Israel kann das nicht beeinflussen. Nicht einmal mit einem sofortigen Abzug aus der Westbank, obwohl gerade ein solcher für die Psychohygiene der Israelis von Vorteil wäre. Und schon gar nicht mit der Entsorgung unserer Atomwaffen. Ob wir die tatsächlich besitzen ist ja doch nur ein nie bestätigtes Gerücht.
Was für Israel zu tun bleibt ist weiterhin aufzupassen und Angriffe jeder Art entschlossen abzuwehren, sowie sich militärisch und mental stark zu halten. Es muss die innere Demokratie stärken und soziale Ungleichheiten, besonders für seine Minderheiten abschaffen. Es muss das Schulsystem sanieren, das in den letzten Jahrzehnten dank Likudregierungen von einem der weltbesten fast zum Schlusslicht der industrialisierten Welt geworden ist. Israel muss vor allem die wachsenden Ungleichheiten im Ausüben bürgerlicher Pflichten als allererstes Ziel seines Handelns erklären; der prozentuale Anteil nicht arbeitender Schmarotzer unter den Arbeitsfähigen ist rund dreissig Prozent höher als der Durchschnitt in westlichen Ländern. Seine Werte müssen zu den früheren Werten der Gründergenerationen zurückkehren, denen Geld zwar wichtig war, jedoch nicht wie heute zur Protzerei, sondern um damit dem Staat wirtschaftlich beizutragen. Die gewünschte aber bisher vereitelte Integration in eine Region, die uns nicht will, muss dem Wunsch weichen, zu fortschrittlichen sozialen Werten zurückzukehren. Die allgemeine Lebensqualität muss soweit verbessert werden, dass Israel wieder zum Stolz aller Juden der Welt und vor allem seiner eigenen Bürger werden kann. All das, ohne sich hinter der Jahrzehnte langen Ausrede „staatliche Sicherheit“ zu verstecken, der Ausrede fürs Nichtstun, die schon vor dreiundsechzig Jahren von Israels erstem Ministerpräsidenten David Ben Gurion eingeführt worden war. Zu seiner Zeit mag das noch einen realen Grund gehabt haben, der heute jedoch längst hinfällig geworden ist. Die Absicht mit unserer Umgebung in Frieden zu leben, auch wenn das zurzeit noch absolut unrealistisch, muss das erklärte Ziel israelischer Politik bleiben.
Wie komme ich zum Schluss, dass Israel keinerlei Einfluss auf einen wirklichen Frieden mit seinen nachbarlichen Feinden habe? Gründe gibt es viele, hier wenige Beispiele:
- Der hysterische Israelhass der Arabisch sprechenden und muslimischen Welt wird laufend stärker. Die Ideologie der grundsätzlichen Ablehnung der Juden und ihrem Staat wird laufend mit islamistischen Argumenten untermauert. Der als Antizionismus getarnte Judenhass breitet sich in Europa weiter aus und übernahm alte antisemitische Argumente, auch aus dem Dritten Reich.
- In Tunesien, heute von Muslimbrüdern beherrscht, wurde der Verfassung ein Zusatzparagraph hinzugefügt, niemals Israel anzuerkennen. Tunisien war der erste arabische Staat, der vor Jahrzehnten als erster aufrief, Israel anzuerkennen. Heute marschieren Salafisten zu Tausenden in den Strassen und rufen zum Judenmord auf, um, so heisst es, dadurch ins Paradies zu kommen.
- In Ägypten finden antiisraelischen Demonstrationen statt, die israelische Botschaft wurde attackiert und die Belegschaft musste evakuiert werden. Der allgemeine ägyptische Israelhass ist so penetrant geworden, dass sogar die Muslimbrüder zur Mässigung aufriefen.
- In der Union der Parlamente aller Mittelmeerländer, an der auch Israel teilnimmt, kam es zu gewaltsamer Aufruhr an der letzten Versammlung in Marokko, dem wohl tolerantesten arabischen Staat. Das Sitzungsgebäude wurde gestürmt und der Chef der regierenden Islamistenpartei rief, der Boden seines Landes sei durch die Anwesenheit eines Juden aus Israel verunreinigt worden.
Diese Situation hat dazu geführt, dass manche Bürger westlicher Länder auf den verführenden Gedanken kommen, die Probleme des Mittleren Ostens würden wie durch ein Wunder verschwinden, wenn Israel nicht mehr existieren würde.
Genau so verführerisch ist die Idee westlicher Juden, dass Israel nur weitere Zugeständnisse an die Palästinenser zu machen hätte und alle Probleme der Juden weltweit, würden sich in Wonne auflösen.
Es wird uns gesagt, nur wenn die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten boykottiert würden, sei Israel gerettet.
Auf der anderen Seite ist von niemandem zu hören, dass nur arabische und muslimische Bereitwilligkeit überhaupt Frieden zu schliessen und die für sie selbst ungeheure Gefahr durch den Islamismus zu erkennen und zu besiegen, einem Frieden mit Israel eine Chance geben würde.
Zwei Schlüsse ergeben sich durch oben erwähnte Situation:
1, Israel kann nichts tun, es hat keinerlei Einfluss auf die sich radikalisierende arabische Welt. Es spielt keine Rolle, welche Partei gerade Israel regiert, ob Linke oder Rechte, Nethanyahu, Barak, Olmert, Begin oder Rabin. Ein Blick in die Vergangenheit beweist, dass alle Initiativen und Friedenvorschläge stets von seinen Verhandlungspartnern abgeschmettert worden sind. Es liegt nicht in der Macht Israels, das zu ändern. Sogar wenn Nethanyahu das möchte.
2. Israel hat nicht die Macht, dies zu ändern. Wir können uns politisch nach Rechts oder Links wenden, wir können sitzen und verhandeln, gar aus eigener Initiative zur 1967 Grenze (Waffenstillstandslinie) zurückkehren, nichts wird einen Unterschied machen.
Was ich hier schreibe klingt sehr nach rechtslastiger, friedensfeindlicher Ideologie. Das ist es aber nicht. Es ist reinster Realismus. Er wird inzwischen auch von linken Politikern bis hin zu Meretz begriffen und anerkannt. Leider wird dieser Realismus von der israelischen Rechten zu einer aggressiven supernationalistischen Ideologie des Landdiebstahls und des Araberhasses hochstilisiert und politisch missbraucht.
Sicherlich bin ich für die Zweistaatenlösung, denn eine andere gibt es nicht. Aber wir brauchen nicht noch weitere Abschussrampen für Raketen palästinensischer und jihadistischer Möchtegern-Völkermörder. Ich will eine ideale Lösung für Frieden und gute Nachbarschaft – kann mir aber diese leider in näherer Zukunft nicht vorstellen. Dass der schwarze Peter dazu nicht bei Israel und auch nicht einmal bei den jüdischen Siedlern ist, hat der Auszug aus Gaza in 2005 bewiesen, ob Terror verstehende Israelkritiker das wahrhaben wollen oder nicht.
Israel sollte aufhören, sich selbst Vorwürfe zu machen. Klar, der Staat der Juden ist nicht perfekt und macht Fehler, sogar viele. Statt Nethanyahu, seinen Siedlertypen und rabbinischen Hexern, wünsche ich mir eine Regierung mit Visionen. Aber für arabischen Hass, gezüchtet durch reaktionäre Kleriker und faschistische Politiker, der Tradition fehlender Selbstverantwortung und ewigen Sündenbocksuchens, für mangelnden Fortschritt in Wirtschaft, Bildung und Politik – dafür kann Israel nichts. Es hat aber dafür gesorgt, dass arabischen Schulen im eigenen Land ihren Job tun und den in der arabischen Welt noch immer üblichen Analphabetismus ausgemerzt haben, sodass es diesen nur noch bei sehr alten arabischen Menschen gibt. Die grosse Zahl arabischer Ärzte, arabischer Intellektueller, das erfolgreiche Wachstum traditioneller und moderner arabischer Kultur im Land und den Anschluss an die Moderne, um nur ein Beispiel zu nennen, all das geht auf Israels Konto. Beispiele gibt es viele, sie wären einen anderen Artikel wert. Noch gibt es soziale Benachteiligungen nicht gesetzlicher Natur und bösen Willen bei Politikern und Teilen jüdischer Bürgern, doch nirgends in der arabischen Welt leben Araber so frei und mit allen bürgerlichen Rechten (allerdings auch Pflichten), wie in Israel.
Israel muss sich weiterhin schützen, seine freie Gesellschaft, seine Kultur und seine Wirtschaft. Und das Land und dessen Sicherheit als Demokratie zu existieren. Wenn schon jemand boykottiert werden sollte, warum nicht Israels Feinde? Jene, die weiterhin insistieren unter allen Umständen unsere Feinde zu bleiben und uns umzubringen. Das wäre ein sinnvoller Boykott, denke ich.
In diesem Tagebucheintrag habe ich neben eigenen Gedanken auch solche von Barry Rubin eingefügt, einem Linken, der eine ähnliche Entwicklung durchgemacht hat, wie ich. Doch wurde er nur Professor am IDC in Herzlia, während ich es immerhin zum freischaffenden Rentner gebracht habe.