Freitag, 30. August 2013

Rückblick und Pläne


Wie Anfang Jahres beschrieben, leben Lea und ich seit Ende Dezember 2012 in einem „Diur Mugan“ (geschütztes Wohnen), einer Art Voraltersheim, indem man zwar volle Verantwortung für seine eigene Lebensführung trägt, man führt z.B. einen kleinen Haushalt und fährt sein eigenes Auto, um zwei Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite muss man sich nicht mehr ums Putzen kümmern, im Haus gibt es eine Wäscherei und für alles ist Hilfe da, falls sie benötigt ist. Braucht man einen Nagel in die Wand geschlagen – Telefon genügt, fünf Minuten später ist der Mann mit dem Hammer vor der Tür. Viele Freunde aus dem In- und Ausland haben uns inzwischen schon besucht. Alle sind sie begeistert. Jeden zweiten Tag schwimme ich durchschnittlich zehn bis fünfzehn Runden in unserem wunderschönen Hallenbad, ich bin in einer "English Poetry" dabei, etwas, für das ich überraschenderweise Interesse entdeckt habe. Und ich schreibe und schreibe, wenn auch mit Unterbrüchen. Und wir haben politische und andere Vorträge mit sehr hohen Niveau. Z.B. kommt der Chefnachrichtenredaktor des israelischen Radios "Kol Israel" Dan Bielski monatlich zu uns und hält uns auf dem Laufenden. Gefragt warum er das tut (erst noch ohne Honorar), antwortete er mir, er finde wir AKs müssen informiert sein, er halte das für äusserst wichtig. Möglicherweise weiss er, dass unter uns AKs (Alte Kacker) auch Politiker, Generäle und andere Promis zu finden sind, doch ich denke tatsächlich Dan meint es ehrlich so.

Meine Interessen haben sich nicht wesentlich geändert, trotz Gedichten in English und dem Swimming Pool. Soeben habe ich einen vor allem im Journal21 ausgetragenen Krieg um den Einfluss evangelikaler Kreise unter Schweizer Zionisten ausgefochten, der meinen Blutdruck gesund gehalten hat. Es wurde von der Gegenseite (unter denen sich auch ganz wenige Juden befinden, die bis heute nicht entdeckt haben, dass wir im 21. Jahrhundert leben und Herzl schon lange tot ist) mit äusserster Unhöflichkeit gestritten, jemand nannte mich sogar „Antichrist“. Da der Messias, laut evangelikalem „Wissen“, während der baldigen Apokalypse aus dem Judentum kommen wird, ist, wer weiss, vielleicht etwas dran. Jemand meinte sogar voller christlicher Nächstenliebe, mein inzwischen besiegter Prostatakrebs hätte sich in meinem Hirn festgesetzt. Für diese gedanklich träfe Idee traf allerdings einige Tage später eine Entschuldigung ein. Vielleicht war sie sogar ehrlich gemeint.

Also, es waren tolle Zeiten. Für mich ist diese Aktion abgeschlossen und ich werde mich anderem zuwenden können.

Ich werde mich anstrengen wieder vermehrt im Journal21 und in meinem Blog zu schreiben. Ich fühlte mich als Gegengewicht zu den im Journal21 schreibenden Kollegen der israelkritischen Sorte. Ich will mich im kommenden Winter wieder der Fotografie und auch meinem grossen Hobby, dem Blues und dem Jazz.

Aus diesem Anlass habe ich hier einige sehr schöne und sehr alte Filmaufnahmen der Blues- und Jazzgeschichte unten angefügt und hoffe damit vielen eine Freude zu machen, so wie es bei meiner letzten Aktion dieser Art geschehen ist. 


Billie Holiday & Lester Young

Billie Holiday & Louis Armstrong

Etta James & Dr. John

Glady Knight & B.B. King

Grandpa Elliott und viele andere um die Welt singen "Stand by me"


Grandpa Elliot und Clarence Bekker auf der Bühne

Smoking Time Jazz Club - an der Royal Street in New Orleans 

Viel Vergnügen! 

PS. Unser TV läuft, wir warten auf Präsident Obama um zu hören, ob und wann die Tomahawks fliegen werden. Zwar fragte mich bisher keiner, was ich davon halte, aber ich sag's trotzdem: Lieber Obama, lass die Finger davon! Wir haben zwar vier (auch für Gäste!) Gasmasken in unserer Wohnung - schon seit dem zweiten Lebanonkrieg und sie seien noch immer völlig einsatzbereit - aber in dieser Welt der Barbaren von der Israel umgeben ist, spielen Menschenleben keine Rolle. Unter uns gibt es Leute, die vielleicht mit Recht denken, sollen diese Barbaren - islamistische und nichtreligiöse, Mullahs und Diktatoren - sich gegenseitig abschlachten, bis keiner mehr übrig bleibt. Was weder Obama noch dem Westen nicht klar zu sein scheint, ist die Tatsache, dass es kaum einen Unterschied zwischen Assads Schergen und den islamistischen Hassern gibt. Hätten die Letzteren ihr eigenes Giftgas, hätten sie es ebenso angewendet, wie Assad, wahrscheinlich noch leichtfertiger. Ich denke nur, dass wir als Juden von der Welt entscheidendes erwarten, nämlich gegenüber arabisch-islamistischer Gewalt endlich wirklich Stellung zu beziehen und diese Stellungsnahme in Taten umzusetzen. Arabische Kultur der Gewalt hat mit Israel wenig bis gar nichts zu tun, Israel dient ausschliesslich als Ablenkung von eigenem umfassenden Versagen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Ich überlege mir gelegentlich, was in einem Nahen Osten ohne Israel geschehen wäre. Wer würde statt Israel als Watschenmann der Araber herhalten müssen? Eine Antwort habe ich bisher nicht gefunden, aber arabischer Terror braucht kein Israel. Sein Betätigungsfeld sind die eigenen Brüder und die ganze Welt. Das, meine Lieben, hat diese Welt inzwischen lernen dürfen.

Andere Völker, andere Sitten



„Man kann nicht eine westliche Denkform auf den Nahen Osten zwingen“. (Rabbiner Tovia Ben-Chorin)

Vielleicht dachte Rabbi Tovia, als er vor Jahrzehnten diesen gescheiten Satz formulierte, an Demokratie.

In Ägypten sterben Leute, die Armee hat den Muslimbrüdern den Kampf angesagt. Gegen Tausend von ihnen sind bisher im Feuer der ägyptischen Armee gestorben.

Auf der anderen Seite verfolgen Muslimbrüder und Salafisten erfolgreich Kopten (Christen), die rund zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung bilden. Sie lynchen diese und brennen ihre Kirchen zu Dutzenden nieder. Dem wird im Westen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht deshalb, weil es ein traditionelles Phänomen des heutigen Ägyptens ist, nicht nur in Kairo und den Grossstädten, sondern ebenso in den Dörfern landesweit. Der Schutz verfolgter Christen scheint für westliche Medien von weniger Interesse zu sein, als das Schicksal islamistischer Terroristen. Die den Muslimbrüdern geistesverwandten Salafisten sind nicht weniger aktiv und töten, ja vollumfänglich und zeremoniell exekutieren Polizisten und Soldaten in ägyptischen Städten und im Sinai. Darum ist es falsch die Muslimbrüder und ihre terroristischen Brüder als Opfer darzustellen. Ähnlich wie ihre Kollegen in Gaza, die Hamas, tun sie mit perverser Freude ihr bestes Menschen zu töten.

Unschöne Zustände, von westlichen Politikern und Gutmenschen heftig kritisiert, vor allem die Aktionen der Armee. Diese Kritiker benutzen völlig falsche Kriterien. Wie Rabbi Tovia sagt, legen sie westlichen Denkformen als Massstab für die Zustände in der arabisch-islamischen Gesellschaft an. Das ist nicht neu, das ist so, seit in westlichen Ländern die Israelkritik entdeckt hat. Israel mit seiner freien Gesellschaft, wird nicht als krasser Gegensatz zur totalitären und autoritären arabisch-islamischen (oder gar islamistischen) Gesellschaft gezeigt. Doch darum geht es hier nicht.

An demokratischen Grundsätzen gemessen ist der Sturz des ägyptischen Präsidenten und Muslimbruders nicht gesetzeskonform. Er hätte abgewählt werden müssen, als Folge eines parlamentarischen Misstrauensvotum oder regulären Wahlen. Doch demokratische Grundsätze in arabischen Ländern gelten bestenfalls für mehr oder weniger freie Wahlen. Für mehr nicht. Mursi demonstrierte in seiner kurzen Regierungszeit u.a. folgendes:

·       Muhammad Mursi hat sich im vergangenen November per Dekret über das Gesetz gestellt und hierdurch ein absehbares Eingreifen der Judikative in den Verfassungsgebungsprozess unterbunden. Damit stellte er sich über in der Verfassung vorgesehenes Recht. Eine demokratische Todsünde, in totalitärem Stil. Das ägyptische Parlament existiert nicht, da es von Mursi aufgelöst worden war – niemand konnte ihn von seinen, wie es sich heute zeigt, Dummheiten abhalten – ausser der Armee.

·       Mursi sei nicht Präsident aller Ägypter, sondern der Muslimbrüder, wurde zum zentralen Vorwurf der ägyptischen Opposition. Tatsächlich ist Muhammad Mursi mit den Stimmen von lediglich 27 Prozent der Wahlberechtigten gewählt worden. Es wäre seine demokratische Pflicht gewesen, andere Parteien in die Regierung einzubeziehen, doch er zog es vor das Land in Säkulare (und Christen) und Muslimbrüder zu spalten.

Eine Ägypterin schrieb nach den Wahlen: "Bei den Wahlen waren wir gezwungen, zwischen Pest und Cholera zu wählen, zwischen Mursi und Mubaraks Leuten. Wir hassten Mursi, weil er das Land in Säkulare und Muslimbrüder gespalten hat. Er hat den Fehler gemacht, Religion ins Spiel zu bringen. Nicht Mursi hat Ägypten regiert, sondern die Muslimbrüder. Mursi schreckte nicht davor zurück, das Gesetz zu ihren Gunsten zu brechen.“ Dazu ist zu bemerken, dass Mursi, als Islamist und Muslimbruder nicht anders handeln konnte, denn für ihn ist Religion Politik und Politik Religion.

Um über den Nahen Osten realistisch und wahr berichten zu können, ist man gezwungen politisch unkorrekt zu schreiben. Man muss fragen dürfen, warum beispielsweise wirkliche Demokratie in der arabisch-muslimischen Welt nicht Fuss fassen kann. Sind es die religiösen Vorschriften der Scharia, die grösstenteils diametral einer freien Gesellschaft entgegenstehen oder sind es autoritäre stammeshörige Traditionen in arabischen Ländern. Oder ist es die gewaltige Bildungslücke der arabischen Gesellschaft im Vergleich zum Westen und dem Rest der Welt? Mit einer analphabetischen Mehrheit kann eine moderne Demokratie wenig anfangen und eine blühende Wirtschaft, die allen zugutekommt, kann auch nicht errichtet werden. Besonders nicht wenn Demokratie ausschliesslich auf Wahlen reduziert wird, wie das in arabischen Ländern und anderen Drittweltstaaten der Fall ist, in denen alle anderen Grundsätze wie Bürgerrechte, Gleichberechtigung, Minderheiten- und Frauenrechte, wie auch Freiheit für und von Religion unbeachtet bleiben. So kommt bestenfalls ein neuer Diktator, zivil-faschistisch  oder militärisch, an die Macht (der Vorgänger ist dann tot oder sitzt im Gefängnis), zwar demokratisch gewählt – aber damit ist das Thema Demokratie abgehackt, erledigt. Bis zur nächsten Revolution oder dem nächsten Putsch, wo es wiederum zum vorübergehenden Gesprächsthema werden wird.

Die zweite Frage wäre: warum sind Araber unfähig ihre Probleme ohne Gewalt zu lösen? Die Antwort ist, so denke ich, dieselbe, wie die Antwort auf die erste Frage im Zusammenhang mit Demokratie. Sie hat viel mit der höchst antidemokratischen Einstellung des „Alles oder Nichts“ zu tun, mit der Verweigerung Verantwortung zu übernehmen und so gezwungen Sündenböcke zu suchen. Zur Gewalttätigkeit ist es dann nicht mehr weit.

Auf Grund dieser Überlegungen ist es schwierig für oder gegen die zurückgekehrte Militärdiktatur zu sein. Unübersehbar wird das Militär heute von der Bevölkerungsmehrheit unterstützt. Denn sie schafft Ordnung und unterdrückt die fromme Gewalt der Muslimbrüder und ihrer Mitterroristen. Die einjährige Erfahrung mit einer islamistischen Regierung hat den Bürgern offenbar genügt, sich von Mursis religiös- extremistischen und korrumpierten und auch wirtschaftlich unfähigen Diktatur zu entwöhnen, denn er zeigte sich noch unfähiger als sein militärischer Vorgänger.

Ben Caspit, einer der bekanntesten Journalisten Israels, fasste die Situation, soweit sie Israel und die USA (die den Westen repräsentiert) betrifft wie folgt zusammen: „There’s no question that in this case, Israel is keeping its fingers crossed for the Egyptian military in general, and its commander-in-chief Gen. Abdel Fattah al-Sisi in particular. Israel is watching US conduct with some amusement, but also with a similar degree of concern. The Americans are in a serious bind. On one hand, they cannot support a military coup or cheer the killing of hundreds of civilians. On the other, they understand that this is what the majority of Egyptians want, and they’ve started realizing that their gamble on the Muslim Brotherhood was a particularly stupid mistake.“

Ein Detail sollte hervorgehoben werden: Die ägyptische Armee gleicht in einem frappant der Volksbefreiungsarmee Chinas. Beide besitzen einen enormen Anteil an der Industrie ihrer jeweiligen Länder. Das ist eine Tatsache, auch wenn es für China schwierig ist, genaue Zahlen zu finden. In Ägypten sind es, gemäss Joshua Hammer, einem amerikanischen Journalisten, gut vierzig Prozent. Allerdings ist das technologische Niveau Chinas mit dem Ägyptens in keiner Weise vergleichbar.

Mittwoch, 21. August 2013

Diktatur - besser als defekte Demokratie?



Eine redigierte Fassung dieses Artikel ist parallel im Journal21 erschienen.

„Man kann nicht eine westliche Denkform auf den Nahen Osten zwingen“. (Rabbiner Tovia Ben-Chorin)

Vielleicht dachte Rabbi Tovia, als er vor Jahrzehnten diesen gescheiten Satz formulierte, an Demokratie. 

In Ägypten sterben Leute, die Armee hat den Muslimbrüdern den Kampf angesagt. Gegen Tausend von ihnen sind bisher im Feuer der ägyptischen Armee gestorben.

Auf der anderen Seite verfolgen Muslimbrüder und Salafisten erfolgreich Kopten (Christen), die rund zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung bilden. Sie lynchen diese und brennen ihre Kirchen zu Dutzenden nieder. Dem wird im Westen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht deshalb, weil es ein traditionelles Phänomen des heutigen Ägyptens ist, nicht nur in Kairo und den Grossstädten, sondern ebenso in den Dörfern landesweit. Der Schutz verfolgter Christen scheint für westliche Medien von weniger Interesse zu sein, als das Schicksal islamistischer Terroristen. Die den Muslimbrüdern geistesverwandten Salafisten sind nicht weniger aktiv und töten, ja vollumfänglich und zeremoniell exekutieren Polizisten und Soldaten in ägyptischen Städten und im Sinai. Darum ist es falsch die Muslimbrüder und ihre terroristischen Brüder als Opfer darzustellen. Ähnlich wie ihre Kollegen in Gaza, die Hamas, tun sie mit perverser Freude ihr bestes Menschen zu töten.

Unschöne Zustände, von westlichen Politikern und Gutmenschen heftig kritisiert, vor allem die Aktionen der Armee. Diese Kritiker benutzen völlig falsche Kriterien. Wie Rabbi Tovia sagt, legen sie westlichen Denkformen als Massstab für die Zustände in der arabisch-islamischen Gesellschaft an. Das ist nicht neu, das ist so, seit in westlichen Ländern die Israelkritik entdeckt hat. Israel mit seiner freien Gesellschaft, wird nicht als krasser Gegensatz zur totalitären und autoritären arabisch-islamischen (oder gar islamistischen) Gesellschaft gezeigt. Doch darum geht es hier nicht.
An demokratischen Grundsätzen gemessen ist der Sturz des ägyptischen Präsidenten und Muslimbruders nicht gesetzeskonform. Er hätte abgewählt werden müssen, als Folge eines parlamentarischen Misstrauensvotum oder regulären Wahlen. Doch demokratische Grundsätze in arabischen Ländern gelten bestenfalls für mehr oder weniger freie Wahlen. Für mehr nicht. Mursi demonstrierte in seiner kurzen Regierungszeit u.a. folgendes:

·  Muhammad Mursi hat sich im vergangenen November per Dekret über das Gesetz gestellt und hierdurch ein absehbares Eingreifen der Judikative in den Verfassungsgebungsprozess unterbunden. Damit stellte er sich über in der Verfassung vorgesehenes Recht. Eine demokratische Todsünde, in totalitärem Stil. Das ägyptische Parlament existiert nicht, da es von Mursi aufgelöst worden war – niemand konnte ihn von seinen, wie es sich heute zeigt, Dummheiten abhalten – ausser der Armee.

·  Mursi sei nicht Präsident aller Ägypter, sondern der Muslimbrüder, wurde zum
zentralen Vorwurf der ägyptischen Opposition. Tatsächlich ist Muhammad Mursi mit den Stimmen von lediglich 27 Prozent der Wahlberechtigten gewählt worden. Es wäre seine demokratische Pflicht gewesen, andere Parteien in die Regierung einzubeziehen, doch er zog es vor das Land in Säkulare (und Christen) und Muslimbrüder zu spalten.

Eine Ägypterin schrieb nach den Wahlen: "Bei den Wahlen waren wir gezwungen, zwischen Pest und Cholera zu wählen, zwischen Mursi und Mubaraks Leuten. Wir hassten Mursi, weil er das Land in Säkulare und Muslimbrüder gespalten hat. Er hat den Fehler gemacht, Religion ins Spiel zu bringen. Nicht Mursi hat Ägypten regiert, sondern die Muslimbrüder. Mursi schreckte nicht davor zurück, das Gesetz zu ihren Gunsten zu brechen.“ Dazu ist zu bemerken, dass Mursi, als Islamist und Muslimbruder nicht anders handeln konnte, denn für ihn ist Religion Politik und Politik Religion.

Um über den Nahen Osten realistisch und wahr berichten zu können, ist man gezwungen politisch unkorrekt zu schreiben. Man muss fragen dürfen, warum beispielsweise wirkliche Demokratie in der arabisch-muslimischen Welt nicht Fuss fassen kann. Sind es die religiösen Vorschriften der Scharia, die grösstenteils diametral einer freien Gesellschaft entgegenstehen oder sind es autoritäre stammeshörige Traditionen in arabischen Ländern. Oder ist es die gewaltige Bildungslücke der arabischen Gesellschaft im Vergleich zum Westen und dem Rest der Welt? Mit einer analphabetischen Mehrheit kann eine moderne Demokratie wenig anfangen und eine blühende Wirtschaft, die allen zugutekommt, kann auch nicht errichtet werden. Besonders nicht wenn Demokratie ausschliesslich auf Wahlen reduziert wird, wie das in arabischen Ländern und anderen Drittweltstaaten der Fall ist, in denen alle anderen Grundsätze wie Bürgerrechte, Gleichberechtigung, Minderheiten- und Frauenrechte, wie auch Freiheit für und von Religion unbeachtet bleiben. So kommt bestenfalls ein neuer Diktator, zivil-faschistisch  oder militärisch, an die Macht (der Vorgänger ist dann tot oder sitzt im Gefängnis), zwar demokratisch gewählt – aber damit ist das Thema Demokratie abgehackt, erledigt. Bis zur nächsten Revolution oder dem nächsten Putsch, wo es wiederum zum vorübergehenden Gesprächsthema werden wird.

Die zweite Frage wäre: warum sind Araber unfähig ihre Probleme ohne Gewalt zu lösen? Die Antwort ist, so denke ich, dieselbe, wie die Antwort auf die erste Frage im Zusammenhang mit Demokratie. Sie hat viel mit der höchst antidemokratischen Einstellung des „Alles oder Nichts“ zu tun, mit der Verweigerung Verantwortung zu übernehmen und so gezwungen Sündenböcke zu suchen. Zur Gewalttätigkeit ist es dann nicht mehr weit.

Auf Grund dieser Überlegungen ist es schwierig für oder gegen die zurückgekehrte Militärdiktatur zu sein. Unübersehbar wird das Militär heute von der Bevölkerungsmehrheit unterstützt. Denn sie schafft Ordnung und unterdrückt die fromme Gewalt der Muslimbrüder und ihrer Mitterroristen. Die einjährige Erfahrung mit einer islamistischen Regierung hat den Bürgern offenbar genügt, sich von Mursis religiös- extremistischen und korrumpierten und auch wirtschaftlich unfähigen Diktatur zu entwöhnen, denn er zeigte sich noch unfähiger als sein militärischer Vorgänger.

Ben Caspit, einer der bekanntesten Journalisten Israels, fasste die Situation, soweit sie Israel und die USA (die den Westen repräsentiert) betrifft wie folgt zusammen: „There’s no question that in this case, Israel is keeping its fingers crossed for the Egyptian military in general, and its commander-in-chief Gen. Abdel Fattah al-Sisi in particular. Israel is watching US conduct with some amusement, but also with a similar degree of concern. The Americans are in a serious bind. On one hand, they cannot support a military coup or cheer the killing of hundreds of civilians. On the other, they understand that this is what the majority of Egyptians want, and they’ve started realizing that their gamble on the Muslim Brotherhood was a particularly stupid mistake.“

Ein Detail sollte hervorgehoben werden: Die ägyptische Armee gleicht in einem frappant der Volksbefreiungsarmee Chinas. Beide besitzen einen enormen Anteil an der Industrie ihrer jeweiligen Länder. Das ist eine Tatsache, auch wenn es für China schwierig ist, genaue Zahlen zu finden. In Ägypten sind es, gemäss Joshua Hammer, einem amerikanischen Journalisten, gut vierzig Prozent. Allerdings ist das technologische Niveau Chinas mit dem Ägyptens in keiner Weise vergleichbar.

Und eben darum: vielleicht gibt es auch einen wirtschaftlichen Grund für die Vorgänge in Ägypten. Wäre das der Fall, käme auch hier das Zitat von Rabbi Tovia zur Geltung.