Sonntag, 4. Oktober 2009

Die Stimme eines arabischen Israelis

Ich dachte bisher, der heute moderne jüdische Selbsthass sei eine relativ neue Seite des Judentums, eine Art Reaktion auf den Erfolg des politischen Zionismus. Doch beim Lesen einiger alter Schriften stiess ich auf eine Frage von Berl Katznelson 1. Mai 1936. Katznelson, einer der frühen Arbeiterführer und Ikone der zionistischen Bewegung fragte am 1. Mai 1936:

„Gibt es ein anderes Volk auf der Erde, das emotionell so verdreht ist, dass es alles was die eigene Nation tut als verabscheuungswürdig und verhasst sehen, während jeder Mord, jede Vergewaltigung und jeder Raub ihrer Feinde ihre Herzen mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt? So lange ein jüdisches Kind …. ins Land Israel kommen kann und hier vom Virus des Selbsthasses angesteckt wird …. lasst unser Gewissen nicht ruhen.“

(Quelle: Edward Alexander, “Israelis Against Themselves.” In The Jewish Divide Over Israel: Accusers and Defenders. Edward Alexander and Paul Bogdanor, Eds. (New Brunswick, New Jersey: Transaction Publishers, 2006), 35)

Soweit zum einem Dauerthema meines Tagebuches, doch diesmal aus der Feder eines historischen Zionisten.

Im März dieses Jahres war in der San Francisco Chronicle eine erstaunliche, an das amerikanische Publikum gerichtete, Stellungnahme zu lesen. Erstaunlich deshalb, weil der Autor nicht nur israelischer Diplomat, sondern als Beduine, also Araber ist, Dinge schreibt, die zwar stimmen, aber von israelischen Arabern höchstens in Gesprächen unter vier Augen geäussert werden. Der Mangel an wirklicher Zivilcourage in der arabischen Gesellschaft Israels ist vielleicht weniger stark ausgeprägt, als in arabischen Ländern, doch die Gefahren für den einzelnen arabischen Bürger können auch bei uns beträchtlich sein. Der traditionelle Gruppenzwang kann existenzielle Folgen haben, ja sogar das Leben kosten. Darum schätze, ja vielleicht sogar verehre ich arabische Freunde, die versuchen, das von ihnen als richtig gehaltene zu leben und sogar zu sagen, wohl wissend, dass sie sich damit extrem exponieren. Die Angst gerade das zu tun ist die Norm und es ist diese Norm, die israelische Araber dazu zwingt Dinge zu sagen und den Medien zu vermitteln, die dann als israelische Apartheid dem weltweiten Publikum verkauft werden.

Darum bin ich vom stellvertretenden Generalkonsul Israels in San Franzisko (USA) wirklich beeindruckt. Er äusserte sich direkt und undelikat im San Francisco Chronicle vom 4. März 2009 unter dem Titel „Lost in the blur of slogans“ (Verloren im Nebel der Slogans) zu den zahlreichen Aktionswochen israelhassender Nichtjuden und Juden extremer „linker“ Konfession, vor allem an amerikanischen Hochschulen. Ich möchte ein paar der Aussagen Ishmael Khaldis hier in Deutsch wiedergeben – Kommentare erübrigen sich:

• Ich bin ein stolzer Israeli – zusammen mit vielen anderen nichtjüdischen Israelis, wie Drusen, Bahai, Beduinen, Christen und Muslimen, die in der kulturell vielfältigsten und einzigen wirklichen Demokratie des Mittleren Ostens, leben.
• An jedem von ihnen gewählten Massstab – Bildungschancen, wirtschaftliches Weiterkommen, Rechte von Frauen und Homosexuellen, Rede- und Versammlungsfreiheit, legislative Vertretung im Parlament – sind Israels Minderheiten weit besser dran als in irgend einem anderen Land des Mittleren Ostens.

Ishmael Khaldi antwortet auf Vorwürfe der Israelhasser:

• Ihr verweigert Israel das fundamentale Recht jeder Gesellschaft, sich zu verteidigen: Ihr verurteilt Israel für den Bau der Sicherheitsgrenze, mit denen es seine Bürger vor Selbstmordbombern verteidigt ………, aber ihr habe keine Alternative zu offerieren.
• Eure Kritik ist bewusst heuchlerisch: Leiden Israels arabische Bürger an Nachteilen? Aber sicher. Leiden Afroamerikaner, die zehn Minuten vom Berkeley Campus leben, an Nachteilen? Aber sicher. Also sollen wir eine Berkeley Apartheid Woche starten oder sollten wir reale Wege finden, unsere Gesellschaften zu verbessern und vermehrte Gelegenheiten für Arbeit und Karrieren zu schaffen.
• Ihr verratet moderne Muslime und Juden, die [wirklich] daran arbeiten, Frieden zu schaffen. Euer Radikalismus untergräbt die Kräfte des Friedens in Israel und in den palästinensischen Gebieten. Wir arbeiten hart daran einen Frieden zu erreichen, der die legitimen Rechte beider Seiten, Israel und des palästinensischen Volkes, anerkennt und ihr versucht diese Bemühungen zu zerstören, indem ihr eine Seite verleumdet.
• Den Organisatoren der Apartheid Woche möchte ich folgendes sagen: Wäre Israel ein Apartheidstaat, wäre ich nicht für diesen Posten ernannt worden, noch hätte ich einen solchen gewählt. Es gibt viele Araber, in Israel und in den palästinensischen Gebieten, die mit grossem Mut den Weg des Friedens gehen. Ihr solltet uns unterstützen, statt gegen uns zu sein [zu agitieren].

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