Sonntag, 6. März 2011

Spitaltage 2

Heute früh rief mich Ahmad, mein erster Zimmergenosse an und wollte wissen, wie es mir gehe. Zudem richtete er Grüsse aus von Said Abu-Shakra und von seinem Chef Sami. Arbeiten darf er noch längere Zeit nicht, seine Nieren lassen das nicht zu.

Mohammad, mein neuester Zimmergenosse meint, dass die Amerikaner in Irak schon eine Million Araber umgebracht hätten, der Saddam Hussein scheint in seinen Augen ein Lieber gewesen zu sein. Die fast zehntausend Kurden von Halabja seien nicht von ihm vergast worden, sonders es seien die Iraner gewesen. Also ging ich ins Internet um mich schlau zu machen. Es scheint darüber tatsächlich eine Diskussion gegeben zu haben, doch am Ende war es halt doch der Saddam Hussein, das war jedenfalls der Schluss der sich damit befassenden Gremien. Beiden, den Iranern und den Irakern (und auch den Türken) ist gemeinsam, dass sie Kurden nicht mögen und diese traditionell verfolgen und unterdrücken. Weit wichtiger als diese Aussage meines Zimmergenossen Mohammed war seine Absage an den heutigen Islam, der mit dem wahren Islam nichts zu tun habe. Der wahre Islam sei zwar nicht demokratisch aber gerecht und behandle Juden als Gleichberechtigte. Nur scheint mir, dass diese schöne Zeit schon seit Jahrhunderten vorbei ist und die heutigen Probleme auf dem faschistoiden Islamismus von heute beruhen. Schön, immerhin steht Mohammed jeden Tag um fünf Uhr früh zum Gebet auf und klettert dann wieder ins Bett zurück um weiter zu schlafen. Das ist gut so und tut niemandem weh. Doch brachte ich es nicht fertig bei ihm Grundlagen demokratischen Denkens zu entdecken. Religion und Demokratie sind einfach nicht unter einen Hut zu bringen, sei es bei uns Juden, dem Islam und dem Christentum. Beim Abschied schenkte er mir seinen wunderschönen grünen Gebetsteppich und ich muss mir überlegen, was ich mit diesem Schmucksstück tun soll. Einen Ehrenplatz in unserer Wohnung ist er sicherlich wert.

Wenn wir schon bei arabischer Demokratie sind: genau so wenig wie Juden, die von einem jüdischen und demokratischen Staat schwafeln – einem Oxymoron per se – scheint ein grosser Teil der westlichen Welt wenigstens öffentlich überzeugt, die arabische Welt habe Demokratie entdeckt. Bisher in Tunesien, Ägypten, Bahrain, Libyen, Jemen und wo ich es vielleicht schon vergessen habe, sind Millionen Menschen auf die Strasse gegangen und haben gegen ihre nationalen Tyrannen gemeutert. Sie haben politische Meinungsfreiheit ausgeübt, zum Teil mit enormem Erfolg. Aber wie geht es weiter? Von der Gleichberechtigung der Frau und Minderheiten, von rechtsstaatlichen Grundsätzen, von Freiheit für alle und von allen Religionen und all den anderen Grundsätzen demokratischen Verhaltens, von Gewaltentrennung usw. hört man nichts. Wenn es bei der Ausübung des demokratischen Demonstrationsrechts bleibt, hat vielleicht vor allem der Pöbel gewonnen. Irgendeine Diktaturform, sei es Armee oder Islamisten, könnte zurückkehren und so weitermachen, wie ihre gestürzten Vorgänger. Es bleibt zu, hoffen, dass sich in diesen Ländern möglichst schnell eine demokratische nicht korrupte Führerschaft entwickelt, die diese arabischen Menschen in die Praktiken und Grundsätze demokratischen Lebens einführen können. Denn kaum ein Volk ist so traditionslos mit freiheitlichen Lebensformen, wie das arabische. Ich denke da besonders freudig an den unter heftigem Beschuss stehenden Jean Ziegler, dessen Talent für alles Ausreden zu finden und die Schweiz für alles Böse unter der Sonne verantwortlich zu machen. Man wirft ihm heute seine Freundschaft zu Ghadaffi vor, doch hört Mal Freunde: habt ihr seine nicht weniger grosse Freundschaft zu Saddam Hussein vergessen, zu dessen Apologeten er sich hochstilisiert hatte?

Vor zwei Stunden wurde mir Zimmerpartner Nummer 4 vorgestellt. Heissen tut er Simando und ist jüdischer Tscherkesse (warum soll es das nicht geben, gibt es doch auch jüdische Schweizer). Ein lustiger kleiner Mann mit Dächlikappe, der sich umsonst freute mit mir Russisch sprechen zu können. Als Tscherkesse spricht er kein Jiddisch, mit dem wir uns hätten behelfen können, denn die Juden von dort sprechen Farsi, die Sprache der Perser, was ihn zu einem orientalischen Juden macht. Soeben hat ihn die Schwester wieder verlegt, er brauche ein Zimmer mit Monitor. Schade, ich hätte gerne Tscherkessisch gelernt. Sein Nachfolger ist schon da, er heisst Chesi.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Uri,
Deine Spitalgeschichten lese ich mit Interesse und Anteilnahme. Wünsche gute Genesung und schnelle Heimkehr.
Herzlich, Reini

Castollux hat gesagt…

Hallo Uri,

Wusst nicht, dass du im Krankenhaus bist.

Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.

Beste Grüße
Bernd