Montag, 28. November 2016

Brennender Hass (2)

Weiter zum ersten Teil meines Beitrages vom 15. November 2016 im Zusammenhang mit den Bränden in Israel. 

Fairerweise will ich darauf hinweisen, dass die Brandstifter zwar arabisch-israelische Bürger, aber auch Araber aus den besetzten Gebieten waren. Wichtiger als diese Feststellung ist die Tatsache, dass arabischen Bürger genau so wie jüdische Staatsbürger ihre Bürgerpflichten wahrgenommen haben. In grosser Zahl als Freiwillige oder beruflich als Feuerwehrleute, als in allen Funktionen einer Ambulanzmannschaft agierende, als freiwillige Polizisten (ich war in jüngeren Tagen selbst einer) und vielem mehr. Ich finde es wichtig, dies zu erwähnen. Genau wie die Tatsache der zahlreichen Feuerwehreinsätze palästinensischer Feuerwehreinheiten, die Israel zu Hilfe eilten. Diese waren die Kehrseite der Medaille des israelischer Erfahrung mit unseren Cousins ennet der Grünen Linie. Auch wenn über vieles Schlimmes in Israel geschehendes dort und nicht weniger in der gesamten arabisch-islamischen Welt gejubelt und gefeiert wird – es geht auch anders. 

Nicht wenige Male habe ich in meiner zweiten Israelkarriere der vergangenen fast zwanzig Jahre, arabische Israelis kennengelernt, sei es bei Kaffee und Kuchen, bei Spitalaufenthalten, als Polizist und anderem, die sich aufrichtig um Akzeptanz als israelische Bürger bemühen. Auch wenn ihnen sicherlich klar ist, dass es auch unter uns Juden nicht wenige Leute gibt, völlig verallgemeindernd jedem israelischen Araber zweifelnd, kritisch, ja feindlich gegenüberstehen. Verallgemeinern macht unkritisch und verhindern den Willen hinter die Kulissen sehen. Verallgemeinerungen sind Gift und Ausdruck eines grundlegend faschisten Tendenz einiger israelischen Politiker, ihren Einfluss dafür einzusetzen ein solches Spiegelbild jüdischen Hasses auf Andere zu fördern. 

Kann es sein, dass die von Verteidigungsminister Yvett Lieberman eingeführte Strategie des Rüeblis und dem Stock auch für jüdische Rassisten gelten soll? Hoffentlich! Der Spruch stammt von mir und ist eine Abänderung der von USA-Präsident Theodore Roosevelt am 26. Januar 1900 an einen Freund geschriebenen Worte „Speak softly and carry a big stick, you will go far”. Dieses Sprichwort schlägt vor taktisch vorsichtig und ohne Aggressions vorzugehen, aber trotzdem bereit zu sein wenn nötig Gewalt anzuwenden. Ist Yvet Lieberman (oder gar Bibi Nethanyahu) ein Teddy Roosevelt?

Dienstag, 15. November 2016

Brennender Hass

In Haifa brennt’s. In Zichron Yaakov und vielen anderen Orten in Israel auch. Sogar in meinem relativ neuen Wohnort, in Kiriat Tivon, hat’s gebrannt, unweit meiner Altersresident. Der Schaden hält sich dort in Grenzen und wurde schnell gelöscht. Das dortige, von uns gerne besuchte indische Restaurant ist nicht zu Schaden gekommen. Im Haifa meiner Tochter Dvorit brennt es noch immer und die Schäden sollen bereits die Ausmasse und Schäden des Carmelfeuers in 2010 übertreffen.

Es gibt einen Unterschied zwischen den zwei Bränden. Auf dem Carmel war es die Leichtsinnigkeit zweier Jugendlicher, die den Brand auslösten. Böse Absichten waren nicht dabei. Doch die heutigen Brände in Haifa, Zichron Yaakov, Jerusalem und anderswo in Israel sind, Polizei und Feuerwehr sind sich einig, vorsätzlich gelegt worden. Auch wenn das extrem trockene Wetter und die heissen Winde Brände begünstigen, scheint es recht klar zu sein: diese zum Teil riesigen Feuer wurden gelegt. Jetzt freuen sich viele in unserer erweiterten Nachbarschaft und bedanken sich bei Allah. Sie sehen einen Zusammenhang mit der dämlichen Minarett-Abstimmung im Knesset, mit der die lauten und fünfmal täglichen Betaufrufe durch Lautsprecher abgeschafft oder eingeschränkt werden sollen. Scheichs, Imame und auch nichtprofessionelle Muslime in der arabischen Welt und Israel danken Gott, dass er die bösen jüdischen Israelis für ihre Absicht bestraft. Diese Parlamentsinitiative gleicht der schweizerischen Minarettverbots-Abstimmung von 2009, die ich genauso ablehnte, wie ich heute gegen die in Israel stattfindende Initiative in der Knesset bin. Beide dieser Initiativen sind von Hass motiviert, ob es Rassenhass oder religiöser Hass ist, bleibe dahingestellt. Nur eben, in Israel gibt es keine direkte Demokratie und so kann ich nicht mitentscheiden – keiner fragt mich.

Im Zusammenhang mit diesen Bränden ist Hass wieder in die Schlagzeilen geraten. So wie die heissen Winde die Feuer entfachen, entfacht er Antisemitismus, getarnt als Antizionismus. Der heutige Metropolico schreibt „Auf arabischer Seite werden die massiven Brände in Israel bereits gefeiert und Videos im Internet verbreitet. Ein Mitglied der Hamas soll auf Twitter gepostet haben, dass die Brände die Strafe für Israel wegen des Gesetzentwurfs zum Verbot von Lautsprechern in den Moscheen seien. ...... Andere, der Hamas nahestehende Sender senden fröhliche Lieder, und feiern die Brände bei »den Zionisten«.“ In anderen Worten – Allah straft Israel.

Ulrich Schmid der NZZ beschreibt es heute so: „Manche glauben das gerne, zumal auf arabischen Plattformen die Schadenfreude Urstände feierte. Tausende frohlockten, der Hashtag #Israelisburning wurde zum ganz grossen Renner. Vor allem in Ägypten, Jordanien und den Golfmonarchien wurden die Feuer als Strafe Gottes dafür gesehen, dass Israels Ultraorthodoxe in der Knesset dem Muezzin auf dem Minarett den Einsatz des Lautsprechers verbieten wollen. «Viel Glück den Feuern. Israel brennt», twitterte Scheich Mishari Rashed al-Afasy, Imam der Grossen Moschee in Kuwait.“ Fast schon lustig ist die Tatsache, dass es Israels Ultraorthodoxen gegen dieses Antiminarettgesetz sind, weil sie befürchten als Folge davon Ihren Sirenenalarm zum Schabbatbeginn zu verlieren.

Die islamisch-arabische Welt hat Hass zu einer Kultur erhoben, Hass ist zur Kunst geworden. Gehasst wird das jüdische Israel, die Juden ganz allgemein. Gehasst wird auch die westliche Kultur, ihre Weltlichkeit und der Fortschritt. Dieser Hass erinnert an den Hass eines Julius Streichers, Alfred Rosenbergs, des Jerusalemer Hitlerfreundes Muftis Hadsch Amin al-Husseini und ähnlichem Gesindel, dessen Lebensinhalt ausschliesslich darin bestand Juden zu hassen und vernichten zu wollen. Nur hat sich ein kleines Detail geändert: Wir Juden haben einen eigenen Staat und eine Armee. Wir Juden wehren uns. Erfolgreich.


Ein Fest der Versöhnung

Ein Fest der Versöhnung  

 Gershon Knispel mit Abu Chaled Marcha, einem Brückenbauer zwischen Arabern und Juden in Israel 
Als wir neben unserem Auto standen und eine Falafel assen näherten sich zwei jüngere Männer. Wir waren zu dritt, jeder von uns hielt einen Gehstock in der Hand, wie es sich für alte Menschen ziemt. Die zwei dachten wir bräuchten Hilfe beim Einsteigen. Doch wir bedankten uns und sagten wir kämen ohne Hilfe zurecht. Dann sagte einer der Zwei: „Ich danke euch, dass ihr gekommen seid“.
Es war eine mir gut bekannte Situation in Israel’s grösster arabisch-islamischen Stadt Umm el-Fahem. Wir hatten eben die neu renovierte Kunstgalerie, der einzigen Kulturstätte der Stadt, verlassen, in der die Vernissage des israelisch-brasilianischen Bildhauers und Kunstmalers Gershon Knispel stattgefunden hatte. Meine Freunde, Raja und George, sahen mich ratlos an – gelte ich unter Freunden doch als „Fachmann“ für jüdisch-arabische Angelegenheiten. Und neu war die Situation für mich nicht.
Die zwei Männer hatten sich dafür bedankt, dass wir jüdischen Israelis ihre arabische Stadt besuchen. Eine Situation, die mir im Laufe der Jahre in Umm el-Fahem wiederholt begegnet ist. Dazu muss ich ausholen. Der jüdische Durchschnittisraeli hat Angst arabische Städte und Dörfer zu besuchen. Sehr oft, ja mehrheitlich, wird mir vorgeworfen, ich sei total bescheuert, verantwortungslos und ähnliches meine Freunde in Umm el-Fahem zu besuchen, einer Stadt gewaltfreudiger Islamisten, die mir nur zu gerne die Kehle durchschneiden würden. Scheich Ra‘ed Salah, ehemaliger Bürgermeister von Umm el-Fahem (er soll der beste je amtierende Bürgermeister gewesen sein, bis er an Religiosität erkrankte) und Anführer der nordisraelischen islamischen Bruderschaft wurde. Inzwischen ist er zur zentralen Figur antisemitischen Hetzens geworden. Er ist es, der alle paar Tage schreiend lügt: „Al Aksa ist in Gefahr!“. Zur Zeit sitzt er wegen Aufhetzung zur Gewalt im Gefängnis. Dort beruhigt er sich – bis er entlassen wird. Dann darf er wieder zur Gewalt aufrufen, um sich damit erneut erholsame Gefängnisferien zu verdienen. Doch meine persönlichen Erfahrungen mit islamistischem Judenhass in Umm el-Fahem sind seit über fünfzehn Jahren anders. In dieser Jahren erfuhr ich viel menschliche Wärme und eben auch Dankbarkeit dafür vor dieser Stadt und ihren Bürgern keine Angst zu haben und sie sehr oft zu besuchen. Meine einzige Erfahrung mit islamistischem Extremismus war ein eher erheiterndes Erlebnis: Ich hatte mich in der Stadt verfahren und hielt einen etwas zwölfjährigen Jungen an um den Weg zur Galerie zu erfragen. Der Kleine war gerade mit anderen Kindern und Jugendlichen dabei fahnenschwingend für Scheich Salah zu demonstrieren. Er wickelte die Fahne auf, stieg in mein Auto und dirigierte mich zur Galerie auf der anderen Seite der Stadt. Dort stieg er aus, öffnete seine grüne Fahne und demonstrierte, wenn auch allein, weiter. Er hatte, trotz islamistischer Gehirnwäsche, seine Freundlichkeit und Gastfreundschaft nicht verloren. Was mir als Anzeichen dafür erschien, dass die Kinder eigentlich keine Ahnung haben, für was sie demonstrieren, sondern von extremistisch religiös-ideologischen Hassern manipuliert werden.
Wenn immer ich das Café Sunrise besuchte, um meiner Frau einen Mohnkuchen zu kaufen, blieb ich dort bei Kaffee und Kuchen, mit dem Café-Inhaber und seinen Bäckern sitzen. Wir erzählten uns gegenseitig Geschichten. Und sie bedankten sich für den jüdischen Besuch. Ob privat, in Geschäften und Gasthäusern, oder gar wie eben auf der Strasse - diese offene Dankbarkeit für jüdischen Besuch berührt mich bis heute. Und sie ist mir peinlich, denn ich sehe darin einen Beweis wie sehr unverkrampftes Verhalten zwischen jüdischen und arabischen von massregelnder ideologischer Politik abhängig ist. Nationalistische Palästinenser, die sich gerne hinter ihrem Islam und Palästinismus tarnen und ihre versöhnlich sein wollenden Mitbürger bedrohen, wie auch extrem nationalistische jüdische Israelis der frommen und säkularen Sorte machen es jedem versöhnlichen Menschen schwer, sich als ein Solcher zu benehmen.
Die Vernissage in der Kunstgalerie von Umm el-Fahem war ein Beispiel dafür, dass diesem Problem mit Zivilcourage  begegnet werden kann.

Eines der Riesenwerke von Gershon Knispel

Die Vernissage galt dem jüdischen Künstler Gershon Knispel. Knispel ist ein 1932 in Deutschland geborener Künstler, der heute in Brasilien lebt. Noch immer scheint er überzeugter Kommunist zu sein. Ich hier nicht zu seiner Kunst Stellung nehmen – ich fühle mich dazu höchst inkompetent. Seine Werke sind vornehmlich gigantischer Grösse, doch nicht nur deswegen eindrücklich, auch wenn, so meine eigene inkompetente Meinung, in seiner Malerei und seinen Skulpturen stark an den Sozialistischen Realismus erinnert. Doch sind besonders sein Bilder nie langweilig. Auch ist Gershon ganz offensichtlich ein erfolgreicher Künstler, dessen Werke bemerkenswerte Preise erziehlen.


(l.-r.) Knessetmitglied Yousef Jabarin, Abu Chaled Marha, Gershon Knispel, alt-Knessetmitglied Afu Aghbaria
An der Vernissage nahmen schätzungsweise 300 Menschen teil, die aus vielen Orten Israels angereist kamen. Gershon Knispel sprach auf eine Art, die mich lebhaft an Lenin oder sogar Trotzky erinnerte, nicht weniger als seine inzwischen völlig altbacken wirkenden altsozialistischen Anschauungen, inklusive seinem Aufruf zu einer revolutionären Renaissance abgelaufener Ideologien. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, fand ich ihn rührend. Es gibt sie noch, diese uralten Leninisten – wieweit sie sich selbst noch ernst nehmen können weiss ich nicht. Zu unserem heimischen Konflikt meint er, Israel habe mit Aegypten Frieden geschlossen und diesen die Sinai-Halbinsel zurückgegeben, also könne Israel auch mit den Palästinensern Frieden schliessen. Allerdings lässt er den dazugehörigen Kontext völlig ausser Acht. Wo ist der Schatten, über den er springen könnte? Doch haben Gershon und auch ich wohl andere Sorgen.
Ich selbst fühlte mich an diesen Anlass etwas berauscht. Ich fühlte mich in alte Zeiten versetzt, fühlte mich animiert, aktiviert, sogar weit jünger als es mein achzigstes Alterjahr eigentlich vorsah. Ich wurde beweglich wie in alten Zeiten, rannte herum, begrüsste alte Bekannte und Freunde, fotografierte – als wäre ich mindestens dreissig Jahre jünger. Und damit hatte Freund Said Abu-Shakra, Gründer und Leiter der Galerie, wenigstens bei mir ein grosses Ziel erreicht.
Als wir die Galerie nach gut drei Stunden verliessen, erhielt jeder von uns eine Falafel, eigentlich der Inbegriff kombinierter arabischer und israelischer Esskultur. Die Falafel-Kugeln waren grösser als üblich. 

Ein Fest der Versöhnung  


 Gershon Knispel mit Abu Chaled Marcha, einem Brückenbauer zwischen Arabern und Juden in Israel 



Als wir neben unserem Auto standen und eine Falafel assen näherten sich zwei jüngere Männer. Wir waren zu dritt, jeder von uns hielt einen Gehstock in der Hand, wie es sich für alte Menschen geziemt. Die zwei dachten wir bräuchten Hilfe beim Einsteigen. Doch wir bedankten uns und sagten wir kämen ohne Hilfe zurecht. Dann sagte einer der Zwei: „Ich danke euch, dass ihr gekommen seid“.
Es war eine mir gut bekannte Situation in Israel’s grösster arabisch-islamischen Stadt Umm el-Fahem. Wir hatten eben die neu renovierte Kunstgalerie, der einzigen Kulturstätte der Stadt, verlassen, in der die Vernissage des israelisch-brasilianischen Bildhauers und Kunstmalers Gershon Knispel stattgefunden hatte. Meine Freunde, Raja und George sahen mich ratlos an – gelte ich unter Freunden doch als „Fachmann“ für jüdisch-arabische Angelegenheiten. Und neu war die Situation für mich nicht.
Die zwei Männer hatten sich dafür bedankt, dass wir jüdische Israelis ihre arabische Stadt besuchen. Eine Situation, die mir im Laufe der Jahre in Umm el-Fahem wiederholt begegnet ist. Dazu muss ich ausholen. Der jüdische Durchschnittisraeli hat Angst arabische Städte und Dörfer zu besuchen. Sehr oft, ja mehrheitlich, wird mir vorgeworfen, ich sei total bescheuert, verantwortungslos und ähnliches meine Freunde in Umm el-Fahem zu besuchen, einer Stadt gewaltfreudiger Islamisten, die mir nur zu gerne die Kehle durchschneiden würden. Scheich Ra‘ed Salah, ehemaliger Bürgermeister von Umm el-Fahem (er soll der beste je amtierende Bürgermeister gewesen sein, bis er an Religiosität erkrankte) und Anführer der nordisraelischen islamischen Bruderschaft wurde. Inzwischen ist er zur zentralen Figur antisemitischen Hetzens geworden. Er ist es, der alle paar Tage schreiend lügt: „Al Aksa ist in Gefahr!“. Zur Zeit sitzt er allerdings wegen Aufhetzung zur Gewalt im Gefängnis. Dort beruhigt er sich – bis er entlassen wird. Dann darf er wieder zur Gewalt aufrufen, um sich damit erneut erholsame Gefängnisferien zu verdienen. Doch meine persönlichen Erfahrungen mit islamistischem Judenhass in Umm el-Fahem sind seit über fünfzehn Jahren anders. In dieser Jahren erfuhr ich viel menschliche Wärme und eben auch Dankbarkeit dafür vor dieser Stadt und ihren Bürgern keine Angst zu haben und sie sehr oft zu besuchen. Meine einzige Erfahrung mit islamistischem Extremismus war ein eher erheiterndes Erlebnis: Ich hatte mich in der Stadt verfahren und hielt einen etwas zwölfjährigen Jungen an um den Weg zur Galerie zu erfragen. Der Kleine war gerade mit anderen Kindern und Jugendlichen dabei fahnenschwingend für Scheich Salah zu demonstrieren. Er wickelte die Fahne auf, stieg in mein Auto und dirigierte mich zur Galerie auf der anderen Seite der Stadt. Dort stieg er aus, öffnete seine grüne Fahne und demonstrierte, wenn auch allein, weiter. Er hatte, trotz islamistischer Gehirnwäsche, seine Freundlichkeit und Gastfreundschaft nicht verloren. Was mir als Anzeichen dafür erschien, dass die Kinder eigentlich keine Ahnung haben, für was sie demonstrieren, sondern von extremistisch religiös-ideologischen Hassern manipuliert werden.
Wenn immer ich das Café Sunrise besuchte, um meiner Frau einen Mohnkuchen zu kaufen, blieb ich dort bei Kaffee und Kuchen, mit dem Café-Inhaber und seinen Bäckern sitzen. Wir erzählten uns gegenseitig Geschichten. Und sie bedankten sich für den jüdischen Besuch. Ob privat, in Geschäften und Gasthäusern, oder gar wie eben auf der Strasse - diese offene Dankbarkeit für jüdischen Besuch berührt mich bis heute. Und sie ist mir peinlich, denn ich sehe darin einen Beweis wie sehr unverkrampftes Verhalten zwischen jüdischen und arabischen von massregelnder ideologischer Politik abhängig ist. Nationalistische Palästinenser, die sich gerne hinter ihrem Islam und Palästinismus tarnen und ihre versöhnlich sein wollenden Mitbürger bedrohen, wie auch extrem nationalistische jüdische Israelis der frommen und säkularen Sorte machen es jedem versöhnlichen Menschen schwer, sich als ein Solcher zu benehmen.
Die Vernissage in der Kunstgalerie von Umm el-Fahem war ein Beispiel dafür, dass diesem Problem mit Zivilcourage  begegnet werden kann.

Eines der Riesenwerke von Gershon Knispel

Die Vernissage galt dem jüdischen Künstler Gershon Knispel. Knispel ist ein 1932 in Deutschland geborener Künstler, der heute in Brasilien lebt. Noch immer scheint er überzeugter Kommunist zu sein. Ich hier nicht zu seiner Kunst Stellung nehmen – ich fühle mich dazu höchst inkompetent. Seine Werke sind vornehmlich gigantischer Grösse, doch nicht nur deswegen eindrücklich, auch wenn, so meine eigene inkompetente Meinung, in seiner Malerei und seinen Skulpturen stark an den Sozialistischen Realismus erinnert. Doch sind besonders sein Bilder nie langweilig. Auch ist Gershon ganz offensichtlich ein erfolgreicher Künstler, dessen Werke bemerkenswerte Preise erziehlen.


(l.-r.) Knessetmitglied Yousef Jabarin, Abu Chaled Marha, Gershon Knispel, alt-Knessetmitglied Afu Aghbaria
An der Vernissage nahmen schätzungsweise 300 Menschen teil, die aus vielen Orten Israels angereist kamen. Gershon Knispel sprach auf eine Art, die mich lebhaft an Lenin oder sogar Trotzky erinnerte, nicht weniger als seine inzwischen völlig altbacken wirkenden altsozialistischen Anschauungen, inklusive seinem Aufruf zu einer revolutionären Renaissance abgelaufener Ideologien. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, fand ich ihn rührend. Es gibt sie noch, diese uralten Leninisten – wieweit sie sich selbst noch ernst nehmen können weiss ich nicht. Zu unserem heimischen Konflikt meint er, Israel habe mit Aegypten Frieden geschlossen und diesen die Sinai-Halbinsel zurückgegeben, also könne Israel auch mit den Palästinensern Frieden schliessen. Allerdings lässt er den dazugehörigen Kontext völlig ausser Acht. Wo ist der Schatten, über den er springen könnte? Doch haben Gershon und auch ich wohl andere Sorgen.
Ich selbst fühlte mich an diesen Anlass etwas berauscht. Ich fühlte mich in alte Zeiten versetzt, fühlte mich animiert, aktiviert, sogar weit jünger als es mein achzigstes Alterjahr eigentlich vorsah. Ich wurde beweglich wie in alten Zeiten, rannte herum, begrüsste alte Bekannte und Freunde, fotografierte – als wäre ich mindestens dreissig Jahre jünger. Und damit hatte Freund Said Abu-Shakra, Gründer und Leiter der Galerie, wenigstens bei mir ein grosses Ziel erreicht.
Als wir die Galerie nach gut drei Stunden verliessen, erhielt jeder von uns eine Falafel, eigentlich der Inbegriff kombinierter arabischer und israelischer Esskultur. Die Falafel-Kugeln waren grösser als üblich. 

Mittwoch, 20. Januar 2016

Heute im Journal21 mein neuer Beitrag:

"Narrativ versus Fakten"

https://www.journal21.ch/narrativ-versus-fakten