerusalem frei bewegen. Aber wenn man über die Palästinensergebiete schreibt, ist das völlig anders. Man kann als ausländischer Journalist nicht einfach am Morgen aufstehen und in ein palästinensisches Dorf fahren. Man kann nicht einfach kommen und sagen „Guten Morgen, ich arbeite für die New York Times. Kann ich bitte zu Hamas sprechen.“ Es funktioniert aus verschiedenen Gründen nicht so. Sie verstehen die Sprache nicht und brauchen einen Übersetzer. Sie kennen sich nicht aus. Und das wichtigste: sie sind nicht sicher.

Deshalb sind ausländische Journalisten, die über die Ereignisse in den Palästinensergebieten schreiben auf sogenannte Fixer (=Mittelsmänner) angewiesen. Und da komme ich ins Spiel. Während den vergangenen zwanzig Jahren habe ich als Fixer, Übersetzer, Berater gearbeitet – man kann das bezeichnen wie man will – mit den meisten ausländischen Medien. Als vor acht Jahren die zweite Intifada anfing, begann ich für die Jerusalem Post über palästinensische Angelegenheiten zu schreiben. Einige Leute fragen mich: „Wann bist du Zionist geworden? Wann bist du pro-Israel geworden?“ Nun, ich bin nicht pro-irgendetwas ausser pro-Fakten und pro-Wahrheit. Als Journalist habe ich kein Problem für irgendeine Zeitung zu arbeiten, die mir die Möglichkeit dazu gibt. Es ist mir egal ob sie jüdisch, christlich, muslimisch, oder gar buddhistisch ist.
Um ehrlich zu sein finde ich es ironisch, dass ich als arabischer Muslim, der in diesem Teil der Welt lebt, für eine jüdische Zeitung oder die internationalen Medien arbeiten muss, um diese Art von wirklichem Journalismus auszuüben. Warum? Weil wir keine freien Medien haben. In den Palästinensergebieten gab es sie nicht als ich dort in den 70er und 80er Jahren arbeitete, wir bekamen sie nicht als wir Yasser Arafat holten um die Palästinenser-Autorität anzufangen, und natürlich haben wir heute keine freie Presse unter Fatah, Hamas und denn übrigen Banden, die das Sagen haben. Und das ist sehr tragisch.


Manchmal wünschte ich mir, dass das Problem mit den Medien das einzige Problem ist, das wir haben, aber wie ihr alle wisst, haben wir eine verfahrene Situation. Ich bin einer, der in den vergangenen fünfzehn Jahren behauptete, dass die Dinge in diesem Teil der Welt sich in der falschen Richtung entwickelten. Einige Monate nach Unterzeichnung von Oslo kamen wir zum Punkt, an dem viele Juden und Araber die guten alten Tage vor dem Friedensprozess vermissten.

Was meine ich damit? Oslo war nicht schlecht. Oslo basierte auf der Idee von zwei Staaten und dem Ende der militärischen Besetzung in der einen oder anderen Form. Die Idee von Oslo war also nicht schlecht. Eine Trennung von Juden und Palästinensern, die nicht zusammen leben wollen. Und in dieser Form unterstützte ich die Idee. Ich dachte sie sei gut.

Aber die Art und Weise wie Oslo umgesetzt wurde brachte für Juden und Araber eine Katastrophe. Damals war die Annahme in den US, in Israel und in vielen Orten Europas, dass, wenn man die PLO und Tausende von PLO Kämpfern in die Westbank und Gaza bringt und ihnen Millionen von Dollar und Gewehre zur Verfügung stellt, sie die Drecksarbeit der Ordnungshüter in der Westbank und Gaza tun würden. Sie würden die Besetzung ersetzen und Hamas und Islamic Jihad bekämpfen. Sie würden alle diese wunderbaren Dinge tun. Warum? Weil wir sie bezahlen.

Die internationale Gemeinschaft und Israel sammelten diese PLO Kämpfer aus der ganzen Welt, entliessen Tausende von PLO Kämpfern aus israelischen Gefängnissen, gaben ihnen Uniformen und Gewehre, und nannten sie Sicherheitskräfte. Das Resultat: Leute, die keine Grundausbildung hatten und die Schule nicht abschlossen, wurden Oberste und Generäle in Yasser Arafats Regierung. Er gründete sechzehn verschiedene Sicherheitsorganisationen mit Hilfe der Amerikaner, der Europäer und der Israelis. Und sie fingen an, diesem Regime, das sie Palästinenserautonomie nannten, Geld nachzuwerfen - Milliarden von Dollar - in der Hoffnung, Arafat würde ihre Wünsche durchsetzen.
Nun muss ich nicht noch mehr sagen. Wie ihr wisst, war Arafat ein Gauner. Das meiste Geld, das der palästinensischen Autorität geschickt wurde, versickerte oder unterstützte die Einkaufswut von Arafats Frau, die in Paris lebte. Statt für uns Spitäler zu bauen, baute Arafat in Jericho ein Casino, wie wenn die palästinensische Revolution vierzig Jahre lang darauf gewartet hätte, ein Casino zu bekommen. Und die Höhe war, dass er dieses Casino vis a vis von einem Flüchtlingslager baute. Die Palästinenser sahen keine Friedensfrüchte.
Meine Überlegung ist folgendermassen: Die Tatsache, dass Arafat ein Gauner war, erstaunte uns Palästinenser nicht. Wir waren nur erstaunt darüber, dass die internationale Gemeinschaft ihm weiterhin Geld nachwarf und sich weigerte, ihn verantwortlich zu machen, wenn er unser Geld stahl. Warum wollten sie das nicht? Sie wollten es nicht glauben.


Als ich versuchte meine ausländischen Kollegen aufzuklären..., dass es in der Palästinenserautonomie Korruption gebe, fragten mich viele, ob ich von der jüdischen Lobby bezahlt sei. Ich wollte wissen: Wo ist diese jüdische Lobby? Falls es eine gäbe, würde sie mich vielleicht sogar bezahlen. Ich sagte ihnen: „Das ist es was ich höre. Die Anzeichen sind da. Kommt und hört, was die Palästinenser sagen.“ Und sie sagten mir, sie seien an dieser Geschichte nicht interessiert. Sie erklärten mir, dass sie Antiisrael Geschichten wollten, weil das ihr Leben viel einfacher mache. Sie erklärten mir, dass sie nichts Schlechtes über die Palästinenser schreiben wollten, dass Arafat ein Mann des Friedens sei und dass man ihm eine Chance geben sollte. Ich hörte das übrigens von bekannten amerikanischen Journalisten. Führenden amerikanischen Journalisten. Ich will euch jetzt die Namen nicht nennen, aber ich war wirklich frustriert. Und wütend. Hört: Während all diesen Jahren griffen wir die Militärbesatzung an. Wie kommt es, dass ihr, wenn ich euch etwas erzähle, was Arafat macht, ihr plötzlich nicht darüber schreiben wollt, und denkt, es sei jüdische Propaganda? Die meisten dieser Journalisten wollten sich nicht einmal die Mühe nehmen.
Was tat Arafat, als er den Leuten kein Geld gab. Er radikalisierte die Palästinenser, die keine Friedensfrüchte sahen. Und das ist der erste Grund warum die palästinensische Gesellschaft radikalisiert ist. Aber es gibt noch andere Gründe.


Grund Nummer zwei. Ihr habt Yasser Arafat Gewehre gegeben, damit er Hamas und Islamic Jihad töten würde. Stattdessen brauchte er diese Gewehre gegen jeden, der Reformen und Demokratie wollte. Arafat brauchte eure Gewehre, eure Waffen, die von den USA bereitgestellt wurden, um die Führer einer neuen Führung zu unterdrücken. Lasst mich ein Beispiel geben. 1997 unterschrieben 29 palästinensische Professoren eine Petition, dass Arafat die Korruption beenden solle. Sie wurden entweder angeschossen, getötet, ins Gefängnis geworfen, oder sie flohen. Das ist keine Geschichte, die man in CNN sehen würde. Ich denke auch, dass nicht einmal die New York Times darüber berichtete. Arafat griff bei den Reformern und den Demokraten durch, und bei den Leuten, die eine integre Regierung wollten. Und den Rest der Leute schickte er in die offenen Arme der Hamas. Er unterdrückte die Reformer und weigerte sich Hamas und Islamit Jihad zu unterdrücken.

Grund Nummer drei. Ihr habt Arafat Geld gegeben, um eine TV- und Radiostation zu bauen. Und in dieser TV- und Radiostation sagte Arafat: „Jihad, Jihad, tötet die Kreuzfahrer, tötet die Juden, tötet die Ungläubigen, tötet alle ausser mich.“ Nun mögt ihr euch fragen, warum Arafat gegen seine Friedenspartner in Israel aufhetzte, warum er gegen die Amerikaner und Europäer aufhetzte, die ihn unterstützten. Es macht keinen Sinn. Nun, für uns macht es Sinn. So überleben unsere arabischen Diktatoren. Sie lasten das Elend unserer Leute ständig den Juden, dem Westen, den Kreuzfahrern, den Ungläubigen, der zionistischen Lobby und den Imperialisten an. Sie brauchen all diese Schlagwörter. Die arabischen Führer müssen immer sicher sein, dass ihre Leute jemand anderen hassen, vor allem die Juden und die Amerikaner. Sonst könnten ihre Leute ja rebellieren, und – noch schlimmer – Reformen verlangen.

Genau das tat Arafat auf Arabisch. Die internationale Gemeinschaft – ja sogar die Israelis – wollten nicht auf das hören, was Arafat auf Arabisch sagte. Nur auf das, was er auf Englisch sagte. Sie sagten, was er auf Englisch sagte, sei gut. Ich sagte: „Entschuldigt bitte, aber auf Arabisch sagt Arafat dem Volk, es solle euch töten.“ Aber sie wollten nicht auf die Hetze hören. Sie unterschätzten das. Sie sagten: „Ihr Araber seid alle korrupt und wisst nichts von Demokratie. Deshalb verdient ihr eine Diktatur.“ Diese Hetze trieb die Menschen in die offenen Arme der Hamas. Arafat sagte den Leuten wie böse die Juden seien, und die Leute erwiderten: “Hamas hat Recht. Die Juden sind Nachkommen von Affen und Schweinen. Warum sollen wir mit ihnen Frieden machen?“


Der vierte Grund, der meiner Meinung nach viel weniger wichtig ist, besteht darin, dass Israel die PLO in die Palästinensergebiete brachten, sie bewaffnete, ihr half all diese Sicherheits-Bürgerwehren, Verbrecher und Mafiosi aufzubauen, und dann sagten, dass sie sich vor ihren Friedenspartnern schützen müssten. Und wie schützten sie sich? Indem sie Behinderungen und Ausgangssperren verhängten, und die palästinensischen Ortschaften mit Strassenkontrollen umgaben. Warum? Weil sie sich vor den Bürgerwehren und Mafiosi, welche sie in die Westbank und nach Gaza brachten, schützen mussten. Auf diese Art verloren die Palästinenser den Glauben an den Friedensprozess.
All dies radikalisierte die palästinensische Gesellschaft bis zu dem Punkt an dem Hamas, als sie sich entschloss, an den freien und demokratischen Wahlen unter dem Banner von „Veränderung“ und „Reform“ teilzunehmen, siegte. Das war alles absehbar. Die Zeichen waren klar. Irgendjemand, der damals Arafat entgegentrat, hätte gewonnen. Sogar Ehud Olmert, falls er an den palästinensischen Wahlen teilgenommen hätte mit dem Versprechen von Veränderung, Reform und Demokratie. Weil es im Januar 2006 bei den Parlamentswahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten hauptsächlich um interne Reformen in den Palästinensergebieten ging.
Hamas war bereit zu zeigen, was sie konnten. Was taten sie? Sie kamen zu den Palästinensern und sagten: “Hört mal. Ihr habt es mit diesen PLO Leuten versucht. Sie sind korrupt. Sie sind böse. Arafat war ein Dieb. Auch Abu Mazen ist ein totaler Versager. Diese Kerle haben euer Geld gestohlen. Diese Kerle sind US Agenten, sie sind Geheimdienstler. Warum versucht ihr es nicht mit uns? Wir werden euch zeigen, dass wir eine gute Regierung auf die Beine stellen können. Im Übrigen seht was wir für euch getan haben seit 1988. Wir haben ein verbreitetes Netz von Erziehungs-, Sozial-, Gesundheits-, und Wirtschaftsdiensten aufgezogen. Arafat baute ein Casino, während wir zwei Universitäten bauten. Arafat gab seiner Frau monatlich 100‘000 $, damit sie ihre Einkäufe machen kann, aber wir gaben den Armen Geld. Arafat baute in Ramallah Trinkstuben und Restaurants, während wir Waisenhäuser und Wohltätigkeitsinstitutionen bauten.“ Deshalb sagten sich die Palästinenser: “Versuchen wir's mal mit der Hamas. Wenn sie an die Macht kommen, können sie nichts mehr stehlen. Sie können nicht noch korrupter sein als die PLO.“ Das war ihr Hauptargument. Ich sage nicht, dass alle, die 2006 für Hamas stimmten, eine Proteststimme einlegten. Wir müssen da sehr vorsichtig sein. Hamas haben viele Anhänger. Ich sage nur, wenn es die Proteststimmen gegen die PLO nicht gegeben hätte, wäre Hamas nicht an die Macht gekommen. Warum? Weil ich von Christen weiss, die für Hamas stimmten. Ich weiss von gemässigten Palästinensern, die für Hamas stimmten. Ich weiss sogar von PLO- Leuten, die für Hamas stimmten, weil es damals hiess „Lasst uns die PLO bestrafen.“ Und wie macht man das? Indem man für den Hauptrivalen, die Hamas stimmt. Es klappte. Hamas kam an die Macht.


Was seither passiert ist ebenfalls sehr interessant. Die US Regierung ging mit Hilfe von einigen Europäern und einigen Israelis - nachdem Hamas die Wahlen gewonnen hatte - zu den Kerlen, welche die Wahlen verloren hatten und sagten „Leute, hier sind Waffen und einiges an Geld. Geht und entmachtet dieses demokratisch gewählte Regime.“ Was war das Resultat als die US sich in die palästinensischen Angelegenheiten einmischte? Es war ein Eigengoal. Es half der Hamas und gab ihrer Popularität Auftrieb. Was dachten die Palästinenser als sie sahen wie sich Condoleeza Rice und George W. Bush offen gegen diese demokratisch gewählte Regierung stellten? Ihre Sympathien wandten sich dieser demokratisch gewählten Regierung zu, auch wenn sie Hamas heisst. Wenn Palästinenser PLO Leute sehen - Fatah Leute - die offen mit den Amerikanern und Israelis gemeinsame Sache machen, um diese demokratisch gewählte Regierung abzusetzen, werden sie die PLO noch mehr hassen......

Sie wehrten sich. Einige sagen sie putschten. Sie warfen die Fatahleute aus Gaza. Weniger als 10‘000 Hamaskämpfer besiegten 70‘000 Fatah Polizisten, die von Amerika unterstützt wurden. Die Frage ist, wie machten sie das? Die Antwort ist ganz einfach. Sobald Hamas zu schiessen anfing, kämpften diese Leute nicht. Sie rannten davon. Sie ergaben sich der Hamas. Sie gingen einfach zu Hamas und sagten: „Nein, nein, Hamas, bitte. Wir geben euch alle Waffen. Alles. Nur lasst uns in Ruhe.“ Und sie rannten davon.

Zuerst rannten sie in Richtung Ägypten. Aber Mubarak ist nicht dumm. Er versiegelte die Grenze. Ich war dort als es geschah. Israel war das einzige Land in der Welt, das Truppen, Helikopter, Flugzeuge und Ambulanzen schickte um Muslime vor Muslimen zu schützen, die sie abschlachten wollten. Israel nahm sie und verfrachtete sie in die Westbank.

Und wo stehen wir heute? Ich erklärte ihnen bereits, dass ich einer von denen bin, die eine Zweistaatenlösung befürworten. Ich finde es eine wunderbare Lösung. Aber schlussendlich werden wir eine andere Zweistaatenlösung bekommen. Wir haben zwei separate Gebiete. Eines ist Gaza, das andere die Westbank. Gaza ist ein von Hamas regierter islamischer Staat, der von Ahmedinejad, Syrien und Hisbollah unterstützt wird. Einige sagen, auch von Al Qaida und der Moslembruderschaft. Das ist eine sehr gefährliche Situation. Als ein gemässigter Muslim ist das der letzte Ort auf der Welt, in dem ich wohnen möchte.

In der Westbank haben wir das säkulare, korrupte, machtlose Regime der PLO. Abu Mazen und all diese Abus. Die Arafat-Vertrauten, welche ihr Volk während fünfzehn Jahren betrogen. Welche die Wahlen im Januar 2006 wegen Korruption verloren. Welche aus Gaza herausgeschmissen wurden, weil sie versagten. Welche die Kontrolle über die Hälfte der Palästinenser verloren, die in diesem Teil der Welt leben. Sie sitzen in Ramallah. Diese Leute sind nur im Amt wegen der Präsenz der israelischen Armee in der Westbank. Wenn die israelische Armee morgen früh die Westbank verlassen würde, täten diese PLO Leute in fünf Minuten den Schirm zu und Hamas würde die Macht übernehmen.

Die Frage, die wir uns bei dieser Konstellation stellen sollten ist diese: gibt es wirklich einen Partner auf der palästinensischen Seite für irgendeine Abmachung, geschweige denn ein Friedensabkommen. Irgendeine Übereinkunft. Gibt es wirklich einen Partner auf der palästinensischen Seite? Die Antwort ist einfach. Nein. Hamas ist kein Partner für irgendein Friedensabkommen, weil Hamas sich nicht verändern wird. All die Leute, die glauben, dass Hamas eines Tages seine Ideologie ändern wird, dass Hamas einmal pragmatische Führer haben wird, leben unter Illusionen. Hamas wird sich nicht ändern. Man muss zugeben, dass ihre Aussagen sehr klar sind. Es sind dieselben Aussagen in Arabisch und Englisch. Sie sind sehr ehrlich. Sie sagen: Leute, wir werden Israel nie anerkennen. Wir werden uns nie verändern. Wir werden den Weg des Widerstands nicht verlassen.“ Sie reden Klartext. Nachdem sie die Wahlen gewonnen hatten, ging die internationale Gemeinschaft zu Hamas und sagte: „Hört, wir wollen mit euch verhandeln. Anerkennt Israel und dann wird alles ok sein.“ Hamas war sehr ehrlich. Sie sagten: “Nein. Wir werden dem Terrorismus nicht abschwören. Wir werden frühere Abkommen zwischen Palästinensern und Israel nicht anerkennen. Wir werden Israels Existenzrecht nicht anerkennen.“ Sie reden Klartext. Auch heute.

Zehn Tage vor dem Putsch in Gaza wurde ich von einigen US Diplomaten eingeladen, um ihnen zu sagen, was geschehen wird. Ich erklärte ihnen: “Hamas wird demnächst die PLO Leute aus Gaza vertreiben, weil ihr für die PLO seid, und das hat sie für den Durchschnittsbürger in Misskredit gebracht. Ihr bewirkt, dass sie wie Geheimdienstagenten aussehen.“ Die US Diplomaten sagten: „Du weisst nicht wovon du redest. Die PLO hat 70‘000 Leute. Wer ist schon Hamas? Sie werden Hamas vernichten. Du wirst sehen.“ Meine Voraussage war nicht 100% richtig, weil ich erwartete, dass das nach drei Wochen geschehen würde. Es geschah nach zehn Tagen. Das war vorauszusehen.“

Es gibt viele Dinge, die in diesem Teil der Welt klar sind, die aber internationale Führer, Diplomaten und all die Leute im Westen, die mit den Palästinensern zu tun haben, ignorieren und nicht sehen wollen... Hier ein kleines Beispiel. Vor den Parlamentswahlen im Januar 2006 gingen die PLO Leute zu Condoleeza Rice und sagten: “Sie machen einen riesigen Fehler, wenn sie uns zwingen, freie und demokratische Wahlen durchzuführen. Unsere Leute trauen uns nicht. Wir sind korrupt und wir werden verlieren. Hamas wird gewinnen. Bitte keine Wahlen. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.“ „Macht euch keine Sorgen“ sagte sie, “Lasst Hamas mitmachen. Hamas wird nicht gewinnen. Alles wird ob sein.“ Sie fragten sie, wie sie wisse, dass Hamas nicht gewinnen wird. Sie erwiderte, dass sie die Palästinenser gewarnt habe und sie bestrafen würde, wenn sie für Hamas stimmten. Diese Warnung gab übrigens der Hamas zehn Punkte mehr. Hamas nahm diese Äusserungen und machten daraus riesige Plakate: Condoleeza Rice sagt nein zu Hamas. Obwohl Rice wusste, dass Hamas eine Terrororganisation ist, stellte sie keine Vorbedingungen für die Teilnahme von Hamas an den Wahlen. Sogar in Israel führten Hamas-Kandidaten in aller Offenheit einen Wahlkampf.....

Was bewog Rice, nachdem die Wahlen gewonnen waren, zu sagen, dass Hamas eine Terrororganisation sei? Waren sie dann vor den Wahlen keine Terrororganisation? Sie ist dafür verantwortlich, dass Hamas an die Macht kam. Das war ein gigantischer Fehler. Statt etwas aus ihren Fehlern zu lernen, nachdem Hamas an die Macht kam, machte sie weitere Fehler. Schaut nur das Durcheinander, in dem wir uns befinden. Ich weiss nicht wie man dieses Problem lösen kann. Heute über einen Palästinenserstaat zu sprechen ist ein Witz. Wo würde dieser Staat errichtet? Israel kontrolliert beinahe die Hälfte der Westbank. Diese PLO Leute haben zu wenig Autorität. Wenn Israel die Westbank aufgibt, muss man nach Kairo oder Amman gehen, um nach Amerika zurückzufliegen, weil die Scharfschützen auf den Hügeln über dem Ben Gurion Flugplatz sitzen.
Wenn ihr diese Politik weiterverfolgt, eine Partei gegen die andere auszuspielen, wird es noch mehr Anarchie und Gesetzlosigkeit geben und Gott weiss, was sonst noch passieren wird. Das ist ein unerfreuliches Bild. Es ist sehr düster. Ich weiss.


Frage von Anthony Cordesman vom Zentrum für strategische und internationale Studien: ...Auf Grund von dem, was sie sagten, wie wird das den Kampf in Gaza und in der Westbank beeinflussen?
Antwort: Alle sprechen davon, wie Hamas jetzt am Ende sei oder demnächst zusammenbricht oder dass es nur eine Sache der Zeit sei, bevor die Palästinenser im Gazastreifen gegen Hamas aufstehen. Ich teile leider diese Einschätzung nicht. Hamas hat vielleicht einen grösseren Schlag bekommen. Viele ihrer Institutionen sind zerstört worden. Sie wurde in mancher Hinsicht unterminiert. Aber mir macht Sorge, dass Hamas immer noch viel politische Unterstützung bekommt. Hamas ist weiterhin stark wie in Gaza. Warum? Ich habe das schon seit Jahren gesagt: Hamas kann man nur unterminieren und schlussendlich zum Aufgeben bringen, wenn man den Palästinensern eine bessere Alternative bringt. Nicht indem man ihre Hauptquartiere bombardiert oder ihre militärische Kapazität zerstört. Das ist zwar gut, aber es ist nicht genug.


Wenn ich – nachdem Hamas zur Macht kam - die Amerikaner und die Europäer wäre, wäre ich zu den PLO Leuten gegangen, welche die Wahl verloren, und statt ihnen Waffen und Geld zu geben, hätte ich ihnen gesagt: „Hört Leute, Hamas ist an der Macht wegen eurer Korruption, euer Misswirtschaft und weil ihr Diebe seid. Reformiert euch doch. Schmeisst diese korrupten Leute in der PLO oder Fatah heraus. Stellt eine Jugendpartei auf die Beine und fordert bei der nächsten Wahl die Hamas heraus.“ Das ist eine Möglichkeit.

Aber ich befürchte, dass Hamas unter den gegenwärtigen Umständen noch lange weitermacht. Viele Palästinenser werden euch heute sagen, dass Mahmoud Abbas ein Verräter ist, dass diese Leute in den Hauptquartieren der israelischen Armee waren und dem Krieg zuschauten. Hamas sagt bereits, dass Mahmoud Abbas Informationen an die Israeli weitergab über den Aufenthalt der Hamas Führer. Diese Anschuldigungen sind übrigens gravierend. Ich weiss nicht ob sie meine Geschichte in der Jerusalem Post lasen, wie Hamas in den vergangenen 48 Stunden massiv gegen die Fatah in Gaza vorging. Sie haben vielleicht 100 Fatah Leute getötet oder verwundet. Sie schleppen sie auf die Strasse und schiessen sie in die Beine. Sie haben sogar bei einigen die Augen ausgestochen. Vielleicht gehen sie jetzt dann zum Mittagessen. Deshalb will ich ihnen nicht im Detail beschreiben, was dort mit der Fatah geschieht. Aber Fatah ist wirklich unter Beschuss, und ich sehe niemand, der sie retten möchte.Ich sehe keine Massenbewegung gegen Hamas. Jedenfalls jetzt nicht. Ich habe mit vielen Leuten in Gaza gesprochen. Nicht eine Person hat Hamas für die Zerstörung seines Hauses verantwortlich gemacht. Ich höre viele Stimmen gegen Israel und gegen die arabischen Staaten. Und viele sind auf Mahmoud Abbas wütend. Dieser Krieg macht, dass die gemässigten Araber wie Toren dastehen, wie wenn sie auf der falschen Seite stünden. Wenn Al Jazeera, die populärste Fernsehstation in der arabischen Welt, Tag und Nacht gegen arabische Führer aufwiegelt und den Leuten Gelegenheit gibt zu sagen, dass unsere arabischen Führer Verräter seien, dass unsere arabischen Führer mit den Israeli unter einer Decke stecken, dass unsere arabischen Führer hoffen, in israelischen Panzern in Gaza einzumarschieren...dann weisst du, das kommt an. Die meisten Proteste in Kairo, in Khartum, in Jemen, wo immer du hingehst, sind in erster Linie gegen die arabischen Führer und Mahmoud Abbas gerichtet, und erst in zweiter Linie gegen Israel und Amerika.

Und jetzt sagen alle, man müsse Mahmoud Abbas nach Gaza bringen. Entschuldigung, aber wenn Mahmoud Abbas nach Gaza käme, würde er innerhalb weniger Minuten öffentlich hingerichtet. Man hat all diese Bürgerwehren in den Strassen. Die meisten kämpften nicht. Sie versteckten sich. Sie wurden zu „Zivilisten“ sobald die Israeli angriffen. Sie haben sich alle versteckt oder zogen sich zivil an. Wenn sie in die Spitäler gebracht wurden, hatten sie keine Waffen. Man zählte sie zu den Zivilisten. Ich weiss nicht genau, was dort drüben passiert, aber ich sehe keine Anzeichen, dass die lokalen Palästinenser oder andere Leute der Hamas offen entgegentreten….

In meinen Augen ist Khaled Abu Toameh wesentlich glaubwürdiger als jeder ausländische Kommentator, ob gerade in Israel oder nicht. Der Araber Abu Toameh sagt und schreibt, was die grosse leidende Mehrheit der Palästinenser unter ihren eigenen Verbrecherbanden und als Folge davon auch von der israelischen Armee zu leiden hat. Der einfache Palästinenser in der Westbank und in Gaza, ist so vollständig eingeschüchtert, dass er zu einem Widerstanden gegen die Gangs nicht in der Lage ist - in allen totalitär geführten Ländern - da gehören die meisten arabischen und muslimischen Staaten dazu - gibt es keine Meinungsfreiheit, schon gar nicht eine freie Presse, es wird gemordet, eingesperrt, gefoltert, Verrat gertrieben und Korruption kennt Grenzen. Dass Israel dies für seinen Nachrichtendienst ausnützt ist verständlich und kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Aber ob diese Lage für Palästina eine Zukunft hat, wage ich, sagen wir mal, zu bezweifeln.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Palästina als Kriminalroman

11.2.2009

Bevor ich zum Thema komme, eine Bemerkung über die gestrigen Parlamentswahlen. Wie erwartet, fand ein gewaltiger Rechtsrutsch statt. Das ist schwer zu verdauen. "Unsere" Parteien, Arbeitspartei und Meretz, haben ein Resultat einstecken müssen, das sie fast von der politischen Landkarte fegt. Eine Regierung der Rechtsextremisten unter dem Feigenblatt Netanjahus wäre zwar eine kurzfristige Katastrophe für den Nahen Osten, sie würde sich damit höchsten noch in der Religion, soweit vorhanden, von Machthabern unserer Nachbarländer unterscheiden. Aber, im Unterschied zu diesen Nachbarn, kann auch eine extremistische israelische Regierung wieder abgewählt werden. Bedingung dafür ist, dass sich die zwei oben erwähnten Friedensparteien zu einer glaubhaften Alternative aufrappeln. Das braucht ein oder zwei Jahre, vielleicht auch mehr, aber ein Israel ohne Parteien mit menschlichem Gesicht, kann auf die Länge nicht überleben. Diese Art Integration in die orientalische Welt brauchen wir nicht. Der Grund zum gestrigen Resultat haben vor allem die extremistischen jihadistischen Parteien unserer Nachbarn, ihre über Tausend auf Israel geschossenen Raketen zu verantworten, auch wenn, das ist nun mal so, die Zahl der israelischen Opfer kleiner ist, als die Zahl palästinensischer Opfer. Das stört, so mein Eindruck, einige Frieden um jeden Preis (Friedhof?) suchende Gutmenschen, die eine ausgeglichene Opferbilanz vorziehen würden – anders kann ich den anklagenden Vergleich über die Diskrepanz zwischen den palästinensischen und israelischen Opferzahlen nicht deuten. Dem Volk sind die Raketen aus Gaza und Libanon schliesslich auf den Geist gegangen und es will nun eine endgültigere Reaktion darauf. Hamas sei Dank für Lieberman, Marzel und Konsorten. Der zweite Grund ist das Benehmen der israelischen Araber in ihrer sichtbaren Mehrheit, die sich in den vergangenen Jahren leider öfters als antiisraelische und sogar judenhassende Minderheit im Lande gezeigt hat. Sie sägt am Ast, auf dem sie sitzt und macht damit ihren Freunden (ich zähle mich dazu) wenig Freude. Hoffen wir, dass unsere arabischen Bürger endlich einmal kulturellen Ballast abstreifen werden, statt Clans zu wählen, die sich hinter den rein arabischen Minderheitsparteien verstecken. Diese arabischen Parteien, die nichts für ihre eigene Klientel tun, sind eine Verschwendung wertvoller Wählerstimmen. Besser wäre es, dass statt Ra'am und Balad (die kommunistische Hadash zähle ich nicht dazu) zu wählen, arabische Israeli sich von ihnen wohl gesinnte gesamtisraelische Parteien wie eben Meretz und die Arbeitspartei vertreten lassen würden. Hoffen wir, dass der faschistoide Spuck in der israelischen Politik, auf jüdischer und auch auf arabischer Seite, bald vorüber gehen wird. Mehr als zwei oder drei Jahre gebe ich ihm nicht, doch, wie vieles, ist auch die Politik keine Einbahnstrasse. Aus diesem Grund sehe ich den möglichen Rückzug der Meretz und Arbeitspartei aus Gründen ihrer Verantwortung für das Wohlergehen des Staates zurzeit als nicht opportun. Ich hoffe, dass wer immer die kommende Regierung bilden wird, sich auf eine möglichst breite politische Bandbreite einlässt, die aber keine Rechtsextremisten beinhalten darf.

Jetzt zu wirklich Wichtigem, dem oben angekündigten Krimi. Es sind eigentlich zwei. Heute beendete ich "Der Verräter von Bethlehem" von Matt Rees und begann umgehend mit der Lektüre dessen zweiten Buches "Ein Grab in Gaza". Zwar lese ich die Bücher in der original englischen Version, doch hoffe ich die deutschen Ausgaben, die schon herausgekommen sind, seien gut übersetzt. Was auch immer – im bin begeistert. Der Autor, ein britischer Journalist, der schon lange Jahre in Jerusalem lebt und die Westbank und ihre Gesellschaft kennt, hat mit diesen Krimis eine Beschreibung des dortigen Lebens geliefert, die genau und spannend eine Gesellschaft der Angst wiedergibt – fast wie in einem soziologischen Textbuch. Wie die palästinensische Gesellschaft von ihren als Freiheitskämpfer getarnten Verbrecherbanden terrorisiert wird, wie Christen von muslimischen Nachbarn verfolgt werden, wie die vollständige Korruption dieser Gesellschaft durch eben Korruption, Machtmissbrauch, einem kulturbedingten archaischen Ehrenkodex, religiösem Fanatismus und gegenseitigem Hass, sich selbst und ihre Zukunft zerstört, all das wird von Rees in faszinierender Dichte detailliert beschrieben. Er beschreibt auch die stete Bedrohung, die ein Einzelner erfährt, der sich dagegen stellt, weil er eine in dieser Gesellschaft unübliche Zivilcourage besitzt und die Wahrheit sucht und politisch inkorrekt denkt, spricht und handelt. Israel wird als fast unsichtbare, sich hinter dem Horizont befindende Bedrohung dargestellt, die Korruption der palästinensischen Gesellschaft für ihren eigenen Zweck nutzend und damit palästinensischen Banden und Politikern eine Begründung, eine Ausrede für ihr Tun liefernd. Doch, das sehe als wichtig an, die Akteure dieser Gesellschaft sind nicht Israelis, sondern ausschliesslich Palästinenser. Zudem sind die zwei Bücher (es werden, so hoffe ich, weitere folgen), nicht nur gut beobachtete Gesellschaftsanalysen, sonder auch ausgesprochen gute Kriminalromane.

Ich besprach das Buch mit meinem drusischen Freund Hani Hasisi, der, nachdem ich es ihm beschrieben hatte, zustimmte und meinte, in der Westbank sei es fürchterlich, Spuren davon seien auch unter israelischen Arabern zu finden (z.B. Ehrenmorde, Judenhass), aber in Gaza sei es zehnmal schlimmer. Es sei nicht nur ein palästinensisches Phänomen, sondern diese interne Gewalt und Terror seien genau so ausgeprägt in anderen arabischen Ländern, in denen jihadistische, aber auch säkulare "Freiheitskämpfer" ihr Volk terrorisieren – dort sogar ohne die Ausrede "Israel" zu besitzen. Ausgerechnet Amnesty International berichtet heute aus Gaza an sich nichts neues, nämlich die Morde der Hamas an mehreren Dutzend Menschen und vielen mehr gefolterten Menschen in ihrer Gewalt. Einige waren für die Sicherheitsbehörden der PA oder Fatah tätig, also Gegnern der Hamas, wurden von dieser entführt und später tot aufgefunden. Das palästinensische Menschenrechtszentrum spricht von 32 auf diese Weise durch Hamas getöteten Menschen. Es ist wohl logisch anzunehmen, dass erstens, diese Zahl unvollständig ist und zweitens, diese Toten, zusammen mit Leichen aus Leichenhallen und ähnlicher Herkunft, den Opfern "israelischer Aggression" hinzugezählt worden sind.

Montag, 9. Februar 2009

1. Wie erkennt man Israelis und 2. der Nebelspalter von 1956



9.2.2009

Es sollte eigentlich nicht erstaunen zu welchen Längen unsere lieben Freunde, die Jihadisten gehen, um Israelis und Juden überhaupt als solche zu identifizieren um sie einzufangen. Obenstehende Gebrauchsanweisung der Al-Kaida beschreibt mit grosser Genauigkeit in bestem Arabisch, das Aussehen besonders jener israelischen Jugend, die nach den Jahren des Militärdienstes die Welt bereisen. Ziele dieser Reisen sind hauptsächlich Indien, der Ferne Osten und Südamerika. Der Al-Kaida Beschreibung stimme ich zu: langes unordentliches Haar, Krock-Sandalen, in Israel äusserst populär, und die althergebrachten Heilandsandalen, meist aus Leder. Es ist kein Geheimnis, dass Jihadisten, ob Hamas oder Hisbullah, ob unter der Oberaufsicht von Iran oder Al-Kaida, ihren dämonischen Hass auf Juden und ihren Staat Israel geschickt dazu realisieren, Israelis und Juden zu entführen, als Geisel zu benutzen wie Gile'ad Shalit und die toten Geiseln im Libanon oder phantasievoll zu ermorden, wie das gefilmte Köpfen des Daniel Pearl, das Quälen und Töten des Rabbinerehepaars und seiner Gäste in Mumbai, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Beschreibung junger israelischer Touristen gibt einen Fingerzeig, wie weit diese Verbrecher, in der westlichen Welt von links-grünen Sympathisanten "verstanden" und wortreich unterstützt, gehen, um ihre Ziele zu erreichen.
Im Internet und in der e-mail sehe ich fast täglich wiederholt dieselbe Nebelspalter-Seite von F. Behrendt aus der Ausgabe vom 28. November 1956. Das waren noch Zeiten. Israel war gerade acht Jahre alt, wurde unter dem Beifall der arabischen Welt (symbolisiert vom damaligen Präsidenten und Diktatoren Ägyptens Gamal Abdel-Nasser) von Terroristen beschossen und anderweitig gequält. Bis dann, im Jahre 1956, sich Israel wehrte – und die arabische Welt in grosser Betroffenheit weinte und die Hände verwarf. (Dass in diesem Krieg die zwei Partner Israels, England und Frankreich, ganz andere Ziele hatten, hat wenig mit der Motivation Ben-Gurions zu jenem Zeitpunkt zu tun. Er nutzte schlicht die gute Gelegenheit).







Die geniale Darstellung der damaligen Geschehnisse durch Behrendt war eine prophetische Sicht der nächsten Jahrzehnte, sogar bis heute, auch wenn sich einiges geändert hat. Israel hat viel vom Geist seiner ersten zwanzig Jahre verloren, der humanistische Pioniergeist des gesamten Volkes ist einem fanatischen Nationalismus relativ weniger, die egalitäre Sozialdemokratie der Gründerväter ist dem schweinischen Kapitalismus gewichen und soziale Verantwortung wurde in vielem privatisiert. Aber der Hass der arabischen und muslimischen Völker auf Israel – ob sozialistisch oder kapitalistisch, ist unverändert, wenn nicht sogar verstärkt, seit der Jihadismus der antisemitischen Muslim-Brüderschaften von Hassan Al-Banna und Sayyed Qutb in Ägypten erdacht und heute zur Grundlage des Jihadismus geworden ist. Ich schreibe bewusst der "arabischen und muslimischen Völker", denn einige derer Regierungen haben inzwischen das Licht erkannt und gemerkt, dass Israel erstens, Ahmedinejad paraphrasierend, nicht von der Landkarte zu radieren ist und zweitens, gerade da Israel eine jüdische und westliche Zivilisation und deren dynamischen Lebensstil vertritt, davon in der Nachbarschaft profitiert werden könnte und, drittens, die heute einzige Alternative zu den heutigen arabisch- muslimischen Machthabern ein jihadisches Shihadstaatssystem wäre, dem die heute Regierenden zuerst zum Opfer fallen würden.

Behrendts Zeichnung ist betitelt Israels "Aggression", in Anführungszeichen, wie es sich auch heute noch gehört. Auch wenn Versteher und Apologeten jihadistischen Judenmordes das anders sehen wollen. Ich denke da beispielsweise auf die Schweiz bezogen, auf die verquerte Opferpornografie eines Geri Müllers oder Daniel Vischers, der erstere motiviert durch eine Diät von Schriften selbsthassender Juden (es gibt einige, sogar in der Schweiz) und judenhassender Nichtjuden, die ihre, bei Besuchen in der besetzten Westbank empfangene Hirnwäsche bestätigen, ein Phänomen, das eigentlich für fast alle "Israelkritiker" auf eine oder andere Art gilt. Bitte nehmt zur Kenntnis, dass Amos Oz, der vielgepriesene Autor und Vertreter des Friedenslagers, Hamas Verbrecher nennt, nicht einmal den stolzen Titel "Terroristen" will er ihnen zugestehen.

Für morgen stehen in Israel Wahlen an, völlig unnötig aber trotzdem Weichen stellend. Auch heute ist mir noch nicht klar, wem ich die Stimme geben werde. Lea und ich schwingen im Zehnminutentakt zwischen Kadima, Arbeitspartei und Meretz hin und her, jeder von uns zwei hat seine eigenen Prioritäten. Alle haben wir Angst vor Lieberman und, etwas weniger, vor Netanjahu. Zippi Livni hat, so steht zu lesen, aufgeholt und es könnte wirklich ein Photofinish werden, zwischen Bibi und Zippi. Trotzdem sind wir besorgt, denn das nationalistische Lager ist gewachsen, jüdische Faschisten machen sehr viel Lärm – es scheint dass dieses Lager es leichter haben wird eine Mehrheit im Knesset zusammenzukriegen. Die einzige Hoffnung wäre eine grosse Koalition, die alle vernünftigen Grossparteien (und eine Kleine, Meretz) einschliessen würde und damit Lieberman an der Verwirklichung seiner dunklen Pläne gegen unsere einheimischen Araber, hindern würde, auch wenn ernstlich wir alle überzeugt sind, dass er damit nie durchkommen würde.

Auch ich bin besorgt über diese Entwicklung, doch Freunde aus dem Ausland, die mir ihre eigenen Bedenken mitteilen, müssen sich in Gottes Namen bewusst werden, dass dieser israelische Rechtsrutsch ein Resultat arabisch-jihadistischer Gewalt gegen uns ist. Mir passt das nicht, vielen anderen auch nicht. Vielleicht braucht es eine gewisse menschliche Grösse und vor allem einen klaren Kopf, um sich nicht von davon in eine extrem antiarabische Ecke hineinreissen zu lassen. Über Tausend israelische Tote und Tausende fürs Leben gezeichnete jüdische und arabische Israelis, Kinder und Erwachsene, können nicht grosszügig übersehen werden, noch weniger, wenn wir der pausenlosen Propaganda des Judenhasses und seiner Endlösung ausgesetzt sind. Ich behaupte, dass zweitausend Jahre der Judenverfolgungen den Juden die Kraft zum Überleben gestärkt haben, ohne sie jedoch in ihrer Mehrheit zu Rassisten zu machen.

Zum Abschluss eine Bemerkung zu einer Antwort auf meinen Leserbrief in der NZZ vom 5. Februar. Ich fragte warum das weltweit überrissene Interesse an Israels Benehmen in keinem Verhältnis stehe zur Grösse des Konfliktes im Vergleich zu anderen Konflikten in unserer Welt. Ich las die Antwort einer Frau Lenzlinger: "Die Antwort auf seine [Uri Russaks] Frage könnte aber auch sehr viel simpler sein: Israel findet mehr Beachtung, weil das Land und die unter uns lebenden Juden uns viel näher sind als die Hutu, Sudanesen und Afghanen." Das könnte sein, doch ist diese Sicht aus zweierlei Gründen bedenklich. Erstens, wieder einmal dürfen sich Schweizer Juden freuen, indirekt für Israels "Taten" verantwortlich gemacht zu werden. Zweitens, ist das "uns näher sein" ein Rassismus übelster Sorte gegenüber den Millionen Opfer des Völkermordes im Sudan, Zentralafrika und Afghanistan, die es offensichtlich nicht wert sind, von Schweizerischen Gutmenschen wie der Hausfrau Y. Lenzlinger in Zürich, zur Kenntnis genommen zu werden und in ihrem Überlebenskampf gegen massenmörderischen Rassisten in Darfur (Sudan), verfeindeten Stämmen in Zentralafrika und Steinzeitislamisten in Afghanistan unterstützt zu werden.

Also, gehen wir morgen wählen.

Donnerstag, 5. Februar 2009

Die Darfuris von Zichron Ya'akov (Teil 1)

3.2.2009

"Ich freue mich immer auf den nächsten Mittwoch", sagte Kobi, ein Freund in Zichron Ya'akov. Jeden Mittwoch um fünf Uhr nachmittags, geht er mit zwei neunjährigen Buben und seinem Sohn Pizza essen. Die zwei Buben sind Flüchtlinge aus Darfur, die mit ihren Familien ein Heim in Zichron Ya'akov gefunden haben. Vor kurzen ging ich mit zur "American Pizza", ass mit und unterhielt mich mit den zwei sehr fröhlichen und lachenden Jungen. Jetzt verstehe ich Kobi, denn nach dem Horror des Völkermordes in Darfur, den diese Kinder und ihre Familien in den letzten Jahren durchlebt haben, macht es nicht nur Eindruck, sondern auch Freude, mit ihnen zusammen zu sein. (Im Bild: (v.l.n.r.) Amr und Mudassr mit Kobi beim wöchentlichen Pizza essen). Es sind drei darfurische Familien, die in Zichron seit einem Jahr leben, sich gut integriert haben und inzwischen autark geworden sind. Wie kam es dazu?

Die Hintergründe sind bekannt. Im sudanesischen Darfur findet seit Jahren ein rassistischer Völkermord an Schwarzafrikaner statt, egal ob Muslime, Christen oder Animisten. Hunderttausende sind umgekommen, ganze Ortschaften werden zerstört und wer nicht fliehen kann, wird von den Janjaweed, einer von der Regierung des Sudans unterstützten islamistischen Miliz, getötet. Die mir erzählten Grausamkeiten möchte ich an dieser Stelle lieber nicht detaillieren. Flüchtlinge aus Darfur leiden an einem posttraumatischen Syndrom, das, trotz ihrer angeborenen Fröhlichkeit, vor allem die Kinder nicht so schnell loslässt.

In Zichron Ya'akov leben heute drei Darfuri Flüchtlingsfamilien. Die Familien sind Muslime, doch von einer freieren und toleranteren Art, als sie in unserer Region üblich ist. Sie flohen aus Darfur erst in den Sudan und dann nach Ägypten. In beiden Ländern wurden sie verfolgt, verprügelt und ausgegrenzt. Wie viele andere hörten sie von Israel und wollten dorthin fliehen. Sie gaben ihr letztes Geld an beduinische Fluchthelfer aus, die sie in die Nähe der israelischen Grenze im Sinai bringen. Viele dieser Flüchtlinge werden von der ägyptischen Armee gefangen, viele werden von ihr erschossen, egal ob Männer, Frauen oder Kinder. Oft geschieht, dass israelische Soldaten von der anderen Seite der Grenze dies mitverfolgen und nichts dagegen tun können. Wie mir von israelischen Soldaten berichtet wird, schliessen sie und ihre Offiziere sehr oft beide Augen, um Darfurflüchtlinge "ungesehen" durchzulassen, damit sie diese nicht, wie schon geschehen, wieder nach Ägypten ausweisen müssen. Laut Kobi, Professor der Neurobiologie an der Universität Haifa, werden Flüchtlingsfamilien aus Darfur in Israel erst interniert, Frauen und Kinder nach kurzer Zeit, die Männer etwas später, freigelassen. Es wird versucht, meist mit Erfolg, Arbeitsstellen zu vermitteln.

Die drei Familien, alle Muslime, lebten, bevor sie nach Zichron Ya'akov geholt wurden, nach ihrer Entlassung aus der Internierung im Kibbuz Kerem Shalom, nahe dem Gazastreifen. Kerem Shalom lag jedoch im Dauerbeschuss von Hamas-Raketen. Besonders für die Kinder, durch ein posttraumatisches Syndrom belastet, war dies wiederum eine schwierige Zeit – Amr erzählt noch heute in Kerem Shalom habe es jeden Tag "Bum-Bum" gegeben - und der Kibbuz beschloss, die Familie in eine ruhige Gegend zu verlegen. Kobi und seine Freunde boten sich an, da sie sich für eine solche Aktion vorbereitet hatten. Kobi erzählte mir, dass in Kerem Shalom beim Abschied Tränen geflossen seien, man hatte die Familien lieb gewonnen. Die Gruppe mit Kobi, dem Professor, besteht neben ihm aus Sharon, einer Amerikanerin, dem Ehepaar Nicole (Chile) und Steward (USA), dem Buchprüfer Muhammed und seiner Frau Farida aus dem Wadi Ara und Ro'i einem Rechtsanwalt. Was sie motiviert ist die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber dem Leiden anderer. Im Gegensatz zu palästinensischen Flüchtlingen, an die Milliarden verteilt werden, gehen Flüchtlinge aus Darfur, wie praktisch alle anderen, leer aus. Weder Europa noch die UNO interessiert sich für sie, das weltweite Gutmenschentum nimmt den Genozid in Darfur nicht wahr. Die Gruppe hatte Geld gesammelt, die Beträge von 100 Schekel bis zu einigen Tausend, je nach finanzieller Kraft des Gönners, und brachten die drei Familien im Hotel Havat Habaron unter, wo sie kleine Apartments erhielten. Schnell fanden die Männer und etwas später die Frauen Arbeit und nach recht kurzer Zeit wurden die Familien selbstversorgend. Nur das israelische Krankenversicherungssystem, erlaubt ihr Status noch nicht. Wie mir Kobi erklärt, habe die israelische Regierung inzwischen ein Gesetz erlassen, das eine grosse Zahl dieser Flüchtlinge als permanente Einwohner anerkennt und ihnen so sämtliche Bürgerrechte (ausser dem aktiven und passiven Wahlrecht) mit allen Sozialversicherungen. Das wird in wenigen Wochen der Fall sein, sodass die Kasse der Betreuungsgruppe entlastet werden wird. Permanente Niederlassung wird aber nur Flüchtlingen vor Völkermord und Rassismus erteilt, Wirtschaftsflüchtlinge erhalten sie nicht.

Unsere darfurischen Familien sind nicht gross. Omar und Malak haben einen Sohn, Amr. Die damals achtzehnjährige Safa heiratete Nassr in Zichron Ya'akov und gebar vor kurzem ihr erstes Kind, ebenso mit dem Namen Malak, im Hillel Yaffe Spital im nahen Hadera. Die dritte Familie, Abdul Shakur und Hadija haben zwei Kinder, den Sohn Mudassr und das Töchterchen Arafa. Muttersprache der Darfuris ist Arabisch.

Bei der Integration spielt Zichron Ya'akovs Bürgermeister Eli Aboutboul, Mitglied der Arbeitspartei, eine sehr wichtige Rolle. Weder sein Sozial- noch das Schulamt waren begeistert, Flüchtlinge betreuen zu müssen, doch Eli befahl ihnen völlig unbürokratisch, die Familien als volle Bürger von Zichron Ya'akov zu betrachten und entsprechend zu behandeln. Es gehe nicht an, dass im jüdischen Staat verfolgten Menschen nicht geholfen werde. Die Kinder gehen vom ersten Tag an in die Schule oder in den Kindergarten. Die gesamten Familien besuchen einen Ulpan (Sprachschule) um Ivrit (Hebräisch) zu lernen, Sie sprechen es heute schon gut, ich merkte sogar, dass die neunjährigen Mudassr und Amr miteinander Ivrith sprechen. Bürger Zichron Ya'akovs bieten sich als Freiwillige an. Sie geben Nachhilfestunden in Hebräisch, sind Babysitter, gehen mit den Familien einkaufen, bis sich diese damit auskennen und pflegen freundschaftliche Kontakte. Morgen werden sie beim Einzug in die eigene Wohnung mithelfen.

Es gibt auch Reibereien. Allerdings kaum mit den Einwohnern unserer Stadt, sondern mit den Einwohnern unserer muslimischen Nachbarstadt Faradis. Wie schon erwähnt, sind unsere Flüchtlinge aus Darfur Arabisch sprechende Muslime, aber der entspannten Art, die von vielen Palästinensern und israelischen Arabern nicht gerne gesehen wird. Eine der drei Frauen wurde im benachbarten muslimischen Faradis angepöbelt und offenbar eingeschüchtert und trägt seither manchmal ein Kopftuch. Doch nach den Erfahrungen mit der Janjaweed in Darfur nehmen sie das gelassen. Allerdings erinnert die Reaktion unserer einheimischen Araber an den arabischen Rassismus gegenüber Schwarzafrikanern, sogar wenn diese Muslime sind – ein eigentlicher Widersinn für eine Religion, die sich als umfassende Weltreligion sehen will. Es erinnert auch daran, dass der arabische Sklavenhandel mit Afrikanern bis heute noch nicht ganz ausgestorben ist.

Aktionen, wie hier über Zichron Ya'akov beschrieben, gibt es in Israel viele. Vor allem sind bei humanen Aktionen dieser Art traditionell Kibbuzim involviert, doch, wie Zichron Ya'akov beweist, helfen auch nicht kommunardische Gemeinschaften vom Tode bedrohte Flüchtlingen, um ihnen ein normales Leben zu verschaffen.

Probleme gibt es auch heute noch genug. Die Regierung fürchtet sich vor einer Überschwemmung durch Flüchtlinge aus der muslimischen Welt. Sie versucht sudanische Wirtschaftsflüchtlinge von Flüchtlingen aus Darfur, die vor dem Völkermord flüchten, auseinander zu halten. Das ist nicht leicht, besonders wenn beide aus demselben Land, dem Sudan, kommen. Es kam und wird auch weiterhin Konflikte zwischen "Staatsraison" und menschlichem und humanem Anstand geben, eine Situation, die sehr stark an die Schweiz erinnert, die sich 1935 bis 1945 erst mit jüdischen Flüchtlingen mehr schlecht als recht auseinandersetzte und später mit Flüchtlingen aus Afrika und dem Balkan konfrontiert wurde und noch wird. In einer Filmreportage der Fernsehsenders ARTE aus dem Jahre 2007 wird die Situation vor zwei Jahren beschrieben, die sich ein wenig geändert hat, werden doch inzwischen Flüchtlinge aus dem Sudan in arabische Wirtschaftsflüchtlinge und nichtarabischen Darfuris, die sich vor Völkermord retten wollen, eingeteilt und nicht pauschal gleich behandelt. Die Letzteren werden eine Chance bekommen, so hoffe ich, in Israel bleiben zu dürfen. Die ersten haben es schon geschafft.

Eine vielleicht gar nicht kuriose, aber verständliche Reaktion einiger Darfurflüchtlinge in Israel während dem vor kurzem zu Ende gegangenen Krieg in Gaza, waren die zahlreichen Anträge darfurischer Männer, in die israelische Armee dienen zu dürfen und für Israel gegen Araber zu kämpfen. Wenn sie in einigen Jahren volle israelische Bürgerschaft erhalten werden, können sie sich auch diesen Traum erfüllen.