Freitag, 9. Dezember 2011

Zukunftsaussichen



Täglich klarer wird die Entwicklung das Abschiednehmen vom arabischen Frühling zum arabischen Winter. Wie im mittelöstlichen Wetter gibt es nur zwei Jahreszeiten – Sommer und Winter. Einen Frühling und einen Herbst gibt es kaum, das Ende des heissen Sommers wird mit kaltem regnerischen Wetter ersetzt, meist von einem Tag auf den anderen. Ähnlich wie die arabische Politik, in der an den Beispielen Ägypten, Tunisien, Jemen, Libyen usw. hoffnungsvolle und grundsätzlich friedliche Demonstration innert Tagen zu Quellen von rassistischem und religiösem Hass geworden sind. Wahlen, von denen Erneuerung und Befreiung der arabischen Gesellschaft von ihren mittelalterlichen und korrupten Fesseln erwartet wird und wurde bringen die reaktionärsten Kräfte zur Mehrheit. In Ägypten errangen die Muslimbrüder und die mordenden Salafisten zusammen über sechzig Prozent der Stimmen, in Tunisien über vierzig Prozent, in Marokko sieht es fast ebenso aus. In anderen Ländern des arabischen Frühlings ist es noch nicht zu Wahlen gekommen. Islamisten haben demokratische Wahlen gewonnen, werden voraussichtlich an die Macht kommen und machen damit diese Wahlen mit Sicherheit zu zweifachen Wahlen: zu den ersten und zu den letzten. Wie im Iran, werden die Wahlgewinner alles tun, um an der Macht zu bleiben, demokratische Wahlen hin oder her. Damit setzen sie die arabische Tradition fort, die allerdings auch schon unter sekulärer Herrschaft seit dem Entstehen arabischer Staaten in den Nachkriegsjahren bestand. Schuld daran sind die wählenden Bürger, doch kann man sie nicht wirklich dafür verantwortlich machen. Tribalistische Gewalt zur Lösung von Problemen ist die dahinter stehende Tradition. Demokratie wird in der arabischen Welt wird noch immer als degenerierte westliche Schwäche verstanden, auch wenn Gutmenschen durch die Medien uns das Gegenteil einzureden versuchen. Der oft gehörte Einwand, die Mehrheit der arabischen Welt sei für Frieden, wirkt sehr fragwürdig, wenn über 60 Prozent der ägyptischen, marokkanischen und tunesischen Bürger islamistischen Fanatiker in ihre postrevolutionären Parlamente wählen oder diesen die Stimmenmehrheit verschaffen.

Ari Shavit hat in einem in der jüdischen Zeitschrift Tachles veröffentlichten Artikel diese fatale Entwicklung beschrieben. Wie auch ich, sieht Shavit eine ähnliche Entwicklung in Israel, in der Extremisten der ultrafrommen und der ultranationialistischen Sorte den jüdisch-israelischen Weg zurück ins schwarze Mittelalter vorantreiben. Der einzige Unterschied ist, wie er schreibt, ist, dass in der arabischen post-revolutionären Welt, die Mehrheit diesen Weg in die Dunkelheit will, während es in Israel eine Minderheit ist, deren finstere Machenschaften von Nethanyahus bestimmt nicht bekämpft, sondern teilweise gefördert werden. Und die weltliche Mehrheit sitzt auf dem Hintern, jammert und schimpft, arbeitet, zahlt mit ihren Steuern diese Misere und „hat keine Zeit“, sich mit Politik zu beschäftigen.

Wie sehr Tommy Lapid in Israels Politszene fehlt!

Keine Kommentare: