Sonntag, 31. August 2008

Lynn Hasisi und die wilden Weiber des Friedens


Wie für meine Enkelin Hadass beginnt am kommenden Montag die 12. Klasse, die Maturaklasse der israelischen Schulen, auch für Lynn. Sie besucht die Mittelschule des Kibbuz Ein Hashofet. Wir sind mit ihren Eltern befreundet, sitzen alle paar Wochen mit ihnen und Lynn bei einem guten Essen und interessanten Diskussionen in unserer Stube.

Lynn erzählte von ihrer Polenreise, die von den Schulen für Elftklässler organisiert wird, um den Schülern den Schoa zu vermitteln. Diese Reisen finden seit Jahrzehnten statt, sind zu einer Industrie geworden und werden manchmal auf eine Art durchgeführt, die mir nicht gefällt, wie nationalistisches Gehabe mit zu vielen Fahnen, einseitigem Reiseprogramm, das ausschliesslich auf die nazistische Vernichtungsindustrie konzentriert, ohne geschichtliche Hintergründe zu vermitteln, ohne den jüdischen Widerstand in den Konzentrationslagern und bei den Partisanen zu erwähnen, ohne die jüdische Kultur von einst und das nichtjüdische Polen von heute zu besprechen und letztlich, ohne Kontakt zu den Polen und Polinnen von heute zu suchen oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Das Besondere dieser Reise ist die Tatsache, dass Lynn keine Jüdin sondern Drusin ist, deren Eltern ihr eine fortschrittliche Schulausbildung vermitteln wollen, modern, israelisch und vor allem einer freien Gesellschaft entsprechend. Deshalb geht sie in eine Kibbuzschule. Mit Lynn zu sprechen ist ein Erlebnis, ein Vergnügen, das ich gerne und wiederholt auskoste. Ihr Hebräisch ist das einer Sabra, es ist nicht der geringste arabische Akzent zu hören, sie spricht spontan, hat eigene moderne Ansichten und scheut sich nicht, diese ins Gespräch einfliessen zu lassen. In vielem erinnert sie mich an meinen Enkel Jonathan, dem politisierenden Jugendbundleiter, der vor drei Wochen zusammen mit seinem Gar’in (Kerngruppe) in die Rekrutenschule einrückte. Bei den Drusen herrscht Militärpflicht, doch nicht für Mädchen und deshalb, so sagte sie, sei sie die erste Drusin, die den freiwilligen zweijährigen Zivildienst absolvieren werde. Das ist zwar nicht die Armee, doch auch so wird sie die erste Drusin sein, die diesen freiwilligen Dienst tut, genauso wie sie die erste Drusin war, die sich der für Juden (mehr oder weniger) obligaten Polenreise anschloss.

Auf dem Flug nach Polen sass sie zusammen mit dem mitreisenden Zeitzeugen, einem Holocaustüberlebenden, der mit den Jugendlichen bei diesen Reisen mitfährt und ihnen vor Ort seine Erlebnisse erzählt. Es wäre seine dreizehnte Polenreise als Zeitzeuge gewesen und es werde ihm mit jeder Reise schwierigen, seine Erinnerungen den jungen Menschen zu erklären, hatte er ihr erzählt. Er sei fast vom Sitz gefallen, als er erfuhr, dass Lynn keine Jüdin, sondern Drusin sei. Seiner Meinung nach, sei es wohl das erste Mal, dass ein nichtjüdischer Schüler als Mitglied einer jüdischen Schule mitreise.

Die Reise sei sehr streng gewesen, nach den Besuchen von Konzentrationslagern, ehemaligen Ghettos, Museen und ähnlichem sei die Gruppe jeden Abend zusammen gesessen, habe die Erlebnisse des Tages besprochen, Revue passieren lassen und abschliessend versucht, Lehren abzuleiten. Um zehn Uhr seien alle schon im Bett gewesen, um elf Uhr war Licht aus. Das hörte sich ganz anders an, als ich es in der Zeitung gelesen und wie es mir mein Enkel Adam nach seiner Reise erklärt hatte. Man habe keine polnischen Juden, keine polnische Nichtjuden getroffen, Gespräche mit diesen waren nicht im Programm vorgesehen gewesen. Fahnen habe man keine getragen, nur einmal, bei einer Feier, seien zwei kleine Fähnchen gehalten worden. Immerhin, nie seien die Teilnehmer abends in einer Bar herumgehangen und alkoholisiert ins Hotel zurückgekehrt. Das könnte der Einfluss der Kibbuzschule sein, in der vielleicht noch die Regeln des Jugendbundes Haschomer Hazair hochgehalten werden. Lynns Eindrücke und Empfindungen waren fast physisch fühlbar. Die Besuche in Auschwitz und bei der Rampe von Birkenau, in KZ Maydanek, im Ghetto von Lodz und ähnlichen Orten sind ihr unter die Haut gegangen. Das Wissen um die schiere Zahl der Opfer, der industrielle Massenmord, die Anlagen dazu und die Öfen mit den hohen Kaminen hätten sie geschüttelt. Sie erzählte von dem kleinen Jungen, der jemanden im KZ fragte wo seine Eltern seien. Man habe auf den Rauch, der aus den Kaminen quoll gezeigt und gesagt: „Siehst du den Rauch? Das sind sie“.

Dazu ist zu bemerken, dass Hani, Lynns Vater, vor Jahren versuchte einen drusischen Verein zu gründen um israelischen Minderheiten den Holocaust nahe zu bringen. Er bat mich um Hilfe, wir druckten Flugblätter und hielten lange Sitzungen ab, bei denen mein Freund Adam Teller, Geschichtsprofessor an der Universität Haifa (Geschichte der polnischen Juden ist sein Fach) teilnahmen. Hani musste leider aufgeben, nicht, weil er sich mit drusischen Judenhassern, die es auch gibt, auseinandersetzen musste, sondern weil jüdische Holocaustprofis in ihm eine Konkurrenz sahen und sich verweigerten. Da ohne Juden der Holocaust einem unwissenden Publikum kaum erklärt werden kann, verlor Hani den Mut. Doch gute Freunde sind wir geblieben.

Wir waren heute in der Galerie in Umm El-Fahm. Zufällig war eine Gruppe jüdisch-russischer „Frauen für den Frieden“ anwesend und wir schlossen uns ihnen beim Gespräch mit Said Abu-Shakra an. Anschliessend zeigte ich meiner Frau Lea und unserer Freundin Aviva die fotografische Ausstellung über die Geschichte der Stadt (mein Tagebucheintrag 30.6.3008). Die Frauen für den Frieden waren da und wir betrachteten die die gleichen Bilder. Auf einem Schwarzweissfoto von 1948 war ein primitives Haus aus Lehm zu sehen, vor dem einige arabische Männer und israelische Soldaten zu sehen waren. Auf dem Haus war eine kleine weisse Fahne mit einem handgezeichneten, aber schwer zu erkennenden Davidstern zu sehen. „Das stört mich“, erklärten einige dieser Damen ungefragt. Auf einem anderen Foto war ein Jeep mit israelischen Offizieren zu sehen – alles aus dem Jahr 1948. „Die hassen wir!“, riefen dieselben Damen des Friedens. Als ich sie milde auf die Tatsache aufmerksam machte, dass in 1948 die Palästinenser und arabische Staaten das soeben geborene Israel angegriffen hätten und dass der daraus entstandene Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt ausschliesslich deshalb entstanden sei und ebenso ausschliesslich das palästinensische Flüchtlingsproblem kreiert habe, wurde ich hysterisch angeschrieen: „Was du bist auch so einer, der die Besetzung unterstützt.“ Aviva zog mich weg und erklärte mir, dass man mit solchen Fanatikerinnen nicht vernünftig reden kann und besser jedem Gespräch aus dem Wege gehe. Das magische Wort „Besetzung“, mit dem jedes Argument erschlagen werden kann, ist zwar erst nach dem Sechstagekrieg in 1967 entstanden und ist mit der Eroberung der Westbank verbunden – eine Eroberung, die nur durch den Eintritt Jordaniens in diesen Krieg ausgelöst wurde. In 1967 hatten nicht einmal unsere eigenen jüdischen Spinner Eroberungsgelüste. Doch verbunden mit dem Unabhängigkeitskrieg von1948 ist dieses Wort schlicht die prinzipielle Ablehnung des jüdischen Staats. Dann wurde mir gesagt, dass beim betrachten der Bilder klar werde, dass Israels Araber ihren Lebensstil verloren hätten. Ich weiss nicht wie die Gedanken dieser Tanten funktioniert, sie meinen wohl den Lebensstil der Lehmhäuser, der Vielweiberei, dem Analphabetentum, der Abhängigkeit von ihren Feudalherren. Ich bin ratlos, wie sich jüdische Frauen dafür verwenden können, denn es geht um ihr eigenes Überleben und kann doch nicht aus der verantwortungslosen und verlogenen Ideologie entstanden sein, die bei sogenannten „Friedensgruppen“ in der Schweiz, in Europa und in den USA zu finden ist und eigentlich Israel zum nationalen Selbstmord bewegen will. Das Benehmen dieser Damen ist seltsam.

Strassensperren in der Westbank

24.4.2007

(Dieser Tagebucheintrag ist schon weit über ein Jahr alt, aber so aktuell wie dann. Deshalb finde ich, das er einen Platz im Blog verdient)

Ich bin zurzeit in Diskussionen verwickelt. Es geht um Israels Besetzung der Westbank – den Gazastreifen sind wir ja dank Arik Scharon losgeworden – und das Verhalten dort, besonders im Zusammenhang mit Strassensperren und der „Mauer“, wie der Sicherheitszaun, zu 94% aus Draht bestehend, genannt wird. Bevor ich mich in diesem Tagebucheintrag darüber auslasse, finde ich es richtig, meine Stellung zum Thema Besetzung seit 1967 ein für alle Mal zu präsentieren, obwohl das eigentlich für meine lesenden Freunde unnötig sein sollte. Sie wissen, was ich denke.1. Ich bin der Meinung, dass wir in der Westbank nichts zu suchen haben. Nach dem Sechstagekrieg wurde die Westbank wie auch Gaza, als Pfand für Frieden betrachtet, bis Rabbiner Levinger im Dezember 1975 in Sebastia bei Hebron, mit Tricks und Lügen die in diese Sache schwache israelische Regierung und die Armee hinters Licht führte und den Grundstein für das Siedlerwesen (oder Unwesen) legte. Heute sollen bereit 400'000 jüdische Siedler in der Westbank leben, die offizielle Zahl ist etwa 250'000.2. Ich bin der Meinung, dass der Sicherheitszaun eine Notwendigkeit ist, der statistisch bewiesen eine Menge israelischer Leben gerettet hat. Seit er besteht sind Terrorattentate ganz selten geworden. So lange bis nicht ein verlässlicher Frieden mit Israels Nachbarn besteht, wird dieser Zaun bestehen bleiben. Dass er nicht auf der Grünen Linie geführt wurde, ist ein Schönheitsfehler, der korrigiert werden muss und zum Teil schon korrigiert worden ist. Der Verlauf des Zaunes ist jedoch weit weniger wichtig, wie das Retten menschlichen Lebens vor palästinensischem Terror.3. Ich bin der Meinung, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Strassensperren in der Westbank heute überflüssig sind. Es gibt genügend unbewachte Strassen und Wege für Fahrzeuge und Fussgänger, die Palästinensern ermöglichen, ihr Ziel unkontrolliert zu erreichen. Alle Betroffenen wissen das, sie werden und wurden von der Presse fotografiert. Deshalb sind diese Strassensperren heute nichts anderes als ein bewusstes Schikanieren palästinensischer Zivilisten. Je nach Charakter oder ideologischer Überzeugung der einzelnen Offiziere und Soldaten, kann das gemäss Vorschrift geschehen oder Einzelne lassen ihren lädierten Charakter walten. Wir wissen, dass seit sehr langer Zeit in der Westbank keine Terroristen in Strassensperren erwischt worden sind. Die Tatsache, dass es noch immer zu langen Schlangen vor diesen Kontrollposten kommt, hat mit der politischen Lethargie der palästinensischen Bevölkerung zu tun, die auch bei vielen israelischen Arabern im politischen Leben zu beobachten ist. Israels Armee kann froh sein, dass es in der palästinensischen und arabischen Welt keinen Gandhi gibt, der die Menschen überredet, Konflikte prinzipiell gewaltlos zu lösen. Man stelle sich vor, wie einige hundert palästinensische Zivilisten als Gruppe singend auf eine Strassensperre zugehen würden, mit dem Ziel diese ohne Gewalt und friedlich zu durchqueren. Würden israelische Soldaten auf Kinder, Frauen und andere Zivilisten schiessen? Ich bin überzeugt, dass sie es nicht tun könnten, nicht tun würden. Ich wäre froh, mich hier zu irren, aber Gandhis gibt es in der arabischen Gesellschaft nicht, einer Gesellschaft in der nur Lethargie oder extreme Gewaltbereitschaft die Norm sind.4. Israels gegenwärtige Regierung ist, obwohl es einige gute Leute darunter hat, als Gesamtes gesehen eine völlige Katastrophe. Olmert und Peretz hätten nach dem Misserfolg des zweiten Libanonkrieges sofort zurücktreten müssen, doch fehlt ihnen dazu das demokratische Verständnis und der Sinn für persönliche Verantwortung. Der iranischen Bedrohung der arabischen Welt (dazu gehören wir wenigsten gemäss klar verkündeten iranischen Absichten) haben wir zu verdanken, dass arabische Regierungen einzulenken scheinen und Israel Friedensverhandlungen anbieten. Ein ungeheurer Wandel seit den drei Neins von Khartum vor vierzig Jahren, mit seinen „keine Anerkennung, keine Verhandlungen, keinen Frieden“ mit Israel. Obwohl Olmert nach einem Kick in den Hintern aus den USA und Europa, äusserst zögerlich und mit Ausflüchten und Vorbedingungen reagiert. Ich denke, dass noch nie seit Staatsgründung, Israel so nahe war, mit der arabischen Welt ins Gespräch über Frieden, Normalisierung und schlussendlich gemeinsamer Stellung gegenüber der iranischen Bedrohung zu kommen. Es scheint, dass das für Israel abschreckende Thema der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge kein Stolperstein zu sein braucht, denn vor kurzem ist eine saudische Stellungnahme, ganz im Sinne Israels, durch Memri der nichtarabischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, in dem die bisherige Sicht der ausschliesslichen Schuld Israels an diesem Drama mehr als nur relativiert wird. Da es in der arabischen Welt keine eigentliche Pressefreiheit gibt, bin ich überzeugt, dass dieser Artikel mit behördlicher Bewilligung und Unterstützung publiziert worden ist. Auch deshalb ist zu hoffen, dass unser famoser Premierminister, die ausgestreckte arabische Hand ergreift und ohne Vorbedingungen zu Gesprächen bereit sein wird. Sesselkleben und Angst haben machen keinen Staatsmann. Durch eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Verhandlungsangebot der Araber, unter Führung Saudi Arabiens und ernsthaften Gesprächen könnte, entgegen bisherigen Erwartungen, aus Olmert vielleicht doch noch ein richtiger Premierminister werden.Meine Diskussion, am Anfang dieses Tagebucheintrages erwähnt, findet mit einem Freund statt, der sich auf einzelne nicht immer schöne Phänomene der israelischen Politik in den besetzten Gebieten konzentriert und darüber die Sicht fürs Ganze und die Sicht auf die Hintergründe israelischen Tuns verloren hat. Das sind die Strassensperren und der Sicherheitszaun, der Israel vor Terroristen schützt. Die Damen der „Machsom Watch“, die täglich an den Strassensperren das Geschehen beobachten, berichten und manchmal sogar helfend eingreifen, tun das nicht nur aus humanitären Gründen, sondern weil sie gegen die Besetzung der Westbank und gegen das Beherrschen eines anderen Volkes durch Israel sind. Dafür verdienen sie viel Respekt. Aber auch sie wissen warum diese Strassensperren erstellt worden sind und sie wissen inzwischen auch, dass diese Strassensperren, wie ich weiter oben schrieb, zum grössten Teil Ihrer Aufgabe entwachsen sind. Viele wissen es, nur die israelische Regierung hat das noch nicht begriffen. Ganz allgemein befremdet mich zu sehen, wie sich Aussenstehende auf irgendeinen Schwachpunkt Israels stürzen und versteifen, als ob er sämtliche und zum grössten Teil beträchtliche Leistungen des Staates Israel repräsentieren würde.

Dienstag, 5. August 2008

Wahrnehmung?

4.8.2008

Die arabische Welt sollte mit ihrem öffentlichen und offiziellen Judenhass der westlichen Welt und den Paragonen des Antirassismus und der Menschenrechte genau so ins Auge stechen, wie es in den Dreissiger und Vierziger Jahren die Naziideologie, die in ihrer damaligen Form als Vorbild ihrer heutigen Vertreter, dem politischen Islam, gesehen und benutzt wird, hätte tun sollen. Arabischer Antisemitismus der heutigen Tage führt nahtlos in Stil und Aussage die Naziideologie fort, als deren Erbe sich die islamische Welt betrachtet. Zwar gibt es wenige, im Westen lebende Muslime und Araber, die sich dagegen aussprechen und sich schämen, doch Führer arabischer Staaten und Terrorfunktionäre sprechen in bewährter Manier in Englisch und anderen westlichen Sprachen das schiere Gegenteile dessen aus, was in arabischer Sprache in der arabischen Presse, in den Moscheen, in den Schulen und in den Parlamenten in Judenhass gesagt und gelehrt wird. In der Hamas Charta (http://usahm.info/Dokumente/Hamasdeu.htm) sind die Ziele der Hamas klar und deutlich beschrieben, so klar wie damals in Hitlers Bestseller „Mein Kampf“. . Mühelos ist es heute möglich solches und anderes im Original oder in Übersetzung zu lesen und zu sehen – Memri macht’s möglich. Es lohnt sich in diesem Website etwas zu wühlen.
Ein hervorragend recherchiertes und auch vom Laien relativ einfach zu lesendes Buch zum Thema ist „Djihad und Judenhass“ von Matthias Küntzel (ça ira-Verlag, Freiburg, 2003) Auf 184 Seiten inklusive Anmerkungen und Index legt Küntzel den Hintergrund, beginnend mit Hassan Al-Banna, dem Begründer der Muslimbrüderschaft, der Mitte der 1920er Jahre diese erste jihadistische Bewegung begründete, die schon damals einen extrem reaktionären Islam entwickelte, der in der bisher extremsten Form von den Taliban in Afghanistan ausgelebt wird. Al-Banna gründete eine populistische Bewegung, die vieles, was von totalitären Gruppen der modernen Zeit, wie die Nazis, der osteuropäische Kommunismus Lenins, Stalins und Mao Zedongs früherer Zeit betrieben wurde und heute von der Hisbollah, Hamas, Castros Kuba und Chavez’ Venezuela und anderen betrieben wird, ablehnte, aber, so sehe ich es, in einer religiös statt ideologisch verbrämter Form weiterführt. Darin wird das Volk arm gehalten, aber mit dem Notwendigsten wie Kindergärten, Kliniken, Schulen, Lebensmitteln am Leben gehalten und damit von diesen Organisationen oder dem von diesen vertretenen Staat in eine Abhängigkeit getrieben, von der sich die Meisten nicht befreien könne oder wollen.

Im Jihadismus von Al-Banna sind die Dogmen der Rechtlosigkeit und Unterwerfung der Frau, die Ablehnung der Demokratie und die Staatsführung gemäss Sharia, dem islamischen Recht, die rabiate Ablehnung alles westlichen, als sinnlich gesehenen zu finden. Küntzel beschreibt das so: „………… ist doch zumindest zu konstatieren, dass die Muslimbrüder ihre eigenen libidinösen Wünsche und Träume auf die Welt der Ungläubigen projizieren. Projektion ist eine Abwehr, in der das Subjekt dem anderen Gefühle und Wünsche, die es ablehnt oder in sich verleugnet, unterstellt. Folgerichtig musste sich die Aggression, mit der die Muslimbrüder die eigenen sinnlichen Bedürfnisse verleugneten, als Hass gegen „westliche Dekadenz“ und „jüdische Sittenlosigkeit“ austoben, bestand doch die einzig erlaubte Annäherung and das verbotene Begehren und das begehrte Verbotene darin, es zu zerstören.“ (Seite 20). Ähnliches ist uns aus extrem religiösen christlichen und jüdischen Kreisen auch bekannt, doch nicht in diesem, in diesem masslosen psychotischen Hass, der alles nicht in sein Schema passende tötet.

Al-Bannas Jihadismus als Reaktion auf den Versuch der ägyptischen Frauen, sich 1923 als gleichberechtigte Menschen der Gesellschaft durchzusetzen (mindestens zum Teil beeinflusst durch die säkulare Revolution im selben Jahr, der bis anhin muslimischen Türkei durch Mustafa Kemal, der sagte: „Nichts in unserer Religion verlangt, dass Frauen den Männern unterlegen sein müssten“, rechtliche Gleichstellung verordnete und als erster den Schleier verbot) (S. 21). Obwohl 1928 gegründet, erreichte die Mitgliederzahl der Muslimbrüder Ägyptens erst 1948 500'000 Mitglieder, wurden dann aber vom „sozialistischen“ Gamal Nasser aufgelöst und heute von Mubarak unterdrückt – doch heute sind sie die mächtigste Gruppierung der Palästinenser (Hamas) und im Libanon (Hisbollah, wenn auch als Schiiten) und gefährliche Störfaktoren in Algerien, Pakistan und Afghanistan, sowie mindestens ideologisch in Saudiarabien vertreten. Al-Banna wurde im Februar 1949, erst 43 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seines Einflusses, ermordet.

Die Muslimbrüder lehnten anfänglich den Rassismus der Nationalsozialisten ab, doch heute wird in der arabisch-muslimischen Welt ein Antisemitismus praktiziert, der sich, man sehe sich die antijüdischen Zeichnungen in der Presse an, man lese die extremen judenhassenden Texte in Schulen und Medien, höre sich auch Aussagen von Funktionären politischer Parteien und Berufsverbänden an –nahtlos an den „Stürmer“, der Parteipostille der Nationalsozialisten an, als dessen Erben sich der heutige Jihadimus sieht.. Diese These wird geschichtlich durch die Kollaboration des palästinensischen Muftis Hadj Amin Al-Husseini von Jerusalem in den Kriegsjahren belegt, als er für Nazideutschland eine Muslimdivision aufstellte und bei Hitler ein meist gern gesehener Gast war.
Vier von den Muslimbrüdern als Neuerungen deklarierte Auslegungen des Korans, möchte ich hier nennen:

1. Der kulturelle Kampf gegen sinnlichen und „materialistischen“ Westen, gegen westliche Dekadenz und jüdische Sittenlosigkeit.
2. Die Wiederherstellung patriarchalischer Dominanz und die Abkehr von erreichten Frauenrechten.
3. Nicht nur der formalisierte Judenhass, sondern auch der eine grosse Vorteil, den Jihadisten heute mehr denn je ausspielen, ist die Todeskultur, gegen die die freie Welt noch kein Mittel gefunden hat. Al-Banna schrieb dazu in 1938 das Buch „Die Todesindustrie“. Unter dem Titel „Kunst des Todes“ schrieb er in einem Leitartikel über die „Todesindustrie“, nämlich darüber wie man edel stirbt. Was wir heute in unserer Region und anderen Teilen der Welt täglich am Fernsehen mitverfolgen, fand in den 40er Jahren schon in Kairo statt.
4. Den Jihad (Anstrengung) für materielle und soziale Ziele lehnte die Brüderschaft schon damals als Verstoss gegen den Koran ab. Jihad sei der Kampf gegen das absolut Böse und das seien die Juden.

Die ideologische Grundlage dieses von Al-Banna ideologisch verfeinerten Jihadismus wurde in den Schriften des Sayyed Qutb unterstützt, dessen überbordender Judenhass den heutigen jihadistischen Judenhass gewaltig beeinflusst. Qutb wurde 1966 wegen seinen Schriften als Aufrührer in Kairo gehängt.

Ich empfehle Matthias Küntzels Buch, das in klarer Sprache darlegt, wie der islamische Judenhass nicht durch soziale Ursachen und Hintergründe ausgelöst worden ist. Die wohlmeinenden Gutmenschen des Westens der heutigen Tage, die so inniglich an dieser Mär hängen und ausschliesslich daran die Hintergründe von terroristische Massenmorde, Terroraktivitäten, Frauenunterdrückung und Hass der Moderne und anderem durch arabische und islamische Gruppierungen verschiedener Couleur sehen, wird der Spiegel ihrer Dummheit vorgehalten. Ob das bei ideologisch so sehr festgenagelten Kreisen etwas hilft, das darf bezweifelt werden.