Montag, 29. August 2011

Nahost à la carte



Erst ein paar dankende Worte für meine mein Tagebuch lesenden Freunde, die, wie ich hörte, sich um mich Sorgen machten. Seit gut zwanzig Tagen habe ich nichts mehr geschrieben – das passiert und sollte eigentlich kein Grund zur Besorgnis sein. Auch wenn das ausgerechnet in einer Zeit geschieht, in der in arabisch-jüdischen Gefilden viel passiert. Aber trotzdem, beruhigt euch, es geht mir recht gut. Hier bitte, Gedanken zu zwei aktuellen Themen:

Terror

Im Negev werden Menschen terrorisiert, umgebracht, Autobusse in die Luft gejagt, israelische Ehepaare aus nächster Distanz mit Wonne erschossen. Also wehrt sich Israel und bringt es fertig fünf Stunden nach den Anschlägen an der ägyptischen Grenze, an der nicht einmal ein anständiger Zaun vorhanden ist, die Haupturheber dieses Terrortages zu liquidieren. Doch statt ein der israelischen Armee spendiertes "Bravo", las ich in der Schweizer Presse Titel wie „Israel bombardiert Gaza“ als wäre dies aus Spass geschehen. Warum Israel solches tut wird bestenfalls, wenn überhaupt, am Ende solcher Artikel beiläufig erwähnt. Leider kommen bei derartigen Aktionen oft Zivilisten zu schaden, denn Terroristen fühlen sich bekanntlich unter Frauen und Kindern am wohlsten. Dazu gibt es einen politischen und taktischen Grund. Dass Unbeiteiligte bei israelischen Verteidigungsaktionen verwundet oder gar getötet werden, kratzt weder Hamas, Hisbullah oder andere Jihadisten. Denn eigene Zivilisten werden als Kanonenfutter betrachtet, das dann zur Begründung des permanenten palästinensischen Judenhasses benutzt wird. Nichts an diesem System der Verwurstung der eigenen palästinensischen und arabischen Zivilbevölkerung ist neu. Zurzeit kann jeder, der seine Augen nicht vor Tatsachen verschliesst, mitverfolgen wie in Syrien und Libyen solches in einem ungleich grösseren Rahmen täglich rund um die Uhr geschieht. So wird es bestimmt noch viele Monate weiter gehen.

UNO

Aus Gründen, die ich nicht verstehe, vermittelt die israelische Regierung den Eindruck, die rechtlich unverbindliche UNO-Abstimmung - es sei denn dieser palästinensische Alptraum (das ist er, denn dieses Palästina könnte ja nicht auf eigenen Füssen stehen und müsse auch weiterhin auf geschnorrtem Geld existieren), würde im Sicherheitsrat akzeptiert - kümmere sie nicht. Dieser Drang, einen weiteren korrupten Bettelstaat in den nahöstlichen Wüstensand zu setzen, wird von vielen Staaten der gleichen Art, wie auch von einigen politisch korrekten europäischen Ländern, die bis heute noch nicht begriffen haben, dass damit niemals Frieden in dieser Region erreicht werden wird, unterstützt.
Ich und die Mehrheit meiner Freunde stehen für die Zweistaatenlösung ein – einen arabischen (seit Arafat „palästinensischen“) Staat neben einem jüdischen – so wie es die UNO-Resolution 181 in 1947 bestimmt hatte. Hier geht es, wie bei Radio Eriwan, ums Prinzip. Nur, solange palästinensischen Absichten nicht zu trauen ist, wird es diesen Staat nicht geben. Israel ist, manchmal, lernfähig. Als es seinerzeit um den Abzug aus Gaza ging, standen sehr viele Leute, darunter auch ich, dafür ein und hofften damit ein Zeichen der Erwartung friedvollen Verhaltens zu setzen. Wir banden blaue Bänder an unsere Autos, damit unsere friedvollen Absichten demonstrierend – die Gegner fuhren mit orangefarbigen Bändern herum - mein Auto wurde teildemoliert. 

Amerikanische Juden investierten Millionen, um dem nun vom israelischen Joch befreiten Gaza soweit wie möglich wirtschaftliche Unhängigkeit zu garantieren – alles nützte nichts, der seit fast hundert Jahren anerzogene und durch nichts zu kontrollierende Judenhass liess nur zu Israel mittels Raketen zu verwüsten und die meisten der intakt zurückgelassenen Landwirtschaftsbetriebe zu zerstören. Daraus haben vernünftige Israelis lernen müssen, dass trotz schönen Phrasen in englischer Sprache des Mahmud Abbas und seiner politischen Kollegen, Israel auch den heutigen palästinensischen Politikern nicht trauen kann. Denn in arabischer Sprache sagen sie anderes, meist das Gegenteil – alles wohl dokumentiert. Wie zum Beispiel, das sie einen palästinensischen Staat in der Westbank nur als ersten Schritt zur Eroberung des restlichen „Palästinas“, also Israel, sehen. Diese Situation hat dazu beigetragen, Israel rechtsgerichtete nationalistische Regierungen zu geben, denn das Volk fürchtet sich davor, von der heutigen Warte aus gesehen mit Recht, sich palästinensischen Raketen aus der Westbank auszusetzen. Das ist der Grund, dass sich Israel über die UNO-Abstimmung nicht sehr begeistern kann, auch wenn es den Palästinensern vielleicht den eigenen Staat gönnen würde. Ich und viele meiner Schweizer Freunde hoffen, dass der Bundesrat in der UNO nicht blauäugig diesem palästinensischen Wunsch zustimmt. Nach den Erfahrungen der Schweiz mit arabischer Politik, ich denke da an Libyen, müsste Bundespräsidentin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey über ihren eigenen Schatten springen und Rückgrat zeigen. Ob ihr die bis anhin 133 Unterzeichner der „jüdischen“ Petition der Damen Spiegel und Weil genügend Rückenwind zu tapferem Agieren geben werden, wage ich zu bezweifeln.

So, das reicht für heute. Allen einen lieben Gruss.

Montag, 8. August 2011

Frühling im Hochsommer



Der arabische Frühling (2)

Der arabische Frühling hat bisher Tausende Tote gekostet und ein Ende ist nicht in Sicht. Es scheint auch keine Rolle zu spielen welche Ziele die Demonstranten in Ägypten und die zu Aufständischen gewordenen Demonstranten in Syrien und Libyen eigentlich wollen. Denn die völlig offenen und undefinierten Wünsche der Demonstranten dieser Länder spielen keine Rolle, als werden als Bedrohung für das jeweilige Regime gesehen und gnadenlos zusammengeknallt, auch wenn die Aufständischen Libyens zurück schiessen. In Syrien können sie das nicht, die Opfer sind wehrlose Zivilisten. Gestern gab Herr Dr. med. Assad im Radio bekannt, „er dürfe doch wohl noch sein Regime verteidigen“. Es fehlte nur noch das in der Schweiz übliche Nachwort „Oder?“ Womit sein Demokratieverständnis für die ganze Welt sichtbar geworden ist – als ob es dessen bedurft hätte. In der arabischen Welt geht es immer nur um eines: um die Macht. Das Volk ist ausschliesslich dafür da, diese Macht seinen Tyrannen und deren Geheimdiensten zu erhalten. Es geht nie um das Wohl des Volkes, sondern nur um die Macht und deren Privilegien. 

In Ägypten ist inzwischen klar geworden, dass die von der noch regierenden Armee gehätschelten Muslimbrüder zusammen mit den macht- und blutrünstigen Salafisten (den Hauptverantwortlichen für die mörderischen Angriffe auf die Kopten) sich für die Machtübernahme vorbereiten. Der Ablauf des iranischen Aufstandes in 1979, wurde von Khomeini und seinen Mullahs genutzt um sein Land in eine mörderische, seine Bürger unterdrückende Theokratie zu verwandeln. Ähnliches scheint sich in Ägypten anzubahnen. Der arabische Frühling verwandelt sich in einen arabischen Winter.

In Palästina könnte sich ähnliches wiederholen, wie 2007 in Gaza. Die „relativ“ gemässigte Palestinian Authority der PLO/Fatah verlor dort die tatsächlich recht demokratischen Wahlen. Hamas, palästinensische Filiale der Muslimbrüder Ägyptens, putschte gegen die Wahlverlierer, ermordete 118 Menschen und übernahm die alleinige Macht, schafften die letzten Ansätze von Demokratie ab und machte Gaza zu einer weiteren arabischen Diktatur. Ähnlich kamen die iranischen Mullah an die Macht. Vom Stil her erinnert all dies nicht wenig an die Machtübernahme Hitlers in 1933, dessen eifrige Schüler die damaligen Muslimbrüder bekanntlich waren und es, wie die iranischen Mullahs und ihr Ahmedinejad, heute noch sind.

Der arabische Frühling kühlt sich ab. Das Ende ist absehbar und wird kaum den ersten frohen Erwartungen entsprechen.

Der israelische Frühling (2)

Der israelische Frühling hingegen macht Freude. Nethanyahu und die meisten seiner Vorgänger der letzten dreissig Jahre interessierte es offenbar wenig, wie das Volk, mit Ausnahme der heute Tycoone genannten Schwerreichen, deren Zigarren er raucht, eigentlich lebt und sich fühlt. Nethanyahu führte seinerzeit die grenzenlose und fast völlig unkontrollierte Marktwirtschaft ein. Diese war gut für die israelische Wirtschaft. Aber auch wenn die Arbeitslosigkeit relativ gering ist, verdient die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung nur den gesetzlichen Mindestlohn. Haus- und Konsumentenpreise stiegen ins Uferlose, die Saläre aber nicht und der israelische Mittelstand weiss heute nicht, wie er mit seinem Einkommen den Monat übersteht.
Jetzt demonstriert und protestiert dieser Mittelstand. Erst ging es um Wohnkosten, egal ob um Mieten oder um Wohnungskauf. Beides ist unerschwinglich geworden.
Täglich fast kommen weitere Forderungen dazu, alle mit dem Anspruch nach einem sozialeren Staat verbunden, einem Staat, der seine Prioritäten endlich auf die Reihe bringt. Dazu gehören (gemäss Haaretz): 

• Das in der Unabhängigkeitserklärung vorgesehene kostenlose Schulsystem soll wieder eingeführt werden. Das schon ab drei Monaten, um Müttern die Rückkehr ins Erwerbsleben zu ermöglichen.

• Reduktion oder Abschaffung indirekter Steuern.

• Die beträchtlichen Steuerüberschüsse (gemäss Reuter US$ 75 Millionen allein im Juli 2011) müssen den Bürgern zugute kommen.

• Budget für staatliche Hilfe bei Hypotheken und Wohnmieten.

• Mehr Personal und mehr Betten im medizinischen Bereich.

• Keine weitere Privatisierung im staatlichen Wohlfahrtsbereich und bei den psychiatrischen Diensten.

• Graduelles Eliminieren des Outsourcings im öffentlichen Dienst. Das heisst, dass sämtliche Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Staatsangestellte sein sollen und auch die letzte Putzfrau und Teeverteilerin anständig bezahlt und sämtliche Sozialleistung erhalten wird, Dinge, um die sie sonst betrogen werden.

Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Meiner Meinung gehören auch dazu: Vorschläge zur Finanzierung dieser Forderungen, denn es geht nicht darum mehr Mittel als vorhanden auszugeben. Es geht darum einen revolutionären Wechsel der Prioritäten und Werte in die Wege zu leiten. Völlig unfaire und politisch bedingte Bevorzugungen, besonders nichtproduktiver Elemente der Bevölkerung, sind aufzuheben. Dazu gehören vor allem die Milliarden, die an die ultraorthodoxe Minderheit von zehn Prozent der israelischen Bevölkerung und deren arbeitsfähige Männer, die inzwischen schon zu 65 Prozent (Tendenz steigend) prinzipiell nicht arbeiten, sondern sich und ihre Familien vom Staat aushalten lassen. Dieser Lebensstil wird mit Milliarden von Schekeln staatlich gefördert. Dazu gehören Arbeitslosengelder, Unterhalt und Saläre der Talmudschulen (Yeshivot) und Mädchenschulen, Produktivität und Steuerausfälle, Stipendien für eben diese Yeshivaschüler und einiges mehr. Genaue Zahlen sind nicht zu finden, dieser staatliche Dienst an eine kleine Minderheit, die dem Staat vorwiegend ablehnend gegenübersteht, wird sehr diskret gehandhabt. Gelder wie diese müssten der gesamten Bevölkerung zu gut kommen und die Ultraorthodoxen sollten genau so wie alle anderen Bürger so behandelt werden. Demokratisch und fiskalisch nicht vertretbare Gesetze müssen fallen gelassen werden. Haredim waren bei den Protesten der 300'000 arbeitenden Bürger von gestern Abend nicht zu sehen, doch einige ihrer Politiker äusserten sich wohlwollend - vielleicht ängstigen sie sich um ihre Pfründe und wollen einen offenen Konflikt vorläufig vermeiden.

Siedler aus den besetzten Gebieten sind noch dabei. Doch auch sie führen einen Lebensstil, der vom Steuerzahler mitfinanziert wird. Auch hier geht es um Milliarden von Schekeln, mit denen Siedlungen subventioniert werden, die hohen Kosten militärischen Schutzes und ähnlichem. Sollte der Moment kommen, an dem diese staatliche Spezialbehandlung in Frage gestellt wird, ist vorauszusehen, dass die demonstrative Unterstützung der Protestbewegung sofort abgebrochen werden wird.

Leider sind vor wenigen Tagen Knessetmitglieder der patriotischeren Sorte wiederum auf eine Idee für neuen Gesetzesvorlage gekommen: diesmal wollen sie ein neues Grundgesetz einführen, das die jüdische „Reinheit“ des Staates weiter unterstreichen soll. Arabisch soll als zweite offizielle Landessprachen abgeschafft werden, sie soll, so verstehe ich es, einfach zu einer weiteren Fremdsprache werden, obwohl der arabische Bevölkerungsanteil Israels zwanzig Prozent beträgt. Fast zeitgleich wurde ein weiterer Gesetzesvorschlag eingereicht, in dem demokratische Regeln dem Prinzip einer nationalen jüdischen Heimstätte untergeordnet werden sollen. Beide dieser Gesetzesvorlagen werden auch von zahlreichen Mitgliedern der „moderaten“ und oppositionellen Kadimapartei unterstützt. Allerdings haben schon einige derer Mitglieder ihre Unterschrift zurückgezogen. Diese Serie antidemokratischer Gesetze (diese zwei Fälle, denke ich zwar, werden wohl von der Knesset nicht angenommen), könnten zu weiteren Nägeln im Sarge der israelischen Demokratie werden. 

Schade dass die heutigen Demonstranten sich (vielleicht noch) nicht mit gefährdeten demokratischen Grundsätzen befassen, sich für eine zeitgemässe Verfassung stark machen und sich für die wirkliche Gleichheit israelischer Minderheiten einsetzen würden – denn das, für was sie sich einsetzen, soll für alle Bürger gelten, ob Juden oder nicht. Der Lernprozess der Verantwortlichen dieser Protestaktion hat begonnen, wie die wachsende Zahl ihrer Anliegen zeigt. Die Protestbewegung für einen sozialen Staat, dessen Priorität das Wohlergehen und die Sicherheit seiner Bürger an erster Stelle stehen muss, stellt Weichen für die Zukunft, die jetzt begonnen hat. Sie ist weder kapitalistisch noch sozialistisch, sondern stellt einfach den Bürger in den Mittelpunkt, statt wie bisher nur den Bürger mit sehr viel Geld, den Grossisraelfantasten oder den Parasiten, der zwar kein Geld hat und es dennoch fertig bringt unsere Regierung soweit zu bringen, dass sie ihn und seine Gesellschaft unterstützen muss, will sie die Regierungsmacht nicht verlieren.

Der israelische Frühling hat begonnen. Er ist friedlich und gewaltlos – typisch jüdisch, wie er sein sollte, es aber nicht immer ist.

Donnerstag, 4. August 2011

Kleinigkeiten



Vorhautverengung

Heute wurde bekanntgegeben, dass ein Arzt ohne Zustimmung der philippinischen, römisch-katholischen Mutter, die in Israel als Pflegerin arbeitet, ihrem kleinen, acht Tage alten Sohn eine Brith Milla (Beschneidung) verpasst hat. Einzelheiten stehen noch aus, doch wird der Kleine bei späterem Geschlechtsverkehr bestimmt nicht an einer Vorhautverengung leiden. Masal Tov!

Links und Rechts

In der Tel Aviver Zeltstadt erwischte die Polizei zwei Linksextremisten beim Niederreissen des Zeltes zweier Rechtsextremisten aus der Westbank, die sich neuerdings mit dem Kampf um soziale Gerechtigkeit in Israel identifizieren. Wieweit diese Identifikation geht, ist wenigstens mir noch unklar. Inzwischen nehmen auch israelische Araber an den Demonstrationen teil.

Der arabische Frühling

Wie zahlreiche andere Pessimisten, scheine ich mit meiner Prophezeiung über den Gang der arabischen Revolutionen richtig zu liegen. In Syrien bringt man das demonstrierende Volk zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden um, in Ägypten liegt zwar Mubarak in seinem Krankenbett in einem Käfig im Gerichtssaal, doch gab es auch in diesem Land Hunderte von Toten – ob der Mubarak daran schuld ist, weiss ich nicht. Wichtiger scheint mir, dass das Ziel der Demonstranten weit verfehlt wird, denn schon machen sich die Muslimbrüder mit Hilfe der Armee bereit, die Macht zu übernehmen. Den Ägyptern könnte die Zeit der modernen Pharaos (Mubarak, Sadat, Nasser) bald paradiesisch vorkommen. In Jemen weiss niemand was eigentlich passiert, wahrscheinlich nicht einmal die CIA oder der Mossad. Im Libanon haben Hisbullah die Macht an sich gerissen. Allerdings zittern sie im Moment wohl um den syrischen Präsidenten Dr. med. Assad. Sollte dieser fallen, wird es für Hassan Nasrallah, diesem schiitischen Grüsel, schwieriger werden, seinen Terror gegen Christen und Sunniten im Libanon und die Bedrohung gegen Israel im selben Masse aufrecht zu erhalten. Iran müsste ihn auf direktem Weg mit Waffen beliefern und an der Küste passt die israelische Marine auf.

Die Westbank

Den Sechstagekrieg in 1967 verbrachte ich in der Westbank und half beim Erobern mit. Da mir selbst noch vor dem israelischen Einmarsch in die Westbank massenhaft jordanische Kugeln um den Kopf flogen (erst dachte ich es wären Bienen), hatte ich damit kein Problem, denn ich wurde böse. Nicht nur rannten wir gegen jordanische Stellungen an oder kämpften mit ägyptischen Kommandos (hünenhafte schwarze Nubier, die sich lieber selbst in die Luft jagten, als sich zu ergeben), sondern befassten uns mit palästinensischen Flüchtlingen, die Richtung Osten zogen. Dank meiner Sprachkenntnisse durfte ich viele von ihnen wieder überreden, in ihre Dörfer zurückzukehren. 

Sollte die nicht endende Selbstverweigerung von Mahmud Abbas gegenüber Friedensgesprächen mit Nethanyahu (der sich bekanntlich auch nicht darum bemüht) und Terror aus der Westbank Israel wieder überschwemmen sollte (darüber ist gelegentlich zu lesen und zu hören), könnte eine zweite Militäraktion ähnlich wie „Defensive Shield“ in 2002 ausgelöst werden, in der die israelische Regierung unter Umständen palästinensische Flüchtlingsströme in Richtung Osten nicht wieder anhalten und gutmütig in ihre Dörfer und Städte zurücksenden würde. Darüber mache ich mir Gedanken. Palästinensische Politiker sollten das auch tun. Die Sympathien der Welt, wenigstens der westlichen, haben begonnen die Barbarei arabischen und muslimischen Politstils zu durchschauen, der blutige arabische Frühling in Syrien, Bahrain, Jemen etc. demonstriert das sehr anschaulich, auch wenn die Brücke zu den Gefahren für Israel nicht oft geschlagen wird. So wie Benny Morris, der sich ähnliche Gedanken zu den Flüchtlingen vom 1948er Krieg, der wie der Krieg von 1967 für Israel ein Verteidigungskrieg um Israels Existenz und das Leben hunderttausender seiner Bürger war, machte. Benny Morris, einst einer der „postzionistischen Historiker“, der später nochmals auf die Welt kam, fragt sich heute, ob man damals nicht alle Palästinenser hätte Richtung Osten gehen lassen. Seine Antwort zur eigenen Frage habe bisher noch nirgends gelesen, doch nur schon diese zu stellen gibt zu denken. Wer sich dafür interessiert lese sein Buch „1948“. 

Zwei Zitate zum Thema „Israelkritiker“

Der argentinische Soziologe Patricio A. Brodsky hat den Antizionismus in Anspielung auf den berühmten Ausspruch August Bebels als »Antiimperialismus der Dummen« bezeichnet.

Antiamerikanismus, antisemitische Karikaturen und Vergleiche der israelischen Politik mit der Nazi-Herrschaft gehören weltweit zum guten (linken) Ton. (Thorsten Mense, Jungle World Nr. 30/2011)

Dienstag, 2. August 2011

Wieder zwei Kommentare



Tarek Fatah


Ich möchte euch eine Rede nicht vorenthalten, die von Tarek Fatah, einem kanadischen Muslim mit Mut, einem Muslim, wie er tatsächlich nur ausserhalb der muslimischen Welt zu finden ist, gehalten wird.


Tahrirplatz v. Rothschild Boulevard


Es wird in den Medien wiederholt der Vergleich zwischen den ägyptischen Demonstrationen am Tahrirplatz in Kairo und der Zeltstadt am Tel Aviver Rothschild Boulevard und den Demonstrationen in Tel Aviv und dann auch in anderen Städten Israels gezogen. Der Vergleich hinkt ganz gewaltig. In Kairo gab es Hunderte von Toten, die Polizei griff mit enormer Brutalität ein. In Tel Aviv and in den anderen israelischen Städten findet eine Art Blumenrevolution statt, die Polizei greift nur dann ein, wenn der Verkehr blockiert wird. Das ist das eine. Das andere und wichtigere ist die Tatsache, dass auf dem Tahrirplatz über eine Million Menschen demonstrierten und ausser dem Ruf nach „Freiheit“, „Arbeitsplätzen“ „weg mit Mubarak“, nicht in der Lage waren und sind, Ziele zu definieren. Von demokratischen Grundsätzen war nie die Rede, den Aegyptern sind diese nicht sehr bekannt. Den Mubarak wurden sie los, jedoch abgelöst durch eine Militärjunta, die voraussichtlich den Islamisten der Muslimbrüder Platz machen wird. Dann wird es den christlichen Kopten wohl noch aggressiver an den Kragen gehen.


Anders in Israel. Die Proteste wurden durch den Mangel an preiswerten Wohnungen für junge Familien ausgelöst, weitete sich aber schnell auf weitere Themen aus. Inzwischen wurde durch die Demonstranten, mit Hilfe hinzugezogener Oekonomen und anderer Fachleuten eine beeindruckende Liste politisch-wirtschaftlicher Prioritäten erstellt, die in Israel eine politische Revolution auslösen kann und hoffentlich auch wird. Im heutigen Haaretz werden folgende vier Themen vorgestellt:
  • Wohnraum: mehr öffentlicher Wohnraum, Mietkostenkontrolle, mehr kostengünstige Wohnungen.
  • Soziales: Anheben des gesetzlichen Minimallohnes, Lohnerhöhung für die Polizei (schon geschehen – 2000 NS kriegt jeder Polizist mehr), Feuerwehrleute und Sozialarbeiter. (Wo sind die Volksschullehrer, Krankenschwestern etc.?)
  • Erziehung: freie Schulen ab dem Alter von drei Monaten (damit auch Mütter ausser Haus arbeiten können), Anpassung der Klassengrösse an OECD Normen. Es gibt auch schon den Ruf, die schleichende Privatisierung des Schulsystems zu beenden, um soziale Ungleichheiten abzuschaffen. (Private Schulen sind das Resultat des kollabierenden Schulsystems, einst eines der besten der der Welt).
  • Gesundheit: mehr Personal, mehr Betten und Ausrüstung gemäss OECD Normen.
Ich nehme an, dass diese Liste nicht endgültig ist, denn sie enthält unter anderem (noch) nicht die Themen Steuersenkung für den Mittelstand, Einsparungen der Schekelmilliarden an parasitäre Parallelgesellschaften und die Siedler der besetzten Gebiete. Auch vermisse ich den Ruf zum Verbot der Wirtschaftskartelle, die eine der Hauptgründe für die unglaubliche Teuerung der letzten Jahre ist. Es ist, als sei wirtschaftliche Konkurrenz in Israel verboten. Diese revolutionären Themen erklären denn auch den Widerstand, wenn bisher noch zögerlich, ultraorthodoxer Kreise und rechtsextremistischer Siedler gegen diese neue soziale Bewegung des israelischen Mittelstandes.


Wie ich hatten viele Israelis am Einsatzwillen der israelischen Mittelklasse, die eigentlich den irre gelaufenen Staat nicht nur finanziell tragen, aber bisher ihren Mund kaum in eigener Sache aufgemacht und protestiert haben, gezweifelt. Es geht hier nicht allein um Wohnkosten, sondern um Werte und Prioritäten israelischer Politik, die in den letzten dreissig Jahren ins Irre gelaufen sind. Jetzt werden sie, so ist zu hoffen, neu geordnet, sodass sie der Priorität der Werte eines demokratischen Staatswesens wieder entsprechen. Prioritäten, wie die Eindämmung des auf wenige Familien bezogenen „schweinischen“ Kapitalismus, der vielleicht zum israelischen Wirtschaftswunder beitrug, von dem jedoch der durchschnittliche Arbeitsnehmer wenig profitiert. Die Teuerungsrate und Preispolitik ist den Durchschnittseinkommen schon lange davon gezogen. Rund fünfzig Prozent israelischer Lohnempfänger erhalten gerade noch den gesetzlichen Minimallohn, einige nicht einmal den.


Auf jeden Fall bin ich stolz, dass das anständige Israel aus seinem Tiefschlaf erwacht ist und beginnt sich dem Charakter seines Landes zu widmen, einem Charakter, der sich in den letzten dreissig Jahren verschlechtert hat. Grund dazu ist bestimmt die übertriebene Privatisierung der Wirtschaft, mit der gemeinschaftlich erarbeitete Teile der Wirtschaft an Tycoone verscherbelt wurde, ähnlich dem Aufstieg der russischen Oligarchen zur Zeit Jelzins. Ich finde noch immer, dass europäische soziale Marktwirtschaft auch für Israel die geeignete Wirtschaftsform ist, doch wenn sie nach Schweinestall zu stinken beginnt, ist die Grenze zu oben erwähntem schweinischen Kapitalismus, in dem nur ganz wenige die Fäden in den Händen halten, überschritten. Die gegenwärtige Regierung, die all das nicht interessiert, doch jetzt aus Gründen ihrer eigenen Besitzstandwahrung (die Regierungsstühle), sich damit befassen muss, gehört eigentlich gestürzt. Doch das ist inzwischen noch ein Tagtraum. Man muss Nethanyahu zugute halten als Finanzminister viel für die israelische Wirtschaft getan zu haben. Aber heute ist diese zu einem Monster in den Händen weniger geworden, ein Monster, das gezähmt werden muss, sonst werden wir wirklich ein Israel haben, für das einzusetzen sich nicht mehr lohnt.