Freitag, 20. Juli 2012

Was so durch den Kopf geht




Bibi Nethanyahu’s Prioritäten

Könnte es sein, dass Bibi Nethanyahu mit seiner schmierigen Bevorzugung der sich vor sämtlichen Bürgerpflichten drückenden israelischen Haredim, die er einem wirklichen demokratischen Israel vorzieht und ihre korrumpierenden Gier nach noch mehr Geld und noch mehr Macht ihrer Rabbiner völlige Freiheit lässt, Israels Totenglocken (ich weiss, ein christlicher Begriff) läuten lässt? Auf der einen Seite lehnen die meisten Haredim den Staat Israel ab – das Beispiel des Vizegesundheitsministers Ja'akov Litzmann, der nicht Minister sein will, weil er dann als Regierungsrepräsentant den Staat Israel anerkennen müsste. Bibi hat nun mit dem von ihm bewirkten Platzen der Riesenkoalition die grösste Chance seit Staatsgründung verpasst, Israel als wirklich demokratisches Land für die Zukunft zu sichern. Man kann sagen, er habe den Staat der Juden an dessen nationalistische Extremisten und an jene charedischen zehn Prozent Israelis verkauft, die sich einer zeitgemässen und demokratischen Zukunft Israels verschliessen. Wie ich schon mehr als einmal schrieb, ist Bibis Sorge nicht unser heute noch fortschrittliches modernes Land, sondern seine Angst, die Macht und ihre vielen Zückerchen fürs Ego zu verlieren. Man könnte weinen. Die Folgen dieser Bibi-Politik sind noch nicht abzusehen. Ob die nun auf die lange Bank verschobenen Knessetwahlen etwas verändern werden, ist zu bezweifeln sind doch die grossen politischen Parteien Israels vor allem Arbeitvermittlungsbüros für Ihre Mitglieder, einer Tradition, der vor allen anderen der Likud verpflichtet ist. Das verpflichtet viele Parteimitglieder, die Angst davor haben, ihre Pfründe zu verlieren. Ich befürchte der Zug ist für eine progressive und vernünftige politische Weichenstellung abgefahren. All das ist Israels Hauptproblem, hat jedoch absolut nichts mit Aktionen aus der arabisch-muslimischen Welt zu tun. So wie, beispielsweise, das Bombenattentat auf Israelis in Bulgarien.

Judenhass aus schiitischer Sicht

Der iranische Mullahstaat und seine Ableger, die schiitischen Hisbollah des Libanon, hassen uns Juden aus ganzem Herzen. Sie hassen alles jüdische, den Staat Israel, die Juden der Diaspora, kurz, sie versuchen die Arbeit Hitlers fortzusetzen. Den Hass haben sie von diesem geerbt, die Motivation dazu offensichtlich ebenso. Ich grüble schon lange Zeit über diesen Judenhass nach. Warum hassen sie uns? Sie haben keinen praktischen Grund, wie vielleicht, wenn auch selbstverschuldet, die Palästinenser. Die Iraner und ihre Hisbollah sind Schiiten, nicht Sunniten. Während der Zeit des Schahs waren Israel und Iran sehr gute Freunde, Israel half massgeblich die iranische Landwirtschaft zu entwickeln. Dann kamen Khomeini und seine Mullah, die den autokratischen Schah mit einer totalitären und faschistischen Theokratie ersetzten, in der ungeheuer viel Blut floss und noch immer fliesst. Und plötzlich war Iran unser schlimmster Feind, schlimmer noch als alle palästinensischen Terroristenbanden, die heute zu einem grossen Teil von den Mullahs und ihren Hasszwerg Ahmedinejad ideologisch und materiell unterstützt werden.

Warum dieser Hass auf uns Juden? Warum die Leugnung des Holocaust, die Verleumdungen der Juden und des Judentums im Nazistil Iran gehorchender terroristischer Untergrund in vielen, vor allem arabischen, Ländern? Schiiten sind nie vor Juden geflohen. Weder im Iran oder im Libanon. Im ersten Libanonkrieg waren die libanesischen Schiiten, zusammen mit libanesischen Christen, Israels erste Verbündete im Kampf gegen die sie terrorisierende PLO. Warum also dieser Hass? Ich weiss es nicht, sondern kann nur annehmen, dass die fundamentalistische Religion, mit der die Mullahs die in religiösen Dingen liberale Herrschaft des Schahs ersetzten, der Hintergrund sein muss. Analog zu den Nazis, wurde der Jude und stellvertretend für ihn Israel, als Sündenbock für alles Böse und Schlechte erklärt. Wie bei den Nazis gibt es keinen realen Hintergrund. Böswillige Ideologie oder Religion beschliesst, das Volk folgt mit Überzeugung oder aus Furcht vor dem bis heute andauernden landesinternen Terror in arabischen Ländern.

Je ich mich damit befasse, umsomehr verstärkt sich meine Auffassung, dass die grosse Religion des Islams in eine misanthropische und hasserfüllte politische Ideologie psychopathischer Natur verändert worden ist - den Islamismus und Jihadismus. Hass wurde zum Selbstzweck, eine Entwicklung, die leider auch in gewissen Kreisen rechtsextremer durch Gewalttätigkeit und linksextremer Juden durch Verleumdung und Unterstützung Israels Feinden begonnen hat.

Der, wie es heisst, von Iran ausgelöste Selbstmordanschlag in Bulgarien ist hoffentlich nicht bloss der Anfang einer neuen, auf jüdische Ziele in aller Welt gerichtete Terrorwelle. Ich fürchte jedoch, dass dies der einzige Schluss zu diesem Thema sein kann. Vertrauen wir den Antiterrorspezialisten Israels und anderen Staaten, es nicht nur bei schönen Deklarationen bleiben zu lassen, sondern proaktiv den islamistischen Terror  zu bekämpfen, statt Schönrednern verständnisreich zuzunicken.

Montag, 16. Juli 2012

Israels fromme Probleme




Die Sache mit den gleichen Rechten und Pflichten für alle

Endlich ist das wichtigste demokratische Grundsatzproblem Israels aufs Tapet gekommen. Ein Beitrag im „YNet“ (Yediot Ahronot“ bringt es auf den Punkt. Das Hauptproblem der Haredim volle Bürgerpflichten zu übernehmen sei, dass es Frauen im Militär gebe. Dies allein rechtfertige die haredische Weigerung Soldat zu werden. Es ist ein Grund, doch bestimmt nur einer von mehreren. Sie, die Haredim würden lieber auswandern, als wirkliche israelische Juden zu sein, was meine Freundin Esther Scheiner wiederum zum Anlass nahm, eine überzeugende Persiflage in ihrem Blog zu schreiben.  Der Hauptgrund jedoch, da bin ich überzeugt, ist ein rein politischer. Die Rabbiner haben Angst die Kontrolle über ihre Haredim zu verlieren – ein reines Machtspiel also. Aus demselben Grund werden Haredim von ihren Rebbes arm gehalten, abgehalten einen wirklichen Beruf zu erlernen und sich von der gesunden israelischen Gesellschaft abzusondern. Und, um nicht zu vergessen, eine perverse Sexualmoral durchzusetzen, die Frauen unter anderem als unrein zu sieht. Mehr will ich darüber nicht schreiben, ausser vielleicht meine Überzeugung, dass die Armee haredische Soldaten nicht eigentlich will oder gar braucht. Doch unsere Armee ist Teil eines demokratischen Staates, in dem alle dieselben Rechte und Pflichten haben – wenngleich eine grosse Minderheit sich vor allem an den Rechten orientiert. Das bisherig einzige Haredi-Battalion „Nahal Haredi“, etwa 600 Soldaten und davon keine 400 wirkliche Haredim, sind, wie mir von einem von ihnen persönlich erklärt worden ist, hat sich nicht bewährt, organisatorisch und militärisch. Zudem, wie schon im YNET Artikel steht, versuchen ultraorthodoxe Rabbiner den Offizieren ins Handwerk zu pfuschen und militärische Befehlsgewalt auszuüben, Kashrut muss speziell auf diese Haredim ausgerichtet sein und die Anwesenheit von Frauen ist in diesem Battalion völlig verboten. Nur schon das allein ist eine Beleidigung jeder Frau, die sich dem zweijährigen Frauenmilitärdienst unterzieht und ihre Leben riskiert und jenen Frauen, die in der Armee, auch in den hohen Rängen, eine wichtige Rolle als Berufsoffiziere spielen.

Die Sache mit der nationalen Kashrut und der religiösen Vergewaltigung der Bürger

Nun ist es kein Geheimnis, dass ich für Kashrut wenig übrig habe. Sie vermittelt mir den Geruch des Antisozialen, der Absonderung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen, die nicht genau so essen und genau so leben wie jene, die sich ausschliesslich dem Einhalten uralter jüdischer Gesetze verschrieben haben. Natürlich ist es durchaus legitim jüdische Speisegesetze einzuhalten. Man kann, wenn man will, sich koscher ernährende Juden respektieren, doch es kommt, wie in allem anderen, wirklich auf deren Motivation an. Warum leben sie koscher? Reduzieren sie damit das Judentum auf Nahrungseinnahme? Zwingen sie damit andere Menschen, sich koscher zu ernähren. Nachfolgend einige der Gründe für mein Koscherproblem:

·       Kashrut ist ein auf Nahrungsmittel und deren Zubereitung ausgerichtetes Gesetz der jüdischen Religion. Zwar bin ich kein Experte, doch weiss ich, dass Kashrut auf die Aussagen in Leviticus 11 und Deuteronomium 14, 3 - 21 beruhen . Dort werden Tiere, Fische und Geflügel aufgezählt, jene die man essen und jene die man nicht essen darf. Chinesische und andere asiatische Küche hat hier wenig zu suchen, obwohl wir Juden auch dazu wunderbar kluge und völlig koschere Umgehungsprozedere gefunden haben.

·       Heute, wo Judentum für viele Juden, vor allem ausserhalb Israels, zum oberflächlichen „Live Style“ geworden ist, den man zu Hause pflegt und ausserhalb nicht immer einhält, stellt sich die Frage sozialer Doppelmoral. Das hat den Vorteil andere Menschen, mit denen man zusammen sein will (oder soll), nicht völlig vor den Kopf zu stossen. Doch schützt dieser Live Style auch davor denken zu müssen?  „Man tut’s einfach“ und hinterfragt nichts, wie mir einmal von einer Dame mitgeteilt wurde, dazumal im Zusammenhang mit Beschneidung. Etwas zu hinterfragen heisst noch lange nicht, dass man kritisiert oder gar ablehnt. Man will einfach wissen, warum etwas zur Tradition geworden ist. Alles soll hinterfragt werden und unreflektierte Tradition als einzige Begründung darf nicht gelten.

·       Kashrut ist eine sehr geldintensive Einnahmequelle für orthodoxe jüdische Männer. Sie, die keinen Beruf erlernt haben, ist die Arbeit als Kashrutaufseher (Maschgiach) eine wundervolle Aufgabe, gut bezahlt und vor allem vieles verteuernd, wie untenstehendes Beispiel bezeugt.

·       In Israel hat sich Kashrut in sehr vieles eingenistet, das eigentlich gar nichts mit essen zu tun hat. Nur ein Beispiel von vielen: Die meisten israelischen Hotels haben am Wochenende einen sogenannten Schabbat-Lift, für den man keinen Knopf drücken muss, denn er fährt langsam aber stets ohne anzuhalten in einem Tempo, bei dem jeder ein- und aussteigen kann ohne irgendeinen Steuermechanismus berühren zu müssen. Soweit so gut. Diese Schabbat-Lifts brauchen aber, obwohl sie mit Essen nichts zu tun haben, in Israel einen Kashrut-Aufseher und zwar für die gut vierundzwanzig Stunden Dauer des Schabbat. Von Freitagabend bis Samstagabend. Das sind drei Arbeitstage von je acht Stunden. Da Schabbat-Aufseher am Schabbat nicht fahren dürfen, leben sie mit der ganzen Familie übers Wochenende im Hotel (vor allem in den zahlreichen grossen Luxushotels Israels). Das kostet das Hotel nicht nur drei Tagessaläre, sondern auch den Aufenthalt dreier Familien mit Kost und Logis über das Wochenende. Bestimmt ist das einer der Gründe für die unverschämten Preise israelischer Hotels.

·       Die Kashrut, wie auch das Zivilstandswesen und der öffentliche Verkehr Israels, bringt das orthodoxe Establishment in eine Machtposition, die das Land und seine weit über fünfzig Prozent säkularer Bürger erpresst und ihnen einen Lebensstil aufzwingt, den sie überhaupt nicht mögen. Sogar im Restaurant des Möbelwarenhauses IKEA schleichen Mashgichim herum und passen auf, dass sich ja niemand aus dem milchigen Café einen Milchkaffee ins fleischige Restaurant holt – von mir vor kurzem beobachtet. Aber man arrangiert sich. Die Koalitionspolitik aller Regierungen lässt nichts anderes zu. Man könnte heute sagen, russische Einwanderer hätten Israel auf ihre Art gerettet: immerhin gibt es heutige russische Lebensmittelgeschäfte und ausgezeichnete, meist nicht russische Restaurants, in denen jeder essen darf, was ihm schmeckt.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Israel wichigste Sorgen




Die Regierungskoalition

Noch nie in seiner Geschichte hat sich das israelische Wahlsystem mit seinen Auswüchsen so negativ bewiesen. Minderheiten, vor allem Rechtsextremisten und Superorthodoxe, sind in der Lage, die Regierung zu Entscheiden zu erpressen, die sogar Nethanyahu nicht in den Kram passen. Trotzdem besteht gerade mit der gegenwärtigen Riesenkoalition die noch nie dagewesene Möglichkeit revolutionäres, noch nie dagewesenes zu erreichen und Israel als wirklich demokratischen Staat ohne wacklige Füsse zu sichern. Mit einer Koalitionsmehrheit von rund achtzig Prozent hat Ministerpräsident Nethanyahu heute die Möglichkeit grosses zu tun, das die interne Situation Israels aufs positivste verändern würde. Doch diese Superkoalition wackelt schon. Das zu revidierende Tal-Gesetz, das er auf Entscheid des Obersten Gerichtshofes revidieren oder gar abschaffen muss, bringt ihn in Nöte. Er, der am liebsten alles beim Alten lassen möchte, dem der eigene Stuhl wichtiger ist, als das Wohl und der demokratische Charakter Israels, muss Entscheide treffen, die er nicht mag.

  • Nethanyahu könnte, wie er zurzeit vorgibt zu tun, demokratische Pflichten für sämtliche Bürger Israels durchsetzen. Jeder Bürger, der Fit für Militärdienst oder Zivildienst ist, soll dienen. Weder Lebensstil noch, Zivilstand, Religion noch Volkszugehörigkeit darf als Ausrede dienen. Nur die Armee selbst darf nach militärischen Kriterien entscheiden, wen sie will.
  • Nethanyahu könnte, wenn er den Mut dazu hätte, das israelische Oberrabbinat auflösen und undemokratische Macht über Zivilstand, Geburten und Todesfälle, das Koscherwesen und alles mit Religion verbundene privatisieren oder religiös neutralen staatlichen Ämtern überlassen. Das Oberrabbinat ist eine völlig überflüssige kostenaufwendige Bürokratie selbsternannter reaktionärer bärtiger Tyrannen, die nicht erkennen wollen, dass wir im 21. Jahrhundert leben. Es wurde von den einstigen britischen Mandatsbehörden geschaffen, um einen zentralen Gesprächspartner für Religiöses zu haben, so wie in allen westlichen aufgeklärten Staaten. Im heutigen Israel wird der Mensch auf seine Religion reduziert, ein Unfug sondergleichen. Mit der Privatisierung aller Religionen in Israel, wäre dieses Amt überflüssig. Solange es bestehen bleibt, schadet es unserer Demokratie. Haredische Juden anerkennen das Oberrabbinat schon heute nicht an, sie haben ihre eigenen Rabbiner, die über ihre Höfe wie Könige herrschen. Doch eben das ist ihre Privatsache und demokratisch legitim, auch wenn es die Mitglieder dieser Höfe von selbständigem Denken und Entscheiden abhält. Die staatlichen Oberrabbiner sind das nicht.
  • Nethanyahu könnte, wenn er wollte, die wachsende raffgierige Oligarchie, Wirtschaftskriminalität und organisiertes Verbrechen und ihre nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch ethisch negativen Einflusse, bekämpfen. Zwar können die zahlreichen Gerichtsverfahren und Verurteilungen korrupter Politiker und Beamter als positives Beispiel betrachtet werden, weil Korruption im gesamten Mittleren Osten zum akzeptierten Lebensstil gehört, aber nur in Israel, dieser Ausnahmedemokratie der Region, strafrechtlich verfolgt wird und für die Täter tatsächlich Konsequenzen hat. Persönliche Sesselkleberei ist eine Abart der Korruption, es ist die völlige Ablehnung persönlicher Verantwortung und Übernahme persönlicher Konsequenzen für eigenes politisches Fehlverhalten, sind noch immer Fremdworte in der israelischen Politszene.
Die Haredim

Eines meiner Lieblingsthemen. Für einmal nur eine einzige Beobachtung. Die etwa 800'000 aber in einem Supertempo von jährlich über acht Prozent wachsenden haredische Bevölkerung könnte in wenigen Jahrzehnten die Mehrheit der Juden in Israel bilden. Sie leben in einer sozial völlig abgeschirmten Gesellschaft. Ihr Lebensstil des Thoralernens statt nützlicher Arbeit und die daraus folgenden Konsequenzen auf die Gesellschaft, ist der Grund, dass Israel unter den OECD Staaten abgeschlagen mit einem fast zwanzig Prozent kleineren Anteil arbeitender Menschen unter den arbeitsfähigen Bürgern dasteht. Womit das israelische BSP sehr viel niedriger in Erscheinung tritt, als es die israelische Wirtschaft eigentlich verdient.

Dieser parasitäre Lebensstil der haredischen Bevölkerung wird vor allem von seinen allmächtigen Rabbinern ihren Schäfchen aufgezwungen , auch wenn heute, wie aus vielen Quellen zu vernehmen ist, der Wunsch die eigene Familie selbst zu erhalten und auch Militärdienst zu leisten, unter haredischen jungen Männer wächst. Das könnte, wer weiss, zu einem internen haredischen Aufstand führen. Die reaktionäre Macht haredischer Rabbiner könnte im Laufe der kommenden Jahrzehnte gebrochen oder wenigsten geschwächt werden. Ich denke, dass diese Entwicklung jedoch an gewisse Änderungen im haredischen Lebensstil gebunden sein muss. Es kann schlicht nicht sein, dass der Staat seine Einrichtungen, die all seinen Bürgern zu Verfügung stehen, haredischen Ansprüchen anpassen muss. Wie superkoschere und völlig frauenlose Einheiten im Militär, ohne die haredischer Militärdienst nicht zu realisieren ist. Ich denke, dass nicht die Mehrheit sich allen haredischen Sonderwünschen bedingungslos zu beugen hat, sondern Haredim sich an die allgemeinen Regeln unserer Gesellschaft soweit wie notwendig anpassen müssen. Es geht nicht um ihr privates Leben, sondern um die Eingliederung in die moderne israelische Gesellschaft mit all ihren Rechten und Pflichten. Und um einen gewissen Stolz, sich nicht von der arbeitenden Bevölkerung aushalten zu lassen. Wenigsten so lange, wie Israel ein säkularer Staat bleiben kann.

Die Westbankbesiedlung

Die Welt weiss nicht, dass bis 1977, als Menachem Begin in Israel die Macht übernahm, in der Westbank weniger als fünftausend Israelis in der Westbank lebten. Mit Begins Machtübernahme änderte sich das, heute sind es etwa 400'000, er öffnete den ideologischen Besetzern die Schleusen. Allerdings sind ein grosser Teil der heutigen Westbanksiedler aus wirtschaftlichen Gründen dorthin gezogen – die schönen grossen Villen, die gute Luft und die noch besseren Preise und staatlichen Vorzugsbedingungen sind auch heute noch sehr attraktiv.

Doch die Westbankbesiedlung kostet Israel einen enormen Preis, vielleicht nicht im Zusammenhang mit der Sicherheit des Staates, aber im Laufe der jahrelangen Besetzung ist das Land in einen moralischen Sumpf geraten, in den es immer tiefer sinkt. Prof. Jeshajahu Leibowitz bemerkte schon vor über dreissig Jahren, dass Besetzung den Besatzer korrumpiere. Diese Prophezeiung ist eingetroffen: Araberhass droht den humanistischen Zionismus zu zerstören. Nicht wenige Siedler verfolgen heute Palästinenser in den Gebieten, schlagen sie, zerstören ihre Ernten und Olivenbäume, bedrohen und töten sie, zünden Hauser und Moscheen an – sie haben sich auf einen Weg und ein Niveau begeben, der dem palästinensischer Terroristen peinlich nahesteht. Auch wenn man, realistisch gesehen, von Israel den Abzug aus der Westbank heute nicht erwarten darf, Israels Sicherheit hat mit dem faschistischen Verhalten gewisser Siedlerkreise kaum etwas zu tun, ausser vielleicht, dass es auch unschuldige Palästinenser, die eigentlich mehr unter Terror aus ihren eigenen Kreisen leiden, uns Juden noch weiter entfremdet. Sogar wenn man das jüdische Recht auch im Kernland des biblischen Eretz Israel zu wohnen prinzipiell anerkennt und der politischen Phantasterei der Palästinenser eines völlig judenfreien Palästinas mit Ablehnung gegenübersteht – das jüdische Israel muss sich wieder auf die Philosophie der Gründergenerationen besinnen. 

Abschliessend

Nun werden bestimmt viele fragen, warum der Uri in dieser Liste Israels echter und kritischer Sorgen, die „Friedensbemühungen“ der zwei Verhandlungspartner Palästinenser und Israelis nicht erwähnt. Der Grund dafür ist meine Überzeugung, dass weder Palästinenser noch die gegenwärtige israelische Regierung an einem wirklichen Friedensabkommen und einem friedlichen Nebeneinanderleben interessiert sind. Den Palästinensern der Westbank (und auch Gazas) geht es relativ gut (was sie jedoch nie zugeben dürfen), sie werden von der Welt materiell auf quantitativ absurde Weise finanziell unterstützt. Ob der Löwenanteil dieser Unterstützung auf Schweizer Bankkonten landet ist für Israel nicht von Interesse, müsste es aber für die Palästinenser selbst sein. Doch sie machen lieber Aussenstehende für ihre allfälligen Nöte verantwortlich. Nach weit über sechzig Jahren arabischer Feindschaft und vielen stets gewonnenen Kriegen, hat sich in Israel eine Regierung breitgemacht, welcher der Status Quo willkommen ist und mit seiner Siedlungspolitik Israel langsam aber sicher in die Hölle reitet. Gegen die palästinensische und muslimische Bedrohung kann sich Israel halten, auch wenn ein wehrhaftes Israel (also wehrhafte Juden) von vielen der westlichen Welt, als Oxymoron gesehen wird. Nach 1945, also nachdem die Nazis vernichtet waren, warf man uns Juden vor, uns nicht gewehrt zu haben (quasi, als wären wir am Holocaust selbst schuld), während heute Israel vorgeworfen wird, es sei zu wehrhaft, ja zu einem Militaristenstaat geworden – eine Behauptung, die jeder, der Israel kennt, als eine der vielen ideologischen Vorurteile dummer Ignoranten erkennt.

Deshalb stehe ich zu oben beschrieben drei Themen als Israels wichtigste existenzielle Gefahr und denke, Israel selbst ist heute sein eigener grösster Feind. Frieden bringt uns dies Einsicht zwar nicht, das Überleben als zionistischer demokratischer Staat aller seiner Bürger aber schon. Das bis sich die gegenseitige Einstellung der Regierungen und Bürger beider Partner einer neuen Realität stellt.