Montag, 22. November 2010

Die Angst Dinge beim Namen zu nennen

Antisemitismus (ich ziehe eigentlich das Wort "Judenhass" dem Wort „Antisemitismus“ vor) ist heute so offen und verbreitet wie seit dem Kriegsende in 1945 nicht mehr. Vielleicht hat er vor 65 Jahren nicht aufgehört, wurde aber unterdrückt. Jetzt jedoch, nach seinem Auferstehen im Gewand des Anti-Zionismus und Anti-Israelismus scheint er eine neue Existenzberechtigung erhalten zu haben. Er wurde salonfähig.

Interessant die Tatsache, dass die Auslöser dieses schamlosen Neujudenhasses, der Islamofaschismus der islamische Welt, damit den grossen Lottopreis gewonnen hat. Und trotz diesem PR-Erfolg herrscht – noch öffentlicher als der heutige Judenhass – in der freien Welt Europa und Nordamerikas parallel dazu eine Islamophobie, die den Islam pauschal verunglimpft und kaum jene Muslime zur Kenntnis nimmt (zugegeben, es scheinen nur wenige zu sein), die sich von ihre eigenen Jihadisten nicht weniger bedroht fühlen, als die westliche Zivilisation. Stellen wir Judenhass der Islamophobie gegenüber, fällt Verschiedenes auf:

1. Für den Judenhass gibt es keinen wirklichen Grund, auch nicht die palästinensischen Flüchtlinge, deren politische Elite sich daran eine goldene Nase verdient. Der Judenhasser braucht keine Juden in seiner Nähe, er kommt auch ohne sie aus. Ein paar Biere am Stammtisch reichen für den Anfang. Juden tun ihm nichts, haben ihm als Juden nie etwas angetan – seine gesamte Phobie ist ein grundloser Wahn, geschürt von üblen Menschen, die ihre Lebensnische im Hass gefunden haben. Dieser Wahn hat die Inquisition, Pogrome, die Shoah und andere statistisch vielleicht weniger beeindruckende Mordaktionen verursacht, einen realen Grund dafür gibt es nicht.

2. Dem gegenüber steht die Islamophobie der heutigen Tage, die zu einem grossen Teil auf realen Ängsten beruht. Ängste verursachen Hass, wenn diese Ängste im Gegensatz zum Judenhass einen realen Hintergrund haben. Islamischer (früher war er „nur palästinensisch“) Terror hat die Welt eingeschüchtert, viele befürchten nicht grundlos, solche Freude am Töten könnte auch in ihrem Land, ihrer Stadt oder Dorf, im Flugzeug, Zug oder Tram in dem sie gerade reisen, passieren. Das sind Ängste, die auf Geschehenem beruhen. Islamophobie wird damit jedoch keineswegs akzeptabler, denn sie beruht grundsätzlich auf Vorurteilen, die in den letzten Jahrzehnten vom Jihadismus ein reales Gesicht verpasst bekamen, er hat sie bestätigt.

3. Als Reaktion auf jihadistischen Terror und Hass gibt es nur eines: Diese mit aller Kraft zu verfolgen und zu zerstören und mit allen Mitteln die westliche freiheitliche Zivilisation verteidigen. Leider, aus Gründen kultureller Traditionen, aber auch aus Furcht vor tödlichen Racheakten, verweigert sich die islamisch-arabische Welt, den Islamismus und dessen totalitäre Ansprüche zu verurteilen und ihn auszugrenzen. Ausnahmen sind einzelne vor allem im Westen lebender Muslime, bestätigen nur die Regel. Denken wir an Ayaan Hirsi Ali, Wafa Sultan, Salman Rushdie und andere werden rund um die Uhr bewacht und bewegen sich in der Öffentlichkeit nur mit Body Guards. Aber sie besitzen jenen Mut, der fast allen europäischen Politikern fehlt.

4. Der Jihadismus hat die westliche Polit-Szene verändert. Die früher humanistische Linke und noch weit mehr (wenigsten in der Schweiz) die Grünen (heute eher braun-grün), sind, wie man so schön sagt, „israelkritisch“ geworden, das Modewort für Judenhass oder auch Selbsthass verdrehter Juden. Zwar sind einige meiner besten Freunde in der Schweiz Linke (dies in Anlehnung an den „einige meiner besten Freunde sind Juden“ Spruch antisemitischer Judenfreunde), nur stimmt es bei mir tatsächlich – meine Freunde der Gesellschaft Schweiz-Israel zum Beispiel, mit denen mich heute enge Freundschaft verbindet – tragen dazu bei, dass ich den Mut nicht verliere. Palästinensische Mitarbeiter der Kunstgalerie Umm El-Fahm tun das auch. Genau so meine jüdischen Freunde in der Schweiz und in Israel, die oft nicht meine Sicht teilen, aber es fertig bringen manchmal diese zu adoptieren oder mich dazu bringen ihre Sicht zu akzeptieren.

Während der politische Islam (Jihadismus, Islamismus) mit seinen Gefahren für die westliche Zivilisation im Westen inzwischen wahrgenommen wird – Geschehnisse wie 9/11, Terroranschläge in London, Madrid, die Fatwas verantwortungsloser Imame und Mullahs, die Lügen und Schmähungen eines Ahmedinejad lassen sich heute nicht mehr unter den Teppich wischen. Sie wurden zum Wachruf für die westliche Welt und versetzten viele Bürger westlicher Länder in Angst – aus der, wie es so ist, Hass wuchs. Aber, hier setzt meine Frage an, islamistischer Terror ausserhalb Israels wird im Bewusstsein der westlichen Welt vom Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern (und der restlichen arabischen Welt) abgekoppelt. Wenn in Jerusalem ein Autobus in die Luft fliegt und Dutzende von Kindern zerrissen werden, ist das die „Rache der Unterdrückten". Im Gegensatz dazu, wenn in New York das World Trade Center zerstört wird und rund 3000 Zivilisten grausam ums Leben kommen – dann, ja dann ist es Terror. Dabei wird, bewusst oder unbewusst unterschlagen, dass es die selben islamistischen Fanatiker sind, die Israelis und Bürger anderer fortschrittlicher westlicher Länder sind, die aus einem für uns unverständlichen Hass gegen persönliche Freiheit, Gleichheit und Demokratie morden und verstümmeln und sich selbst, als Draufgabe, auch noch für diesen Irrsinn opfern. Der Antizionismus dient heute nur noch den Judenhassern, er ist inzwischen zweitrangig geworden, eines der jihadistischen Werkzeuge, eine der zahlreichen Ausreden zum Massenmord – die überragende Realität ist der oben erwähnte Kampf gegen Freiheit und Demokratie. Welche europäische Regierung hat bisher den Mut gefunden, dies ihren Wählern zu erklären? Das Bewusstsein dazu kommt von unten, einzelne Bürger erwachen und sehen Gefahren. Doch ohne offizielle Stellungnahmen und Aufklärung durch geeignete staatliche und akademische Gremien, besteht so die zunehmende Gefahr eines Rassismus gegen den Islam als Ganzes und alle Muslime. Überlassen und bekämpfen wir das Versprühen rassistischen und religiösen Hasses den Jihadisten. Deren Gewalt erzeugt Gegengewalt – irgendwann wird dieser eigene grauenhafte Hass gegen alles Nichtislamische, gegen menschliche Freiheit und allem das nicht mit ihrer Sicht übereinstimmt, in ihrem Gesicht explodieren.

Zum Abschluss eine Einladung: Lea und ich werden während den kommenden Festtagen in Zürich sein, vor allem um an unseren zwei dortigen Enkeln, Matan und Gil (Gilgul), zwei ganz gelungene junge Männer, Freude zu haben. Ich wurde von der GSI (Sekt. Zürich) eingeladen einen Abend am Runden Tisch zu bestreiten. Hier bitte die offizielle Einladung. Das mir vorgegebene Thema (die wissen was mich bewegt) ist delikat und ich werde mein Bestes tun es zu bewältigen, ohne auf allzu viele empfindliche Zehen zu treten.

Runder-Tisch-Gespräch zum Thema
„Der Einfluss der Ultra-Orthodoxie auf die Politik lsraels“
Beobachtungen und Reflexionen von Paul Uri Russak
Donnerstag, 13. Januar 2011, 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr
Israelitische Cultusgemeinde Zürich, Clubraum 2, (Lavaterstrasse 33)


1 Kommentar:

Tobias Schneider hat gesagt…

"Islamophobie wird damit jedoch keineswegs akzeptabler, denn sie beruht grundsätzlich auf Vorurteilen, die in den letzten Jahrzehnten vom Jihadismus ein reales Gesicht verpasst bekamen. Aber auch Islamophobie beruht grundsätzlich auf überheblichen Vorurteilen, ähnlich wie Judenhass (ich ziehe dieses Wort dem „Antisemitismus“ vor)."

Dem möchte ich vehement widersprechen! So gut wie alle ernsthaften Islamkritiker haben sich intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt und ihre Ergebnisse stammen aus einer Analyse des Systems Islam.

Zudem wird ein repressives System abgelehnt, nicht Menschen mit muslimischem Hintergrund per se.

Ideologien darf man ablehnen, meines Erachtens sogar hassen, das ist völlig legitim, so legitim wie der Hass auf den Nationalsozialismus.

Im übrigens hat niemand in der islamkritischen Szene etwas gegen Personen, nur weil sie als Muslime geboren wurden. Selbst wenn sich kritische Muslime weiterhin als Muslime verstehen, wie etwa Necla Kelek, werden sie auch von den vehementesten Kritikern des Systems Islam nicht abgelehnt, weil sie ja Muslime sind.

Antisemitismus wendet sich ganz primär gegen Menschen jüdischer Herkunft, egal wie sie zur jüdischen Religion stehen. Die jüdische Religion ist nur am Rande im Blickfeld von Antisemiten.

Die Ablehnung des Systems Islams wendet sich gegen eine Weltanschauung und ein repressives und expansives Gesellschaftssystem.

Das ist etwas völlig anderes.

Wenn ich hier "Naziphobie" zu einem dem Antisemitismus vergleichbaren Phänomen erklären würde, das dann "Rassismus gegen Deutsche" sei, wurde jeder mit dem Kopf schütteln.

Genauso wenig wie Antisemitismus und "Naziphobie" parallele Phänomene sind, sind es Antisemitismus uns "Islamophobie".

Das manche einfachen Gemüter nicht immer genügend differenzieren können, ändert nichts an der obenstehenden Analyse.