Freitag, 20. Mai 2011

Gut für Israel, schlecht für Nethanyahu



„Gut für Israel, schlecht für Nethanyahu“ hörte ich heute Abend auf Fernsehkanal Zwei. Gemeint ist die gestrige Rede von Präsident Obama im amerikanischen Aussenministerium. Dieser Kommentar kommt ganz genau auf den Punkt! Jetzt ist Bibi bei Obama und vertritt, wie er meint, die Interessen aller Israelis, also auch die meinen. Falsch, nur weiss ich nicht, was ich und andere dagegen tun können, ausser auf die nächsten Wahlen zu warten oder vielleicht eine Demonstration auf dem Tel Aviver Rabinplatz zu veranstalten.

Obamas Rede war die beste, die, falls mich mein Erinnerungsvermögen nicht völlig täuscht, je ein amerikanischer Präsident über die Dauerkrise Israel-Palästinenser gehalten hat. Unser gegenwärtiger Ministerpräsident, dem, wie ich schon wiederholt geschrieben habe, ein Frieden mit den Palästinensern gegen seine innerste nationalistische Überzeugung steht, kann nicht über seinen eigenen Schatten springen. Kein bisheriger Friedenplan sieht vor, dass Israel die gesamte Westbank behalten darf. Heute hat sich Nethanyahu wie einst Arafat benommen, der, als dieser in Camp David (im Jahre 2000) die Gelegenheit hatte mit Israel Frieden zu schliessen, dazu nein sagte und die schon vorbereitete Intifada 2 auf Israel losliess. Wie es sich herausstellte, nicht nur, weil er grundsätzlich keinen Frieden wollte, aber auch aus Angst als arabischer Waschlappen dazustehen, der Präsident Bill Clinton in den Hintern kriecht. Genau wie sein Vorgänger, scheint sich heute Mahmud Abbas vor einem ehrlichen Abkommen zu fürchten.

Anscheinend hat Nethanyahu nicht mitbekommen, dass Obama ganz offensichtlich den palästinensischen Politikern nicht traut, ganz besonders seit Abbas sich mit dem Judenhasser-Verein Hamas verbündet hat. Seine Absage an die Billigpreis-Bildung eines palästinensischen Staates via UNO im kommenden September hat viel Unschönes korrigiert, das in den vergangenen zwei Jahren über Obama geschrieben und gesagt worden ist. Seine mutige und erfolgreiche Entscheidung Bin Laden zu entsorgen, hat ihm neben dem Beifall seiner Bürger auch entscheidendes Selbstbewusstsein gegeben, das er nun zu Gunsten Israels ausspielt.

Der beste Beweis für die Qualität von Obamas Rede ist die Tatsache, dass sie von beiden Extremen israelischer Politik und Medienleuten abgelehnt wird. Auf der Linken lehnt Gideon Levy Obamas Erkenntnisse ab und behauptet sogar, diese Rede könnte von Nethanyahu selbst geschrieben worden sein. Auf der anderen Seite, der extremen Rechten, ist es unser Ministerpräsident selbst, der auf einmal die Grüne Linie als Verhandlungsgrundlage für einen Friedensplan ablehnt, obwohl in den letzten Jahren und Monaten kaum von etwas anderem gesprochen worden war. Da ich der Meinung bin, eine Politik der Mitte sei meist die vernünftigste Art Lösungen zu finden, kann Obama nur recht haben.

Sonntag, 15. Mai 2011

Das neue Aegypten etc.



Von den zwei arabischen Ländern, in denen Revoluzzer inzwischen den Präsidenten gestürzt haben (das andere Land ist Tunisien, bei anderen ist noch nichts entschieden), ist Ägypten das wichtigste. Es ist flächenmässig gross, hat eine immense, jährlich um eine Million wachsende Bevölkerung, die einzige arabische Armee, die etwas taugt (so denken Experten), obwohl sich Ägypten seit seiner glorreichen Niederlage im Yom Kippurkrieg nie mehr einem Gegner militärisch stellen musste, es hat eine einzigartige wunderbare antike Geschichte, die Millionen Menschen bis heute verzaubert – es besitzt vieles, nur nicht einen funktionierenden Staat. Wie alle arabischen Staaten herrscht vor allem Korruption, Willkür, religiöser Hass auf andere und wachsender religiöser Fanatismus.

Die vor wenigen Wochen erfolgte ägyptische Revolution, die Mubarak stürzte, hat bisher noch keine klare Änderungen der Politik Ägyptens gebracht. Die Aussichten sind nicht glänzend. Das Militär hat die Macht völlig übernommen, von demokratischerem Verhalten ist wenig zu sehen und zu hören. Die Armee wird sich auch nicht beeilen die noch immer nicht definierten demokratischen Ziele der Revolution zu erreichen. Sie ist, ähnlich wie die Armee Chinas, völlig in der ägyptischen Wirtschaft involviert, ihr und ihren Offizieren gehören grosse Teile davon und das, wie in einem autoritären Staat üblich, ist einer der Gründe, dass sie grundsätzlich an einer wirklichen Demokratisierung nicht interessiert ist. Auf der anderen Seite ist die ägyptische Armee heute die einzige Macht, die den Muslimbrüdern die Stirn bieten kann. Wenn viele Medienkommentatoren versichern, die muslimische Bruderschaft werde sich an demokratische Spielregeln halten, ist das Wunschdenken, denn Islamismus ist demokratischem Handeln diametral entgegengesetzt, ein Oxymoron. Gaza gibt ein wundervolles Muster dafür ab. Erst demokratische Wahlen, dann Wahlgewinn und fertig die Demokratie, stattdessen Christenjagd, Sittenpolizei, Judenhass und Raketen – ausser den Raketen ist von all dem auch im heutigen Ägypten etwas zu finden.

Ich habe Geschehnisse und Entwicklungen der vergangenen Tage gesammelt und gebe einige davon hier wieder:

• Kirchen in Flammen, mindestens 12 Tote und viele Verletzte in Kairo (David D. Kirkpatrick, NYT 8.5.2011).

• Riesige Demonstration und Gottesdienst in der al-Nur Moschee in Kairo zum Andenken an Osama Bin Laden, gepaart mit hysterischen Aufrufen zum Amerikahass und zum Abschlachten aller Juden. (al-Jaseera TV, 6. Mai 2011)

Amr Mussa, Gegner Israels und nicht religiöser unabhängiger Spitzenkandidat für den Job als Mubaraks Nachfolger, erwarte eine Parlamentsmehrheit der Muslimbrüder, zusammen mit noch radikaleren muslimischen Organisationen.

• Amr Moussa, wird, so ist aus seinen Aussagen herauszulesen, mit den muslimischen „Parteien“, die wie er meint, den grössten Block im Parlament einnehmen werden, zusammenzuarbeiten und mit ihnen Kompromisse eingehen.

• Moussas grundsätzliches Argument gegen den bestehenden Friedensvertrag mit Israel ist, dass Ägypten nichts von diesem Frieden gewonnen habe. Ich meine, Ägypten habe den Sinai, die Ölfelder und den Suezkanal zurückerhalten. Dass sich die Gelegenheit Handel und Tourismus zwischen den beiden Ländern und ein Senken des ägyptischen Militärbudgets nicht realisiert hat, hat sich Ägypten selbst zuzuschreiben. Israel, dessen Vertreter von Wirtschaft und Kultur mit grosser Energie versucht hatten Handel und kulturelle Kontakte zu fördern ist da völlig schuldlos. Es scheiterte stets am dröhnenden Hass ägyptischer Gewerkschaften, Berufsverbände und Kulturschaffenden und deren Funktionäre.

• Die muslimische Brüderschaft Ägyptens wird ihren Israel- und Judenhass nicht selbst aktivieren müssen. Es genügt, wenn sie ihrer Filiale in Gaza, der Hamas, den Auftrag geben Israel wieder mit Terror und Raketen auf Zivilisten einzudecken. Ohne Mubarak wird sie die neue ägyptische Regierung, so wie es sich heute darbietet, nicht daran hindern.

• Al Jazeera berichtet über eine riesige Demonstration (siehe Bild), in der unter anderem ein Marsch nach Gaza zur Unterstützung von Hamas geplant wurde. Noch verweigert die ägyptische Regierung die Unterstützung dieses Marsches, doch sollte sich der vorausgesagte Machtzuwachs der Muslimbrüder und anderer Extremisten bei den Septemberwahlen bestätigen, sollte islamistischer Einfluss auf die ägyptische Politik weiter steigen.

• Die Muslimbrüderschaft und die noch extremistischeren Salafis (die sich ganz besonders auf das Morden von Christen spezialisiert haben) stehen in Verhandlungen, um ein Wahlbündnis einzugehen. (Telegraph, 13. Mai 2011)

Mit diesen Gedanken und Hinweisen auf die heutige Situation in Ägypten soll keine Panik ausgelöst werden, etwas das in Israel selbst kaum geschehen wird. Nachdem ich schon einige Kriege (1967 und 1973 aktiv, 2006 und 2009 als zuschauender Pensionär) miterlebt habe, glaube ich das beurteilen zu können. Bedrohungen auf Israel haben meist einen gegenteiligen Effekt: Tausende im Ausland lebende Israels eilen freiwillig nach Israel, um sich ihrer militärischen Einheit anzuschliessen.

Es könnte auch anders kommen, wirklicher Frieden ausbrechen, die grosse Liebe zwischen Ägyptern und Juden zurückkehren, wie sie bis in Anfangs Dreissiger Jahre bestand – aber nur wenige glauben daran.

Übrigens, hat jemand in den letzten paar Wochen von Wael Ghonim, dem Google Direktor aus Kairo gehört? Er wurde als grosser Organisator der ägyptischen Revolution gefeiert und durch die Medien geschleppt. Seit längerer Zeit wird er bestenfalls noch in Rückblicken erwähnt, möglicherweise sitzt er heute in einem Gefängnis, wo er in den ersten Tagen des Aufstandes schon für zehn Tage einsass. Seit Ende Februar 2011 ist kaum noch etwas von ihm zu hören. Ist er vielleicht das erste Opfer des Phänomens „Die Revolution frisst ihre Kinder?“

Das Wall Street Journal stellt den wirtschaftlichen Determinismus, auf den sich die Medien so gerne berufen, in Frage. Er lautet ungefähr so: „Offizielle in den USA und Europa, sehen in der näheren Zukunft keine Gefahr für den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag. Sie meinen, Kairo werde nie und nimmer die Milliarden, die von dort strömen, aufs Spiel setzen“. Diese Sicht der Dinge kann für den Rest der Welt Geltung haben, doch im Mittleren Osten funktioniert das nicht, wie folgende drei Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart beweisen:

• Yassir Arafat wird mit Israel Frieden schliessen, denn er will seinen Staat finanzieren und Entschädigungen erhalten.

• Syrien wird sich mässigen und sich dem Westen zu- und vom Iran abwenden, um Handel und Investitionen zu erhalten.

• Iran wird lieber reich werden, statt die dumme Idee der islamistischen Revolution zu verfolgen.

Alle drei dieser an sich vernünftigen Prognosen, haben sich als völlig falsch erwiesen. Im Mittleren Osten gehen die Uhren halt anders, um den Schweizer Historiker Herbert Lüthy zu bemühen.

Dienstag, 10. Mai 2011

Yom Ha'atzma'uth

Im Gegensatz zum 1. August der Schweiz erscheint vielen Israelis der jährliche Unabhängigkeitstag ein wiederkehrendes Wunder. Aus einem kleinen Völkchen von 800'000 Juden zur Zeit der Staatsgründung in 1948 leben heute über 7,6 Millionen israelische Bürger – davon etwa 1,5 Millionen Araber, Drusen, Christen und andere Nichtjuden. In den dreiundsechzig Jahren seines Bestehens hat sich die Bevölkerung fast verzehnfacht, die Wirtschaft blüht, der allgemeine Wohlstand ist beträchtlich, auch wenn eine Minderheit gottesgläubiger aber arbeitsscheuer Parasiten für ein statistisch relativ niedriges pro Kopf Einkommen sorgt. Die Schulen waren einst unter den weltweit besten, heute sind sie es nicht - doch scheint der Erfindungsreichtum und die unternehmerische Energie des Durchschnittsisraelis trotzdem zu wachsen. Unter dem Strich darf man mit Recht behaupten, Israel sei eine einzigartige Erfolgsstory. Die Erfolgsstory eines Volkes, dem nur wenige Jahre vor dem Entstehen seines eigenen Landes ein runder Drittel abhanden kam, ermordet durch Anhänger eines Judenhasses, der vor über fünfzehnhundert Jahren in die christliche Welt gesetzt und in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts seinen Zenit erreichte. Israel musste sich in zahlreichen Kriegen behaupten und wurde stark und selbstsicher, eine in dieser Region absolut notwendige Eigenschaft zum Überleben.

Fehlendes Vertrauen

Eben diese Region! Seit Israels Gründung versuchen seine Nachbarstaaten zusammen mit der arabischen Welt, es zu vernichten. Der nichtarabische aber inzwischen fatalislamische Iran gehört heute dazu. Ich bin zur Überzeugung gekommen, die vielen Kriege hätten im Laufe der Zeit auch die Friedenskultur der Israelis verändert. Unabhängig von den seit 1977 meist (nicht immer) schlechten, einem übertriebenen Nationalismus frönenden Regierung, den Glauben an einen möglich Frieden mit der arabischen Welt geschwächt. Nicht nur die Kriege, sondern mehr noch die unablässige antisemitische Propaganda aus dieser Welt hat den Glauben der Israelis an die Möglichkeit eines Friedens untergraben. Natürlich haben wir mit Jordanien und Ägypten offiziell Frieden, der besonders mit Ägypten sehr kalt ist. Es kann sein, dass es tatsächliche kleine Friedensmöglichkeiten gibt – doch heute traut der Durchschnittsisraeli der arabischen Friedensbereitschaft nicht. Auch wenn ich behaupte, dass Nethanyahu und der Rest der rechtsextremistischen Regierung an Frieden grundsätzlich nicht interessiert sind, zeigt das Wahlverhalten in Israel, dass grosse Teile des Volkes sich zur Zeit dafür fürchten, die besetzten Gebiete den Palästinenser zu überlassen (von „zurückgeben“ kann nicht gesprochen werden, denn die Westbank war auch früher besetztes Gebiet, wenn auch nicht durch Israel), einer Grundbedingung für einen Friedenschluss. Heute gibt es in Israel zwei Gründe, die einem tatsächlichen Friedenschluss mit den Palästinensern im Wege stehen:

• Die nationalistische Politik der Regierung Nethanyahu und Lieberman. Ihre Ideologie lässt nicht zu, die Westbank zu verlassen, die dortigen Juden abzuziehen und das Land den Palästinensern zu überlassen. Das hat mit Israels Sicherheitsbedürfnissen nichts zu tun, es ist reine Ideologie. Seit Siedlerverbände Israels Politik in grossem Masse mitbestimmen und friedensbereite Kreise in den vergangenen Wahlen ihren Einfluss fast völlig verloren haben, fühlen sich Nationalisten in der Regierung sicher und versuchen ihre ideologischen Prinzipien durchzuziehen.

• Der zweite Grund, das völlig legitime Sicherheitsbedürfnis des israelischen Bürgers. Er traut den Palästinensern ganz einfach nicht. Das war nicht immer so, doch seit dem Versagen von Camp David mit Clinton, hat sich dieser Vertrauensschwund in Israel verbreitet. Viel guter jüdischer Willen ist verschwunden. Selbst friedensbewegte Israelis in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind von Zweifeln erfasst. Sie glauben aus der Geschichte der vergangenen Jahrzehnte gelernt zu haben, in denen israelische Friedensangebote eine blutige Intifada, tausend israelische Opfer durch Selbstmordterror, Raketen aus Gaza und Selbstverweigerung aus der Westbank zur Folge hatten. Gegen Raketen lässt sich etwas unternehmen. Gegen Judenhass als Schulfach und als massgeblichen Teil des muslimischen Lebens in den Moscheen nicht.

Es liegt an den palästinensischen Politikern Israels Bürger zu überzeugen, dass sie es mit Israel ehrlich meinen, dass sie in arabischer Sprache ihrem Volke dasselbe sagen wie in Englisch und Hebräisch der Welt. Aber es liegt auch an Nethanyahu gegenüber den Palästinenser eine Offenheit zu zeigen, die es diesen unmöglich macht, sich vor Verhandlungen zu drücken. Nethanyahu wäre in einer win-win Situation: käme ein Friedensvertrag zustande hätten beide gewonnen. Könnte Nethanyahu beweisen, dass die Palästinenser tatsächlich keinen Frieden mit Israel und offenbar auf ihren eigenen Staat verzichten wollen – dann hätte Israel gewonnen und die Palästinenser wieder einmal verloren. Doch seit Nethanyahu täglich zu beweisen scheint an einem Abkommen genau so wenig Interesse zu haben, wie sein Partner Abbas, verlieren beide und das „Friedensroulette“ geht in die nächste Endlosrunde. Von israelischer Seite kann dieser Zustand nur durch Parlamentswahlen beendet werden, in denen das nationalistische Lager so viele Stimmen verliert, dass der nächste Regierungschef davon unabhängig werden kann. Dazu müssen sich die linken Parteien wie die Arbeitspartei, Meretz und wohl auch Kadima neu erfinden um genügend Sitze zu erobern. Das sind vielleicht Träume, aber auch Träume können wahr werden.

Chag Sameach!

Mittwoch, 4. Mai 2011

Betrachtungen



Bin Laden ist tot. Auf meinen inzwischen gelöschten Trauerbrief erhielt ich eine Menge Zuschriften, bis auf zwei alle positiv und amüsiert. In einem der anderen fand jemand ich müsse Satire als Satire bezeichnen, damit die Leser tatsächlich merken, dass es Satire ist. Sonst nehmen sie es ernst, wie eben der Schreiber jener Zeilen. Ich weigere mich diesen Tatbestand zu kommentieren - er charakterisiert sich selbst.

Damit ist diese Angelegenheit abgeschlossen, ausser vielleicht der Tatsache, dass einige Leute im Nachhinein eine Kopie des gesagten Trauerbriefes verlangten und ihn bekamen. Anfrage per Mail an mich (paul.russak@gmail.com) genügt.

Jetzt aber ernsthaft und nicht satirisch:

Die Endgültigkeit des Ausdemverkehrziehens Bin Ladens macht Freude. Freude, die ich weder beim Ende Eichmanns noch anderen Judenhassers wie Mughnia oder Scheich Yassin verspürte. In muslimischen Gesellschaften werden bei Massenmorden, z.B. 9/11 und dem Massaker an der Familie Fogel, Bonbons verteilt und gefeiert. Bei uns ist es umgekehrt, man freut sich relativ ruhig, wenn es üble Menschen nicht mehr gibt und schämt und entschuldigt sich, wenn es versehentlich Unschuldige trifft. Schurken, wie Bin Laden, müssen nur schon aus hygienischen Gründen entsorgt werden und das geht leider nur mit Gewalt. Sie bedrohen bei weitem nicht nur Israel, sondern die gesamte Welt und haben Abertausende unschuldige Opfer auf dem Gewissen.

Wir müssen uns bewusst sein, dass mit Bin Ladens Ableben islamistischer Terror noch lange nicht besiegt ist. Al-Kaida, Hamas, Hisbollah und weitere bleiben bestehen, nur ein ersetzbarer Kopf wurde chirurgisch entfernt. Terror wird weitergehen, denn wie die Reaktion der muslimischen Welt zeigt, hat der Hass auf den Westen noch immer Millionen von Anhängern, die nun einen weiteren Grund gefunden haben, diesem zu frönen. Aber die Vertreter des islamistischen Terrors haben jetzt gemerkt, dass der Westen sich wehrt und für einmal andere Saiten aufzieht, als sich nur mit zahnloser Höflichkeit in der UNO wortreich zu reagieren. Obama zeigt Zähne, überraschend vielleicht, aber erfolgreich.

Internationaler Terror, Israelkritik und Israelhass (beide moderne Synonyme für Judenhass gepaart mit Hass auf westliche Kultur) wird auch ohne Bin Laden weitergehen, bestenfalls könnte es eine kleine Pause geben, bis Aiman as-Zawahiri, der eigentliche Drahtzieher und Nummer 2 der Al-Kaida, sich arrangiert hat. Er soll, so aus entsprechender Lektüre zu lernen, noch eine Stufe blutdürstiger sein als Bin Laden.

Deprimierend finde ich eine grosse Zahl Kommentare zum Thema in der NZZ, BaZ und Tages-Anzeiger. Dasselbe gilt auch für die israelische Zeitung Haaretz, wo Amerikahasser ihren Unsinn in englischer Sprache publik machen können. Der Hass vieler Schweizer und anderer Europäer auf die USA ist so ungeheuerlich stark, dass sie sogar nach der Entsorgung Bin-Ladens Verschwörungstheorien erfinden und auf verschiedene Arten ihrem Antiamerikanismus Luft machen. Ich wiederhole mich hier, aber es sind und waren in den letzten rund hundert Jahren immer wieder die Amerikaner, die Europa aus dem Dreck zogen, aus dem diese nie selbst herausgefunden hätten. Das war so in den beiden Weltkriegen und in Jugoslawien und jetzt wieder. Nicht nur das, mit dem Marshallplan bauten sie Deutschland und damit den Rest Europas wieder auf, die Synergien davon erreichten auch die Schweiz, deren Banken und Konzerne noch heute davon zehren. Und nun haben sie wieder etwas erreicht, zu dem westliche Länder sich weigerten darauf Energie zu „verschwenden“. Überlegt bitte, dass, falls in den USA konservative Isolationspolitik überhand nehmen und sich aus der Weltpolitik zurückzieht sollte - einer Gefahr die stets besteht - das bedrohte Europa in eine noch bedenklichere Lage kommen würde, als es jetzt schon ist.

Man muss den amerikanischen Lebensstil nicht mögen, den dortigen Raubtierkapitalismus (den es inzwischen auch in Europa gibt), den Waffenwahn, die Todesstrafe, der mangelnde Sozialstaat und noch anderes. Doch gerade in Amerika funktioniert (noch) der in Europa völlig zusammengekrachte Multikulturalismus. Wozu zu sagen ist, dass er in Europa solange funktionierte, wie muslimische Einwanderer ihre Religion als Privatsache für sich behielten, statt wie heute die europäischen Eingeborenen damit zu terrorisieren. Europa, Israel und die USA sind freie offene Gesellschaften, in denen verglichen mit dem internen Terror der geschlossenen arabischen Gesellschaften paradiesische Zustände herrschen. Diese offenen Gesellschaften sind in Gefahr und müssen geschützt werden – aber nicht um den Preis der eigenen Selbstaufgabe.

Montag, 2. Mai 2011

Mein Trauerbrief

Aus aktuellen Anlass publizierte ich hier einen satirischen Trauerbrief, in der Annahme, meine Leser, die mich inzwischen eigentlich kennen sollten, würden ihn als solchen verstehen. Zwei Leser verstanden diesen "Brief" tatsächlich als wirkliche Anteilnahme am verdienten Tod des Osama Bin-Laden und vertrugen das nicht. Aus diesem Grund habe ich diesen Eintrag gelöscht. Kann sein, dass ich als Satiriker wenig tauge, damit kann ich mich problemlos abfinden.