Freitag, 29. Mai 2009

Alternativen

29.5.2009

Seit Jahren ist eine meiner Standardfragen bei fast jeder Art politischer Diskussion: „Was ist die Alternative?“. Das ganz besonders im Zusammenhang auf politische Gespräche, wenn es um einen möglichen Friedensschluss mit der arabischen Welt, speziell zum Thema der möglichen Zweistaatenlösung mit den Palästinensern geht. Wollen wir gerade dieses Thema kurz betrachten:

Erst die Definition, so wie ich sie verstehe: Zweistaatenlösung heisst, dass neben Israel, ungefähr entlang der „Grünen Linie“ oder gemäss ausgehandelter Grenzführung ein Staat der Palästinenser entstehen soll. Ein palästinensischer Staat neben dem jüdischen Staat. Ein Staat der Araber neben dem Staat der Juden. So wie es in 1947 die UNO-Resolution 181 verlangte, auf die die arabische Welt mit Krieg auf Israel reagierte. Aus heutiger Sicht, wie sähe das aus?

Palästina wäre arabisch, mit einer wachsenden muslimischen Mehrheit. Das, weil die Geburtenrate der Muslime weit höher ist, als die der christlichen Minderheit und noch wichtiger, weil Christen in der Westbank und noch mehr in Gaza, verfolgt werden und deshalb in steigendem Mass auswandern. Das neue Palästina wäre judenrein, denn der einheimische Hass auf Juden, würde eine jüdische Präsenz nicht zulassen, etwas, das vor allem von Hamas offen ausgesprochen wird, nach dem ihnen ein judenreines Gaza kostenlos in die Hände gefallen ist. Wenn man Gaza als Beispiel voller palästinensischer Selbstverwaltung ansieht, sieht man eine fundamentalistische, gewaltintensive faschistische Gesellschaft, die sich selbst zerstört. Wäre das das Los der Westbank?

Israel, neben den USA, so denke ich, der multikulturellste Staat der Welt, in dem neben den monotheistischen und anderen Religionen auch eine riesige kulturelle und vorwiegend jüdische Vielfalt herrscht, bliebe die einzige wirkliche und mehrheitlich säkulare Demokratie im Nahen und Mittleren Osten – auch wenn das einige unserer eigenen Fundamentalisten und Rabbis ungern sehen. Es würde auch die einzige wirkliche Wirtschaftsmacht der Region bleiben – kommt mir nicht mit den Erdölländer, deren Reichtum beruht weder auf Erfindungsgeist, Schaffenskraft oder Fleiss, die wirkliche Arbeit wird dort von Ausländern aus dem Fernen Osten oder dem Westen geleistet, die Könige, Scheichs und Emire kassieren, so lang das Opel reichen wird.

Im Falle der Zweistaatenlösung, hätte es Israel völlig selbst in der Hand, den Charakter seiner Bevölkerung auf demokratische Art zu steuern. So wie die Schweiz, die USA und europäische Staaten es auf demokratische Art tun. Die ultra-orthodoxe Hegemonie in zivilrechtlichen Dingen darf nicht ewig wären und wird es auch nicht. Denn zu Ende gedacht, wäre die Herrschaft der wild wachsenden Ultra-Orthodoxie, die dem Staat mehrheitlich nichts gibt, dafür aber umsomehr nimmt (die arabische Bevölkerung ist wenigsten eine arbeitende Bevölkerung und trägt, wie viel das auch immer ist, dem israelischen Bruttonationalprodukt bei) ebenso ein Ende des jüdischen Staates, dem es wirtschaftlich und wissenschaftlich an Nachwuchs fehlen würde. Das gleiche gilt, genau so existenziell, für seine Sicherheitsbedürfnisse, denn der ultraorthodoxe Sektor des Landes verweigert der Nation jährlich rund 40'000 wehrfähige junge Männer, eine Zahl, die mit jedem Jahr wächst.

Für die drei oder mehr Millionen palästinensischen Flüchtlinge im Libanon, Syrien, Jordanien und sonst wo in der arabischen Welt, wäre die vorgesehene Rückkehr in den neuen Staat Palästina ein Problem, denn es ist vorauszusehen, dass für sie alle, die in der arabischen Welt ausgegrenzt werden (Ausnahme Jordanien), in der kleinen Westbank nicht genügend Platz ist. Die arabische Welt käme also nicht umhin Palästinenser zu integrieren und so selbst einen Teil zur Lösung des Flüchtlingsproblems beizutragen. Wie das jüdische Volk in Israel eine Heimat und in der Welt eine Diaspora hat, hätte das palästinensische Volk ein Heimat in Palästina und eine Diaspora in der arabischen Welt, in der sie bis heute als Flüchtlinge gehalten werden, denen die Integration verweigert wird.

Leider bringt es die gegenwärtige israelische Regierung nicht fertig das Wort „Zweistaatenlösung“ über die Lippen zu bringen. Sie ist zu stark in den Klauen rechtsextremer Parteien und Regierungschef Nethanjahu besitzt den Mut nicht, sich diesen Erpressern zu stellen, denn sein Posten scheint ihm wichtiger zu sein, als der Staat, sein Volk und dessen Zukunft.

Was ist oder sind die Alternativen:

Die Einstaatenlösung, ist ein einziges Israel auf beiden Seiten der Grünen Grenze, vom Mittelmeer bis zu Jordan. Damit hätten sich die Grossisraelanhänger ein faules Ei gelegt. Um eine Demokratie zu bleiben, müssten sämtliche Palästinenser der Westbank (und Gaza) israelische Bürger werden. Ich könnte mir zwar denken, dass sie nichts dagegen hätten, denn sie träumen von den Vorteilen und Wohltaten, die Israels arabische Bürger geniessen (übrigens dieser Neid ist eine der Motivationen für ihren Hass auf ihre israelischen Brüder, wie mir von arabischen Freunden wiederholt gesagt wird). Aber in wenigen Jahren wäre die israelische Mehrheit arabisch, der jüdische Staat würde der Vergangenheit angehören. Es sei – und das wäre das Schlimmste, eine wirkliche Katastrophe – Israel würde tatsächlich zum Apartheid-Staat.

Der Transfer der Araber in arabische Länder, eine wiederholt aus rechtsextremistischen jüdischen Kreisen geforderte Idee, ist nicht nur der grösste Albtraum unserer arabischen Bürger und ihren Brüdern in der Westbank. Es ist auch der grösste Albtraum jedes anständigen und nach demokratischen Grundsätzen lebenden Israelis, auch wenn unsere arabischen Politiker in der Knesset diese Haltung mit ihren gelegentlichen Äusserungen und demonstrativen Aktionen erschweren. Ich verstehe nicht, wie die Idee der Deportationen, in der jüdischen Geschichte ein immer wiederkehrendes Phänomen, von einem jüdischen Menschen erwägt werden kann.

Der Anschluss der Westbank zu Jordanien, seinem früheren Besetzer, und von Gaza zu Ägypten, wäre für Israel bestimmt die beste Lösung. Nur, der jordanische König weiss genau, warum er nicht noch mehr Palästinenser in seinem Land will, der Schwarze September, der Aufstand und Mordversuch an König Hussein von 1970, mit seinen Tausenden von Toten steckt immer noch in den Knochen der vorwiegend beduinischen Elite Jordaniens. Der Anschluss zu Jordanien wäre das Ende des jordanischen Königreiches. Wie ich las, wurde kürzlich in einer Knessetsitzung der Vorschlag diskutiert, Jordanien müsse den Palästinensern der Westbank die jordanische Staatsangehörigkeit verleihen. Die jordanische Regierung zitierte daraufhin den israelischen Botschafter zu sich und verwahrte sich vor der Tatsache, dass ein fremdes (das israelische) Parlament über Zivilrechtliches in einem fremden Land bestimmen wolle. Auch Ägypten würde bestimmt keine weiteren Anhänger der Muslimischen Bruderschaft (Hamas) aus Gaza wollen, seine einheimischen Jihadisten reichen Mubarak völlig aus. Die Übernahme palästinensischer Gebiete durch Jordanien und Ägypten ist also keine realistische Lösung.

Was bleibt? Nur die Zweistaatenlösung mit ihren Problemen. Zurzeit, nach den niederschmetternden Folgen von Israels gutgemeintem Abzug aus Gaza, ist sogar die Lust liberaler Israelis vergangen, Palästinensern vertrauensvoll die Selbstverantwortung zu geben und ihnen die Westbank zu überlassen. Das hat gar nichts mit reaktionären Ideologien und Siedlern zu tun, die direkt an den zweiten Tempel anknüpfen wollen, so wie Jihadisten eine Rückkehr zum Kalifat erstreben. Es ist reinstes Sicherheitsdenken, wenn man die dem Abzug aus Gaza erfolgte Situation auf die Westbank übertragen würde. Raketen auf den nationalen Flughafen, auf Grossstädte und Industrien, würden das Land stilllegen. Es gibt viele Israelis, die versuchen mit Palästinensern in Kontakt zu kommen und Beziehungen aufzubauen. Das ist schwierig für beide Seiten, aber ohne gegenseitiges Vertrauen werden die schönsten Friedensabschlüsse nichts nützen – sie würden von Extremisten beider Seiten sabotiert. Also, Vertrauen aufbauen, ohne sich in gegenseitigen Hass und nutzlose Vorwürfe hineinzusteigern, ist die Vorstufe zum Erreichen der Lösung, ein enorm schwieriges Vorhaben, von dem man sich nicht durch nutzlosen ideologischen und religiösen Hass abbringen lassen darf.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Grundsätzliches im Sinne von Christian Morgenstern

27.5.2009

Mein Freund Roger Guth hat sich seit langer Zeit eine Sisyphusarbeit aufgelastet, indem er Redaktoren der Schweizer Presse E-Mails schickt und sich über die fragwürdigen Berichte und Kommentare gewisser Schweizer Journalisten in Israel beklagt. Er ist mit Recht erbost über deren Jihadisten- und Hamashörigkeit, die zu erklären für uns „Kenner“ relativ leicht ist. Das allein schafft das Problem aber nicht aus der Welt.

Beim Lesen von Zeitungsberichten und Kommentaren über die Ereignisse im Nahen Osten bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig viele der Berichterstatter, sogar jene vor Ort, über die Geschichte und Hintergründe des jüdisch-arabischen Konflikts unserer Zeit zu wissen scheinen. Einige scheinen nur an einzelnen Sensationen interessiert, hinterfragen wäre zusätzliche Arbeit, Hintergründe und Kontext sehen sie als politisch unkorrekte Störfaktoren. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass sie Informationen über etwas, das Israel in einem positiven Licht darstellen könnte, absolut nicht interessiert, ganz nach Christian Morgenstern:
Und er kommt zu dem Ergebnis:
"Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil", so schließt er messerscharf,
"nicht sein kann, was nicht sein darf."
Andere wiederum haben ihre Seele einseitig der palästinensischen Sache verkauft, lehnen israelische Darstellungen prinzipiell ab, denn der „Schwächere“ hat doch immer recht. Aber es gibt Journalisten, die einen wirklichen Durchblick wollen, kritisch, sogar selbstkritisch sind und keine Angst davor haben, einen „Liebesverlust“ der palästinensischen Pressebehörde und derer Inszenierungskünstler (auch "Fixer" genannt) zu riskieren. Ich bin stolz eine kleine Anzahl solcher Presseleute zu kennen, bei denen ich weiss, dass, wenn sie Negatives (davon gibt es mehr als genug) über Israelisches schreiben, dieses der Wirklichkeit entspricht. Noch mehr gilt das für Leserbriefschreiber, auch wenn es bei diesen mehrheitlich um seelenhygienische Vorgänge handelt, mit denen Dreck verspritzt und damit Druck abgelassen wird. Doch auch diese Leserbriefschreiber beziehen ihr „Wissen“ aus den Medien, die damit eine grosse Verantwortung übernommen haben, derer sie sich nicht immer bewusst sind.

Inzwischen bin ich erneut auf die Welt gekommen und habe begriffen, dass lange Briefe, besonders an Redaktoren, eine Zeitverschwendung sind. Ich habe eine fünfseitige Abhandlung mit dem Titel „Was jeder, der Israel kritisiert (oder Juden hasst) wissen sollte, aber nicht wissen will“ zum Thema geschrieben, die ich mir aber verkneife, wegzusenden. Stattdessen werde ich in kommenden Tagebucheinträgen als Anhang ein wenig Grundwissen geschichtlicher und politischer Fakten einfügen, die leicht zu verifizieren sind. Zudem gibt es in meinem Blog eine Liste interessanter Literatur zu den Themen (siehe Kolonne rechts).

Hier Grundwissen Nummer 1 und 2:

1. Zionismus und Judenhass

Politischer Zionismus ist das Produkt religiöser und geschichtlicher Sehnsüchte des jüdischen Volkes, die durch Theodor Herzl in einen politischen Rahmen verpackt und durch gesellschaftliche und politische Arbeit von seinen Nachfolgern realisiert wurden. Auslöser war für Herzl die antisemitische Dreyfus Affäre in Frankreich, der Hintergrund die zweitausend Jahre alte Geschichte der Juden im Exil, ihrer Verfolgung vor allem durch das Christentum, den Islam und die Mächtigen, die Judenhass dazu benutzten, ihre Völker zu manipulieren. Der Zionismus ist in meinen Augen die politisch erfolgreichste Bewegung des vergangenen Jahrhunderts und Israel eine Erfolgsstory, nicht nur im Vergleich mit seinen Nachbarländern, die fast alle ungefähr gleich lang als politisch unabhängige Staate existieren und es, sind wir ehrlich, zu nichts Vergleichbarem gebracht haben.

2. Palästina/Israel

Juden lebten auch in der Zeit des Exils in Palästina. In Jerusalem bilden sie seit über 150 Jahren die Mehrheit.

Bevölkerung in Jerusalem*
1870: Total 22' 000 - 11' 000 Juden + 6' 500 Moslems + 4' 500 Christen
1946: Total 165' 000 - 99' 500 Juden + 33' 500 Moslems + 32' 000 Christen
1994: Total 567' 200 - 406' 400 Juden + 145' 800 Moslems + 15' 000 Christen

Noch vor Herzls politischem Zionismus besiedelten osteuropäische Juden, meist aus religiöser Motivation, das Land. Es war dünn besiedelt, arm, grossenteils Wüste oder Malaria verseuchte Sümpfe. Araber bildeten die Mehrheit der Bevölkerung.

Bevölkerung bis 1947 in Palästina*
1922: 752' 048 davon - 83' 790 Juden+ 589' 177 Moslems+ 71' 464 Christen+ 7' 617 Drusen
1947:1' 933' 673 davon 614' 239 Juden+1'157' 423 Moslems+146' 162 Christen+15' 849 Drusen

Bevölkerung in Israel 1995*
Total 5' 548' 495 - 4' 494' 280 Juden + 798' 984 Moslems + 160' 906 Christen + 94' 325 Drusen
*Quellen:
  • Fischer Weltalmanach 2004,
  • Minderheiten in Israel/Oesterreichisch-Israelische Gesellschaft,
  • Israel heute/Israelisches Informationszentrum

    Vor allem während der britischen Mandatszeit, als sich das Land durch die wachsende jüdische Einwanderung, deren Aktivitäten und jüdischen Investitionen aus dem Ausland (Rothschild, Hirsch etc) wirtschaftlich zu entwickeln begann, liessen sich Arbeit suchende Araber aus anderen arabischen Ländern und Regionen in Palästina nieder. Palästinas arabische Bevölkerung wuchs weiter an, europäische Juden flohen vor den Nazis nach Palästina, arabische Juden folgten in den vierziger Jahren – aus ähnlichen Gründen. Nach der Staatsgründung wurden innert Jahrzehnten hunderttausende jüdischer Flüchtlinge in neuen Staat integriert – das genaue Gegenteil des Schicksals palästinensischer Araber in ihren Gastländern.

    Fortsetzung folgt.

Montag, 18. Mai 2009

Berichtigung, Papst und Musik

18.5.2009

Mit dieser islamischen Demonstration religiöser Toleranz wurde der Papst bei seinem Besuch in Nazareth begrüsst. Er selbst predigt zwar nicht das Gegenteil, obwohl er, wie die Muslime, von der Ueberlegenheit seiner eigenen Religion überzeugt ist, was jedoch seit sehr geraumer Zeit kaum noch zu Mord und Totschlag führt. Das mit der christlichen zweiten Backe wird von seinen (islamischen) Gastgebern nicht so ganz geteilt. Die schrumpfende Zahl der Christen in der arabischen Welt und leider auch in Israel, bezeugt das.

Den gegenteiligen Eindruck hinterlässt ein Lied, gesungen von einem Kinderchor und den Sängern David Da’or (ohne Bart) und Dudu Fischer (mit Bart) für den Papst, vorgetragen anlässlich dem Empfang bei Präsident Shimon Peres in Jerusalem. Auf dem Film leider nicht mehr zu sehen ist wie der Papst und Shimon Peres nach dem Lied aufstanden, spontan auf die Sänger zugingen und ihnen die Hand reichten. David Da’or, war am Beginn seiner Karriere zwei oder dreimal in unserem Jazzclub in Zichron Ya’akov aufgetreten. Ich schrieb darüber auch in meinem Tagebuch:

19.7.2001
"Gestern Abend fand in meinem Jazzclub Bluesette ein ganz besonderer Auftritt statt. Es sang ein junger Mann mit Namen David Da’or. Er sang mit hoher Tenorstimme (wie früher die Kastraten, zu denen er offensichtlich nicht gehört, da er einen Ehering trug) Haydn, Jazz, italienische Opernarien und auch Volkslieder. Er war fabelhaft und auch mein Freund Walo Kuhn war zutiefst beeindruckt. Noch tiefer beeindruckt waren die vielen Zuhörerinnen. Das weibliche Geschlecht war in massiver Überzahl, die Damen fast aller Altersstufen starrten den Sänger anbetend und andächtig an. Es war wie mit den Boys Bands und den Teenies, ausser, eben, hier sassen auch viele Damen mittleren Alters, die sich nicht anders benahmen wie 15-jährige. Neben uns sass eine junge Frau, die sogar feuchte Augen hatte, doch stellte sich nach Abschluss des Konzertes heraus, dass sie die Ehefrau des Sängers war. Das Konzert war nicht nur schön, sondern auch eindrücklich“.

Den Abend mit ihm auf einem hohen Barstuhl sitzend a cappella singend habe ich noch heute im Ohr.

Noch etwas Musikalisches, nämlich die Eurovision Songmeisterschaft. Lea und ich dachten zwar, das deutsche Lied mit viel Swing hätte gewinnen sollen, doch mit dieser Meinung kamen wir ganz und gar nicht durch. Allerdings hatten die Norweger wirklich ein tolles Lied und ihr fiedelnder Solosänger wird sich von nun an kaum vor Groupies retten können. Wir stellten auch, wohl nicht neu, eine Politisierung fest. Die Zyprioten gaben ihre zwölf Punkte den Griechen, die Weissrussen und die Armenier den Russen, die Aserbeidschaner den Türken und ähnliches mehr. Das israelische Duo Mira Awad und Avinoam Nini (Noa), zwei dicke Freundinnen, die ich aus meinen Aktivitäten in der Galerie Umm El-Fahm kenne, waren die einzigen die wirklich eine politische Aussage zu vermitteln hatten und fanden sich weit abgeschlagen in der unteren Mitte der Rangliste vor. Lea und ich gingen erst gegen zwei Uhr (Israelzeit) schlafen.

Samstag, 16. Mai 2009

Aussagen

16.5.2009

Erich Follath vom Spiegel hat einen Beitrag geschrieben, der vor Judenhass nur so trieft. Es ist eine fiktiver Ansprache unter vier Augen des deutschen Aussenministers an unseren Aussenminister Avigdor Lieberman. Hier der zweite Link, nämlich die Antwort von Claudio Casula. Ich könnte schreiben, dass ich erstens Lieberman nicht gewählt habe und, zweitens, dass ich ihn als Aussenminister eine Katastrophe finde. Dies zu behaupten verlangt praktizierte politische Korrektheit, die Mutter der Lüge, auf die ich täglich allergischer werde. Das Erste stimmt, ich wählte Meretz, das Zweite ist nicht war, denn bisher hat er in seinem neuen Posten nichts Schlimmes angerichtet. Wer das anders sieht, belügt sich selbst und ist eigentlich enttäuscht, dass der liebe Lieberman die Erwartung Anderer nicht erfüllt – sie fühlen sich betrogen. Was nicht ist, kann noch werden – so gebt die Hoffnung nicht auf, denn Lieberman ist ganz offensichtlich lernfähig. In all die ihm vorgeworfenen Fettnäpfchen ist er noch vor Beginn seiner Aussenministerkarriere getreten.

Man kann zu Israel stehen wie man will, die Frechheit Unbeteiligter, ihm vorschreiben zu wollen, wie es sich zu verteidigen, wie es die Existenz des Staates und seiner Bürger zu sichern habe, ist nur mit Arroganz, Judenhass oder bestenfalls mit wirtschaftlichem Egoismus zu erklären. Denn diese Vorschreiber von Israels Politik und seinem Verhalten orientieren sich vor allem am Benzin- und Gaspreis (man denke an das wirtschaftliche „Prostitutions“verhältnis zwischen Calmy-Rey und Ahmedinejad) und übernehmen für das Schicksal Israels keinerlei Verantwortung – aber sie wissen alles besser. Derselbe wirtschaftliche Egoismus könnte auch Teil des Zögerns sein, sich der Islamisierung und Jihadisierung Europas entschiedener entgegenzustellen.

Barry Rubin, ein profilierter Professor am Interdisziplinären Studienzentrum in Herzlia hat unter dem Titel „Political Proverbs for an Age of Unreason“ 44 Punkte als Gedächtnisstütze aufgelistet, von denen ich hier einige in Deutsch wiedergebe. In den vergangenen Jahren wurde Grundsätzliches zwischenstaatlicher Beziehungen, besonders was Krieg und Frieden betrifft, weitgehend vergessen. Täter werden als Opfer bezeichnet und Opfer als Täter. Nirgends ist diese perverse Sicht der Dinge augenfälliger als im Nahen Osten, und wenn man weiter denkt, im Kampf um Israels Existenz und der Islamisierung des Westens. Hier also einige Müsterchen von mir ins Deutsche übersetzt (Nummerierung gemäss englischem Original):

1. Wenn man sein Territorium zu unprovozierten Angriffen auf einen Nachbarn benutzt, wird dieser Nachbar sein Recht auf Selbstverteidigung ausüben und selbst angreifen. (Beispiel: Hamas attackierte Israel).
3. Wenn eine schwächere Macht einen stärkere angreift, ist der Angreifer nicht zu Sympathien berechtigt, nur weil er der Schwächere ist. (Beispiel: siehe oben)
5. Wenn man Zivilisten als menschliche Schilder benutzt und einige dieser Zivilisten werden getötet, dann ist man für diese Toten verantwortlich. (Hamas im Gaza Streifen, aber auch Hisbullah in Libanon)
6. Wenn eine Seite absichtlich auf Zivilisten zielt, ist das Terrorismus. Wenn die andere Seite alles was möglich ist, unternimmt, um zivile Opfer zu vermeiden, ist das ein berechtigtes Verhalten. (Gaza)
7. Wenn eine Gruppe Wahlen gewinnt und dann einen Coup inszeniert, um volle Macht zu erreichen, die Demokratie abschafft und ihre Gegner umbringt oder verjagt, kann die daraus resultierende Regierung nicht als demokratisch gewählt betrachtet werden. (Gaza)
11. Wenn eine politische Bewegung radikalislamistisch, terroristisch und dem Völkermord verpflichtet ist, ist es sinnlos, was es selbst oder seine von ihm kontrollierten Leute sagen, zu glauben. (Die Leichtgläubigkeit der Medien für die grausigen Behauptungen der Hisbullah und Hamas)
14. Wenn jemand sagt, er werde dein Land von der Landkarte putzen, nimm ihn ernst. (Beispiele wie von Hitler und Stalin, neueren Datums von Iran, Hisbullah und Hamas Führung)
15. Wenn Geschichte nicht gezeigt hat, dass das Besänftigen von Diktatoren nichts nützt, was können wir denn aus der Geschichte lernen. (Zahlreiche Beispiele)
16. Wenn man folgende Aussage von Pastor Martin Niemöller vergisst, dann hat man ein persönliches Problem:

Als die Nazis die Kommunisten holten,habe ich geschwiegen;ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,habe ich geschwiegen;ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,habe ich nicht protestiert;ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie die Juden holten,habe ich nicht protestiert;ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten,gab es keinen mehr, der protestierte.
22. Patriotismus kann die letzte Zuflucht eines Schurken sein, aber sein eigenes (demokratisches) Land zu hassen, ist die erste Zuflucht eines Pseudointellektuellen.
26. Es ist war, dass die Menschen Europas nicht mehr leidenschaftlich an Ideologien glauben, nicht mehr bereit sind für ihre Überzeugung zu töten und nicht mehr Imperien erobern oder zerstören wollen. Das heisst aber nicht, dass andere auch so denken.

36. Wenn deine Zugeständnisse von deinem Feind als Zeichen der Schwäche und Dummheit empfunden werden, könnte der Feind Recht haben.
39. Denk daran, nur weil du keine Ahnung über die Geschichte eines Konflikt und den Charakter der Gegenseite hast, heisst das noch lange nicht, dass mein Land leiden oder zerstört sein soll.
42. Ein grosser Teil der heutigen Politik scheint hauptsächliche darin zu bestehen, jene die dich umbringen und deine Zivilisation zerstören wollen, zu beschwichtigen und ja nicht zu beleidigen.

44. Jeder der denkt das die Unterdrückung der Frau, das Verbot der Redefreiheit, das Unterstützen von Terror und das Verwerfen logischer Werte und wissenschaftlicher Methoden seien nur wunderliche lokale Traditionen, sollte gezwungen werden in einer solchen Gesellschaft zu leben.

Sonntag, 3. Mai 2009

Der Papst und die beleidigten Leberwürste

Muslime können, besonders was Beziehungen zu anderen Kulturkreisen betrifft, humorlos und daher leicht beleidigt sein. Das ist menschlich, auch andere Völker und Religionen sind darin empfindlich, auch wenn es nicht von allen ebenso ernst genommen wird. Tödlich wird das heute allerdings erst beim Islam. Einen islamischen Don Camillo oder humorvolle islamische "Rabbinergeschichten" gibt es meines Wissens kaum. Wir erleben aufgeputschte religiöse Empörung so oft, dass sich die Welt daran gewöhnt hat. Denken wir an die dänischen Mohammedcartoons, die Worte von Benedikt XVI über den Islam und ähnlichem, die die islamische Welt innert kürzester Zeit zu einer Welt beleidigter Blutwürste machte. Der Westen nimmt schon seit geraumer Zeit darauf Rücksicht, ist bereit ihnen in England Sonderrechte im Schulunterricht oder im Religions- und Zivilstandwesen einzuräumen, entschuldigt sich in vorauseilendem Gehorsam sogar für nicht Stattgefundenes, denn sie haben gelernt, sich vor islamistischen Reaktionen auf wirkliche und eingebildete Kränkungen zu fürchten. Leicht zu beleidigende Leute werden ebenso leicht gewalttätig, was sich gerade in der muslimischen Welt wiederholt beweist. Die beleidigten Leberwürste der muslimischen Welt sind gefährlich und kosten Menschleben. Der Papst sagt etwas, das ihm die islamische Welt krumm nimmt – es sterben Nonnen, Kirchen werden abgefackelt und gewalttätige Demonstrationen von Muslimen, von denen kaum einer auch nur die geringste Ahnung hat, um was es eigentlich geht, finden "spontan" statt. Eine Prise Hetze genügt und schon steigt der islamische Blutdruck. Wir im Westen haben unsere angenehmen Gruppenerlebnisse bei Fussballspielen, bei denen Rassismus gefahrloser abreagiert werden kann, im Vorderen Orient scheint Hass auf Andere ohne sportliche Ablenkung, zum Zeitvertreib der Massen geworden zu sein.

Der diesen Monat angesagte Besuch von Papst Benedikt XVI in Israel könnte zu einem Hassfest aufgeputschter israelischer Muslime werden. Für einmal kann Hass auf Christen gefeiert werden. So jedenfalls verstehe ich einen Bericht des AP-Journalisten Diaa Hadid, der gestern in verschiedenen Zeitungen zu lesen war. Unter dem Titel "Muslime geben sich kühl zur päpstlichen Pilgerfahrt ins Heilige Land", ist über die Stimmung in der arabischen Stadt Nazareth zu lesen, die sich auf die päpstliche Visite vorbereitet. Der Papst will dort eine Messe lesen und die Stadtväter haben Angst. Seit die Muslime der Stadt vor zehn Jahren vor Gericht eine Abfuhr erhielten, als sie die Verkündigungskirche mit einer riesigen Moschee übertrumpfen wollten, brodelt es mehr als gewöhnlich in dieser Stadt. Die Christen der Stadt beklagten sich über den Plan, der für alle offensichtlich aus einer Laune grundsätzlicher Abneigung gegen Christen und als Herausforderung dieser religiösen Minderheit gebaut werden sollte. Die Christen gingen vor Gericht und gewannen. Der für die Moschee vorgesehene Platz steht meines Wissens noch immer leer. Es gab Demonstrationen, Schlägereien und viele Verletzte. Heute ist das Thema vergessen und ich hoffe, dass der päpstliche Besuch es nicht wieder auf's Tapet bringen wird. Denn es scheint, dass antipäpstliche Unruhen schon vorprogrammiert sind. Ein riesiges Banner auf dem bekannt gegeben wird, "Jene die Gott und Seinen Botschafter verletzen – Gott hat sie verflucht in dieser Welt und im Jenseits und wird sie demütigend bestrafen" (von mir aus dem Englischen übersetzt), soll den Papst warnen, nicht wieder den Islam als gewalttätige Religion zu bezeichnen. Es war, so denke ich, nicht gerade intelligent von Benedikt XVI dies zu sagen, auch wenn die Muslime der Welt seine Aussage mit ihren gewalttätigen Reaktionen umgehend bestätigten. Andere Kulturen, andere Sitten.

Der Papst ist bei den Muslimen in Nazareth nicht willkommen. Bei denen in Bethlehem, Jerusalem und anderen Städten, die er besuchen wird, wird, so nehme ich an, wird die Situation auch nicht besser sein. Es werde verlangt, er solle sich bei den Muslimen entschuldigen, sagen jene, die bereit sind, sich mit ihm treffen – aber eben nur, wenn er diese Forderung erfüllt. Die israelischen Muslime sind gespalten. Scheich Raed Salah, der Anführer der extremistischen nordisraelischen muslimischen Brüderschaft wünscht den "ungläubigen" Papst zum Teufel, andere werden sich hergeben mit ihm zu reden. Es wird für Benedikt XVI ein Tanz auf Eiern, jedes seiner Worte wird auf mögliche Islamophobie untersucht werden. Ich weiss nicht, ob er überhaupt realisiert, wie sehr arabische Christen von Muslimen unterdrückt werden. In Nazareth, waren früher achtzig Prozent der Bevölkerung Christen und zwanzig Prozent Muslime, in Bethlehem in der Westbank, ist die Situation ähnlich. Dort rächt sich für die Christen der Stadt, dass die israelische Regierung vor Jahrzehnten die Bitte des damaligen christlichen Bürgermeisters Bethlehems Elias Freij ablehnte, die Stadt Jerusalem einzugemeinden. Freij war ein weitsichtiger Mann, dessen Sicht der politischen Entwicklung in seiner Stadt und seine Sorge für die palästinensischen Christen sich heute bestätigt.

Als Vergleich zur Lage der arabischen Christen in Palästina, inklusive Gaza, denke ich an die Lage der Juden in Nazi-Deutschland, die auch nicht glauben wollten, was ihnen blühen würde – bis es zu spät war. Ihre apologetische Selbstidentifizierung mit dem Schicksal der muslimischen Palästinenser ist "ein Kopf in den Sand stecken". Sie wollen nicht sehen, was in Irak und Ägypten passiert, wo Christen von fanatischen Islamisten zu Hunderten ermordet wurden und werden oder nicht viel besser in Saudiarabien wo das Ausüben einer nichtislamischen Religion strafbar ist. Diese Tatsachen sollten den Papst interessieren – was er tun kann, das muss er selbst wissen – Sand für seinen Kopf hat es an den Stränden Roms genug.

Zurück zu den (beleidigten) Blutwürsten. Zum Thema Nahrung ein Zitat von Leon de Winter, dem bekannten und schlagkräftigen holländischen Autoren und Kommentatoren, der nach der Ermordung seines Freundes Theo van Goghs in Amsterdam sagte: “Seit den sechziger Jahren machen wir uns selbst weis, alle Kulturen seien gleichwertig. Wenn das so wäre, wäre Kannibalismus nur eine Frage des Geschmacks.” Die Absage eines kulturellen Feinschmeckers an die politische Korrektheit, der die Hauptursache des heutigen Kulturkrieges in Europa erkannt hat, nämlich den Missbrauch einer Jahrzehnte langen falsch verstandenen Multikulturpolitik. De Winters Link enthält eine der wichtigsten Erkenntnisse über die Islamisierung Europas, von der viele heute schon denken, sie sei irreversibel.