Sonntag, 5. Dezember 2010

Vernissage in Umm El-Fahm

Balata heisst auf Hebräisch Ton-, Porzellan- oder Keramikziegel und gemeint sind im allgemeinen Wand- und Bodenplatten, wie sie in Israel üblich sind. Balata ist der Name der gestern eröffneten Ausstellung in unserer Kunstgalerie in Umm El-Fahm, einem ziemlich strikt muslimischen Ort in Israel mit 50'000 Einwohnern, der grössten ausschliesslich von Muslimen bewohnten Stadt im Land. Regiert wird Umm El-Fahm von der Islamischen Bewegung Nordisraels, einem, so denken viele von uns, Ableger der Hamas. Früher, als die Kommunisten am Ruder waren, so erzählte mir ein dortiger Freund, ja dann hätte es in der Stadt noch Kultur gegeben, Kino und Theater. Heute ist die Galerie die einzige Oase kultureller Aktivitäten dieser Stadt, sie wird von den Islamisten nicht behelligt, dort darf man sich freuen. Die bisherigen Bürgermeister und ihre Regierungen haben die kulturellen Tätigkeiten Said Abu-Shakra stets unterstützt, manchmal sogar offiziell an Vernissagen. So auch heute. Der Vizebürgermeister der Stadt Mustafa Ralioun war anwesend und sprach versöhnliche Worte. Die Stadt wolle zum wichtigsten Begegnungsort zwischen Juden und Arabern in Israel werden, einem Projekt, das lobenswerter nicht sein könnte. Energisch und in Saids Vorstellungen und Erfahrung unterstützt von der Stadtregierung vorangetrieben, könnte das eine revolutionäre Änderung im Verhältnis zwischen den zwei Völkern im Land bewirken. Er weiss, dass die Galerie den im allgemeinen, wenn auch vorwiegend unverdient, unguten Namen Umm El-Fahms substanziell verbessert, viele jüdische Freunde anzieht, egal ob Linke oder Anhänger der Likudpartei, die pauschal verdächtigt werden, Araberfresser zu sein – ein Vorurteil, eines von vielen. Denn die Galerie zieht fast alle an. Ich gebe zu, dass ich Freunde habe, die nicht hingehen wollen, die Nabelschau auf ausschliesslich jüdisches halten. Sie wollen nicht wahrnehmen, dass eine relativ grosse Minderheit von über 20% der Israelis nicht Juden, sondern Araber sind, Muslime, Christen, Drusen. Das ist die ghettoide Angst vor anderen, die man hier in Israel wunderbar, aber nur teilweise berechtigt, hinter dem Konflikt Palästinenser/Araber und Israel verstecken kann. Mit dieser Einstellung verändert man nichts. Zwar gebe ich auch hier zu, dass es fast unmöglich scheint in unserer Generation eine Regelung zu finden, ich denke, wir werden das unseren Enkeln und Urenkeln weiter vererben. Doch nichts tun ist keine Lösung, wir schulden es uns selbst, an der Koexistenz, an Freundschaften (die es durchaus gibt) weiterzuarbeiten, selbst wenn keine sofortige Friedenslösung am Ende dieses langen Tunnels zu sehen ist. Die Motivation eines jeden Israelis selbst einem verträglichen Frieden beizutragen – das Wort „beitragen“ hat für mich überragende Bedeutung und sei dieser Beitrag noch so klein – ist für Israel überlebenswichtig. Hass nur mit Hass zu begegnen, ist keine Lösung, sie verspricht nur unendliche Feindschaft und Gewalt. Was nicht heisst, Gewalt und Terror mit staatlicher Gewalt zu begegnen. Sie darf nicht „verstanden“ werden, das ist Toleranz am falschen Ort. Gewalt darf nicht zum Selbstzweck verkommen, etwas, dass von jihadistischen Seite schon seit Jahrzehnten der Fall. Ebenso bei gewissen jüdischen Ideologiefantasten – ich denke da an Siedler, die palästinensische Bauer an der Olivenernte behindern, deren Olivenbäume zerstören, Hassdemos veranstalten (siehe Umm El-Fahm vor wenigen Wochen) – alles nur um zu demonstrieren, wer Herr im Haus ist.

Zurück zur Vernissage: Neben dem Vizebürgermeister der Stadt war auch die Beraterin des amerikanischen Botschafters in Israel für Kultur und Presse Hillary Olsin-Windecker anwesend. Sie begrüsste die Anwesenden, wies ausführlich auf die amerikanische Hilfe beim Löschen des gerade tobenden Carmelbrandes hin und lobte im Namen des Botschafters Said Abu-Shakra Werk. Dann lud sie uns zum Mittagessen ein.

Es freut mich, das zum Abschluss, dankbar festzustellen, dass die Galerie auch von Schweizer Gönnern unterstützt wird. Doch wir brauchen noch mehr solcher Unterstützung. Der bisherige Erfolg dieses Werk, das neben Kunstausstellungen hohen Niveaus, der Kinder- und Jugendkunstschule auch zur Begegnungsstätte aller Israelis geworden ist verpflichtet zum Wachstum, nicht nur zum Weitermachen. Das heutige Projekt ist der Bau eines Museums für arabisch-palästinensische Kunst in Umm-El Fahm. Von der Stadt haben wir das dafür vorgesehene Stück Land erhalten, das Gebäude wurde nach einem bemerkenswerten Architektenwettbewerb bestimmt und wir sind beschäftigt, die nötigen Mittel dafür aufzutreiben. Ich unterstütze dieses Projekt von Herzen, denn damit kann unseren arabischen Bürgern das abhanden gekommene Selbstwertgefühl auf friedliche Weise gesteigert werden. Sie und ihr Volk

haben eine Kulturgeschichte, die im allgemeinen Niedergang arabischer Zivilisation und Kultur, vielen nicht mehr geläufig ist. Es scheint mir wichtig, sie aus ihrer nicht nur selbst verursachten Opferrolle herauszuholen, die arabische Geschichte (ob es eine separate palästinensische gibt, sei dahingestellt, es scheint mir ein völlig nebensächlicher Punkt zu sein und ich möchte mich darüber hier nicht äussern) hat viel auf das sie stolz sein kann. Doch es scheint nicht sehr viele israelische Araber und Palästinenser zu geben, die sich dem heute bewusst sind.

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