Es sei denn Gartenzwerg Ahmedinejad versucht tatsächlich eine Atombombe auf Israel zu werfen – bei der, daran denken auch die dämlichsten „Israelkritiker“ nicht, weit mehr Araber als Juden das Leben lassen würden, wird Israel mit seinen arabischen, muslimischen und gutmenschlichen Feinden fertig werden. Auch wenn es gelegentliche Fehlleistungen wie den Zweiten Libanonkrieg oder die Marmara-Affäre gegeben hat, haben unsere Möchtegern-Vernichter stets eine Bauchlandung erlitten – auch wenn, das dürfen wir nicht vergessen – militärische Siege keinen Frieden gebracht haben. Doch das ist ein Thema für einen anderen Tagebucheintrag.
Um was es mir hier geht ist die sich täglich immer intensiver darstellende Zweiteilung der israelischen Bevölkerung in einen rückwärtsgewandten, von Xenophobia reaktionärer Religion zerfressenen Minderheit und einer fortschrittlichen, produktiven humanistischen Mehrheit. Einer Mehrheit, der es an Mut und Energie mangelt, für sich selbst und ein modernes, menschenfreundliches und wirtschaftlich erfolgreiches Israel aktiv einzustehen, obwohl sie es waren, die den heutigen Staat der Juden aufgebaut und verteidigt haben.
Ich habe heute mehr als früher das Gefühl eines déja-vu, als wäre ich noch in der Schweiz, mit ihrem Fremdenhass, mit ihrer wirtschaftlichen Ausbeutung fremder Arbeitskräfte, die sie rief und nicht mehr los wurde. Das war damals, meines Wissens hat sich nicht viel verändert. Oder gar die „das Boot ist voll“ Politik der Schweizer, die Unmengen von Juden das Leben kostete.
Israel befindet sich seit seiner Gründung in 1948 in einem Dauerkrieg, meist, aber nicht immer, einem Krieg „light“. Seine Nachbarn, nahe und weniger nahe, wie Darfur (Sudan), Irak, Jemen, Libanon und weitere bringen einander um, zu Hunderttausenden, in Zahlen die niemand zur Kenntnis nimmt und niemanden interessieren. Israel rettet Tausende von Flüchtlingen aus dem Sudan und Eritrea, sie hat Hunderttausende von Fremdarbeitern aus der ganzen Welt importiert, als Krankenpfleger, Arbeiter im Bau und in der Landwirtschaft. Flüchtlinge werden integriert, ausländische Arbeitskräfte mit ihren in Israel gegründeten Familien, die sich in vollem Gegensatz zu einigen Arten jüdischer Israelis, integrieren wollen und können, werden von Deportation bedroht.
Mit Wehmut denke ich an Tommy Lapid und seine lautstarken Mitstreiter, die vor wenigen Jahren mit fünfzehn Sitzen in die Knesset einzogen und mit viel gutem Willen versuchten als Regierungsmitglieder etwas politischen Anstand in die Gesellschaft zubringen. Bei den folgenden Wahlen wurden sie komplett abgewählt, aus Gründen die ich bis heute nicht verstehe. Tommy Lapid als Justizminister und besonders sein Parteikollege Abraham Porat sagte als Innenminister folgendes: „Ich bin nicht bereit Rabbiner entscheiden zu lassen, wer Israeli ist und wer nicht. Mein Ansatz ist universell und humanistisch. Er passt nicht nur für Juden. Meine ultra-orthodoxen Vorgänger, die Innenminister von der Shaspartei, haben nicht eine Minute daran gedacht, den Gastarbeiterkindern irgendeinen Status zu geben. Nicht einmal Soldaten, die aus ihrer Sicht Nichtjuden waren, wollten sie die Staatsbürgerschaft zuerkennen. Diese Soldaten waren gut genug, hier zu sterben, aber nicht Israelis zu werden.“ Heute ist seine Besorgnis um die unhumanen Behandlung von Gastarbeitkindern in Israel zu einem handfesten Skandal geworden, der den abgrundtiefen Rassismus des heutigen Innenministers Eli Ishai und vieler Entscheidungsträger seines Ministeriums mit grossem Nachdruck in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Hier geborene Kinder nichtjüdischer Gastarbeiter sollen gnadenlos ausgewiesen werden. Zwar sprechen diese Kinder vor allem Hebräisch, gehen hier zur Schule, sind integriert und haben keine emotionelle Verbindungen zu den Heimatländern ihrer Eltern – aber, so Eli Ishai vor der Knesset und in den Medien: „sie sind keine Juden“. Ishai vertritt seine unmenschliche Einstellung mit Begründungen wie: „Diese Kinder gefährden die israelische Identität Israels“, bilden eine demographische Bedrohung und verstärken die Gefahren der Assimilation“ sind ideologische Begründungen Ishais. Völlig rassistisch ist sein Argument, ausländische Gastarbeiter brächten fürchterliche Krankheiten mit sich, die den Rest des Landes anstecken würden. Niemand ist bisher auf den Gedanken gekommen, die nordafrikanischen jüdischen Einwanderer der fünfziger Jahre, deren Nachfahre Ishai ist, damit zu vergleichen, denn sie wurden aus denselben Gründen bei ihrer Ankunft erst einmal mit DTT abgespritzt – ein Tatsache, die diese Einwanderer und ihre Nachkommen der damaligen Mapairegierung unter Ben Gurion nie vergeben haben, obwohl aschkenasische Einwanderer aus Europa der selben Prozedur unterzogen wurden, diese aber gleich wieder vergassen. Max Frisch sagte: „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.“ Ich weiss nicht, wie weit heute die Schweiz diesen Gedanken beherzigen – man schimpft ja heute über Arbeitskräfte aus Deutschland – aber Israel darf sich nicht hinter der unglaubwürdigen Sorge eines unglaubwürdigen ultra-orthodoxen Politikers verschanzen, es muss Stellung beziehen und den vor ihr beanspruchten Status als alleiniger demokratischer Staat dieser Region beweisen, statt ihn mit rassistischer Politik in den Schmutz ziehen.
Gestern sprach Staatspräsident Shimon Peres an einem Kongress der Jugendorganisation „Lead“ zu diesem Thema. Er lehnt die Deportation auch der nun auf etwa 400 Kinder reduzierten Zahl (noch immer 400 zu viel) ab und rief die Regierung auf, diese zu verhindern. Ich schrieb vor etwa drei Wochen einen Brief an Itzchak „Wuschi“ Herzog der Arbeitspartei und Fürsorgeminister, den ich durch meine Tätigkeit in der arabischen Galerie Umm El-Fahms kennengelernt habe, einen Brief, den er prompt beantwortete. Ich hatte mich über seine Stimmenthaltung bei der Regierungsabstimmung über dieses Thema geärgert und liess ihn das wissen. Unter anderem schrieb er, er sei überzeugt, dass auch die letzten 400 Kinder am Ende nicht ausgewiesen würden. Es ging darum, als Lösung des „Problems“ nur noch 400 der total 1200 Kinder auszuweisen. Wäre dieses Gesetz, das Wuschi ablehnt, abgelehnt worden, hätte Ishai und seine Mannen, mangels anderer Gesetze, am nächsten Tag sämtliche 1200 Kinder deportieren können – eine Erklärung, die mir einleuchtete. Herzig schrieb mir, er musste sich seiner Stimme enthalten, denn für die Vorlage zu stimmen, dazu konnte er sich nicht bringen. Hoffentlich hat er recht.
Die an diesem schlimmen Beispiel gezeigte Gehrichtung Israels zur rassistischen und okkulten Politik der Gottesgläubigen oder was diese dafür halten, muss aufgehalten werden. Viele anständige Bürger des Landes haben sich bereit erklärt durch Deportation gefährdete Kinder bei sich aufzunehmen und zu schützen. Man stelle sich vor, wie Ishais Schergen 400 Kinder aus den Armen ihrer sie schützenden Israelis zerren würden, gefilmt und fotografiert von der Weltpresse.
Andere ultra-orthodoxe Bedrohungen des Staates sind leicht auszumachen. Etwas das drohende Gesetz, die Lösung der Frage, wer Jude sei, völlig den herrschenden Rabbinern zu überlassen. Oder etwa, die Weigerung Israels zivile Gesetze anzuerkennen, wie etwa im Zusammenhang mit der rassistischen Schulpolitik aschkenasisch-haredischer Kreise, die offen und ohne Scham jüdische Schülerinnen sephardischer Herkunft diskriminieren. Wobei sie, perverserweise, noch Unterstützung gottesgläubigen sephardischen Kreisen erhalten.
Nicht nur aus „modern-orthodoxen“ Siedlerkreisen, sondern ebenso aus haredischen Kreisen, wird der israelischen Gerichtsbarkeit das Existenzrecht aberkannt – nur das Recht der Thora gelte.
Ich wiederhole mich hier, doch in einigen Jahrzehnten werden Haredim beider Arten, vor allem Aschkenasen und aber auch Sepharden andere Gruppen israelischer Bürger, auch die arabischen, ausgeboren haben. Wenn sie sich bis dann nicht integriert haben und moderne israelische Gesetze anerkennen, wird es einen kurzlebigen jüdischen Gottesstaat à la Iran (nur eben „jüdisch“) geben, dessen Bürger unfähig sein werden, sich zu verteidigen und wirtschaftlich zu überleben. Die heutige Mehrheit produktiver Israelis wird das Land fluchtartig verlassen haben. Denn dann wäre eingetreten, vor dem ich seit langem warne: "Wir wollen nicht eines Tages aufwachen und einen Staat Israel vorfinden, für den sich einzusetzen, es sich nicht mehr lohnt“.
Wie gesagt, mit Bürgern wie Eli Ishai und seiner Art braucht Israel keine äusseren Feinde.
Samstag, 28. August 2010
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