Montag, 20. Oktober 2008

Ist das Wort “Frieden” zum reinen Gruss verkommen?

15.10.2008

Heute früh las ich in den Internet-Nachrichten folgende Überschrift: „Palästinenser an Strassensperre durch zionistische Soldaten gedemütigt; Terrorangriff verhindert“ (Palestinians humiliated at checkpoint by Zionist soldier; terror attack averted). Zwar heisst der Titel im Original YNET Artikel „Soldaten verhindern Terrorangriff“, aber Avi Isseroff benutzte in seiner Meldung ironisch den internationalen Pressestil, wie er von Journalisten aus dem Ausland so gerne angewendet wird.

Die in diesem Bericht beschriebenen neun Rohrbomben hätten Menschen verletzt und vielleicht auch getötet. Wie der Trennungszaun zwischen Israel und den besetzten Gebieten, beweist dieser Zwischenfall an einer Strassensperre, dass es halt doch eine Berechtigung für dafür gibt, auch wenn sie vielen, wie auch mir, gar nicht gefallen. In unseren gefährlichen Landen haben wir leider nicht die Wahl zwischen Sicherheit und Ästhetik oder, wenn man so will, Verantwortungslosigkeit. Vorläufig noch, bleibt Ästhetik auf Platz zwei. Liebe Gutmenschen, das tut mir wirklich leid!

Der letzte Satz führt nahtlos zu meiner nächsten Mitteilung. Nach langer Überlegung sind Lea und ich der Bewegung „Shalom Ahshav“ (Frieden jetzt) beigetreten. Wir sind weder Blauäugig noch naive Gutmenschen – wer Uris Tagebuch seit längerem liest, wird das bestätigen. Shalom Ahshav beizutreten war gelegentlich ein Thema, aber den letzten Stoss dazu gaben uns die faschistoiden Vorfälle aus Siedlerkreisen der vergangenen Wochen und Tage, über die ich mir auch schriftliche Gedanken gemacht hatte (26/27.9.2008). Kaum jemand stellt sich diesen „Superzionisten“ entgegen, schon gar nicht politische Parteien und ihre Politiker, die, statt das Land trotz den zur Zeit stattfindenden Verhandlungen zur Regierungsbildung, anständig zu regieren, sich auf individuelle Egotrips begeben und dabei das tägliche Geschäft recht- und linksextremen jüdischen und arabischen Mobs überlassen – eine Wertung vorzunehmen, wer dabei schlimmer als der andere ist, erspare ich mir nach dem mehrtägigen Jom Kippur-Aufruhr in Akko, an denen Juden und Araber sich brüderlich mit Steinen, Keulen und Zündhölzern liebkosten.

Zurück zu Shalom Ahshav. Diese Gruppe ist keine Sammlung unbedarfter Gutmenschen, wie als Beispiel Uri Avneris Gush Shalom in Israel oder als anderes Beispiel, die Jüdinnen und Juden für einen gerechten Frieden in Palästina. Zwar gibt es in vielen Ländern Freundesgruppen von Shalom Ahshav, doch das sind eben Freundesgruppen, Sympathisanten. Shalom Ahshav ist eine israelische Organisation, die in Israel lebt und agiert und bestenfalls zu Informations- und Sammelreisen ins Ausland fährt. Shalom Achshav arbeitet vor allem unter den Juden Israels, als hundertprozentig zionistische Organisation vertritt sie nicht Frieden um jeden Preis und nationalen Selbstmord, wie es pazifistische „Friedens“-Extremisten so gerne tun. Die Bewegung vertritt den klassischen humanistischen Zionismus, was leider von den Schreibern und Scheiberinnen von Schlagzeilen über unsere nationalistischen Superpatrioten viel zu wenig wahrgenommen wird. Für mich trifft zu, dass ich auf Grund meiner eigenen Erfahrungen und Aktivitäten mit arabischen Israelis und meiner Ablehnung extremistischen Gedankengutes, ich mich nur soweit für Palästinenser einsetze, wie diese ihre teilweise gerechtfertigten Anliegen friedlich vertreten. Für mich sind arabische Extremisten genau so verbrecherisch wie jüdische – ob politisch links oder rechts ist reine Semantik. Im Einheitsbrei des Terrors und seiner Opfer, auch wenn die Palästinenser in „Punkten“ führen, ist nur massgebend, ob er nicht nur verurteilt, sondern auch bekämpft wird – da führt Israel allein auf weiter Flur, die palästinensische Welt ist noch immer im Stadium des Feierns terroristischer Gewalt gefangen.

Zurück zu Shalom Achshav. Die Organisation beobachtet sehr genau und, im Unterschied zu Betzelem oder Amnesty International, berichtet verlässlich was in den besetzten Gebieten geschieht. Im Unterschied zu den eben genannten Organisationen frönt Shalom Achshav nicht dem Apologetentum und drückt sich politisch oft wunderschön unkorrekt aus. Da ich für palästinensische Aspirationen, ihrem Verhältnis zu Terror und sonstiger Gewalt gegen Juden und ihren eigenen Brüder null Verständnis habe, bin ich der oft ausgesprochenen Meinung, dass wir uns als Juden, nicht so wie unsere Gegner benehmen dürfen – solange wenigstens, wie es die Umstände zulassen. Auch die Palästinenser haben eine Geschichte und diskutable Ansprüche in unserem gemeinsamen Konflikt. Doch solange sie sich nicht von ihren „Alles oder Nichts“ Vorstellungen (eine Sicht, die leider auch unter Juden um sich greift) lösen können, gibt es keine Aussicht auf eine Lösung. Israel gilt nun mal und es ist gut so, als regionale Supermacht – wären wir’s nicht, wären wir schon lange nicht mehr da. Doch Macht verpflichtet, Judentum noch mehr und, ob es die Welt wahrnehmen will oder nicht, wir dürfen uns unter keinen Umständen das politische Benehmen und die mörderische Philosophie rechtextremer Grossisrael-Juden als Vorbild nehmen. Für uns positive Vorbilder dafür gibt es zuhauf, denken wir an Yossi Beilin, Yossi Sarid, die Omas der Machsom Watch, Yeshayahu Leibowitz, an Martin Buber, an den kürzlich verstorbenen Friedensflieger Abie Nathan, auch Shimon Peres gehört dazu und Itzchak Rabin, dem nur seine Ermordung durch einen jüdischen Faschisten, die Enttäuschungen der letzten zehn Jahre ersparten.

Zum Abschluss nochmals die Feststellung Ulrich Sahms: „Die Unfähigkeit der Palästinenser zur Selbstkritik wird sie weiter ins Unglück stürzen.“ Auch wenn in den vergangenen Monaten und Jahren israelische Friedenssucher der denkenden Variante oft nicht mehr weiter wissen, hat das vor allem mit dieser pathologischen palästinensischen Unfähigkeit zu tun.

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