Wie für meine Enkelin Hadass beginnt am kommenden Montag die 12. Klasse, die Maturaklasse der israelischen Schulen, auch für Lynn. Sie besucht die Mittelschule des Kibbuz Ein Hashofet. Wir sind mit ihren Eltern befreundet, sitzen alle paar Wochen mit ihnen und Lynn bei einem guten Essen und interessanten Diskussionen in unserer Stube.
Lynn erzählte von ihrer Polenreise, die von den Schulen für Elftklässler organisiert wird, um den Schülern den Schoa zu vermitteln. Diese Reisen finden seit Jahrzehnten statt, sind zu einer Industrie geworden und werden manchmal auf eine Art durchgeführt, die mir nicht gefällt, wie nationalistisches Gehabe mit zu vielen Fahnen, einseitigem Reiseprogramm, das ausschliesslich auf die nazistische Vernichtungsindustrie konzentriert, ohne geschichtliche Hintergründe zu vermitteln, ohne den jüdischen Widerstand in den Konzentrationslagern und bei den Partisanen zu erwähnen, ohne die jüdische Kultur von einst und das nichtjüdische Polen von heute zu besprechen und letztlich, ohne Kontakt zu den Polen und Polinnen von heute zu suchen oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Das Besondere dieser Reise ist die Tatsache, dass Lynn keine Jüdin sondern Drusin ist, deren Eltern ihr eine fortschrittliche Schulausbildung vermitteln wollen, modern, israelisch und vor allem einer freien Gesellschaft entsprechend. Deshalb geht sie in eine Kibbuzschule. Mit Lynn zu sprechen ist ein Erlebnis, ein Vergnügen, das ich gerne und wiederholt auskoste. Ihr Hebräisch ist das einer Sabra, es ist nicht der geringste arabische Akzent zu hören, sie spricht spontan, hat eigene moderne Ansichten und scheut sich nicht, diese ins Gespräch einfliessen zu lassen. In vielem erinnert sie mich an meinen Enkel Jonathan, dem politisierenden Jugendbundleiter, der vor drei Wochen zusammen mit seinem Gar’in (Kerngruppe) in die Rekrutenschule einrückte. Bei den Drusen herrscht Militärpflicht, doch nicht für Mädchen und deshalb, so sagte sie, sei sie die erste Drusin, die den freiwilligen zweijährigen Zivildienst absolvieren werde. Das ist zwar nicht die Armee, doch auch so wird sie die erste Drusin sein, die diesen freiwilligen Dienst tut, genauso wie sie die erste Drusin war, die sich der für Juden (mehr oder weniger) obligaten Polenreise anschloss.
Auf dem Flug nach Polen sass sie zusammen mit dem mitreisenden Zeitzeugen, einem Holocaustüberlebenden, der mit den Jugendlichen bei diesen Reisen mitfährt und ihnen vor Ort seine Erlebnisse erzählt. Es wäre seine dreizehnte Polenreise als Zeitzeuge gewesen und es werde ihm mit jeder Reise schwierigen, seine Erinnerungen den jungen Menschen zu erklären, hatte er ihr erzählt. Er sei fast vom Sitz gefallen, als er erfuhr, dass Lynn keine Jüdin, sondern Drusin sei. Seiner Meinung nach, sei es wohl das erste Mal, dass ein nichtjüdischer Schüler als Mitglied einer jüdischen Schule mitreise.
Die Reise sei sehr streng gewesen, nach den Besuchen von Konzentrationslagern, ehemaligen Ghettos, Museen und ähnlichem sei die Gruppe jeden Abend zusammen gesessen, habe die Erlebnisse des Tages besprochen, Revue passieren lassen und abschliessend versucht, Lehren abzuleiten. Um zehn Uhr seien alle schon im Bett gewesen, um elf Uhr war Licht aus. Das hörte sich ganz anders an, als ich es in der Zeitung gelesen und wie es mir mein Enkel Adam nach seiner Reise erklärt hatte. Man habe keine polnischen Juden, keine polnische Nichtjuden getroffen, Gespräche mit diesen waren nicht im Programm vorgesehen gewesen. Fahnen habe man keine getragen, nur einmal, bei einer Feier, seien zwei kleine Fähnchen gehalten worden. Immerhin, nie seien die Teilnehmer abends in einer Bar herumgehangen und alkoholisiert ins Hotel zurückgekehrt. Das könnte der Einfluss der Kibbuzschule sein, in der vielleicht noch die Regeln des Jugendbundes Haschomer Hazair hochgehalten werden. Lynns Eindrücke und Empfindungen waren fast physisch fühlbar. Die Besuche in Auschwitz und bei der Rampe von Birkenau, in KZ Maydanek, im Ghetto von Lodz und ähnlichen Orten sind ihr unter die Haut gegangen. Das Wissen um die schiere Zahl der Opfer, der industrielle Massenmord, die Anlagen dazu und die Öfen mit den hohen Kaminen hätten sie geschüttelt. Sie erzählte von dem kleinen Jungen, der jemanden im KZ fragte wo seine Eltern seien. Man habe auf den Rauch, der aus den Kaminen quoll gezeigt und gesagt: „Siehst du den Rauch? Das sind sie“.
Dazu ist zu bemerken, dass Hani, Lynns Vater, vor Jahren versuchte einen drusischen Verein zu gründen um israelischen Minderheiten den Holocaust nahe zu bringen. Er bat mich um Hilfe, wir druckten Flugblätter und hielten lange Sitzungen ab, bei denen mein Freund Adam Teller, Geschichtsprofessor an der Universität Haifa (Geschichte der polnischen Juden ist sein Fach) teilnahmen. Hani musste leider aufgeben, nicht, weil er sich mit drusischen Judenhassern, die es auch gibt, auseinandersetzen musste, sondern weil jüdische Holocaustprofis in ihm eine Konkurrenz sahen und sich verweigerten. Da ohne Juden der Holocaust einem unwissenden Publikum kaum erklärt werden kann, verlor Hani den Mut. Doch gute Freunde sind wir geblieben.
Wir waren heute in der Galerie in Umm El-Fahm. Zufällig war eine Gruppe jüdisch-russischer „Frauen für den Frieden“ anwesend und wir schlossen uns ihnen beim Gespräch mit Said Abu-Shakra an. Anschliessend zeigte ich meiner Frau Lea und unserer Freundin Aviva die fotografische Ausstellung über die Geschichte der Stadt (mein Tagebucheintrag 30.6.3008). Die Frauen für den Frieden waren da und wir betrachteten die die gleichen Bilder. Auf einem Schwarzweissfoto von 1948 war ein primitives Haus aus Lehm zu sehen, vor dem einige arabische Männer und israelische Soldaten zu sehen waren. Auf dem Haus war eine kleine weisse Fahne mit einem handgezeichneten, aber schwer zu erkennenden Davidstern zu sehen. „Das stört mich“, erklärten einige dieser Damen ungefragt. Auf einem anderen Foto war ein Jeep mit israelischen Offizieren zu sehen – alles aus dem Jahr 1948. „Die hassen wir!“, riefen dieselben Damen des Friedens. Als ich sie milde auf die Tatsache aufmerksam machte, dass in 1948 die Palästinenser und arabische Staaten das soeben geborene Israel angegriffen hätten und dass der daraus entstandene Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt ausschliesslich deshalb entstanden sei und ebenso ausschliesslich das palästinensische Flüchtlingsproblem kreiert habe, wurde ich hysterisch angeschrieen: „Was du bist auch so einer, der die Besetzung unterstützt.“ Aviva zog mich weg und erklärte mir, dass man mit solchen Fanatikerinnen nicht vernünftig reden kann und besser jedem Gespräch aus dem Wege gehe. Das magische Wort „Besetzung“, mit dem jedes Argument erschlagen werden kann, ist zwar erst nach dem Sechstagekrieg in 1967 entstanden und ist mit der Eroberung der Westbank verbunden – eine Eroberung, die nur durch den Eintritt Jordaniens in diesen Krieg ausgelöst wurde. In 1967 hatten nicht einmal unsere eigenen jüdischen Spinner Eroberungsgelüste. Doch verbunden mit dem Unabhängigkeitskrieg von1948 ist dieses Wort schlicht die prinzipielle Ablehnung des jüdischen Staats. Dann wurde mir gesagt, dass beim betrachten der Bilder klar werde, dass Israels Araber ihren Lebensstil verloren hätten. Ich weiss nicht wie die Gedanken dieser Tanten funktioniert, sie meinen wohl den Lebensstil der Lehmhäuser, der Vielweiberei, dem Analphabetentum, der Abhängigkeit von ihren Feudalherren. Ich bin ratlos, wie sich jüdische Frauen dafür verwenden können, denn es geht um ihr eigenes Überleben und kann doch nicht aus der verantwortungslosen und verlogenen Ideologie entstanden sein, die bei sogenannten „Friedensgruppen“ in der Schweiz, in Europa und in den USA zu finden ist und eigentlich Israel zum nationalen Selbstmord bewegen will. Das Benehmen dieser Damen ist seltsam.
Lynn erzählte von ihrer Polenreise, die von den Schulen für Elftklässler organisiert wird, um den Schülern den Schoa zu vermitteln. Diese Reisen finden seit Jahrzehnten statt, sind zu einer Industrie geworden und werden manchmal auf eine Art durchgeführt, die mir nicht gefällt, wie nationalistisches Gehabe mit zu vielen Fahnen, einseitigem Reiseprogramm, das ausschliesslich auf die nazistische Vernichtungsindustrie konzentriert, ohne geschichtliche Hintergründe zu vermitteln, ohne den jüdischen Widerstand in den Konzentrationslagern und bei den Partisanen zu erwähnen, ohne die jüdische Kultur von einst und das nichtjüdische Polen von heute zu besprechen und letztlich, ohne Kontakt zu den Polen und Polinnen von heute zu suchen oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Das Besondere dieser Reise ist die Tatsache, dass Lynn keine Jüdin sondern Drusin ist, deren Eltern ihr eine fortschrittliche Schulausbildung vermitteln wollen, modern, israelisch und vor allem einer freien Gesellschaft entsprechend. Deshalb geht sie in eine Kibbuzschule. Mit Lynn zu sprechen ist ein Erlebnis, ein Vergnügen, das ich gerne und wiederholt auskoste. Ihr Hebräisch ist das einer Sabra, es ist nicht der geringste arabische Akzent zu hören, sie spricht spontan, hat eigene moderne Ansichten und scheut sich nicht, diese ins Gespräch einfliessen zu lassen. In vielem erinnert sie mich an meinen Enkel Jonathan, dem politisierenden Jugendbundleiter, der vor drei Wochen zusammen mit seinem Gar’in (Kerngruppe) in die Rekrutenschule einrückte. Bei den Drusen herrscht Militärpflicht, doch nicht für Mädchen und deshalb, so sagte sie, sei sie die erste Drusin, die den freiwilligen zweijährigen Zivildienst absolvieren werde. Das ist zwar nicht die Armee, doch auch so wird sie die erste Drusin sein, die diesen freiwilligen Dienst tut, genauso wie sie die erste Drusin war, die sich der für Juden (mehr oder weniger) obligaten Polenreise anschloss.
Auf dem Flug nach Polen sass sie zusammen mit dem mitreisenden Zeitzeugen, einem Holocaustüberlebenden, der mit den Jugendlichen bei diesen Reisen mitfährt und ihnen vor Ort seine Erlebnisse erzählt. Es wäre seine dreizehnte Polenreise als Zeitzeuge gewesen und es werde ihm mit jeder Reise schwierigen, seine Erinnerungen den jungen Menschen zu erklären, hatte er ihr erzählt. Er sei fast vom Sitz gefallen, als er erfuhr, dass Lynn keine Jüdin, sondern Drusin sei. Seiner Meinung nach, sei es wohl das erste Mal, dass ein nichtjüdischer Schüler als Mitglied einer jüdischen Schule mitreise.
Die Reise sei sehr streng gewesen, nach den Besuchen von Konzentrationslagern, ehemaligen Ghettos, Museen und ähnlichem sei die Gruppe jeden Abend zusammen gesessen, habe die Erlebnisse des Tages besprochen, Revue passieren lassen und abschliessend versucht, Lehren abzuleiten. Um zehn Uhr seien alle schon im Bett gewesen, um elf Uhr war Licht aus. Das hörte sich ganz anders an, als ich es in der Zeitung gelesen und wie es mir mein Enkel Adam nach seiner Reise erklärt hatte. Man habe keine polnischen Juden, keine polnische Nichtjuden getroffen, Gespräche mit diesen waren nicht im Programm vorgesehen gewesen. Fahnen habe man keine getragen, nur einmal, bei einer Feier, seien zwei kleine Fähnchen gehalten worden. Immerhin, nie seien die Teilnehmer abends in einer Bar herumgehangen und alkoholisiert ins Hotel zurückgekehrt. Das könnte der Einfluss der Kibbuzschule sein, in der vielleicht noch die Regeln des Jugendbundes Haschomer Hazair hochgehalten werden. Lynns Eindrücke und Empfindungen waren fast physisch fühlbar. Die Besuche in Auschwitz und bei der Rampe von Birkenau, in KZ Maydanek, im Ghetto von Lodz und ähnlichen Orten sind ihr unter die Haut gegangen. Das Wissen um die schiere Zahl der Opfer, der industrielle Massenmord, die Anlagen dazu und die Öfen mit den hohen Kaminen hätten sie geschüttelt. Sie erzählte von dem kleinen Jungen, der jemanden im KZ fragte wo seine Eltern seien. Man habe auf den Rauch, der aus den Kaminen quoll gezeigt und gesagt: „Siehst du den Rauch? Das sind sie“.
Dazu ist zu bemerken, dass Hani, Lynns Vater, vor Jahren versuchte einen drusischen Verein zu gründen um israelischen Minderheiten den Holocaust nahe zu bringen. Er bat mich um Hilfe, wir druckten Flugblätter und hielten lange Sitzungen ab, bei denen mein Freund Adam Teller, Geschichtsprofessor an der Universität Haifa (Geschichte der polnischen Juden ist sein Fach) teilnahmen. Hani musste leider aufgeben, nicht, weil er sich mit drusischen Judenhassern, die es auch gibt, auseinandersetzen musste, sondern weil jüdische Holocaustprofis in ihm eine Konkurrenz sahen und sich verweigerten. Da ohne Juden der Holocaust einem unwissenden Publikum kaum erklärt werden kann, verlor Hani den Mut. Doch gute Freunde sind wir geblieben.
Wir waren heute in der Galerie in Umm El-Fahm. Zufällig war eine Gruppe jüdisch-russischer „Frauen für den Frieden“ anwesend und wir schlossen uns ihnen beim Gespräch mit Said Abu-Shakra an. Anschliessend zeigte ich meiner Frau Lea und unserer Freundin Aviva die fotografische Ausstellung über die Geschichte der Stadt (mein Tagebucheintrag 30.6.3008). Die Frauen für den Frieden waren da und wir betrachteten die die gleichen Bilder. Auf einem Schwarzweissfoto von 1948 war ein primitives Haus aus Lehm zu sehen, vor dem einige arabische Männer und israelische Soldaten zu sehen waren. Auf dem Haus war eine kleine weisse Fahne mit einem handgezeichneten, aber schwer zu erkennenden Davidstern zu sehen. „Das stört mich“, erklärten einige dieser Damen ungefragt. Auf einem anderen Foto war ein Jeep mit israelischen Offizieren zu sehen – alles aus dem Jahr 1948. „Die hassen wir!“, riefen dieselben Damen des Friedens. Als ich sie milde auf die Tatsache aufmerksam machte, dass in 1948 die Palästinenser und arabische Staaten das soeben geborene Israel angegriffen hätten und dass der daraus entstandene Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt ausschliesslich deshalb entstanden sei und ebenso ausschliesslich das palästinensische Flüchtlingsproblem kreiert habe, wurde ich hysterisch angeschrieen: „Was du bist auch so einer, der die Besetzung unterstützt.“ Aviva zog mich weg und erklärte mir, dass man mit solchen Fanatikerinnen nicht vernünftig reden kann und besser jedem Gespräch aus dem Wege gehe. Das magische Wort „Besetzung“, mit dem jedes Argument erschlagen werden kann, ist zwar erst nach dem Sechstagekrieg in 1967 entstanden und ist mit der Eroberung der Westbank verbunden – eine Eroberung, die nur durch den Eintritt Jordaniens in diesen Krieg ausgelöst wurde. In 1967 hatten nicht einmal unsere eigenen jüdischen Spinner Eroberungsgelüste. Doch verbunden mit dem Unabhängigkeitskrieg von1948 ist dieses Wort schlicht die prinzipielle Ablehnung des jüdischen Staats. Dann wurde mir gesagt, dass beim betrachten der Bilder klar werde, dass Israels Araber ihren Lebensstil verloren hätten. Ich weiss nicht wie die Gedanken dieser Tanten funktioniert, sie meinen wohl den Lebensstil der Lehmhäuser, der Vielweiberei, dem Analphabetentum, der Abhängigkeit von ihren Feudalherren. Ich bin ratlos, wie sich jüdische Frauen dafür verwenden können, denn es geht um ihr eigenes Überleben und kann doch nicht aus der verantwortungslosen und verlogenen Ideologie entstanden sein, die bei sogenannten „Friedensgruppen“ in der Schweiz, in Europa und in den USA zu finden ist und eigentlich Israel zum nationalen Selbstmord bewegen will. Das Benehmen dieser Damen ist seltsam.
1 Kommentar:
Verehrter Hr. Uri
Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag gelesen. Auf der einen Seite solidarisch mit "der" israelischen Position, andererseits neues aufzeigend. Können Sie mir helfen, Informationen zur Konzeption von Kibbuzschulen zu erfahren?
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