Freitag, 8. Juni 2012

Ein Ägypter zu Besuch in Israel



Im Zusammenhang mit meinem letzten Tagebucheintrag hier eine interessante Buchbesprechung. Wenn ich damit helfen kann, für das Buch zu werben und einige Exemplare mehr zu verkaufen, bin ich schon zufrieden. Uri

Ein Ägypter zu Besuch in Israel

27.04.2012

Ein letzter Versuch

Robert Henzik

60.000 verkaufte Exemplare machten seinen Bericht in Ägypten zum Bestseller – und brachten ihm den Ausschluss aus dem ägyptischen Schriftstellerverband. Nun ist Ali Salems Buch »Eine Reise nach Israel« auf Deutsch erschienen.

Ein wenig in die Jahre gekommen ist der ägyptische Friedensaktivist Ali Salem (75), der so eifrig und laut für seine Sache zu streiten pflegte. Seine Sache, das ist die Normalisierung der Beziehungen seines Heimatlandes zu Israel. Und damit hat sich der als Humorist und Satiriker berühmt gewordene Salem eines schwer verdaulichen Themas angenommen.

»Es ist ein Teufelskreis aus Hass und Angst, der in der Region herrscht. Die Menschen hassen, weil sie sich voreinander fürchten. Und das lähmt uns so sehr, dass niemand einen Schritt in Richtung Frieden wagt«, bringt Salem das Problem auf den Punkt. Er selbst sei auch nie frei gewesen von diesem Hass, doch schließlich wagte er den Schritt 1994 – nach Oslo – und besuchte das dämonisierte Nachbarland.

»Damals war der Frieden greifbar und mit der Reise wollte ich die Aufmerksamkeit in den anderen arabischen Staaten auf diesen historischen Moment lenken in der Hoffnung, sie würden sich der Initiative von Oslo anschließen«, begründet er sein Handeln noch heute. In der Tat sorgte sein im Anschluss an die Reise veröffentlichter Bericht »Eine Reise nach Israel« für Furore unter arabischen Intellektuellen. In Kontakt mit dem zionistischen Feind zu treten – ein Tabubruch. Doch für Ali Salem war das erst der Beginn seines anhaltenden Engagements für Versöhnung und Annäherung in der Region, das ihm im Jahr 2001 den Ausschluss aus dem ägyptischen Schriftstellerverband bescherte.

Dabei scheint es, dass der eigentliche Skandal nicht in der Botschaft Salems liegt, denn seine Erkenntnis ist zu einfach: »Seht her, ich war in Israel und habe gesehen, dort leben Menschen wie du und ich.« Unterhaltsam, spannend und tiefgründig setzt er sich mit seinen ganz persönlichen Erfahrungen sowie den verbindenden Elementen beider Länder und Kulturen auseinander. Allein der Umstand, als Intellektueller das ungeschriebene Gesetz gebrochen zu haben, keinerlei offiziellen Kontakt mit Israel aufzunehmen, wurde ihm zum Stigma.

»Jede weitere Reise hätte ihnen nur einen Vorwand geliefert, mich endgültig zu erledigen«

Sein Bericht erlangte Bestsellerstatus in Ägypten, über 60.000 verkaufte Exemplare zeugen vom herrschenden Interesse, über das kleine Nachbarland mehr als die gängigen Vorurteile zu erfahren. Damit kam Salem denjenigen, die an den Feindbildern festhalten, um ihre eigene Politik zu rechtfertigen, zwangsweise in die Quere. »Ich werde beschuldigt, 3000 junge Ägypter nach Israel gelockt zu haben. Für viele junge Menschen war das Buch wie eine goldene Einladung«, merkt er augenzwinkernd und mit einem gewissen Stolz an. Ergänzt durch aktuelle Beiträge ist Ali Salems »Ein Ägypter zu Besuch: Eine Reise nach Israel« nun auf deutsch im AphorismA Verlag erschienen.

Doch die Zeiten sind andere und sie gehen auch an Ali Salem nicht spurlos vorüber. Die meisten seiner Mitstreiter und Weggefährten sind mittlerweile verstorben, und sowieso ist die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts so gering wie nie. So mutet auch Ali Salem bei seinen Auftritten in Deutschland an, als müsse er sich in seine Rolle als ägyptischer Friedensapostel erst wieder einfinden. Als solcher wird er im Westen schließlich immer noch wahrgenommen. 2008 erhielt er den Zivilcourage-Preis der amerikanischen »Train Foundation«, im Jahr 2005 wollte ihm die Universität von Beer Sheva die Ehrendoktorwürde verleihen. Damals hinderten ihn die ägyptischen Behörden an der Ausreise nach Israel.

Es war sein letzter Versuch, Israel erneut zu besuchen. »Jede weitere Reise hätte ihnen nur einen Vorwand geliefert, mich endgültig zu erledigen«, erklärt Salem und gibt sich mit seinen wöchentlich erscheinenden Zeitungskolumnen zufrieden, mit denen er immer noch viele junge Ägypter erreiche.

Die Jugend ist seine Zielgruppe und vielleicht auch seine letzte Hoffnung. Dennoch schimmert in Salems Kommentaren hin und wieder durch, dass er nicht mit allem einverstanden ist, was auf dem Tahrir-Platz ins Rollen gebracht wurde und wird. Und mit sorgenvollem Blick nach Syrien meint er: »Man muss das Leben lieben, um Frieden zu schaffen. Ich sehe nur, wie Leben im Nahen Osten vernichtet wird.«

Ein Ägypter zu Besuch: Eine Reise nach Israel


Ali Salem
Übersetzt von Ruben Schenzle
AphorismA Verlag, 2012
192 Seiten, 15 Euro


Montag, 4. Juni 2012

Arabischer Hass: warum?




Erst möchte ich den letzten Tagebucheintrag aus Esthers Tagebuch zum Thema BDS empfehlen, , der die relativ neue und perfide Art Israel zu bekämpfen und es auszulöschen bestens erklärt - den BDS (Boykott, Divestment, Sanktionen). Auch die Schweizer Migros macht da mit. Besser als Esther kann man dieses üble antisemitische Phänomen nicht erklären. In meinem letzten Blogeintrag habe ich es schon kurz erwähnt.

Der selbsthassende Araber

Wie ich schon verschiedentlich geschrieben habe, soll es „selbsthassende“ Juden geben, also solche, die sich vom Anliegen für jüdisches Überleben und Sicherheit, aber auch jüdischen Leistungen (klingt pompös, ist aber so) lossagen und lieber – auch aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen – die Seite unterstützen, die uns Juden mit Genuss vernichten möchten. Statt BDS zu unterstützen und palästinensischen Honig oder Olivenöl zu verkaufen, hätten sie ebenso den Scientologen, extremem Tierschutz, dem Vegetariertum oder einer extrem religiösen Sekte beitreten können. Nun aber habe ich herausgefunden, dass es auch selbsthassende Araber gibt.

Lee Habeeb, ein amerikanischer Araber, ist so einer. So wenigstens betiteln ihn arabische Israelhasser. Nun habe ich schon verschiedentlich geschrieben, dass es einige wenige arabische Muslime gibt, die sich nicht dem in der arabischen Gesellschaft inhärenten Druck beugen, gleichgeschaltet zu denken. So wie eben diese Gesellschaft und deren Führer (oft im wahrsten Sinne des Wortes) es vorschreiben. Fast alle „Querschläger“ unter ihnen, also solche die selbst denken und nicht modischen Trends und Reflexen muslimischer Politik zum Opfer fallen wollen, wohnen in der westlichen Welt. Nun habe ich einen neuen arabischen Querschläger entdeckt: Lee Habeeb. Er lebt in den USA.

Habeeb schert sich wenig um die Gefühle von Judenhass geprägter Araber. Ich entdeckte seinen bemerkenswerten Artikel „Arab like me“. Seine in diesem Artikel begründete These ist, dass arabischer Hass auf Israel auf Neid und Hass beruht. Nicht ganz neu, doch neu aus arabischer Feder. Es gebe, so beginnt der Artikel, zwei Arten Araber auf dieser Welt: „solche die Juden hassen und solche die das nicht tun. Und in meinem Leben fand ich mehr der ersten Art, als von der zweiten.“ In einem anderen Artikel, den er der momentanen ägyptischen Revolution widmete, baute er den Einstieg noch weiter aus: „Auf meinen Reisen bemerkte ich drei Kategorien von Arabisch-Amerikanern: jene die an Freiheit glauben und solche die es nicht tun. Jene die denken Araber können ihre eigenen Staaten führen und solche die nicht daran glauben.  Und jene die Israel hassen und solche die es nicht tun.“ 

Er beschreibt, wie er, ein libanesischer Junge, der in New Jersey aufgewachsen war, im College einen Aufsatz schrieb, in dem er Israel verteidigte. Den Inhalt des Aufsatzes habe er schon lange vergessen, aber nicht die Reaktion seiner arabischen Kollegen. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch als „selbsthassender Araber“ bezeichnet, der sich bei den weissen Amerikanern einschmeicheln wolle und nicht glaube, die Juden würden das weisse Amerika kontrolliere.

Habeeb’s Analyse

Lee Habeeb schreibt: „Die arabische Welt frönt einem „Group Think“, einem arabischen Gruppendenken, einer Selbstzensur, welche die Entwicklung und auch unser Selbstverständnis und das Verständnis der Welt um uns herum, behindert. Aber einige unter uns glauben in eine einfache universelle Wahrheit: jeder Araber verdient in Freiheit zu leben, wo immer er zu Hause ist. Einige unter uns möchten, dass arabische Länder mehr wie Amerika und Israel sein sollten, wo der Einzelne sich entwickeln und blühen kann“.

Solche Gedanken schockieren und erzürnen die meisten Araber. Man wird des Imperialismus angeklagt. Warum? 

Habeeb findet diese Haltung beruhe vor allem auf Selbstzweifeln. Vor allem auf kulturellen Selbstzweifeln, auf der Furcht, dass Araber tatsächlich unfähig seien, sich selbst zu regieren, unfähig demokratische Kulturen aufzubauen und dass arabische Nationen unfähig seien die von Gott gegebenen Talente ihres Volkes freizusetzen, so wie es die Amerikaner und die Israelis tun. Dass sie sich nie mit diesen messen könnten. 



Zur Bestürzung der arabischen Welt schuf das israelische Volk aus einem alten vernachlässigten Stück Land eine florierende Oase intellektueller, politischer, religiöser und kommerzieller Betriebsamkeit. Eine der ältesten Gegenden der Welt, Israel, wurde ein fortschrittlicher Staat mit einer funktionierenden Regierung, die religiöse und wirtschaftliche Freiheiten respektiert. 

„Ich frage Araber, die auf Israel mit einem automatischen Reflex reagieren, eine einfache Frage, eine die direkt aufs Herz all dieses Unsinns zielt. Warum hasst ihr Juden? Erst werden sie wütend, beteuern dann aber schnell, sie hätten nichts gegen Juden. Es sei Israel, das sie hassen. Dazu antworte Ich: Wäre Israel  neben Bolivien oder Albanien oder Estland, würdet ihr es noch immer hassen?“.

„Das ist eine nicht sehr subtile Frage. Israel so zu verachten, wie Israel eben in der arabischen Welt verachtet wird, ist ausschliesslich Antisemitismus. Und Antisemitismus ist weltweit nichts als Neid.“

Stattdessen, so sei die arabische Logik, bejammere man die Palästinenser. Besser man entwickle weiter den tiefsitzenden Hass auf Israel. Besser man spiele das Opfer oder die Rolle des selbstgerechten Kritikers, statt sich auf die Lage des eigenen Volkes zu konzentrieren und diese zu verbessern.

Warum all dieser konzentrierte Hass auf Israel? Warum nicht auf die unzähligen arabischen verbrecherischen Regime, wie Assad in Syrien, Hisbollah im Libanon, Hamas in Gaza, Mubarak in Ägypten (als er noch an der Macht war), oder Saddam Hussein. Warum nicht auf die vom Islam unterdrückten arabischen Frauen, warum nicht auf die Muslime, die im gesamten Mittleren Osten Christen verfolgen. Warum nicht eine Kritik des Korans selbst?

Habeeb meint es gebe zwei Gründe: Angst und Neid.

Vielleicht bringt der arabische Frühling eine Wende. Vielleicht werden die Araber des Mittleren Ostens so beschäftigt sein mit Arbeit, mit dem Ersehnen und Erschaffen eines besseren Lebens, dass sie keine Zeit mehr für das Pflegen alter Ressentiments haben werden.

Wie kann ein jüdischer Israeli Habeeb’s Beurteilung sehen?

Was Habeeb schreibt ist weitgehend richtig, aber nur die Hälfte des Problems. Das „Warum“ berührt er nicht. Warum verschleudert das arabische Volk seine Energie durch seinen Hass auf Israel und Juden? Was ist die Rolle der Religion, dem Islam, in diesem sozialen Debakel eines ganzen Volkes? Warum sind im Mittleren Osten keine fortschrittliche Menschen zu finden, die fähig wären, das arabische Volk in seinen zahlreichen Ländern zu führen und aus dem Dreck in die Moderne zu ziehen, einer Moderne, die nicht nur moderne Waffen beinhaltet, sondern eine freie Gesellschaft für alle, die  durch Bildung und gegenseitige Toleranz allen die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten. Warum jammern Araber, einfache Leute und Regierungsmitglieder, lieber über einen Grenzzwischenfall mit Israel, statt ihr eigenes Leben und dessen Fortschritt in die Hände zu nehmen?

Habeeb analysiert richtig, gibt aber keine Lösungsvorschläge. Richtig sieht er Israels Rolle als Watschenmann der muslimischen Welt, ohne den sich die arabische Führung aller Länder, mit echten Problemen auseinandersetzen müsste. Das wissen sie selbst, der Westen weiss das auch, genau so wie die Mitglieder der UNO-Kommissionen, die die alle paar Jahre erscheinenden UNO-Berichte zum Thema der arabischen Gesellschaft erstellt haben.

In einem ist Habeeb blind. Er baut Israel zu einer idealen Gesellschaft auf, die es nicht gibt. Auch Israel hat unschöne Seiten, religiöse und nationalistische Extremisten und Rassisten werden zahlreicher, ihr Einfluss wächst. Es werden immer wieder völlig undemokratische, ja faschistoide Gesetze vorgeschlagen. Es besteht was man heute einen schweinischen Kapitalismus nennt, die Konzentration der Wirtschaft im Besitz sehr weniger ist zu einem Skandal geworden. Ebenso die sechsstellige Zahl arbeitsfähiger Bürger, die sich aus einem parasitären Prinzip heraus weigern, bürgerliche Pflichten zu übernehmen, sich selbst durch Arbeit zu erhalten und sich vom Staat auf Kosten der Steuerzahler wie Kurtisanen (aber ohne Gegenleistung) aushalten lassen.

Auch Israel hat viel, das aus der idealisierten Gründerzeit zu Bruch kam wieder ins Lot zu bringen. Aber Israel hat die demokratischen Werkzeuge dazu, etwas das der arabischen Gesellschaft fehlt. Trotz dem arabischen Frühling, der mit freiheitlicher Gesellschaft wenig zu tun hatte und heute noch weniger zu tun hat. Demokratie hat mit freien Wahlen nur am Rande zu tun, was noch immer fehlt, ist der demokratische Geist und die Freiheit auch ohne reflexartigen Group Think zu wagen eine eigene Meinung zu haben und diese allen zuzugestehen – auch jenen, die nun halt anders, aber doch demokratisch denken.

Eine redigierte Fassung dieses Artikels ist im Journal21 erschienen.