5.9.2008
Als Vorspeise ein kleiner Hinweis auf eine neue Vorschrift der Armeeführung an die Soldaten der Strassensperren in den besetzten Gebieten. Der Muslime wichtigster Feiertag, der einen Monat dauernde Ramadan, begann am 1. September. Während dem Ramadan dürfen die Gläubigen von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang weder essen, trinken noch rauchen. Die Soldatinnen und Soldaten der Strassensperren wurden angewiesen, bei Anwesenheit von Palästinensern aus Respekt für deren religiöse Observanz ebenfalls nicht zu essen, zu trinken und zu rauchen. Muslime sind während dieser Fastenzeit ganz besonders reizbar und die Armee will darauf Rücksicht nehmen, obwohl Nichtmuslime vom Ramadan nicht betroffen sind. Interessanterweise las ich diesen Hinweis auf der Website der palästinensischen Ma’an News Agency.
Diese Woche wurden Lea und ich von Hani und Seham Hasisi ins Restaurant „Lev HaKfar“ (Herz des Dorfes) ausgeführt. Es liegt im Touristen und Auswärtigen wenig bekannten historischen Teil von Daliat Al-Carmel (heute heisst es eigentlich zusammen mit dem eingemeindeten Ussefiya amerikanisiert „Carmel City“), einem Quartier, das mit seinen sauberen und engen Gassen romantisch wirkt. Lev HaKfar ist als Restaurant guter arabisch-drusischer Durchschnitt, seine Salate sind sehr gut, doch in Umm El-Fahm isst man allgemein besser. Aber – und das ist der grosse und einmalige Unterschied – neben dem Restaurant des Betriebes befindet sich ein gemütlicher Salon mit Polstersesseln, Sofa, den üblichen Kissen und Matratzen auf dem Boden, Tischchen und Tischen sowie unzähligen Fotos an den Wänden. Die Fotos zeigen meist den Beizer Safa und seine Frau mit den VIPs und gewöhnlichen Leuten, die sein Etablissement schon besucht haben. In diesem Salon wird Kaffee serviert, zusammen mit Gebäck und Früchten. Soweit so gut. Das wirklich Spezielle des Lev HaKfar ist die jahrlange Tradition, wöchentlich jeden Montag Gruppen israelischer Soldaten einzuladen, jedes Mal zwischen dreissig und sechzig, wie Safa sagte. Sie werden verpflegt, es wird ein fünfzehnminütiger Film über die drusische Kampfeinheit der israelischen Armee gezeigt, sie treffen lokale junge Leute und sollen sich zu Hause fühlen. Dies sei sein persönlicher Beitrag zur gemeinsamen und friedlichen, ja gar freundschaftlichen Existenz zwischen der jüdischen Mehrheit des Landes und seinen Minderheiten. Diese Einladungen sind völlig frei und die eingeladenen Soldatinnen und Soldaten seien seine Gäste. Denn die Armee sei auch seine Armee und der Staat sei auch sein Staat. Das gefürchtete Herev Batallion (Schwert-Batallion), die drusische Einheit der Armee gehöre dem ganzen Staat. Dazu möchte ich allerdings hinzufügen, dass drusische Soldaten in allen Einheit zu finden sind, als Soldaten und als Offiziere.
Solche Ansichten möchte ich auch im muslimischen Umm El-Fahm hören, werde dazu jedoch noch lange warten müssen. Zwar merken die Araber Umm El-Fahms langsam, dass sie statt jammern, besser sich selbst helfen sollten. Mein Freund Said Abu-Shakra steht ihnen fast schon aufdringlich als Beispiel täglich vor der Nase. Die Drusen haben das schon früher gemerkt und internalisiert, auch wenn ihre Kultur und ihre Tradition sich westliche „Eigenheiten“ wie Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, erst noch erarbeiten müssen. Dazu ein Beispiel, das Seham Hasisi erzählte, als ich sie fragte, ob sie gelegentlich in ein drusisches Bethaus gehe, von denen ich einige in der Altstadt gesehen hatte. Genau so wie bei uns Juden, den Muslims und Christen ist traditionelle Religion zum Stolperstein und Hindernis jeglicher Weiterentwicklung geworden. Seham antwortete, es sei ihr verboten ein Bethaus zu besuchen, denn sie lebe keinen religiösen Lebensstil. Sie müsste dazu erst den Scheich um Einwilligung bitten, der ihr als erstes den Führerschein wegnehmen würde, sie zwänge das traditionelle schwarze Kleid und den weissen Schleier der drusischen Frau zu tragen, keinen Beruf zu erlernen und bestenfalls als Putzfrau zu arbeiten. Die Sitten scheinen streng zu sein – auch in Saudi Arabien ist Frauen das Autofahren und einiges anderes verboten und wird vom Staat und seinen Sittenpolizisten durchgesetzt. In Israel kann das höchsten der Ehemann tun – ob es vorkommt, könnte ich bestenfalls raten und das will ich nicht. Doch immer wieder erlebe ich Überraschungen, wie den Patriotismus von Safa, dem drusischen Beizer. Dessen Frau noch immer ein schwarzes Kleid und weisses Kopftuch trägt. Patriotismus hat halt mit Frauenemanzipation wenig zu tun.
Freitag, 5. September 2008
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