Ich jammere meinen Lesern nie vor, wie unverstanden unser Staat Israel und seine Juden sind. Dieser weinerliche Stil liegt mir nicht, ich empfinde es als eine Art Exklusivitätsanspruch auf eigenes Unverstanden-, Opfersein und Leiden. Ob das stimmt oder nicht hat damit nichts zu tun, sondern mit Selbstbewusstsein. Es gibt den herrlichen, meist im Brustton der Überzeugung vorgebrachten schweizerischen Spruch: „Ich nöd, diä au!“, was für jene im grossen Kanton übersetzt heisst: „Aber ich tue doch so etwas nicht, die anderen tun es ja auch!“ Ich habe von Rolf Stern eine visuelle Präsentation von fast zwanzig Zäunen und Mauern in ebensoviel Ländern dieser Welt erhalten, Länder, die überzeugt sind, einen nicht weniger guten Grund dafür besitzen. In Grösse, Länge und Aufwand nimmt sich unser lebensrettender Sicherheitszaun um die zurzeit von Israel besetzte Westbank (wer steht als nächster Besetzer an?), wie ein Zäunchen und (wo die 5% angebracht sind) wie ein Mäuerchen aus, das sich im Vergleich mit anderen Anlagen dieser Art, seiner Bescheidenheit fast schon schämen muss.
In den vergangenen Wochen wird in den Medien vermehrt der Status der Juden im vorgesehenen, momentan allerdings eher erträumten, Staat der Palästinenser diskutiert. Es soll Siedler geben, die sich bereit erklärt haben auch unter palästinensischer Herrschaft in der Westbank zu leben. Nur, wir scheinen zurzeit eine Wiederholung eines alten klassischen Phänomens palästinensischer Glaubwürdigkeit zu haben, einem Phänomen dessen führender Exponent Yasser Arafat war. Er sprach in Englisch für die westliche und in Arabisch für die arabische Welt. Stets über dasselbe Thema und in jeder der zwei Sprachen stets das Gegenteil des in der anderen gesagten. Das ist alles dokumentiert, das arabische vor allem durch die Arbeit von MEMRI, das solche Äusserungen verschiedenster Herkunft ins westliche Sprachen übersetzt und damit sehr oft als Augenöffner für jene gilt, die jede Aussage aus palästinensischem Mund ohne zu Hinterfragen als bare Münze nehmen. Israelische Regierungen sind auch darauf schon hereingefallen – man denke an die unzähligen „Friedens“-Verhandlungen (Highlights sind u.a. Oslo, der Abzug aus Gaza und die im Stottertakt fortlaufenden Verhandlungen der Gegenwart), in den Israel beinahe mit Selbstaufgabe Angebote machte, die meist in Gewalttätigkeiten endeten, die Kombination Oslo und Intifada 2 ist das eindrücklichste Muster dieser Art Verhandlungen. Ich erinnere mich an die Szene an meinem Geburtstag, dem 13. September 1993, im Garten des Weissen Hauses in Washington D.C., wie die Welt zusah, als sich Rabin überwinden musste, seine Hand Arafat zu reichen – er hatte offensichtlich schon dann ein schlechtes Gefühl betreffend Onkel Yassers Glaubwürdigkeit.
Heute stehen Präsident Abbas und sein Premierminister Salam Fayyad unter der Lupe der Zweifler. Am 4. Juli sprach der Letztere im schönen amerikanischen Ferienort Aspen, Colorado. In der dortigen Lokalzeitung „Aspen Daily News“ wird berichtet, dass der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey sagte, in Israel lebten ein Million Araber, ein Sechstel der gesamten Bevölkerung [was nicht stimmt, es sind 20%, was aber in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Uri]. Diese Minderheit geniesse, wie alle israelischen Bürger, jene Rechte, die von allen Amerikanern in ihrer eigenen „Bill of Rights“ den amerikanischen Grundrechten gefunden werden – was im grossen Ganzen stimmt. Dann, fuhr Woolsey fort, falls Palästina als Rechtsstaat entstehen sollte und Juden dort leben wollten – aus historischen und anderen Gründen – warum sollten sie nicht genau so behandelt werden, wie die Araber Israels? Dann könnten sie ihre eigene Vertretung in der Legislative wählen, hätten Freiheit von Religionszwang, besässen Rede- und Meinungsfreiheit und wären vor allem vor nächtlichen Überfällen und Morden in ihren Häusern sicher.
Salam Fayyad fühlte sich bemüssigt zu antworten: „Ich teile ihre Meinung [in Englisch hiess es: „I’m not going to disagree with you“, was eher „ich möchte mir ihnen nicht streiten“ heisst]. Und ich bin nicht jemand, der sagt sie (die Juden) würden oder sollten anders als israelische Araber behandelt werden. Tatsache ist, dass die Art des Staates, den wir anstreben wird bestimmte Prinzipien, wie ein hohes Niveau von Toleranz, Koexistenz, gegenseitigen Respekt und Achtung für alle Kulturen und Religionen enthalten. Es wird keinerlei Diskriminierung auf jeglicher gesetzlicher Grundlage geben. Juden, die vorziehen im Staat Palästina zu bleiben und zu leben, werden die diese Rechte geniessen, bestimmt nicht weniger Rechte, als die israelischen Araber im Staat Israel besitzen.“ (von mir übersetzte. Uri) Reporter Gardner-Smith berichtete, das Publikum habe zu dieser Aussage enthusiastisch applaudiert.
Etwas anderes darf Fayyad vor dem Publikum eines demokratischen westlichen Staates gar nicht sagen. Denn dort wird gesagt, was gerne gehört wird. Doch was in der Westbank und in der ganzen arabischen Welt auf Arabisch gesagt wird, lassen solche Versprechungen gar nicht zu. Gnadenlos wird in Palästinas Schulen Judenhass gepredigt und professionell mittels geeigneter Literatur und perverser Ideologie gelehrt. Interner Terror durch „Befreiungskriminelle“ und die traditionelle Furcht individuelle Initiative zu übernehme, die den Obrigkeit(en) aufstossen könnte, Eigenschaften, die mir verschiedentlich von fortschrittlich, selbstständig denkenden und agierenden israelischen Arabern erklärt wurden. Es gibt sie, Palästinenser, welche die Wirklichkeit wahrnehmen und guten Willens sind, aber sie sind weitgehend einflusslos und eingeschüchtert oder sie leben im Westen.
Als ob mit obigem abgestimmt, erhielt ich soeben von Rolf Stern (!) folgende News, die ich wortwörtlich wiedergebe. Es unterstreicht die wirkliche „Friedensbereitschaft“ der palästinensischen Gesellschaft als Ganzes, die sogar zum Boykott von Künstlern aufruft, die ihren Ruf, ihre Karriere und vielleicht ihr Leben für ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern einsetzten:
Meldung vom Dienstag, 14. Juli 2009 / 21:19 h
Barenboim und Cohen sagen Konzerte in Ramallah ab
Ramallah - Nach Boykottaufrufen palästinensischer Gruppierungen haben die weltbekannten Musiker Daniel Barenboim und Leonard Cohen geplante Konzerte in Ramallah im palästinensischen Westjordanland abgesagt.
Barenboim hatte die israelische Blockade des Palästinensergebiets kritisiert.
smw/sda - Der israelisch-argentinische Pianist Barenboim werde am Freitag bei einem Auftritt junger palästinensischer Künstler, die eine arabische Oper aufführen, nicht dirigieren, hiess es nach palästinensischen Angaben.
Der Auftritt Barenboims in Ramallah hatte heftige Debatten unter Palästinensern ausgelöst, die über Äusserungen des Musikers zur israelischen Militäroffensive im Gazastreifen zur Jahreswende erbost sind.
Barenboim hatte die israelische Blockade des Palästinensergebiets kritisiert. Er hatte jedoch betont, Israel habe das Recht, seine Bevölkerung gegen Raketen-Angriffe militanter Palästinenser zu schützen, aber nicht mit Gewalt.
Auch dem kanadischen Sänger Leonard Cohen hatten die Boykottgruppen zu verstehen gegeben, er sei in Ramallah nicht willkommen, solange er auch in Israel auftritt. Ein Konzert in Tel Aviv ist für den 24. September angesetzt, Cohen wollte es nicht absagen.
Ich habe diese Mitteilung durch andere Quellen bestätigt gesehen. Daniel Barenboim, dessen „West-Eastern Divan Orchestra“ ich in meinem letzten Tagebucheintrag erwähnte, muss wohl seinen blauäugigen Idealismus revidieren und auf den Boden palästinensischer Realität des Hasses um jeden Preis zurückkehren. Unter keinen Umständen darf jedoch Barenboim irgendein Vorwurf gemacht werden – was er tut zeugt von tiefer Menschlichkeit und einer Abscheu vor politischen Reflexen. Ob politisch opportun oder nicht, steht erstens nicht zur Diskussion und ist zweitens völlig belanglos, wenn nicht sogar deplatziert. Die palästinensische Reaktion ist ein Schlag gegen ihre eigenen, aber auch die israelischen Jugendlichen, die Barenboims Initiative und Arbeit mittragen und denen mit diesem erneuten Zeugnis arabischen Hasses der Boden unter den Füssen weggezogen wird. Interessant ist festzustellen, dass Barenboim heute von beiden Seiten abgelehnt wird: von den Palästinensern, weil er es wagt, trotz seiner Sympathie für eben die Palästinenser, Israel nicht blind zu kritisieren und von einigen Israelis (die sich bisher leider durchgesetzt haben), weil es wagt, Richard Wagners Musik in Israel zu spielen.
Mittwoch, 15. Juli 2009
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