Wer sich ernsthaft mit den Geschehnissen im Mittleren
und Nahen Osten befasst, kommt nicht darum herum, sich durch die Medien und vor
allem Bücher grundlegend zu informieren. Es gibt vor allem Journalisten, unter
ihnen bekannte, die sich geistreich Mittelostexperten nennen, sich vor
allem unter ihren Kollegen informieren, am Fernsehen hängen oder gerne einander
abschreiben. Ich halte mich, obwohl ich natürlich Nachrichten in vielen Medien
verfolge, mehr an grundlegende Informationen, die, wie ich überzeugt bin, vor
allem aus Büchern, persönlichen Kontakten und Gesprächen mit den Objekten
unserer Themen, Israels Minderheiten, zu lernen sind. Meine eigenen Erfahrungen
mit nationalistischen, im Gegensatz zu patriotischen Juden, haben mich
überzeugt, dass diese genau so wie unsere arabischen Gegner, jeden Kontakt zum
jeweiligen "Gegner" vermeiden, um ihre eigenen Vorurteile nicht zu gefährden. Meine
inzwischen ansehnlich gewachsene Bücherei zum Thema, enthält zwar auch
unseriöses, da ich aus tiefenpsychologischen Gründen unfähig bin Bücher wegzuwerfen,
manchmal verschenke ich sie eben.
Eine meiner Hauptquellen ist Bernard Lewis,
emeritierter Professor der Universität Princeton. Er gilt als der grosse
alte Mann unter den Orientalisten. Obwohl er a) eine Menge vorderasiatischer
Sprachen beherrscht und b) schon 96 Jahre zählt, kann man ihn überhaupt nicht als klassischen Arabisten bezeichnen, im Gegensatz
beispielsweise zu „Experten“ wie Scholl-Latour oder Arnold Hottinger, die trotz
ihrem theoretischen Wissen, ihre Seele dem vor 80 bis 100 Jahren modern gewesenen romantischen
Arabismus verkauft haben und noch immer vom Kaffeetrinken in einem Beduinenzelt
in der Wüste träumen. So wie es der englische Oberst T.E. Lawrence, dem
berühmten Wüstenoffizier im Kampf der Araber der arabischen Halbinsel gegen das osmanische Imperium und
Autor des Buches „Die sieben Säulen der Weisheit“, einer meiner prägenden
Jugendlektüren, darin beschrieben hat. Oder wie auch
Wüstenschlachten auf Pferden, im Filmklassiker „Lawrence von Arabien“ so dramatisch vermitteln. Nur eben
die arabische Welt aus Lawrence Zeit hat sich verändert, die damalige Romantik
ist verschwunden und hat einer arabischen Realität der Tyrannei, sozialer und wirtschaftlicher Rückständigkeit, ungehemmter
Gewalttätigkeit und Blutdurst und einem muslimischen Religionsverständnis
fundamentalistischen Hasses Platz gemacht. Einige Orientalisten der heutigen
Zeit wollen das nicht erkennen oder machen dafür denn lange toten Kolonialismus verantwortlich, nie aber die arabische Welt selbst. Bernard Lewis macht sich darüber mit seiner
Bemerkung „We must be wary of
uncritically adopting the views of Islam experts, even if they are professors
at Princeton (Wir müssen vorsichtig beim Übernehmen der Ansichten von
Islamexperten sein, sogar wenn diese Professoren in Princeton sind)".
Bernard Lewis hat auch schon daneben gehauen. Lewis' bekanntester Faux-pas war sein Einsatz im Zusammenhang mit der Vernichtung
von mehr als einer Million Armenier durch das osmanische Reich.
Nobody is perfect!
Von ideologisch extrem linker Seite wird Bernard
Lewis angeklagt, den „anti-muslimischen“ Kurs der konservativen USA-Regierungen
von George W. Bush ausgelöst zu haben. Er habe neo-konservative Kräfte mit islamophobischer
Munition versorgt. Lewis' Gegner machen ihn damit auch indirekt für 9/11
und ähnliche von Islamisten ausgelöste Grosskatastrophen mitverantwortlich, die übliche Sicht der Dinge aus trendigen „israelkritischen Kreisen“,
die mit ihren Verschwörungstheorien jedem Massenmord, Frauenmord, Juden-
und Christenmord und ähnlichem weisswaschen und stets das Opfer für sein Schicksal
selbst verantwortlich machen – solange es nicht muslimischer Araber ist.
Lewis Freund, Fuad Ajami, auch Princeton Professor und
unter anderem Autor des wunderschönen Buches „The dream palace of the Arabs“, schreibt
über ihn:
“Islamic
fundamentalism, which became the story of the world — he [Lewis] foresaw it
before anyone [else]. He has an ability to see things, buck the trend, differ from his
contemporaries and step out of the consensus. The 1990s were an era of
globalization, when people talked about the differences in the world being
erased by a common marketplace. There
were two men—Bernard Lewis and Sam Huntington—who said, ‘it ain’t so.’”
Als sich die Welt, kaum klüger
geworden, über den arabischen Frühling begeisterte, blieb Lewis cool. Wiederum
behielt er Recht. Die grosse arabische Freiheit gibt es noch immer nicht. Was
blieb ist Gewalt und Blutvergiessen. Die Islamisierung dieser arabischen
Frühlingswelt schreitet voran und man darf sich heute beispielsweise zu recht
fragen, ob die oberflächliche Demokratie in Ägypten wirkliche Demokratie
darstellt und ob diese Wahlen, die einen
Islamisten zum Präsidenten machten, nicht die letzten Wahlen in diesem Land
gewesen sind. Islamisten sind nicht von der Natur her Demokraten, Wahlen sind
ausschliesslich dazu da jemandem zur Macht zu verhelfen, die dann mit allen
Mitteln erhalten wird. Wirklich freie Wahlen in arabischen Ländern sind neu.
Deren Resultate sind soweit ernüchternd – demokratische Parteien kamen nirgends
an die Macht. Erfahrung mit freien Wahlen in arabischen Ländern, falls es
wirklich solche gab, lassen den zwingenden Schluss zu, dass diese freien
ägyptischen Wahlen, des Landes letzte freie Wahlen für lange Zeit gewesen sein
könnten.
Ich möchte hier drei Links anfügen, die Bernard Lewis
in Gesprächen darstellen. Alle sind sie lesenwert und geben einen guten
Einblick in seine Gedankenwelt. Diese Gedankenwelt führt zur Erkenntnis,
hier einen Mittelost- und Islamfachmann kennen zu lernen, der nicht, wie so
viele andere, aus sentimentalen, ideologisch-politischen oder gar religiösen
Sentimenten und Vorurteilen sein reiches Wissen und seine Schlüsse vermittelt,
sondern die von ihm beschriebene und beurteilte Welt so sieht, wie sie sich Geschichte und
Alltag wirklich präsentiert.
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