Donnerstag, 28. April 2011

Medien und ihre Konsumenten zum Thema Israel



Ich traf mich gestern mit Esther zum Kaffee im Café Mokka. Sie erzählte mir über einen Besucher aus der Schweiz, der – wie bei uns und Freunden in Israel üblich – einige Tage beherbergt wurde. Dieser Besuch war, wie sie überrascht feststellten, gar kein Israelfan sondern ein „Israelkritiker“, der endlich einmal das von ihm kritisierte Israel besuchen wollte. Wohl um seine Kritiken bestätigt zu sehen. Aus ihm wurde aus dem Saulus ein Paulus. Als Beispielt brachte er die Luftangriffe Israels auf Gaza ins Gespräch und musste herausfinden, dass diese durch Raketen, Mörser und Antitankwaffen, von Hamas liebevoll auf israelische Kindergärten, Schulen, Privathäuser und ähnlichem geschossen, ausgelöst wurden. Das hatte er nicht gewusst, so wie vieles andere auch, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Israel ein ganz normales Land ist, das sich dummerweise in einer ganz und gar nicht normalen Region befindet. In einer Region der Diktaturen, der Korruption, der endlosen und blutigen Gewalt und vor allem in einer Region, in der von ganzem Herzen gehasst wird. Man hasst seine Nachbarn, die Sunniten hassen die Schiiten, die Muslime hassen Christen und Juden, die Islamisten hassen die gesamte nichtislamische Welt und die meisten Bewohner dieser Region hassen vereint und mit Inbrunst Israel, den Staat der Juden. Oder, dass die ach so verpönte Besetzung der Westbank und des heute freie Gazas das Resultat des arabischen Angriffs auf Israel in 1967 ist (was durchaus nicht heisst, dass Israel dort bleiben soll!). Esthers Gast ist (oder war) ein typisches Produkt medialer Gehirnwäsche, so wie sie besonders in der europäischen Presselandschaft gängig ist. Aber diese zwei Wochen hat er genutzt und hat mit Hilfe von Esther und ihrem Mann Alex viel gelernt. Er merkte, dass alles sehr viel anders ist, als sein von den Medien verformtes Hirn es gespeichert hatte. Plötzlich verstand er, dass es zu Geschehnissen einen Auslöser und einen Kontext gibt. Zurück daheim habe Esther's Gast seine neuen Erkenntnisse schon angewendet, wie zum Beispiel die israelische Reaktion auf die Beschiessung des Schulbusses, bei der "nur" ein Kind getötet worden war, weil alle anderen zwei Minuten vorher ausgestiegen waren.

Ich frage mich öfters: was ist es denn, das einen europäischen Journalisten zum Experten über den Nahen und Mittleren Osten macht? Hat er Arabistik oder gar Judaistik studiert, vielleicht Politwissenschaft, Islam oder Geschichte. Weit wichtiger als das: kennt er die Länder, über die er sich als Fachmann ausgibt nicht nur persönlich, sondern spricht er deren Sprache, hat er dort viele Jahre gelebt und einen tiefen Einblick in ihre Lebensgewohnheiten, ihre Art zu denken, ihre Sicht zu Geschehen im Rest der Welt gewonnen. Betreibt dieser Wissensvermittler, der – leider – mehrheitlich Vorurteile oder realisierte Wünsche seiner Redaktion weitergibt und damit die Einstellung zu Arabern und Juden prägt Fernrohrjournalismus aus Nikosia, Beirut oder gar ausschliesslich vom Schreibtisch seiner Redaktion aus, gestützt bestenfalls durch Stippvisiten an die Orte des Geschehens. Oder schreibt er einfach von Kollegen ab, wie ich auch schon gehört habe?

Ich habe Journalisten in Israel kennen gelernt, die das Land, die besetzten Gebiete, Gaza und vor allem die Mentalität und Geschichte der Juden und der Palästinenser tatsächlich kennen und verstehen, besser oft als alteingesessene Israelis. Meist wohnen sie seit sehr langer Zeit in Israel. Sie organisieren ihre „Scoops“ nicht über das American Colony Hotel in Jerusalem. Sie haben tatsächliches Hintergrundwissen und hinterfragen und überprüfen alles, das von offiziellen Stellen Israels und seiner Feinde aufgetischt wird, aber auch was in der internationalen und lokalen Presse steht. Und vor allem haben sie Empathie zu Israel, den Juden und deren Geschichte, denn ohne diese lässt sich das Geschehen um Israel und seinen Nachbarn nicht verstehen. Anders als in den geschlossenen Gesellschaften arabischer Länder, der Westbank und Gaza sind in Israel Journalisten frei zu recherchieren, auch wenn durchaus sein kann, dass Pressestellen der Armee und der Regierung ihre Sicht etwas gefärbt vermitteln. Zensur gibt es ausschliesslich für Themen der Sicherheit.

Die Sicht ausländischer Bürger, die keine besondere Beziehung zu Israel haben, wird vor allem durch die von ihnen frequentierte Presse bestimmt, Zeitschriften, Radio und Fernsehen. Dazu kommen persönliche Einstellungen gegenüber Juden und Rassismus auch gegen das arabische Volk, die von purem Rassismus bis zu Anhimmelung reichen kann. Die Tatsache, dass die Brutalität des Lebens in der arabischen Welt, die dortigen Kriege (gerade heute sichtbar wie kaum zuvor), die Verfolgung Andersgläubiger, Frauen und Minderheiten ist heute beim besten Willen nicht zu ignorieren oder gar abzustreiten, genau so wie die Tatsache, dass all das wenig, eigentlich gar nichts mit Israel zu tun hat.

Israel schloss Friedensverträge mit den Regierungen Jordaniens und Ägyptens ab, die bisher technisch funktioniert haben. Ich schreibe „mit den Regierungen“, denn die von diesen Regierungen regierten Völker machen kaum mit, sondern hassen weiter. Ob die arabischen Revoluzzer der heutigen Tage den Antiisraelismus ihrer Massen ändern wollen oder können bleibt abzuwarten. Bisher sind keine Anzeichen dafür sichtbar geworden, hat doch das Thema Israel mit den Zuständen gar nichts zu tun und diente doch nur als Ausrede der nun angegriffenen Diktatoren, um von eigener Korruption und Misswirtschaft abzulenken. Doch da noch alles im Fluss ist, sollte man sich noch endgültigen Beurteilungen enthalten, auch wenn heute bekannt gegeben wurde, dass eine Mehrheit der Ägypter den Friedensvertrag mit Israel annullieren möchte. Nur eines: in der Presselandschaft ist es relativ still geworden zu Israel. Haben die Medien die wirklichen Probleme des Nahen Ostens entdeckt? Wohl kaum, sobald Mubarak tot, Assad und Gaddafi definitiv abgesetzt sein werden, könnte es in der arabischen Welt wieder langweiliger werden. Dann zurück nach Israel, in dem jeder Journalist in einer angenehmen westlichen Atmosphäre mit wenig Gefährdung des eigenen Lebens, sich aufhalten und kreativ News produzieren darf.

Freitag, 22. April 2011

Pessachgedanken



Der wirklich Status quo

Dazu als Einstieg ein Filmchen aus London, in dem auf sehr deprimierende Art und Weise vorgeführt wird, mit welcher Barbarei Israel und die Kulturwelt konfrontiert sind. Selbstverständlich werden darauf viele reflexartig und wie aus der Kanone geschossen antworten: „Ja, aber das sind nur einige Verrückte. Die muslimische Mehrheit ist lieb, denkt pluralistisch und strebt nach Demokratie“. Dazu ist höchstens zu sagen, dass bisher noch keine wirklich demokratisch und pluralistisch denkende Muslime bemerkbar geworden sind – auch wenn oberflächliche Seelen die heutigen Bestrebungen zu einer arabischen Demokratie, diese durch die Demonstranten in Ägypten, Libyen, Syrien und wie sie alle heissen, vertreten sehen. Zwar wünsche ich von ganzen Herzen, dass wirkliche Freiheit und nicht die in meinen Augen aufs wirtschaftliche beschränkte Freiheit dem arabischen Volk gegönnt wird – nur glauben werde ich das erst, wenn ich es sehe. Das Eingreifen des Militärs in Ägypten lässt solche Hoffnungen allerdings schwinden, auch wenn sie dem Einfluss der Muslimbrüder vorzuziehen ist.

Der Staat der Palästinenser

Deprimierend ist in diesen Wochen und Monaten der Erfolg der palästinensischen Welt in der Delegitimisierung Israels. Zwar habe ich jeden Glauben auf einen Erfolg allfälliger Verhandlung zwischen Israel und den Palästinensern verloren, ganz besonders jetzt, wenn die Aussicht besteht, dass Letztere ihren Staat von der UNO ohne die geringste Gegenleistung gratis und franko ins Haus geliefert bekommen werden. Vergessen wir allerdings nicht, dass 1947 mit der UNO-Resolution 181 Israel gegründet wurde. Israel wird, falls dieser palästinensische Staat zu Stande kommt, diesen sicherlich nicht angreifen, doch macht es sich Sorgen um die Zukunft. Wird es Raketen und Mörserbeschuss geben, wird der Terror wieder zunehmen, gegen den man sich wehren muss? Der feine Unterschied dieser Staatsgründung im Vergleich zur Gründung Israels ist der, dass Israel sich nach der von ihr akzeptierten UNO-Abstimmungsresultat erst seinen Staat erkämpfen musste, denn die arabische Welt wollte ihn sofort vernichten. Die Tatsache, dass die arabischen Angreifer zum Teil von früheren Nazioffizieren kommandiert worden waren, ist heute kaum noch bekannt, ebenso wenig wie die Tatsache, dass der aus den Zwanzigerjahren stammende muslimische Judenhass der Muslimbrüder von der Naziideologie mitgetragen wurde und heute von Hamas weiter geführt und verkündet wird.

Zu einem nicht unwesentlichen Teil ist die israelische Regierung für den heutigen Stand der Dinge selbst verantwortlich. Nicht nur, weil sie Verhandlungen aus dem Wege geht – die Palästinenser tun genau dasselbe und zum verhandeln braucht es halt mindestens zwei. Ich klage Nethanyahu und Lieberman an, nichts zu unternehmen, um der Welt ohne weinerliche Opferspiele offen Hintergründe und Fakten auf den Tisch zu legen. Auf eine umfassende Art, unter Mithilfe der zahlreichen Freunde Israels, auch jenen, die es wagen, Israel gelegentlich zu kritisieren. Denn unkritische Freunde sind keine wahren Freunde, sie sind was im jüdischen Volksmund „Tocheslecker“ (siehe Google) genannt wird. Auch wenn Israel auch heute noch ein Licht unter den finsteren Gesellschaften und Staaten des Nahen Ostens ist, gibt es noch viel zu verbessern. Es müssen antidemokratische und rassistische Entwicklungen bekämpft werden, die Israel mehr bedrohen, als die islamistische Gefahr. Gegen Gefahren von aussen gibt es die Armee. Gegen die Gefährdung von innen sind Israels Bürger selbst gefordert, denn sie bestimmen den Charakter des Staates. Der Staat Israel darf nicht stagnieren oder gar einer reaktionären Politik verfallen, die gerade unter der gegenwärtigen Regierung von Nethanyahu und Lieberman zu Recht als grosse Gefahr für den Staat gesehen wird.

Ich finde es ein Armutszeugnis für die Regierung Nethanyahus, dass sie starr auf den kommenden September schaut, an dem vielleicht ein palästinensischer Staat von der UNO „bewilligt“ und ausgerufen werden wird. Sie tut nichts. Statt die Stunde zu nutzen und als erste auf die Palästinenser der Westbank zuzugehen (lassen wir Gaza für einmal auf der Seite) und ihnen positive und produktive Vorschläge zu unterbreiten, Hilfe bei der Staatsgründung anzubieten und sich positiv zu benehmen, statt in stiller Panik zu motzen, Wir wissen nicht wie sich Abu Mazen und seine Mannen die Gründung und die Führung eines eigenen souveränen Staates vorstellen und wie sie sich verhalten werden. Aber Israel darf nicht zulassen, als Miesmacher und Spielverderber dazustehen. Das kann sie ruhig der Gegenseite überlassen. Die rechtsextreme Regierungsideologie des Alles-oder-Nichts-Nationalismus ist nicht mit sicherheitspolitischen Bedenken zu verwechseln. Die Regierung braucht Druck von Seiten ihrer Freunde und Israel darf nicht in die palästinensische Tradition verfallen keine Gelegenheit auszulassen, eine Gelegenheit zu verpassen.

Die doppelte Nakba

Ich möchte hier kurz ein Thema besprechen: das der Flüchtlinge. Nicht nur der seit Jahrzehnten professionellen Flüchtlinge palästinensischer Provenienz, sondern der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Staaten. Denn mit kaum einem Thema in diesem Zusammenhang wird so viel Schindluder getrieben und unterschlagen. Keine anderen Flüchtlinge wurden je mit so reichen finanziellen Mitteln übergossen, auch wenn grosse Teile dieser Mittel in die Bankkonten ihrer eigenen palästinensischen Elite geflossen ist.

Der arabische Angriff auf Israel in 1948 produzierte etwa 700’000 arabische Flüchtlinge, die sich vor allem in Israels Nachbarstaaten niederliessen und dort in Flüchtlingslager gepfercht worden waren. Zwar sind von diesen Flüchtlingslager heute nur wenige noch wirkliche Elendsquartiere, aber gerade diese werden, wie das Beispiel Gaza zeigt, als solche gepflegt und zu politischen Zwecken manipulativ der weltweiten Öffentlichkeit vorgeführt, damit den Eindruck prägend, sämtliche Palästinenser lebten im Elend. Soweit das stimmt, ist dies die von arabischen Staaten seit jeher vertretene Politik. Sie ist besonders im Libanon zu beobachten, der diesen Flüchtlingen seit 1948 Eingliederung und Einbürgerung verweigert und sie künstlich im Flüchtlingsstatus hält.

In 1948 lebten in arabischen Länder rund 850'000 Juden.

Aden: 8’000
Algerien: 140’000
Ägypten: 75’000
Irak: 135’000
Libanon: 5’000
Libyen: 38’000
Marokko: 265’000
Syrien: 30’000
Tunisien: 105’000
Jemen: 55’000
(Quelle: American Jewish Yearbook 2001, Philadelphia: 
The Jewish Publication Society of America, compiled by the American Sephardi Federation)

Orientalische (heute sephardisch genannt wollende) Juden lebten seit Jahrtausenden in diesen Ländern und waren dort, im Vergleich zu ihren europäischen (aschkenasischen) Brüdern, gut integriert, soweit ihr Status als Nichtmuslime dies zuliess. In Nordafrika gehörten sie mehrheitlich zur unteren Mittelklasse, während in den mittelöstlichen Ländern wie Irak, Syrien, Ägypten sie zu grossen Teilen zur Oberschicht gehörten, oft einflussreich und vermögend. In den Jahren nach der Gründung Israels wurden in arabischen Ländern jedoch Pogrome veranstaltet und Juden und ermordet. Sie wurden enteignet und aus dem Land verjagt. Die Mehrheit von ihnen endete mittellos in Israel, wo sie, in einem schwierigen und langjährigen aber erfolgreichen Prozess zu israelischen Bürgern wurden. Wie europäische Juden zur gleichen Zeit und in den Jahrzehnten vorher.

Die rund 850'000 Juden aus arabischen Ländern wurden integriert. Sie jammerten, sie machten viele unangenehme Erfahrungen, doch sie wurden zu Israelis. Weil sie es wollten und weil der Staat der Juden alle jüdischen Flüchtlinge als Heimat und als Zuflucht dient, der hauptsächliche Grundsatz seiner Existenz. Von diesen Flüchtlingen träumt keiner von einer Rückkehr in die „Heimat“ – in den Irak, nach Ägypten, nach Jemen, Syrien oder Libanon. Sie hängen sich keine Schlüssel ihrer ehemaligen Häuser in Bagdad, Alexandrien, Sana’a, Damaskus oder Beirut um den Hals. Sie wurden nicht in Flüchtlingslager gepfercht, sie erhielten, wie jeder andere Jude, die sofortige Bürgerschaft Israels. Und vor allem, sie nehmen am bürgerlichen Leben des Staates der Juden teil, in der Politik, als Akademiker, Militärs und Geschäftsleute. Anderen blieb der soziale Aufstieg eher verwehrt – wie in jedem anderen Land auch, machte nicht jeder Karriere. Doch sind sie in Israel Teil eines Sozialstaates, der sich Bürgern in Not annimmt. Sie sind in die israelische Gesellschaft integriert, ihr politischer Einfluss ist gestiegen und sie träumen nicht davon, als hauptberufliche Flüchtlinge zu leben, Rachegelüste zu pflegen und von der Rückkehr in ihre zurück gelassenen Häuser und Ländereien nachzutrauern. Sie sind kritischer gegenüber Arabern, mit der Begründung, sie würden sie doch weit besser kennen, als ihre aschkenasischen Mitbürger.

Damit will ich eigentlich nur eines feststellen. Es gab zwei Nakbas. Eine selbstverschuldete arabische und eine unverschuldete jüdische. Auch wenn die Opfer der zweiten an „Wiedergutmachung“ aus der arabischen Welt nicht interessiert sind, muss die israelische Regierung der Welt diese jüdische Nakba in Erinnerung rufen. Wie die Juden Europas haben die Juden der arabischen Welt ihren Gastländern während den Jahrtausenden ihres Aufenthaltes viel beigetragen, kulturell, wirtschaftlich und wissenschaftlich. Dann wurden sie enteignet, verfolgt und verjagt.

Palästinensische Flüchtlinge wurden zu Leidensprofis, unterstützt von der UNO, der EU und den USA und als Berufsflüchtlinge weitergezüchtet durch die gesamte arabische Welt, also von ihren Brüdern. Jüdisch-orientalische Flüchtlinge hingegen wurden zu produktiven vollwertigen Bürgern des Staates Israels, die zwar nicht vergessen haben woher sie oder ihre Eltern kamen, doch ihre Anstrengung gilt dem Aufbau ihrer eigenen Existenz durch eigene Arbeit in einem Land, in dem sie sich zu Hause fühlen, zusammen mit Juden aus anderen Teilen der Welt. Für einmal müssen sie sich nicht als Minderheit fühlen, sich nicht dauernd erklären, beweisen und verteidigen – sie sind Teil des Souveräns eines demokratischen Staates.

Sonntag, 10. April 2011

"Mutprobe"


Der Killer der Familie Fogel (Eltern und drei Kleinkinder) in Itamar sei schon vor einigen Tagen gefasst worden. Er sei ein ehemaliger „Mashtap“, ein Kollaborateur mit den Israelis, gewesen, der bereute und in die Herde der Hamas zurückkehren wollte. Aber diese stellte ihm eine Bedingung. Zum Tatbeweis müsse er eine jüdische Familie umbringen. Was er bekanntlich tat. Also warten wir ab. Entweder es stimmt oder ist erfunden – möglich ist beides. Das Schicksal enttarnter Kollaborateure ist fotografisch vielfach belegt: erst werden sie öffentlich erschlagen oder erschossen, ihre Leichen durch die Strassen geschleift und dann an den Füssen an Strommaste gehängt. Die Geschichte ist nicht offiziell, sie ist noch ein Gerücht und wird es so lange bleiben, bis die Sicherheitskräfte mit einer Bestätigung herausrücken. Aus wohl politischen Gründen werden solche Vorfälle von israelischen und palästinensischen Behörden oft unterdrückt.

Wie gesagt, noch ist es ein Gerücht. Israelis fragen sich noch immer, wie eine solche Untat möglich ist, wie Menschen so barbarisch handeln können. Vielleicht hat der Familienmord in Itamar wenig mit Hass des Mörders zu tun, sondern mehr mit dessen Furcht für seine eigene Familie, verständlich zwar, aber seine Tat nicht entschuldigend. Das bestialische Verhältnis zu menschlichem Leben aus jihadistischen Kreisen wie der Hamas, ihr brennender Hass auf Juden und selbst auf jüdische Säuglinge, macht obige Story verständlich. Neu wäre sie nicht, aber was immer der Hintergrund sein mag - die Familie Fogel bringt sie nicht zurück.

Nun soll mir aber ja keiner kommen und von den bösen Siedlern faseln, die solches auf sich selbst brächten. Wie immer man zu diesen stehen mag, es entschuldigt keinen Mord. Apologetisch-ideologisches Geschwätz, wie es nach der Tat schon zu lesen war, ekelt mich an.

Dienstag, 5. April 2011

Carpe Diem


Erst möchte ich auf einen Artikel der New York Times (auch International Herald Tribune) erschienen Artikel aufmerksam machen. Darin wird ein Thema beschrieben, das mitbestimmender Teil meines Lebens in Israel geworden ist: die Kunstgalerie Umm El-Fahm und ihr Gründer und Leiter Said Abu-Shakra, heute einer meiner engsten Freunde. Ich bitte, diesen Bericht zu lesen. Es geht auch um das geplante Museum für zeitgenössische arabische Kunst. Wichtig ist Saids Aussage, dass dieses Projekt ohne sehr wesentliche arabische Unterstützung nicht gebaut werde: “I can’t imagine building it without the help of both communities,” he said. “The goal is not just to build the museum; it’s to do it together.” (Ich kann mir den Bau [des Museums] ohne Mithilfe beider Gemeinschaften [der arabischen und der jüdischen] nicht vorstellen). Das Ziel ist nicht nur das Museum zu bauen, sondern es zusammen zu tun. In anderen Worten, ohne substanzielle Mithilfe aus arabischen Kreisen werde er nicht bauen – etwas, das Said wiederholt betont.

Zur Sache:

Für jeden ersichtlich, zeigt die arabische Revoluzzerwelle, wie wenig der Araber-Israelis Konflikt mit den wirklichen Problemen der arabischen Welt zu tun hat. Natürlich wollen Gruppierungen und Individuen, die ideologisch gelähmt keinerlei Einsichten, seien diese noch so klar und überzeugend, das nicht wahrnehmen. Besonders wenn diese nicht in ihr politisch eingleisiges Auffassungsvermögen passen.

Dann kommt Richter Goldstone und widerruft die Grundlagen seines UNO-Bericht über den Gazakrieg und, so könnte man sagen, behauptet das Gegenteil. Man muss es dem Richter lassen, Mut hat er, denn inzwischen ist ihm sicher bewusst geworden, ab sofort ganz oben auf der Abschussliste verschiedener arabischen Extremistenclubs wie Hamas und Hisbollah – die ihn bisher als einen Hauptzeugen für ihre Lügenpropaganda verehrt haben – zu stehen.

Dann kommt die fast vollständige internationale Mediengemeinschaft, die bisher bewusst und mit Wonne arabischen und palästinensischen Lügengeschichten aufgesessen ist. Sie sind es vor allem, welche die Gräuelgeschichten israelischer Untaten verbreiteten und kaum arabische Menschenrechtsverbrechen, in deren Welt ein tagtägliches Vorkommnis, zur Kenntnis nehmen. Menschenrechtsverletzungen sind in ihrer Sicht ausschliesslich für antiisraelische Propaganda da – jetzt, wenn diese Welt plötzlich offiziell sehen darf, was alles blossgestellt wird – warten wir auf ein wenig Umdenken. Goldstones Einsicht wird den Schaden, den er mit seiner Kommission unserem Land zugefügt hat nicht wiedergutmachen können. Moshe Dayans in diesem Zusammenhang oft zitierte Aussage „Nur ein Esel ändert nie seine Meinung“ trifft auch hier zu.

Trotzdem, Goldstone hat eines fertig gebracht: Er schlug einen weiteren Nagel in den Sarg der Sage ausschliesslich israelischer Schuld an der Lage der arabischen Nation. Damit sollten die Gemeinschaft israelkritischen Linken und Grünen Europas, der Israelhasser an amerikanischen Hochschulen und der bigotten UNO-Menschenrechtsorganisation ihre Hosen osenHosen gänzlich verloren haben – auch wenn sie psychologisch unfähig sind, das zu realisieren. Das nach dem die heutigen „wundervollen“ Vorgänge in der arabischen Welt, diese Tatsache der gesamten Welt demonstrieren. Allerdings, eine Reaktion oben erwähnter Kreise ist deshalb ausgeblieben, sie sind wohl noch immer im Schockzustand und sprachlos. Denn diese, die bisher sämtliche Werte auf den Kopf gestellt, die Legitimität von Selbstverteidigung ins völlige Gegenteil gekehrt haben, ja die offene israelische Gesellschaft als Apartheid bezeichnen und die arabischen Diktaturen (ob islamisch oder nicht) als Demokratien beschreiben, wird der Boden unter den Füssen weggezogen. Die gegenwärtige Offenlegung der katastrophalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände in der arabischen Welt bestätigt eigentlich nur, was jeder der will, im Arab Human Development Report 2002 der UNO hätte lesen können.
Leider hat Israel für die neue Lage die falsche Regierung. Mit Alles oder Nichts wollenden Rechtsextremisten und der ausschliesslichen an sich selbst interessierten Ultraorthodoxie, die Israels heutige Aussen- aber auch Innenpolitik bestimmen, ist es unmöglich versöhnlich aber dennoch kraftvoll Friedenspolitik zu machen. Fehlt es Israel wirklich an Kraft, Willen oder Vorstellungskraft, den Tag zu nutzen und der Welt am lebenden Beispiel die wirkliche Lage im Nahen Osten vorzuführen und überzeugend zu erläutern. In der arabischen Welt geschieht revolutionäres, weltbewegendes. Eine bescheidene Revolution im israelischen Regierungsdenken ist nicht zu viel verlangt, um, sobald sich die Lage geklärt hat, mit den neuen arabischen Machthabern das Gespräch zu suchen. Zwar kann ich mir einige israelische Politiker für diese Aufgabe vorstellen, doch dazu müsste in der Regierung selbst und in der Knesset ein massives, auf Frieden durch Kompromiss gerichtetes Umdenken stattfinden. Noch sind wir nicht so weit. Ob sich in der in Erneuerung befindenden arabischen Nachbarschaft ein Partner finden lässt, wird sich herausstellen, es ist noch zu früh dazu, der Rauch hat sich noch lange nicht verzogen. Es sei aber gestattet zu fragen, ob Nethanyahus Regierung wirklich Pläne für Israels politische Zukunft der Vernunft vorbereitet.