Samstag, 27. Oktober 2012

Jerusalemer Hypotheken 1918 und Friedrich Dürrenmatt



Ich wühlte wieder einmal in Friedrich Dürrenmatts "Zusammenhänge" (Arche 1976) und dachte etwas über seine Gedanken über Israel zu schreiben, denen das grosse kleine Buch gewidmet ist. Noch heute schätze ich diesen humorvollen und umfassend kreativen Mann, der im Zweiergespann mit dem sauertöpfischen Max Frisch die damalige Schweizer Literaturszene beherrschte. Da erinnerte ich mich vor gut zehn Jahren über Dürrenmatt geschrieben zu haben und fand untenstehenden Tagebucheintrag auf einer Sicherheitskopie. In 2003 war ich noch kein Blogger, meine Tagebuch lesenden Freunde bekamen jeden Eintrag einzeln per e-mail zugestellt. Der erste Teil meines Artikels ist die Geschichte einer von Lea betreuten alten Dame namens Sarah (i.A.), die gerade heute wieder Zustände in Erinnerung ruft, wie wir sie eigentlich gerne hätten und, ich könnte mir vorstellen, es im Ruhigen und Diskreten vielleicht noch immer gibt.

Persönlich bin ich Dürrenmatt nur einmal nahe gekommen, als er am 22. November 1990, zusammen mit Vaclav Havel in einer Bundeskarosse sitzend, mich an der Ecke Seestrasse/Bahnhofstrasse in Rüschlikon fast überfuhr. Er war auf dem Weg in Hotel Belvoir in Rüschlikon, wo er dann seine höchst umstrittene Rede "Die Schweiz - ein Gefängnis" hielt. Hätten Uris Reflexe diesen nicht mit einem Sprung vom Fussgängerstreifen zurück auf's Trottoir gerettet, hätte diese Rede, wenn überhaupt, nur mit Verspätung gehalten werden können. Das Auto und zwei weitere, also der gesamte Konvoi - mussten aus Sicherheitsgründen mit Höchstgeschwindigkeit fahren - so wurde mir etwas später erklärt. Soweit, mein Einfluss auf Dürrenmatts Karriere.

Aus Uris Tagebuch 7.1.2003

Vor fast Hundert Jahren 

Meine Lea macht für die Stadt Zichron Ya’akov Sozialarbeit und betreut eine neunzigjährige Dame namens Sarah, Amerikanerin, aber in Jerusalem geboren. Lea ging mit ihr in ein Kaffeehaus an der Mejasdim Strasse zum Zvieri und ich ging mit. Sarahs Langzeitgedächtnis ist noch voll da und sie erzählte aus der Zeit, als sie sieben Jahre alt war, das muss um 1918 gewesen sein. Ihre Eltern seien sehr arm gewesen, hatten aber Gelegenheit in Jerusalem an der Agrippas Strasse beim Machane Jehuda Markt ein kleines Haus zu bauen. Ein Charedi aus Mea Schearim offerierte ihrem Vater, so erzählte sie, eine Hypothek für ein Jahr zu 18% offiziellem Zins plus nochmals 24% Zins „unter dem Tisch“, wie sie sich ausdrückte. Sarah erklärte nicht, warum ihr Vater auf diese Bedingungen einging, doch nachdem das Jahr um war bestand der Charedi auf die volle Rückzahlung mit dem ganzen Zins, was der Vater nicht konnte. Die Familie habe geweint und der fromme Geldverleiher schlug vor, der Vater solle seine Tochter auf die Strasse betteln schicken. Doch dann sei ein Wunder geschehen. Zwei Tage später habe es an der Türe geklopft. Es sei ein Araber aus Bethlehem gewesen, mit Namen Habib Salem. Er habe gehört, sagte er, die Familie sei in Not und brauche eine Hypothek. Er wolle helfen und offerierte eine Hypothek für fünf Jahre zu minimalem Zins. Der Vater habe dieses Darlehen pünktlich zurückbezahlt und das Haus steht noch heute – im heutigen Herzen der Stadt Jerusalem, Agrippas nahe der King George. Solche Initiative  arabischer Menschen findet man bis heute, doch hört man dieser Tage eher von Lösungen medizinischer Probleme wie Implantationen. Da funktioniert es in beide Richtungen: arabische Nieren werden Juden eingepflanzt, jüdische Lebern gehen in arabische Bäuche. Und immer mit vollem Einverständnis, ja auf Initiative der Spenderfamilie und im Bewusstsein mit einer solchen lebensrettenden Massnahme eine politische Aussage gemacht zu haben. 

Dürrenmatt und Israel
In meiner Büchersammlung bin ich auf ein schon vergessenes Buch gestossen: Friedrich Dürrenmatt’s „Zusammenhänge“, Essay über Israel. Eine Konzeption, herausgekommen 1976 beim Arche Verlag in Zürich. Es ist in den heutigen Tagen wieder hochaktuell, Dürrenmatt schrieb über Tatbestände und Beobachtungen, die genau so gut in die gegenwärtige Zeit passen würden. Er war damals Staatsgast Israel’s und hatte viele Reden zu halten. Er beschrieb, wie er mitten in der Nacht die Vorrede zur noch in der Schweiz geschriebenen Hauptrede für den nächsten Tag umschrieb, um dann herauszufinden, dass sich die Situation schon wieder geändert hatte und er mit der neuesten Fassung dieser Vorrede zur eigentlichen Rede, der Zeit hinterherlief. Hier ein paar Kostproben aus diesem kostbaren Buch:

Über das Wort Schalom (Friede): „In Wirklichkeit wird jedoch schon das Wort Friede so oft ausgesprochen, dass es beinahe einer Kriegserklärung gleichkommt.“

Über Ideologie:So klar zuerst der Unterschied zwischen Existentiellem und Ideologischem schien, so widersprüchlich ist er jetzt geworden.“ (Das sollten sich die ideologischen Israel- und Judenkritiker hinter die Ohren schreiben)

Über die Notwendigkeit eines jüdischen Staates: „Gesetzt, ich unternähme es, einem Russen, einem Franzosen, einem Schweizer usw. gegenüber von der Notwendigkeit ihres Staates zu reden, würden sie, so angesprochen, mich verständnislos anglotzen. Ihre Staaten brauchen keine Bestätigung ihrer Notwendigkeit......... Die  Lage des Staates Israel: Er ist zwar, aber er scheint vielen nicht notwendig zu sein, je mehr und mehr störend, man wäre froh, wenn er nicht wäre, auch jene wären glücklich über seine Nichtexistenz, die seine Existenz bejahen“. (beim Letzteren fallen mir Schweizer Juden ein).

Über das jüdische Volk und den jüdischen Staat: „Das jüdische Volk überlebte allein durch die Permanenz seiner Kultur während fast dreitausend Jahren. Seine Staatsgründungen waren Episoden, seine bleibende Konstante war nicht der Staat, sondern das Volk.“ (Das wird einigen Zionisten nicht gefallen).

Christen und Juden: „Als Christ zu Juden sprechen und als Jude einem Christen zuhören zu müssen, geht nicht ohne Verlegenheit ab, nicht etwa weil Sie Juden sind, sondern weil ich Christ bin; wobei die Verlegenheit dadurch entsteht, dass ich zwar ein schlechter Christ sein kann oder keiner, ein Kommunist oder Atheist, Sie aber Jude bleiben müssen, auch wenn Sie Kommunist oder Atheist sind. Sie können bestenfalls ganz schlechte Juden sein, Zionisten, und dann sind Sie erst recht gute Juden. Doch diese Absurdität, derzufolge ich mich einem Zustand der Freiheit befinden soll, nicht das sein zu müssen, was ich bin, während Sie in einem Zustand der Unfreiheit zu verharren haben, das zu sein, was Sie sind ....“
Heute: „Das jüdische Drama ist nicht zu Ende, es beginnt von neuem. War vorher das Volk zu retten, ist nun die Rettung zu retten“.

Religion: „Der Jude und der Christ stehen immer in Unrecht Gott gegenüber, das verbindet sie, der Muslim und der Kommunist handeln mit Recht, gemäss Allahs Willen der eine, gemäss dem immanenten Gesetz der Gesellschaft der andere“. (Das waren noch Zeiten, Kommunismus war eine religiöse Macht).

Europa: „Die Schwierigkeit, heute in Europa für Israel Stellung zu beziehen, und die Isolation, in die dieser Staat geraten ist, hat verschiedene Gründe. Schämte man sich nach dem Zweiten Weltkrieg, Antisemit zu sein, wurde man mit Stolz nach dem Sechstagekrieg Philosemit, wagt man nun erleichtert nach dem Jom-Kippur-Krieg, Antizionist zu werden. Kein Mensch ist heute mehr Antisemit, man versteht nur die Araber. Der Siegesrausch der Araber vor dem Sechs-Tagekrieg ist vergessen, vergessen die Sperrung des Golfs von Akaba durch Nasser, vergessen die Prahlereien Arafats, vergessen, dass jedermann den Angriff der Araber vermutete, vergessen der gewaltige Aufmarsch der ägyptischen, jordanischen und syrischen Truppen, ................... Vergessen das alles, die Juden hätten die Araber nur nicht ernst nehmen sollen, es war alles gar nicht so gemeint gewesen“. (Das trifft auf heute genauso zu, wie in den Siebzigerjahren).

Missbrauch der Sprache: „Man soll nicht den Namen Gottes missbrauchen, man soll nicht den Namen des Volkes missbrauchen, man soll keinen Namen missbrauche, man soll die Sprache nicht missbrauchen“.

Gott und die Theologen: „Der Fehler der Theologen ist oft, dass sie zuviel reden. Gott liegt gänzlich ausserhalb jeder Rede ................“

Palästinenser: „Ohne Israel wären die Palästinenser Jordanier und Ägypter geblieben, sie sind nur dank Israel Palästinenser.“

Israel und seine Freunde: „Daran muss sich die Politik des Staates Israel halten, was immer für Opfer auf ihn zukommen: dass seine Notwendigkeit immer glaubhafter dadurch werde, dass sie als eine gerechte Sache erscheine. Daran haben wir zu arbeiten, Ihr, die Ihr in diesem Staat lebt, und wir, die wir Eure Freunde sind.“ (Vielleicht ist das der Massstab, an dem Israels Freunde zu messen sind).

Zum Abschluss: „Was uns für dieses Land streiten lässt, ist nicht seine Notwendigkeit, die sich mit jeder Dialektik (die in Wahrheit Sophistik ist) begründen lässt, sondern die Kühnheit seiner Konzeption: In ihr wird die Kühnheit des Menschseins sichtbar. Israel ist damit ein Experiment unserer Zeit, eine ihrer gefährlichsten Belastungsproben. Nicht nur die Juden, auch die Araber werden mit diesem Experiment getestet, mehr noch, wir alle.“ 

Das waren ein paar aus dem Buch gezerrte Zitate – im Zusammenhang gelesen, wären sie noch interessanter, als es sich hier liest. Wohlgemerkt, diese Zeilen stammen aus 1976. Als wäre es heute. Friedrich Dürrenmatt war ein gewaltiger Schreiber und Maler. Er fehlt.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Aktuelles




Über kaum etwas anderes wird so viel getäuscht, verfälscht und gelogen wie über Israel generell und über sein Verhältnis zu seinen arabischen Bürgern und den Palästinensern in der besetzten Westbank. Es ist schwierig geworden, diese von
den Medien dem meist völlig unwissenden Leser durch unseriöse Berichterstattung eingedrillte Sicht zu korrigieren. Nicht dass Israel ein Unschuldsengel ist, ebensowenig wie
die palästinensische und islamische Welt ausschliesslich aus Terroristen, bigotten Scheichs, Imamen und hysterischen Massen besteht, die lynchen wollen. Doch über das Ganze gesehen werden durch journalistische Ignoranz (eigentlich
ein Oxymoron erster Güte, doch leider wahr), verbunden mit der Tendenz jedem zu glauben, der sich als Opfer darstellt oder aus ideologischer Böswilligkeit Tatsachen auf den Kopf stellt.

Die Situation des Nahen Osten ist für die meisten zu einem Glaubensartikel geworden, losgelöst von Fakten. Was bleibt sind leere Behauptungen für den Gläubigen, festgemauerte Dogmen. Deshalb finde ich es heute fast schon müssig mit ausländischen „Israelkritikern“ zu diskutieren, ihnen Hintergründe und Kontext erklären zu wollen. Sie wissen schon alles und das selbstverständlich besser. Ein
Hodgepodge falscher Informationen und lieb gewonnener Vorurteile, zum Teil aus Grossvaters Zeiten.

Ein traditionelles Beispiel: gerade heute sind über siebzig Raketen aus Gaza auf israelische Städte geflogen und haben viel Schaden angerichtet. Es gab Verletzte. Auf dem Nachrichtenfilm ist genau zu sehen, wie Raketen aus eng bewohntem Gebiet Richtung Israel fliegen. Ein wirklich unheimliches Bild, im nächtlich schwarzen Himmel diese Flugkörper mit brennendem Schweif, ihre tödliche Last nach Israel fliegen zu sehen, wie es die Fernsehnachrichten zu Nachtzeiten sendeten. Neun davon seien abgeschossen worden. Nur auf Grund der Tatsache,
dass in Israel gesetzlich jedes Haus und jeder Ort einen Luftschutzraum besitzen muss, gab es keine Todesopfer. Ich nehme an Israel wird heute Nacht reagieren, es wird Opfer geben, so wie von den Terrorbrüdern der Hamas geplant.
Dort wird es auch Tote geben, Märtyrer also, palästinensische Zivilisten, die verheizt werden, um dadurch tolle Schlagzeilen in der internationalen Presse zu produzieren, in denen suggeriert wird, Israel habe wieder einmal grundlos die
armen Gazaner angegriffen.

Die über dreihundert Millionen Araber der Welt werden als Opfer dargestellt, die von den sechs Millionen Juden Israels terminal bedroht werden. Warum hasst die arabisch-muslimische Welt mit Inbrunst Israel und alle Juden, eine Tatsache, die täglich erneut in arabischen und muslimischen Medien vermittelt wird. Diese arabische Opferpsychose ist ansteckend - grosse Teile der der eigentlich zivilisierten Weltbevölkerung (vor allem westliche Industrieländer)
scheint das heute zu glauben. Besonders in Europa scheinen wesentliche Teile der Bevölkerung einen starken Nachholbedarf für Judenhass zu haben, dem sie heute
wieder frönen können, nach dem er Jahrzehnte als Tabu unterdrückt worden ist. Durch das nur einige Jahrzehnte
alte Palästinensertum, den durch den Anspruch auf
Jerusalem erweiterte Islam und den nach Europa
importierten Islamismus, ist er heute wieder freigesetzt
und blüht.

Israel, so heisst es, hat heute weltweit eine schlechte
Presse. Lassen wir die Zeit vor der israelischen S
taatsgründung zur Seite. Seit dieser, wenn nicht gerade richtiger Krieg herrscht, wird Israel von arabischem Terror heimgesucht. Was viele nicht wissen wollen, ist, dass arabischer Terror gegen Juden schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhundert zum täglichen Brot der Juden im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina gehörte. Nur
bis in die siebziger Jahre hiessen die Terroristen erstens Fedajin und dann Araber. Nie Palästinenser. Nachher hiessen sie „Befreiungskämpfer“ und wurden zu Palästinensern. Beiden war und ist gemeinsam, gerne Juden zu töten, mit Vorliebe wehrlose. Nichts hat sich daran geändert, ausser eben die Sicht darauf von Aussenstehenden. Bis zum Sechstagekrieg 1967 waren Israelis Helden, die sich erfolgreich verteidigten und, als wäre das ganze Land ein Kibbuz gewesen, als würde Israel die moderne
humanistische Zivilisation des Abendlandes verteidigen
(was es auch tat) und es wurde dafür geliebt, gelobt und verstanden. Im 1967er Krieg eroberte es Feindesland, aus
dem es angegriffen worden war. Das nimmt man ihm bis
heute übel, denn viele dieser Israelkritiker wollen nicht verstehen, dass dieser unverschämte Staat der Juden nicht Selbstmord begehen will um den globalen Ölpreis niedrig zu halten und den palästinensischen Terror zu belohnen. Tote Juden werden heiss geliebt, denn sie wehren sich nicht.
Heute sind Palästinenser – israelische Araber ausgenommen – Opfer ihrer eigenen Machenschaften und sie werden nun
dafür geliebt, gelobt und verstanden. Die bisherige Welt ist auf den Kopf gestellt – obwohl sich, um zu wiederholen,
wenig geändert hat. Nur eines vielleicht: Israel besitzt sein einiger Zeit ein rechtsradikale Regierung. Dazu meine ich Nethanyahus Kindergarten, in dem zum grossen Leidwesen vieler Israelis und Juden, rechtsextremistische Rechtsextremisten und ultraorthodoxe religiöse Fanatiker einen Grossteil israelischer Politik bestimmen. Sie erlassen anti-demokratische, gar rassistische Gesetze, die teilweise, wie ähnliche Gesetzesvorhaben der SVP in der Schweiz, internationalen Menschenrechtsgesetzen widersprechen. Da die systematische Friedensverweigerung Arafats und seines Nachfolgers Mahud Abbas, sowie derer Terrorpolitik haben viele Israelis verbittert hat und diese ihr Wahlverhalten entsprechend geändert haben, kann ohne einen
unschuldigen Sündenbock zu brauchen, behauptet werden, dass die unnachgibige palästinensische Politik jeglichem Verhandlungsabschluss aus dem Weg zu gehen, der Hauptverursacher dafür ist. Weder Ehud Barak, Ehud
Olmert noch Arik Sharon (Bill Clinton gehörte auch dazu) hatten verstanden, dass die palästinensische Führung nur
ein Ziel akzeptieren kann: ganz Palästina, möglichst ohne Juden. Das ist der Grund, dass ein Kompromiss für sie unakzeptabel ist und alle bisherigen Verhandlung von Beginn an zum Misserfolg verdammt waren. Zweitens, ich halte mich hier an Meron Benvenistis Worte, die israelische Gesellschaft hat sich verändert, sogenannte „weisse“ Israelis mit humanistischer Bildung gibt es immer weniger, das demographische Gewicht hat sich zu Gunsten orientalischer Juden verändert unter denen es weit weniger friedensbereite Menschen gibt. Denn sie behaupten die arabische Mentalität besser zu kennen, als wir, hätten sie doch seit Jahrhunderten in arabischen Ländern gelebt. Auch das beeinflusst das Wahlverhalten der Bürger und bringt nationalistische, demokratiefeindliche Kräfte an die Macht, säkulare und religiöse.

Auch zur Zeit sozialdemokratischener Regierungen der Gründerväter (vor Menachem Begin als Ministerpräsident)
gab es israelische Nationalisten. Sie waren aber nicht an der Regierungsmacht und hatten wenig Einfluss auf die Politik. Hier eine ausgezeichnete Definition des Nationalismus:

Übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung
der eigenen Nation. Im Gegensatz zum
Nationalbewusstsein und zum Patriotismus (Vaterlandsliebe) glorifiziert der Nationalismus die eigene Nation und
setzt andere Nationen herab. Zugleich wird
ein Sendungsbewusstsein entwickelt, möglichst die ganze
Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen.
(Quelle: Thurich, Eckart: pocket politik. Demokratie
in Deutschland. Überarb. Neuaufl. Bonn: Bundeszentrale
für politische Bildung 2011)

Ben Gurion und seine Gründerkollegen erkannten die Gefahr des übersteigerten Nationalismus, ganz im Gegensatz zu heutigen israelischen Regierungsriegen aus der rechten und rechtsextremistischen Parteilandschaft, die das Land dem Rechtsextremismus der Siedler und der Ultraorthodoxie verkauft hat.

Es gab arabischen (heute palästinenischen) Terror unter
den sozialdemokratischen Regierung von Ben Gurion, Eshkol, Golda Meir, Peres und Rabin. Es gab ihn auch unter Begin, Shamir, Barak, Scharon und Nethanyahu. Immer hat sich
Israel gewehrt, nur mit der Differenz, dass heute die Israelis die bösen sind – denn noch immer wehren sie sich. Zwar gibt es den kleinen Unterschied, dass heute Israel die palästinensische Westbank besetzt hält und besiedelt. Das mag auch ich nicht, aus Gründen jüdischer Ethik und israelischer Politik, im Sinne der Prophezeiung von
Yeshayahu Leibowitz s.A. Doch es sei einmal gesagt: das hat mit palästinensischer Judenfeindschaft kaum etwas zu tun,
es würzt sie bestenfalls ein wenig. Palästinensischer Hass auf Israel braucht keinen Grund. Zwar wird die sogenannte
Nakba vorgeschoben, da die arabische Welt den Begriff  „Eigenverantwortung“ nicht kennt.

Vor einigen Tagen schrieb ich einem Freund folgende Zeilen:

"Meinungsfreiheit über alles ist grossartig, doch die gilt
auch für uns, die Angegriffenen. Wir müssen uns in der Oeffentlichkeit vermehrt Gehör verschaffen und nicht
feige verkriechen. Die Tageszeitungen scheinen Kommentare von Kritikern von Israelkritikern ungern zu veröffentlich. Lieber den bedenklich verlogenen, vor Hass strotzenden
Mist antisemitischer Ignoranten. Noch nie war der Judenhass in den antiisraelischen Kommentaren so klar und so extrem. Sie spiegeln neben Judenhass auch Ignoranz in allem was im Nahen und Mittleren Osten vorgeht, um den Islam und die Palästinenser wider. Doch inzwischen bin ich überzeugt,
dass Broder recht hat: Israelkritik ist immer Judenhass, nur anders und moderner verpackt. Traurig ist, dass die meisten Medien diesem Vorschub leisten. Dass alles hat mit Nethanyahus Politik nicht das geringste zu tun - in der Vergangenheit funktionierte Judenhass ebensoschön: bei Rabin und Oslo, bei Barak und Camp David, bei Olmert, der Abbas praktisch alles anbot - immer wurde verdreht und gelogen - so wie heute. Nicht aus Naivität, sondern aus bewusster Bösartigkeit. Uri"

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Zweimal zum selben Thema


 
Für Israel an der Bahnhofstrasse Zürich

Eine Freundin, Schweizer Israel-Aktivistin vom Scheitel bis zur Sohle, war wieder am Israel-Stand, den ich am 2. Mai 2012 in diesem Tagebuch beschrieben hatte. Da mein mässigender Einfluss auf Schweizer Judenhasser fehlte, hatte sie zum wiederholten Mal ein Aha-Erlebnis, das einmal mehr demonstriert, wie bewusst dumm und ignorant sein wollend, diese Judenhasser sind. Könnte es sein, dass Dummheit Hass erzeugt? Der Ausdruck „Scheiss-Juden“ und zahllose andere „Komplimente“ dieser Art waren schon in der Nazizeit sehr populär und haben überlebt. Ob diese Zeiten zurückkehren – diesmal mit Allahs Hilfe? Kaum, denn im Unterschied zu jenen Jahren, haben wir Juden (und dessen heute angewendetes Synonym „Israelis“) heute auch in der Schweiz Freunde, die sich für Israel stark machen und weit dies weit energischer, mutiger und undiskreter, ja vor allem „politisch unkorrekter“ tun, als viele unserer eigenen Stammesgenossen (diskrete Ausnahmen mag es geben). Hier bitte das angekündigte Briefli unserer Israelfreundin, die unbenannt bleiben will.

Hallo Uri

Wieder mal was von mir, bevor mein PC endgültig aussteigt. Heute war ich wieder am Stand in Zürich. Wie immer während der Arbeitszeit, flanieren mehr Araber und Afrikaner durch die Bahnhofstrasse, als Schweizer.
 
Zwei junge Muslime riefen uns "Scheiss-Juden" zu.

Den Vogel hat aber der junge Araber, der nach eigenen Angaben an einem Schalter der Zürcher Stadtverwaltung arbeitet, abgeschossen: Schuld an den weltweiten Ausschreitungen sind nach seiner Überzeugung natürlich die Juden. Als ich ungläubig nachgefragt habe, weil ich ausschliessen wollte, dass ich was falsch verstanden hatte, hat er nochmals ausführlich bekräftigt, dass hinter diesen Protesten die Juden steckten, die Demonstranten seien gar keine Muslime, das seien Juden, welche den Islam schlecht machen wollten. Und solche Leute arbeiten nun schon auf unseren Verwaltungen. Reiner Wahnsinn.

Liebe Grüsse, auch an Lea

 
Respekt? Mohammed aus Amerika

Aus eigener Erfahrung weiss ich wie wichtig Respekt im zwischenmenschlichen Umgang in der arabischen Gesellschaft ist. Respekt für die Alten, von dem wir uns ein Stück abschneiden könnten. Respekt für sich selbst, den sich viele junge arabische Frauen vom zukünftigen Ehemann wünschen, Respekt für ihre eigene Religion – auch wenn meist übertrieben und nur für eben die eigene - und einiges mehr.

Eine weitere Art des Respektes ist jedoch in der heutigen muslimischen Welt völlig abwesend. Der Respekt vor anderen Religionen. In Saudi Arabien gibt es keine christliche Kirchen, Bibeln (Altes und Neues Testament) darf nicht importiert werden, auch private Gottesdienste sind verboten. Aus Respekt für andere Religionen wurden in Afghanistan zwei riesige uralte Buddhastatuen zerstört. Die buddhistische Welt, vornehm und höflich wie sie ist, war verletzt, doch es gab weder blutige noch unblutige Demonstrationen.

In Pakistan und Bangladesh werden Christen verfolgt und wegen Apostasie zum Tode verurteilt. In Nigeria werden Christen verfolgt, getötet und Kirchen verbrannt. In Gaza werden Christen umgebracht, Kirchen und Bibeln zerstört. Im Iran werden religiöse Minderheiten seit 1979, der Machtübernahme durch Khomeinis Islamisten, verfolgt. In Aegypten werden Kopten zu Dutzenden gelyncht, aber kein Hahn kräht danach.

Respekt für andere Religionen ist in der islamischen Welt sind kaum zu finden. Gerade deshalb ist die unerhörte Frechheit der enorm gewalttätigen "Demonstrationen" gegen den Mohammed-Film aus Amerika Proteste unglaubwürdig, unabhängig von der Qualität dieses Films. Auch wenn nun berichtet wird, es seien jeweils nur einige wenige Tausend Demonstranten gewesen – die Tatsache, dass die betroffenen Regierungen diese nicht verurteilten und dagegen nicht wirklich etwas unternahmen, macht sie und vielleicht die Bevölkerung als Ganzes mitschuldig. Die antiamerikanischen Demonstranten und Brandstifter traten in Aktion, weil ihnen gesagt worden war, in Amerika sein ein antiislamischer Film produziert worden. Gesehen hat ihn kaum einer von ihnen. 

Unsere eigenen Werte, also die Werte einer freien Gesellschaft, sind diametral verschieden zu den Werten authoritärer, je totalitärer islamischer Gesellschaften, dass sich diese Auseinandersetzung zu einem Zusammenstoss zwischen kulturellen und menschlichen Werten entwickelt hat. Den Werten der Freiheit und Toleranz gegenüber den Werten von Ignoranz, Gewalt statt Dialog und kultureller Beschränktheit. Solange sich das nicht ändert, bleibt die Krise zwischen kultureller Aufgeschlossenheit und gegenseitiger Toleranz gegenüber mittelalterlichem Sektierertum und Hass gegenüber dem Anderen ungelöst.  

In einer kürzlichen Ausgabe der deutschen Zeitung „Die Welt“ fand ich folgenden Abschnitt, der das zusammenfasst: 

„Die islamische Welt fühlt sich entmündigt und erniedrigt: Das arabische Unglück, die arabische Frustration und die allgemeine Hoffnungslosigkeit – an allem soll Amerika, an allem soll der Westen schuld sei.“. 

Na ja. Ein Kompliment für die heutige arabische Kultur ist das nicht. Wieder die arabische Sündenbocktheorie, als Ablenkung vom allgemeinen Versagen arabischer Gesellschaft und Politik in praktisch allen Bereichen. Ideen der Selbsthilfe und des Selbsttuns werden nicht erwogen, sondern bewusst ausgeklammert. Es ist einfacher nie Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und stets Sündenböcke in griffnähe zu haben.