Wir haben noch nie selbst ein Haus verkauft oder gekauft. Stets waren es die Kinder, die sich darum kümmerten, mit einer Ausnahme: als wir 1966 den Kibbuz Hazorea verliessen, kauften wir eine kleine Dreizimmerwohnung (70m²) für junge Paare, in einem Haus mit vier Stockwerken auf Säulen – mit anderen Worten, wir wohnten im fünften Stockwerk, ohne Lift, aber wir hatten jungen Beine und starke Arme. Am Abend des Tages, an dem wir einzogen, nachdem wir die Kinder schlafen gelegt hatten, entdeckten wir plötzlich, dass die Schlafzimmer und die Küche unserer neuen Wohnung keine Türen besassen. Am nächsten Tag kam der Schreiner und innert Stunden waren welche eingesetzt. Inzwischen sollte man meinen wir seien gescheiter geworden – doch ohne Hilfe von damit erfahrenen inzwischen erwachsenen Kindern, Freunden und Shuli unserer Anwältin, wären wir heute fast so verloren wie vor vierundvierzig Jahren. Aber aus gesundheitlichen Gründen müssen wir heute leider unser Cottage verkaufen und in eine Wohnung ziehen, denn die Treppen unseres zweistöckigen Häuschens sind für Lea beschwerlich. In unserer neuen Behausung, einer grossen einstöckigen Wohnung mit Lift, Untergrundgarage und, das wird uns weiterhin genau so wichtig sein wie bis anhin, mit Gästezimmern für Enkel und Freunde. All das weiterhin in unserem Zichron Ya’akov, das Dorf mit den guten Beizen und der europäischen Kaffeehauskultur.
Ich weiss nicht wie es anderswo ist, doch die Menge der Bestätigungen und Bewilligungen, die Anzahl der Besuche bei unzähligen staatlichen und nichtstaatlichen Ämtern und dem dazugehörenden Zeitdruck, das Zittern vor dem Ja oder Nein ist so nerv zehrend, dass man ohne feinem Humor, ironischer Beobachtungsgabe und Freude an grotesken Details den Verstand verlieren kann. Dass die meisten dieser Bestätigungen auch noch Hunderte von Schekel kosten, ist das kleinste Übel. Dabei ist zu sagen, dass bei all diesen Ämtern und Institutionen, die dortigen Beamten und Beamtinnen äusserst nett und hilfreich waren und alles taten, die Abläufe zu beschleunigen. Aber auch so musste ich bei der Wa’ada vier Mal vorsprechen und jedes Mal eine Nummer nehmen und warten, bis ich zu meinem Dokument kam. Zum ersten Mal nahm ich, vorsichtig wie ich bin, ein Buch mit, doch unter den Wartenden fanden jedes Mal hochinteressante und laute Diskussionen statt, über Politik, lokalen Tratsch und über die lächerliche Bürokratie im Land. Daran musste ich selbstverständlich teilnehmen und meinen Senf dazu geben.
Visuell besonders beeindruckend unter den zu besuchenden Bürokratien war die „Wa’ada“, das Regionalbüro der Behörde, die Baubewilligungen erteilt, Projekte kontrolliert und am Ende, wenn das Hause bezugsbereit ist, den „Toffes 4“ (Formular 4), die Bestätigung, dass die Wohnung oder das Haus technisch einwandfrei und zum Bezug bereit sei, abgibt. Ohne diesen Toffes 4 läuft nichts und der arglose Käufer darf nicht einziehen, bis er ausgestellt ist. Architekten und Bauherren geraten gelegentlich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, wenn der zuständige Beamte gerade bei seiner Teepause oder gar aus irgendwelchem Grund nicht zur Arbeit erschienen ist. Denn kompetente oder überhaupt eine Vertretung eines nicht anwesenden Beamten, das habe ich inzwischen herausgefunden, gibt es offenbar und besonders in staatlichen Ämtern nicht. Aber, wie gesagt, freundlich sind sie und sie tun ihren Job, vor allem wenn sie zur Arbeit erscheinen. Die Büros der „Wa’ada“ bestehen aus Wänden voller Gestelle, überquellend mit Ordern, Tablare überladen mit Ordnern und unzähligen Kartonschachteln auf dem Boden, noch überquellender mit Ordnern und Dossiers. In jeden dieser Zimmer sitzen zwei oder drei Damen mittleren Alters, meist mit fülliger Figur in umgekehrter S-Form (siehe Bild) und mehrheitlich gutes Hebräisch mit russischem Akzent sprechend. Die „Wa’ada“ ist das einzige Amt, in dem ich nichts zu bezahlen hatte.
Jedem, dem ich von der „Wa’ada“ erzählte lachte lauthals, alle kennen dieses Amt aus eigener Erfahrung und alle hatten sich schon über die langsamen, komplizierten und grossenteils zum Selbstzweck gewordenen bürokratischen Abläufe geärgert, sind gelegentlich sogar darüber verzweifelt, haben Schreikrämpfe gekriegt - doch sie können im Nachhinein darüber lachen.
Im Übrigen bitte ich die Qualität der Fotos zu entschuldigen. Diese diskreten Telefonkameras sind halt doch nicht das Gelbe vom Ei.
1 Kommentar:
חשוב מאוד: עדיין זכרון יעקב
אני מקווה שֶׁהֵדירה החדשה הוא נפלא
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