Heute ist Weihnachtsabend. Viel davon verspürt man in Israel nicht, es sei denn, man begibt sich nach Nazareth oder ins Wadi Nisnas, dem arabisch-christlichen Quartier Haifas. Oder man fährt ins Ausland nach Bethlehem, wo dieser Abend ganz gross begangen wird – so gross, dass sogar Yassir Arafat, zu Lebzeiten Schutzherr des palästinensischen Christentums – jedes Jahr als Ehrengast empfangen worden war und dafür sorgte, dass die Zahl christlicher Bürger dieser Stadt real und auch relativ stark abnahm und heute kaum noch zwanzig Prozent aller Einwohner beträgt (früher waren es achtzig Prozent). Nach dieser Schätzung (die Zahlen sind ungefähre Zahlen) gibt es 162.000 palästinensische Christen im Heiligen Land, 120.000 leben in Israel (innerhalb der Grünen Grenze), 40.000 wohnen im Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), und 2.000 leben im Gaza-Streifen. Mehr als 80 % leben in städtischem Umfeld, 20 % auf dem Lande. Schätzungen zufolge waren vor 1948 etwa 15 % der Bevölkerung Christen; ihre Zahl ging bis 1967 auf etwa 5% im Westjordanland und 1% im Gaza-Streifen zurück. Heute sind weniger als 2% Christen im Westjordanland und weniger als 0,25% im Gaza-Streifen. Diese Angaben stammen von Bischof Yunib A. Mounan, dessen vor einigen Monaten gehaltene Rede ich hier kurz besprechen will.
Diese Rede, gehalten vor einigen Monaten von einem arabischen Christen, ist sehr mutig. Zwischen den Zeilen lese ich die Verzweiflung darüber, sich zwischen Hammer und Amboss zu fühlen, zwischen der Tatsache als schrumpfende Minderheit in einem Land zu leben, dessen muslimische Mehrheit täglich extremistischer wird. Man kann von einem palästinensischen Christen, der in einem Meer muslimischer Mitbürger lebt, realistisch nicht verlangen, dass er in der palästinensischen Öffentlichkeit Sympathie für Israel ausdrückt – auch in dieser Rede demonstriert der Bischof eine gewisse Enthaltsamkeit seiner Aussagen Israel gegenüber. Er lehnt die Sicht, die Flucht der Christen sei auf muslimischen Terror zurückzuführen, öffentlich ab. Das Gegenteil zu behaupten, wäre seiner Gesundheit abträglich. Dann fragt er „was ist das Heilige Land ohne (palästinensische) Christen?“, dem ich höchsten und noch grundsätzlicher beifügen möchte, „was wäre das Heilige Land ohne Juden?“. Es gäbe keines, denn erst die Juden haben es in ein heiliges Land auch für Christen gemacht. Seine Haltung zur Besetzung und zu den Entwicklungen in der Westbank ist israelkritisch – meine ist es ja auch.
Ich las vor kurzem den wenigstens teilweise richtigen Spruch „ein mutiger Muslim, ist ein toter Muslim“. Damit sind, um es ganz sicher zu stellen, Muslime mit Zivilcourage gemeint. Ich denke das trifft auch auf Christen in der arabisch-muslimischen Welt zu, wie Palästina-Gaza, Irak, Saudi-Arabien, Ägypten – um nur einige zu nennen – täglich demonstriert. Es ist eine Situation, der sich westliche Christen vielleicht nicht bewusst sind, es sich nicht vorstellen können – falls es sie überhaupt interessiert. Christenverfolgungen gab doch für Europäer nur in der Zeit der alten Römer, die ihre Christen noch durch Löwen verspeisen liessen. Der Heilige Abend wäre bestimmt eine Gelegenheit, sich über die verfolgten Christen in arabischen Landen mindestens Gedanken zu machen, statt das (unter anderem) dem Juden, Israeli und Schweizer Uri Russak zu überlassen.
1 Kommentar:
Lieber Uri
Deine "Weihnachtspost" ist sehr aufschlussreich! Man sollte sie an sämtliche Christen hier im gutmenschlichen Westen übermitteln,was ich soeben an unseren Gemeindeleiter getan habe.Ganz friedliche Chanukkatage und liebe Grüsse
Trudy aus Schaffhausen
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