Dienstag, 6. Juli 2010

Der Satz von Eike Geisel

Ich gebe offen zu bisher noch nie von Eike Geisel gehört zu haben. Nun fand ich zufällig einen Aufsatz über ihn in Lisa Blog aus 2007 (Geisel starb 1997), der es wert ist gelesen zu werden.

Eike Geisel schrieb [zur Zeit des Golfkrieges 1991]: "Im Namen des Friedens gegen Israel zu sein, ist etwas Neues. Denn dieses Ressentiment hat alle praktischen und politischen Beweggründe abgestreift. [...] Dieser neue Antisemitismus erwächst weder aus niedrigen Instinkten noch ist er Ausfluss ehrbarer politischer Absichten. Er ist die Moralität von Debilen."

Allein schon für diesen Satz darf Eike Geisel nicht vergessen werden. Er muss als Leitsatz eines jeden dienen, der sich dem Kampf gegen jene verschrieben hat, die eben „Im Namen des Friedens gegen Israel sind“, ob Juden oder Nichtjuden. Wobei ich, als Jude, die Ersteren weit schlimmer finde, da sie sich, wie Holocaustleugner, bewusst geschichtlichen und aktuellen Tatsachen verschliessen und nur zur Kenntnis nehmen, was in ihr “debiles“ (Geisel) Wahrnehmungsvermögen passt; und/oder noch schlimmer, glauben wie seinerzeit die jüdischen Kapos in den KZs der Nazis, durch Kriecherei dem Gas entgehen zu können. Wer wie ein guter Freund von mir, durchaus legitim und akzeptabel denkt, dass jüdische Vertreter eines Friedens um jeden Preis, selbst israelischer Selbstaufgabe als etwas schönes, als Ausdruck jüdischer Vielfältigkeit und innerer Demokratie sieht hat recht, doch die Grenze wird von jenen überschritten, die den Verzicht auf jüdische Selbstbestimmung fordern, den Zufluchtsort für verfolgte Juden, Israel, aufgeben wollen, Israel die Selbstverteidigung zu verwehren – all das ohne von den Folgen davon selbst direkt betroffen zu sein, denn man sitzt doch im vorläufig sicheren Ausland. Dafür werden die armen Palästinenser umarmt und sämtliche ihre, wie auch die damit verwandten jihadistischen, Gewalttaten „verstanden“ und als kulturelle Eigenheit akzeptiert. Dazu kommt, dass von antiisraelischen jüdischen Organisationen Palästinenser, die sich für einen echten Frieden einsetzen und sich dafür selbst in ihrer eigenen Gesellschaft gefährden, in Frage gestellt und ihnen Unterstützung verweigert wird – wie von mir vor einigen Monaten selbst erlebt (Uris Tagebuch 22.2.2010).

Sonntag, 4. Juli 2010

Vergnügliche und doch solide Informationen von Uli Sahm

Henry M. Broder schreibt in seiner Einführung „Sahm, der Saurier“ zum vor kurzem erschienenen Buch von Ulrich W. Sahm „Alltag im gelobten Land“ folgendes (von mir leicht aktualisiert): „Sie [die Korrespondenten in Israel] teilten sich in zwei Gruppen auf. Die Einheimischen, wie Sahm, und die Entsandten … Die Einheimischen wussten alles, die Entsandten wussten alles besser.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert, der Unterschied hat sich sogar noch weiter profiliert.

Uli Sahm schreibt Persönliches, Erlebnisse und Ereignisse über Familie, über Arafat, König der Korruption, dem Sahm jedoch bescheinigt, das bis anhin nicht existente Volk der Palästinenser erfunden und weltweit etabliert zu haben. Er schreibt über die Israel vor Terror schützende Mauer der grünen Linie, über Latrinengeschichten der Essener vor zweitausend Jahren, über die Rettung äthiopischer Juden, über das Leben mit der Gasmaske und viele andere Themen, ernsthafte und weniger ernsthafte. Sahm widmet auch ein Kapitel den Gourmets unter seinen Lesern (zu denen auch ich gehöre) – sogar für Gefillten Fisch ist ein Rezept zu finden – ob gerade das eine Speise für Gourmets ist, stelle ich zur Diskussion.

Ulrich Sahms Wissensschatz und Expertise beruhen auf hohem professionellen Standard, persönlichen Erfahrungen, grundsätzlichem Wissen und, das ist mein Eindruck, dem Grundsatz sich weder von der israelischen noch der palästinensischen Seite vereinnahmen zu lassen. Seine Berichte lässt er sich nicht, wie zahlreiche „Entsandte“ der Zunft im American Colony Hotel Jerusalems von palästinensischen Machern pfannenfertig „organisieren“. Er lässt sich nicht zum Sprecher der grossen palästinensischen Lüge und israelischen „Auslassungen“ degradieren. Gerade dadurch unterscheidet er sich von „entsandten“ Korrespondenten, die sich ihre Berichte am Telefon und Internet zusammenstiefeln – unter Profis nennt das auch „mit der Schere schreiben“ – und in der Welt dafür gelobt und zitiert werden. Bei Arafat in der Mukata war er viele Male zu Gast, die beschriebenen Erlebnisse beim Raïs gehören zum allerbesten dieses Genres. Sie stehen im Gegensatz zu vielen Berichten die mir auch schon aus erster Hand erzählt worden sind und, wie die von Uri Avnery, Arafats ehemaligem Türvorleger vom Dienst, vor Ehrfurcht auf der einen und Querulantentum gegenüber Israel auf der anderen Seite nur so strotzen.

Das Buch, von Uli Sahms Ehefrau, der Fotografin Varda Polak-Sahm, illustriert, ist eine hervorragende Lektüre für jene, die sich nicht nur ihre eigenen Vorurteile bestätigen, sondern sich von einem wirklichen Kenner der Materie ideologiefrei und aus erster Hand informiert sein wollen.

Ulrich W. Sahm: „Alltag im gelobten Land“ (Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2010)