Sonntag, 16. November 2008

Auf die Motivation kommt es an

14.11.2008

Wer hätte je gedacht, dass ich mit einem Leserbrief im Tachles der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina" einverstanden sein könnte. Nun ist es geschehen. Was die Jüdinnen und Juden zum Thema Siedlergewalt und Landdiebstahl in der Westbank schreiben stimmt und ist scharf zu verurteilen. Doch damit ist die Übereinstimmung bereits beendet. Genau wie den prominenten Haaretz Journalisten Gideon Levy, den ich bei meiner Arbeit für die Kunstgalerie Umm El-Fahm wiederholt treffe und mir im Gespräch schon durch seltsame Reaktionen aufgefallen ist, vermitteln sie den Eindruck auf einem anderen Planeten zu leben. In der Sache selbst sind wir uns hier für einmal einig, doch die Motivation könnte verschiedener nicht sein. Die Jüdinnen und Juden wie auch Gideon Levy treibt ein eigenartiger Abscheu auf alles israelische, alles wird a priori als schlecht verurteilt, die Auswüchse faschistoider Siedler werden allen Israelis angelastet, ob dem wirklichen Friedenslager angehörig oder nicht. Vernünftige Leute, die Auswüchse im Kontext sehen und sogar aktiv gegen den Irrsinn extremistischer Siedler und ihrer Sympathisanten arbeiten, sich vor angegriffene palästinensische Bauern stellen und sie schützen, denken anders. Sie sehen die wirkliche gelebte Realität und nicht, die von talentierten palästinensischen Propagandisten vorgegaukelte und von deren denkfaulen Fans unbesehen geschluckte. Die von den Juden/Jüdinnen angeschwärzten Soldaten und Polizisten werden von rabiaten Siedlern verflucht, angespuckt, gesteinigt und verletzt - als Dank für den Schutz durch diese Ordnungshüter, von denen schon wieder einige mit Knochenbrüchen im Spital liegen. Durch die verquerte Sicht dieser Friedensjünger wird der palästinensischen Gesellschaft ein Persilschein ausgestellt, der sie, wie üblich, von sämtlicher Eigenverantwortung für ihre Lage und ihr Tun befreit. Wie z.B. von Terror und dem Lehren nazistischem Judenhasses in ihren Schulen, wird nationalextremistischen Israelis ein vermeintliches Alibi für ihre nicht weniger falschen Gewaltakte verschafft. Aber eben, völlig unkritisch die Verbrechen der „armen" Palästinensern zu ignorieren, also auf dem palästinensischen Auge blind zu sein, das ist der üble Stil dieser einem vermeintlich gerechten Frieden nachrennenden Jüdinnen und Juden in der Schweiz.

Die Einwände meines Freundes Roger Guth

Mein lieber Freund Roger Guth, der mich recht oft freundschaftlich kritisiert (es ist immer gut auf den Boden zurück geholt zu werden), findet, man sollte nie aufhören auf die Tatsache hinzuweisen, dass die UNO-Resolution 181 im Jahre 1947 einen arabischen und einen jüdischen Staat vorsah. Israel hat die Resolution akzeptiert, die Araber nicht und rissen stattdessen einen Krieg vom Zaun, der bis heute andauert. Das stimmt. Nur wurde arabischer Djihadismus und Judenhass („palästinensisch“ wurde er erst viel später) schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begründet, durch die religiös-faschistischen Theorien der Ägypter Hassan Al-Banna und Muhammad Qutb. In Ägypten entstand die Moslem Bruderschaft, seit der Zeit Nassers in Ägypten verboten und verfolgt, aber stets einflussreich. Der damalige Mufti Jerusalems, Haj Amin El-Husseini, ein Fan und Freund Hitlers, setzte diesen Antisemitismus im damaligen Palästina gegen die Juden um und führte diesen während dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland aus weiter. In Matthias Küntzels vorzüglichem Buch „Djihad und Judenhass“ (ça ira, 2003, revidierte. Auflage) sind diese Dinge nachzulesen. Darunter auch das Bijou, dass die Juden Ägyptens bis nach dem Machtantritt Hitlers in diesem Land wohl gelitten und integriert gewesen waren, der Jihadismus in seiner nazistischen Form trat erst später ein.

Faschismus

Roger hat mit Recht eine gefühlsmässige Abneigung gegen die Worte Faschismus oder faschistoid (dem Faschismus ähnlich), die ich in Uris Tagebuch gelegentlich benutze. Er verbindet diese Worte ausschliesslich mit dem Nationalsozialismus und dessen Manifestationen. Auch scheint er von der Idee auszugehen, dass Judentum und Faschismus ein Oxymoron sind. Ich sehe das anders – faschistische oder faschistoide Einflüsse sind in jedem Land und in jeder Gesellschaft möglich. Ich habe mir dazu, mit Hilfe von Büchern und Internet, eine Art Definition dieser „Weltanschauung“, zusammengeschustert, die ich hier stichwortartig wiedergeben will. Ich denke nicht, dass es notwendig ist, sie zu kommentieren. Gruppierungen, meist kleine, sind in den meisten Ländern aktiv, in Deutschland, in England, in der Schweiz, in den USA, Russland, leider sogar in Israel in Teilen der Siedlerbewegung, der Hügeljugend (Hill Top Youth) und Grossisrael“zionisten“. Doch, im Unterschied zu vielen westlichen Ländern, gibt es hier eine grosse und aktive Gegnerschaft zu diesem Phänomen – was wiederum den Behauptungen linksfaschistoider Kreise, das ganze Land sei faschistisch, jede Grundlage entzieht. Israel wäre sonst nicht die pulsierende Demokratie, die es mit Nachdruck ist. Was charakterisiert den Faschismus – hier bitte eine unvollständige Auswahl von Eigenschaften:

- Fehlende Rechtstaatlichkeit

- Bekämpfung/Versagung von Freiheits- und Gleichheitsrechten und justiziellen Grundrechten

- Keine wirkliche GewaltenteilungNationalismus

- Führer- / Personenkult

- Populismus,

- Antirationalismus

- Ästhetisierung von Politik, Vermengung mit Gefühlen

- Expansive Herrschaftspolitik

- Gewaltverherrlichung- und AnwendungIntoleranz gegenüber Andersdenkenden

- Bekämpfung des Pluralismus und Mehrparteiensystems

Diese Eigenschaften sollten die Identifikation faschistischen Gedankengutes erleichtern. Wer das nicht schafft, wende sich an mich für Nachhilfestunden. Noch ein Tipp: mit offizieller Selbstbezeichnung als politisch rechts oder links, hat das wenig zu tun. Stalins und Maos Kommunismus sind in obigen Eigenschaften ebenso zu finden, wie bei den „klassischen“ Faschisten, Hitler und Mussolini. Als Nachtisch ein Hinweis auf ein jüdisches Kuriosium, den Brief des Stern-Gang Anführers Yair Stern an den Vichy Botschafter in Beirut, in dem er seine Bewunderung für die totalitäre nationalsozialistische Politik ausdrückte und um deutsche Hilfe in seinem Kampf gegen Grossbrittanien bat. Eine Antwort soll Stern nie erhalten haben In diesem Zusammenhang fand ich in der Wikipedia einen Brief der damaligen deutschen Botschaft, jedoch in unleserlicher Qualität.

Zu obigem Thema gibt es eine fabelhafte Zusammenfassung, natürlich von Albert Einstein: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“

1 Kommentar:

grenzen-los-zeit-los hat gesagt…

wenn das so ist, möchte ich gerne Schaf unter Schafen sein Ursa