Franklin D. Roosevelt sagte einmal: “Beurteilt mich nach den Feinden, die ich mache“ (Judge me by the enemies I make). Dann sagte er auch: „Radikaler = Ein Mensch, der mit beiden Beinen fest in der Luft steht.“. Beide Zitate finde ich umwerfend und haben mit den heutigen politischen Zuständen zu tun. Bestimmt überall, aber ganz besonders dort, wo es um politische Konstellationen und Korrektheit geht.
Beurteilt mich nach den Feinden, die ich mache
US-Präsident Roosevelts Feinde war die japanische Kriegsmaschinerie, die, weil sie die USA angriff und so den Zweiten Weltkrieg gegen Nazis und Faschisten auch in den Pazifik zog. Roosevelt musste sein Land überreden auch gegen Nazideutschland in den Krieg zu ziehen, was auch diese zu seinen Feinden machte und den Ausschlag zum Sieg gegen den deutschen Barbarismus bewirkte. Auch wenn wir uns seit langem klar sind, dass weder Roosevelt noch der Rest der Alliierten ihren Krieg gegen Hitler für die Juden geführt haben, als Nebenresultat ihres Sieges wurde Hitlers Vernichtungsfeldzug gegen uns abgebrochen, wenn auch sechs Millionen tote Juden zu spät. Also sagen wir, Roosevelts Feind war die weltweite faschistische Barbarei. Dafür gebührt ihm Ehre. Fast so sehr wie Winston Churchill. Vergessen wir nicht, dass vor allem die Vertreter des amerikanischen Kapitalismus, die an ihrem Handel mit Deutschland verdienten und andere antisemitische Nazisympathisanten des Landes sich gegen die amerikanische Teilnahme in diesem Krieg aussprachen.
Heute kann jeder zionistische Jude dasselbe sagen: “Beurteilt mich nach den Feinden, die ich mache“. Wer sind sie denn, diese Feinde? Die arabische Welt, der Islamismus, die hysterischen „israelkritischen“ Grünen und Linken, die ihrem „Terrorverständnis“, wie es Broder so schön erklärt hat, Ethik und Moral auf den Kopf stellen. Für diese Israelkritiker sind Terrorangriffe auf Kindergärten, Schulen, Spitäler, Hotels und Einkaufszentren reine Selbstverteidigungsmassnahmen, während israelische Selbstverteidigung gegen Raketen der Hamas und Hisbollah brutale Angriffe auf unschuldige Terroristen sind. Alles von terroristischer Seite kommende wird verstanden und ideologisch unterstützt. Tote Werte wie Kolonialismus werden bemüht, arabischer Sklavenhandel und islamistischer Massenmord als kulturelle Werte dargestellt, die, wer weiss, vielleicht von der Unesco geschützt werden sollten. Also, bitte, dass sind unsere Feinde, die nebenbei auch noch den Holocaust leugnen. Auch wenn wir einen Liebermann und einen Nethanyahu besitzen und beide zurzeit nicht loswerden können, wird politischen Aussagen unseres Liebermann, so dumm, rücksichtslos und rassistisch sie auch sind, oder Nethanyahus schlaue Politik der Friedensverweigerung unvergleichlich weit mehr Platz im öffentlichen internationalen Bewusstsein verschafft, als Massenmorde in Darfur, wie Steinigen, Hängen, Erschiessen in Iran, wie die totale Unterdrückung der Frau in Afghanistan. Also, bitte, solche Feinde zu haben bringt Ehre, denn das bringt trotz Liebermann und Nethanyahu, etwas Ordnung in die Perversion menschlicher Werte.
Radikaler = Ein Mensch, der mit beiden Beinen fest in der Luft steht
Dieses Zitat beschreibt unsere Feinde und ihre Sympathisanten aufs Genaueste. Vor allem die Sympathisanten. Man lasse sich diese Aussage auf der Zunge zergehen: „Ein Radikaler ist ein Mensch, der mit beiden Beinen fest in der Luft steht“. Ganz besonders gefällt mir das „fest“. Der Radikale schwebt ohne es zu merken. Er hat den Bodenkontakt verloren und da er das nicht merkt, kann er (der Radikale unserer Tage) seine Phantasien frei von störenden Fakten, voll von ideologischem Unsinn und vor allem voll von eigenen und fremden Vorurteilen walten lassen. Ich denke diese Beschreibung gilt für Radikale aller ideologischer Schattierungen und aller Themen, die uns beschäftigen. Nur eben Radikale = Gutmenschen = nützliche Idioten, die sich mit Dingen existenzieller Natur abgeben, können Leben kosten, wie bei uns im sandigen Nahen Osten. Sie werden nicht einmal merken, dass die politischen Vorgänge in der arabischen Welt der vergangenen Wochen, rein gar nichts mit Israel, Zionismus und Juden zu tun haben, obwohl Versuche diese mit der ägyptischen Revolution zu verbinden in den Medien zu finden sind. Das ist nicht einmal neu: was haben der Krieg im Irak oder Afghanistan, die Menschenschlächtereien in Darfur, die Demonstrationen in Bahrain und Jemen, ja die antiisraelischen Hassgesänge aus dem Iran und der Hisbollah – all das wird von diesen Radikalen ignoriert oder vielleicht bösartig bewusst übersehen.
Arabische Revolution
Nur ein paar Worte über die arabischen Revolutionen dieser Tage. In Ägypten gingen die Demonstrationen relativ gewaltlos über die Bühne. Doch schon heute wurde die Ansprache des Muslimbruders und Hamas Aktivisten Yusuf al-Qaradawi, einem waschechten und brandgefährlichen Radikalen und wichtigstem Mann dieser üblen Vereinigung, vom Tahrirplatz in Kairo live übertragen. Alarmierend, wie er versuchte die Armee zu preisen und zu besänftigen. Er bereitet die Übernahme der Macht durch die Muslimbrüder vor und plant Ägypten in einen revolutionären antiamerikanischen islamistischen Staat sunnitischer Art zu verwandeln. Seine Chancen stehen bestimmt nicht schlecht. Er lobte den Vorsitzenden des Komitees zur Erstellung der neuen ägyptischen Verfassung – wenn diese ihm gefallen sollte, ist das ein sehr schlechtes Zeichen für die nahe Zukunft. Wieder einmal könnte Israel die Zeche innerarabischer Politik zu bezahlen haben. Einer von Qaradawis Hauptaussagen war, dass er einer ähnlichen Demonstration in Jerusalem entgegensehe. Eine Weitere ist die Aufforderung die ägyptische Grenze zu Gaza voll zu öffnen, was eine Allianz mit Hamas und unlimitierte Waffenlieferungen an diese bedeuten würde. Bis zu den ägyptischen Wahlen im Herbst wird die Armee darauf achten, dass solches nicht passiert. Was aber wird nach den Wahlen geschehen?
Zusammenfassend gesehen werden die sogenannt weichen arabischen Diktatoren, wie am Beispiel Mubarak vorexerziert, von den USA und Europa fallen gelassen. Bahrain, Jemen scheinen die nächsten Opfer dieser Politik zu werden, die, falls die jeweiligen Armee sich nicht einmischt, den Nahen Osten zu einem noch vermehrt stinkenden Sumpf religiösen Hasses, Rassismus und unbegrenzter Gewalt machen wird. Sollte der in Israel wachsende Rechtsextremismus liebermannscher, ultraorthodoxer und siedlerischer Art nicht unter Kontrolle gebracht werden, wird sogar unser Staat Israel nicht mehr beanspruchen können, das einzige Licht der Vernunft in der uns umgebenden Finsternis islamistischer Barbarei zu sein.
Sollte ich mich geirrt haben, wird sich niemand so sehr freuen, wie ich selbst.
Freitag, 18. Februar 2011
Donnerstag, 17. Februar 2011
Politischer Islam und ein Blick in Vergangenheit und Zukunft
Seit Arabien das Revolutionieren entdeckt hat überbieten sich westliche Regierungen in vorauseilendem Gehorsam und westliche Medien sind zu ebenso gehorsamen Apologeten des politischen Islams – dem fundamentalistischen Islam, der die Welt bedroht – mutiert. Allen voran die Schweiz, die Mubaraks Schweizer Bankkonten (falls es solche gibt) sperren lässt, obwohl sie mit dem gestürzten Diktator bis anhin gute Geschäfte gemacht hatte. Doch „la vache qui rit“ und ihre Bundesräte gaben der Welt eine Lektion in Realpolitik, von der vielleicht auch Kissinger noch etwas lernen könnte. Man stelle sich vor, ähnliches wie die ägyptische Revolution würde in Iran passieren, das im Unterschied zu Ägyptens autoritärem Regierungsstil, einer totalitären islamistischen Diktatur frönt, am besten vergleichbar, wenigstens im islamischen Bereich, mit dem Reich der Hisbollah und der Hamas, letztere ein Ableger der ägyptischen Muslimbrüder, die nun von westlichen Sympathisanten in den Medien hochgejubelt werden. Dabei wird vergessen, dass diese Moslembrüder, die Ende der Zwanzigerjahre im vergangenen Jahrhundert von Beginn an ihren Judenhass am Nationalsozialismus ausgerichtet hatten und diesem bis heute anhängen, allerdings diese erst in Gaza durch ihre Hamasjünger praktisch anwenden können, denn dort haben sie Macht. Juden werden von dort mit Raketen traktiert, Christen mit Mord- und Brandanschlägen, wie auch Bücherverbrennungen (eine andere nazistische Tradition) und das gemeine Volk wird mittels Religions- und Sittenpolizei, Denunzianten terrorisiert. Inzwischen, so wissen wirkliche Fachleute, ist die Führungsriege der Hamas nicht weniger korrupt wie ihre Vorgänger der Fatah. Allerdings wird immer wieder bemerkt, dass Hamas doch durch die freiesten demokratische Wahlen der arabischen Welt (Chimelli, TA 12.2.2011) an die Macht gekommen ist – was stimmt. Unerwähnt bleibt, dass jeder Wähler Gazas eine Stimme hatte, einmal abstimmen durfte und das war’s. Solange Hamas an der Macht bleibt, wird es solche Wahlen nicht wieder geben. Nach diesen demokratischen Wahlen brachte Hamas die Mitglieder der Fatahopposition schlicht um, stürzte sie von Hochhäusern und errichtete einen kleinen aber feinen islamofaschistischen Einparteienstaat, von Islamisten der Welt beneidet und von westlichen Gutmenschen (ich habe diesen Ausdruck schon lange nicht mehr benutzt, als Alternative dazu schlage ich „nützliche Idioten“ vor) bewundert. All das wird von Journalisten wie Claudia Kühner und Rudolph Chimelli in der Ausgabe des Tages-Anzeigers vom 12. Februar 2011 unterschlagen.
Mubarak war, wie alle arabischen Herrscher, ein Diktator, der sich auf Kosten seines Volkes privat bereichert haben soll – etwas, das erst nach seinem Fall zum Thema wurde. Er war ein Freund der internationalen Gemeinschaft aller Politiker, die ihn allerdings wie eine heisse Kartoffel fallen liessen, als es ihm an den Kragen ging. Garantiert ein Schock für die Herren Assad, Ghaddafi, König Abdullah von Saudiarabien und dem kleinen und wirklich sympathischen König Abdullah von Jordanien, um einige zu nennen. Genau gesehen führte Mubarak nur die politische Tradition der ägyptischen Diktatoren Nasser und Sadat fort. Nasser war weit brutaler und rücksichtsloser – aber sein Volk liebte ihn, obwohl er es nicht weniger an der Nase führte und und mit seinem „Sozialismus“ in den Ruin trieb. Auch soll er nicht korrupt gewesen sein, was er mit Adolf Hitler, Stalin, Mao Tse Dong, Pol Pot - um einige Namen ehrlicher Massenmörder zu nennen – gemeinsam hatte.
Der Staat Israel besitzt ein mustergültiges Gesundheitssystem westlicher Art, das Teil des israelischen Wohlfahrtssystems ist, wie Pensionskassen, Arbeitslosenversicherung und was sonst noch dazu gehört. Nun schreibt auch der oben erwähnte Rudolph Chimelli in seinem Artikel „Schluss mit der Heuchelei“ in seinem oben erwähnten Tagiartikel unter anderem wortwörtlich über den politischen Islam, womit er die Muslimbrüder meint: „Obwohl sie verboten waren, haben die Muslimbrüder ihr Netzwerk von Ambulatorien, Kindergärten, Sozialhelfern über das ganze Land ausgebreitet. Im Gegensatz zu den Funktionären des Regimes stehen die Brüder nicht im Ruf, zu stehlen. …“. Das war und ist in vielen Ländern so, in denen totalitäre Ideologien mit solchen sozialen Angeboten auf Menschenfang gehen, weil die Bevölkerung von ihrer korrupten Regierung vernachlässigt wird. Oder gar, wie in Nazi-Deutschland, soziale Dienstleistungen als Teil der totalitären Ideologie dem Volk angeboten wird, wenn auch nur für Arier.
Wie viele denke ich, dass das ägyptische Volk erst einen kleinen Teil der Demokratie entdeckt und benutzt hat: den der freien Meinungsäusserung und den freie Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Von anderen Teilen demokratischen Lebens ist noch nicht die Rede: sei es Rechtsgleichheit für Frauen und Minderheiten, Gewaltentrennung der Legislative, Exekutive und Judikative, Religionsfreiheit (für und von), um nur einige zu nennen. Ich hoffe das ägyptische Volk wird den Weg dazu finden, auch wenn Grundbedingungen wie der gegenwärtige Analphabetismus und steinzeitliche religiöse und kulturelle Zwänge diesen Weg lang und schwierig machen.
Zum Schluss noch einige historische Beispiele zum Thema Demokratie in islamischen Ländern:
• Erinnert euch an die iranische Revolution, als viele verschiedene Menschen in die Strassen strömten und Freiheit verlangten? Mahmud Ahmadinejad ist jetzt Präsident.
• Erinnert euch an den Beiruter Frühling, als Menschen in die Strassen strömten und Freiheit verlangten? Heute regiert Hisbollah den Libanon.
• Oder nochmals: Erinnert euch and die freien Wahlen der Palästinenser? Hamas tyrannisiert heute Gaza.
• Erinnert euch an den Wunsch für Demokratie in Algerien? Hunderttausende wurden im folgenden Bürgerkrieg ermordet.
In Ägypten und auch in Tunesien muss es nicht so werden. Aber diese Beispiele beängstigen. Die Binsenwahrheit, dass Demokratie sich mit Religion - ganz besonders mit fundamentalistischen Varianten - sich nicht verträgt, wurd durch die moderne Geschichte eindeutig bewiesen. Die Kombination Demokratie und Religion ist ein klassisches Oxymoron und gilt für Christentum, Judentum und heute besonders aktuell, für den Islam.
Mubarak war, wie alle arabischen Herrscher, ein Diktator, der sich auf Kosten seines Volkes privat bereichert haben soll – etwas, das erst nach seinem Fall zum Thema wurde. Er war ein Freund der internationalen Gemeinschaft aller Politiker, die ihn allerdings wie eine heisse Kartoffel fallen liessen, als es ihm an den Kragen ging. Garantiert ein Schock für die Herren Assad, Ghaddafi, König Abdullah von Saudiarabien und dem kleinen und wirklich sympathischen König Abdullah von Jordanien, um einige zu nennen. Genau gesehen führte Mubarak nur die politische Tradition der ägyptischen Diktatoren Nasser und Sadat fort. Nasser war weit brutaler und rücksichtsloser – aber sein Volk liebte ihn, obwohl er es nicht weniger an der Nase führte und und mit seinem „Sozialismus“ in den Ruin trieb. Auch soll er nicht korrupt gewesen sein, was er mit Adolf Hitler, Stalin, Mao Tse Dong, Pol Pot - um einige Namen ehrlicher Massenmörder zu nennen – gemeinsam hatte.
Der Staat Israel besitzt ein mustergültiges Gesundheitssystem westlicher Art, das Teil des israelischen Wohlfahrtssystems ist, wie Pensionskassen, Arbeitslosenversicherung und was sonst noch dazu gehört. Nun schreibt auch der oben erwähnte Rudolph Chimelli in seinem Artikel „Schluss mit der Heuchelei“ in seinem oben erwähnten Tagiartikel unter anderem wortwörtlich über den politischen Islam, womit er die Muslimbrüder meint: „Obwohl sie verboten waren, haben die Muslimbrüder ihr Netzwerk von Ambulatorien, Kindergärten, Sozialhelfern über das ganze Land ausgebreitet. Im Gegensatz zu den Funktionären des Regimes stehen die Brüder nicht im Ruf, zu stehlen. …“. Das war und ist in vielen Ländern so, in denen totalitäre Ideologien mit solchen sozialen Angeboten auf Menschenfang gehen, weil die Bevölkerung von ihrer korrupten Regierung vernachlässigt wird. Oder gar, wie in Nazi-Deutschland, soziale Dienstleistungen als Teil der totalitären Ideologie dem Volk angeboten wird, wenn auch nur für Arier.
Wie viele denke ich, dass das ägyptische Volk erst einen kleinen Teil der Demokratie entdeckt und benutzt hat: den der freien Meinungsäusserung und den freie Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Von anderen Teilen demokratischen Lebens ist noch nicht die Rede: sei es Rechtsgleichheit für Frauen und Minderheiten, Gewaltentrennung der Legislative, Exekutive und Judikative, Religionsfreiheit (für und von), um nur einige zu nennen. Ich hoffe das ägyptische Volk wird den Weg dazu finden, auch wenn Grundbedingungen wie der gegenwärtige Analphabetismus und steinzeitliche religiöse und kulturelle Zwänge diesen Weg lang und schwierig machen.
Zum Schluss noch einige historische Beispiele zum Thema Demokratie in islamischen Ländern:
• Erinnert euch an die iranische Revolution, als viele verschiedene Menschen in die Strassen strömten und Freiheit verlangten? Mahmud Ahmadinejad ist jetzt Präsident.
• Erinnert euch an den Beiruter Frühling, als Menschen in die Strassen strömten und Freiheit verlangten? Heute regiert Hisbollah den Libanon.
• Oder nochmals: Erinnert euch and die freien Wahlen der Palästinenser? Hamas tyrannisiert heute Gaza.
• Erinnert euch an den Wunsch für Demokratie in Algerien? Hunderttausende wurden im folgenden Bürgerkrieg ermordet.
In Ägypten und auch in Tunesien muss es nicht so werden. Aber diese Beispiele beängstigen. Die Binsenwahrheit, dass Demokratie sich mit Religion - ganz besonders mit fundamentalistischen Varianten - sich nicht verträgt, wurd durch die moderne Geschichte eindeutig bewiesen. Die Kombination Demokratie und Religion ist ein klassisches Oxymoron und gilt für Christentum, Judentum und heute besonders aktuell, für den Islam.
Montag, 7. Februar 2011
Ein Interview zum wachsenden Rassismus in Israel
Meiner Sorge zum sich verstärkenden Rassismus in Israel, vor allen von orthodoxer Seite, habe ich schon mehr als einmal Ausdruck gegeben. Heute möchte ich meinen Freund Uri Themal in einem Interview vorstellen. Uri Themal teilt meine Sorgen und wir möchten versuchen die israelische Gesellschaft etwas aufzumischen, damit dieses für Israel relativ neue, aber für seinen Charakter zerstörerische Phänomen politisch diskutiert wird. Denn für Juden sind Rassismus und autokratische Staatsform ein Tabu und so soll es auch bleiben.
Weiter möchte ich meine Leser bitten, wenn möglich ihre Kommentare statt mir per e-mail zu senden, diese direkt in den Blog einzufügen. Das geht sogar anonym, was mir zwar nicht gefällt aber akzeptiert wird.
Seit er sich 2007 in Israel niederliess, war Uri Themal pädagogischer Direktor bei Berlitz Israel. Davor lebte er in Australien, wo er einer der Initianten der dortigen Politik des Multikulturalismus war und als Generaldirektor einem Ministerium im Staate Queensland vorstand, das für Multikulturalismus in diesem Staat verantwortlich war. Er war einer der Gründer multikultureller Medien und Initiant der Integrationspolitik für Flüchtlinge, wofür er mit dem Australischen Orden ausgezeichnet wurde.
Uri Themal wurde 1940 in Berlin geboren und hat mit seinen Eltern den Krieg dort als Illegale überlebt. Uri hat Politologie studiert und ist ausgebildeter Reformrabbiner.
Interview mit Uri Themal
Uri Russak: Wir beide sehen den wachsenden Rassismus jüdischer Israeli gegenüber Minderheiten, vor allem unseren israelischen Arabern aber auch Flüchtlingen aus Afrika und Gastarbeitern aus Fernost gegenüber. Wie konnte sich eine solche Situation im Staat der Juden entwickeln?
Uri Themal: Es ist wirklich schwer zu begreifen und es schmerzt jeden, der das Judentum liebt. Wie sich gerade in Israel ein solches Phänomen entwickeln konnte, hat mit seiner politischen Geschichte zu tun.
Seit Staatsgründung war es nur möglich mit Hilfe von Koalitionen Regierungen zu bilden. In jeder Regierung musste auch religiösen Parteien Platz eingeräumt werden. Da es in Israel keine echte Trennung zwischen Religion und Staat gibt, haben diese Parteien viel Macht. Es gibt in Israel keine Verfassung und wird sie wahrscheinlich auch nie geben. Es gibt zwar ein Grundgesetz, aber dieses gibt nur einen gesetzlichen Rahmen. Wenn dieses Grundgesetz verletzt wird, muss das Oberste Gericht entscheiden. Das heisst, dass es bisher nie eine echte Debatte gab, welchen Charakter der Staat haben soll oder auf welchen ethischen, moralischen und philosophischen Prinzipien er aufgebaut ist. Das Gericht entscheidet nur gerade die bestimmten pragmatischen Fragen, die ihm vorgelegt werden.
Eine Verfassung würde Debatten über den Charakter des Staates verlangen und gerade deshalb wird es wahrscheinlich nie eine geben. Die Debatte würde wohl nie über die Präambel hinwegkommen, in der die Natur des Staates definiert wird: Sind wir ein jüdischen Staat oder ein Staat der Juden? Wenn Netanyahu erklärt, dass wir ein jüdischer demokratischer Staat sind, muss erklärt werden, was das bedeutet. Bisher gibt es kein gemeinsames Verständnis darüber.
UR: Wie verträgt sich Rassismus und Fremdenhass mit Zionismus und Judentum? Ist er diesen nicht diametral entgegengesetzt?
UT: Ja. Rassismus und Fremdenhass sind mit dem Judentum nicht zu vereinbaren. Schon in der Torah wird betont, dass wir den Fremden lieben und schützen müssen, ja, dass er so behandelt werden muss, wie der im Lande ansässige. Dieses Gebot erscheint öfter in der Torah als viele andere, die mit Ritual oder Kriminalität zu tun haben. Aus der Torah bekommen wir auch das Prinzip der Nächstenliebe und vom Talmud Hillels goldene Regel, anderen nicht das anzutun, was uns selber verhasst ist.
Auch mit Zionismus sind Rassismus und Fremdenhass nicht vereinbar. Der politische Zionismus oder jüdischer Nationalismus, entwickelte sich als Reaktion auf 2000 Jahre Judenhass. Die antisemitische Dreyfussaffäre im Frankreich des 19. Jahrhunderts führte schließlich dazu, dass Herzl als Lösung die Gründung eines jüdischen Staates im historischen Land des jüdischen Volkes sah. In anderen Worten, der Staat wurde gegründet um Juden die Möglichkeit zu geben, sich dort vor Rassismus zu schützen. Es ist beschämend, das sechzig Jahre später, gerade hier Hillels Regel auf den Kopf gestellt wird: Hier wird jetzt anderen angetan, was uns verhasst ist!
UR: Wo sind die jüdischen Werte?
UT: Die jüdischen Werte sind da, aber werden verschieden vertreten. Es ist ironisch, dass heute die Werte von Humanität, Gerechtigkeit und Freiheit von den säkularen und liberalen Juden vertreten werden. Es sind die radikal orthodoxen Gemeinden und Parteien, die ihre Existenz damit rechtfertigen, dass sie die Torah und das Judentum schützen, behüten und bewahren wollen, die diesen Hass, Rassismus und Xenophobie verbreiten. Ich frage mich, wo sie das im Judentum finden? Bestimmt nicht in der Torah, die ich lese und auch nicht in meiner jüdischen Tradition!
UR: Wohin führt diese sich fast täglich weiter verbreitende Einstellung des jüdischen Israelis?
UT: Sie führt zur Rechtfertigung jener, die erklären, dass Israel ein Apartheidstaat sei, den man boykottieren muss. Schlimmer noch, sie führt zu interner Spaltung. Wir sind nicht mehr ein Staat, sondern mehrere: säkulare Juden, ultra-orthodoxe Juden, liberale Juden, christliche und muslimische Araber, Drusen sind die großen Gemeinden. Dazu kommen noch Minderheiten wie Fremdarbeiter, Flüchtlinge kommen. Das alles wird zusammen gehalten durch das „Sicherheitsproblem“. Da Israel dauernd von äusseren Feinden bedroht wird, versuchen fast alle im Land irgendwie offene Konflikte zu vermeiden. Sollte aber dieser Rassismus und Fremdenhass konkretere Formen annehmen, gibt es keine Garantie, dass es nicht zu offenen Konflikten kommt. In diesem Falle ist Israels Sicherheit und sogar seine Existenz bedroht, besonders wenn solche Konflikte von den äusseren Feinden ausgenutzt werden.
UR: Wir leben in einer Region religiöser und politischer Extremisten, die die Welt bedrohen. Ist das vorliegende Phänomen jüdischen Rassismus eine Art Anpassung an unsere Umgebung?
UT: Von den Ultra-orthodoxen bestimmt, obwohl nicht bewusst. Es gibt für mich kein unterschied zwischen einem Shaaria Staat wie Iran oder Saudi-Arabien und einem Halachastaat wie ihn die Ultra-Orthodoxen wollen.
UR: Warum findest Du, dass wir jüdischen Israelis uns gegen den Rassismus aus den eigenen Reihen wehren müssen?
UT: Ich bin ein Überlebender der Shoah, ein bewusster liberaler Jude und Zionist. Ich glaube an die jüdischen Werte und Prinzipien, sowie an die historische Notwendigkeit und Richtigkeit der Gründung des Staates Israel. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie diese Werte von Mitgliedern meines Volkes missbraucht und verraten werden. Wenn wir unseren Selbstrespekt erhalten und den Respekt der Welt wieder gewinnen wollen, müssen wir unser eigenes Nest säubern.
UR: Wie manifestiert sich dieser Rassismus und Fremdenhass in unserem Land?
UT: Die Regierung ist machtlos oder hat nicht den politischen Willen Rassismus und Fremdenhass zu bekämpfen, obwohl diese teilweise aus den eigenen Reihen stammen. Unser Innenminister, selbst ein ultra-orthodoxer Jude, will Fremdarbeiter und Flüchtlinge vertreiben und schürt den Hass gegen diese. Orthodoxe Rabbiner, die vom Staat bezahlt werden und zu einem grossen Teile Beamte sind, veröffentlichen Hetzbriefe, dazu aufrufend Arabern keine Wohnungen zu vermieten, ihnen kein Land und Häuser zu verkaufen und sie nicht als Arbeiter anzustellen. Sie entscheiden auch, wer vom Staat als Jude anerkannt wird und daher, wer nach Israel einwandern darf, wer hier als Staatsbürger leben kann, wer hier wen heiraten darf und in welche Schulen ihre Kinder gehen können. Das sind nur einige Beispiele, die ich mit großer Sorge beobachte.
UR: Was kann man dagegen tun?
UT: Da die Regierung fast nichts dagegen unternimmt, muss jener Teil der Bevölkerung, der sich um den Staat und seine Existenz Sorge macht, handeln. Es laufen jetzt schon Klagen vor dem Obersten Gerichtshof, die von NGOs eingebracht wurden. Es muss auch Bürgerinitiativen geben, die Druck auf die Regierung ausüben, im Sinne von Demokratie und jüdischen Werten zu handeln. Diesen Hetzrabbiner muss gekündigt, die Ultra-orthodoxen Parteien müssen aus der Koalition entfernt und Antidiskriminierungsgesetze müssen effektiv durchgesetzt werden. Öffentlicher Druck muss zu Neuwahlen führen, wenn diese Regierung nicht im Stande ist Diskriminierung zu verhindern.
UR: Warum müssen wir uns vor einer Relativierung hüten?
UT: Relativierung ist immer eine Gefahr: Wir sind vielleicht nicht so schlimm wie manche, aber auch nicht besser als viele. Unsere biblischen Propheten wollten, dass wir ein leuchtendes Beispiel für die Völker der Welt sein sollten. Folgendes ist die Antithese der Relativierung: Wir müssen Massstäbe setzen für ethisches und moralisches Verhalten, für Humanität und Gerechtigkeit und danach handeln. Der Olympiasieger misst sein streben nach Erfolg nicht am Verlierer sondern am vorherigen Gewinner und versucht besser zu sein. Relativierung ist eine Ausrede und oft eine Rechtfertigung dessen, was sich nicht rechtfertigen lässt. Wir alle sind mit dem Dialog des Schuldigen aufgewachsen: wenn wir etwas taten, was unsere Eltern uns verboten hatten, benutzten wir die Ausrede, dass andere das auch taten. Wenn ich das sagte, antwortete meine Mutter immer: “Wenn andere ins Wasser springen, tust du das auch?“ Wir Juden sollten uns nicht an den Maßstäben anderer messen und dürfen nicht Menschenrechte verletzen, bloß weil es andere auch tun. Wir dürfen uns besonders nicht am Verhalten unserer Feinde messen. Mit wem vergleichen wir uns? Mit Iran, Saudi-Arabien? Wenn wir das tun, verlieren wir unsere Existenzberechtigung als Staat.
Seit 3500 Jahren haben wir die Werte gesetzt, die heute von den westlichen Demokratien vertreten werden, Werte, die als Grundlagen unserer Zivilisation dienen. Wie vergleichen wir uns mit den Nationen und Völkern, die diese Werte vertreten? Im Moment werden wir von ihnen nicht sehr respektiert. Die Reaktionen schwanken zwischen denen, die uns noch tolerieren bis zu jenen, die uns verachten auf der anderen Seite und dann gibt es viele ehemalige Freunde, die mit uns nichts mehr zu tun haben wollen.
UR: Wird humanistisches Benehmen der Juden von der Umwelt überhaupt wahrgenommen und wenn ja wie?
UT: Die Umwelt schaut mit Sorge auf Israel. Unser Verhalten gegenüber den Palästinensern wird täglich beobachtet und von den internationalen Medien berichtet. Die Schikanen der Siedler gegenüber ihren palästinensischen Nachbarn werden berichtet und der Häuserbau in den Siedlungen ist in ständiger Debatte. Das stellt Israels Rechtstaatlichkeit, sowie seinen Humanismus in Frage.
Vielleicht werden die internen rassistischen Einzelheiten verdrängt von den dramatischen Schlagzeilen anderer Ereignisse wie der Aufstand in Ägypten, Fluten in Australien und Brasilien oder dem Krieg in Afghanistan, aber das bedeutet nicht, dass die Welt davon nichts weiss. Heute kommen Informationen aus persönlichen Quellen und gehen um die Welt mit dem Internet. Diese Informationen formen heute die Weltmeinung fast stärker, als öffentliche Medien.
UR: Welche Massnahmen schlägst Du vor, um diesen Rassismus, der in Israel nun auch schon Gesetzesvorlagen produziert, zu bekämpfen. Was können wir tun und wer muss noch zusätzlich mitziehen?
UT: Wir müssen die Öffentlichkeit in Israel warnen und mobilisieren. Es gibt, Gott sei Dank, noch viele, bestimmt jetzt noch eine Mehrheit, die diese Erscheinungen verabscheut. Diese Kräfte müssen sich zusammen tun und gegen diesen Rassismus öffentlich kämpfen. Jene, die Zugang zu Medien haben, müssen ihre Stimmen hören lassen. Jene, die konkrete Fälle vor Gericht bringen können, müssen es tun. Jene, die Mitglieder von politischen Parteien, die gegen diese Entwicklung sind, müssen ihre Knessetmitglieder dazu bewegen, auf parlamentarischem Weg dieses Krebsgeschwür zu entfernen. Wir alle müssen handeln!
UR: Falls sich dieser israelische Rassismus weiter ausbreitet, siehst Du die Zukunft des Staates der Juden als moderner demokratischer Staat gefährdet?
UT: Ja, wie schon gesagt, ich sehe eine große Gefahr für den Staat Israel. Interner Bürgerkrieg und externer Angriff können zusammen kommen und den Staat zerstören. Aber auch Apathie kann den Staat gefährden, wenn wir den Extremismus nicht beseitigen.
UR: Wie definierst Du und was hältst Du von Begriffen 1. jüdisch-demokratisch, 2. jüdischer Staat und 3. Staat der Juden
UT: Ich glaube, dass alle diese Begriffe problematisch sind.
1. Liberal-jüdisch und demokratisch sind gut miteinander zu verbinden. Viele der jüdischen Werte sind auch Werte der Demokratie. Aber in Israel sehen sich die Ultra-Orthodoxen als die einzigen, echten und legitimen Vertreter des Judentums. Ihre selektive und enge Interpretation des Judentums ist autoritär, demagogisch und anti-demokratisch. Daher werden wir nie eine echte Demokratie sein, solange diese Richtung in der Regierungskoalition sitzt, antidemokratische Gesetze entwickelt und mitbestimmt und Beamte von Steuergeldern bezahlt, die offen gegen alle diskriminieren, die nicht in ihr Bild vom jüdischen Staat passen.
2. Wir sind kein kompletter jüdischer Staat. Zwar gibt es jüdische Elemente, aber das an sich macht nicht den jüdischen Staat: Hebräisch ist die Landessprache, öffentliche Feiertage sind die jüdischen Feiertage, jüdische Bibel- und Geschichtskenntnis sind Pflichtfächer in den Schulen und Eheschliessungen, Zivilstatus und Ritualfragen sind völlig in den Händen des Rabbinats. In absoluter Form würde der jüdische Staat auf jüdischen Gesetzen beruhen und, wie gesagt, würde das zu einer katastrophalen Theokratie führen, die von Natur aus antidemokratisch und autoritär ist.
3. Israel wurde als Staat für Juden gegründet, mit historischer Berechtigung. Aber es ist nicht der Staat der Juden. Mehr Juden leben ausserhalb Israels, als in Israel selbst; in Israel leben Minderheiten, deren grösste die der israelischen Araber von rund 20% ist. Israel ist also ein besonderer Fall und die Frage, ob es ein jüdischer Staat oder ein Staat von Juden ist, muss noch geklärt werden. Inzwischen sollten wir einfach Israel sein, ein demokratischer, pluralistischer Rechtsstaat, der durch Anwendung seiner traditionellen Ethik, Humanität und Gerechtigkeit die Loyalität aller Mitbürger verdient und fördert.
Weiter möchte ich meine Leser bitten, wenn möglich ihre Kommentare statt mir per e-mail zu senden, diese direkt in den Blog einzufügen. Das geht sogar anonym, was mir zwar nicht gefällt aber akzeptiert wird.
Seit er sich 2007 in Israel niederliess, war Uri Themal pädagogischer Direktor bei Berlitz Israel. Davor lebte er in Australien, wo er einer der Initianten der dortigen Politik des Multikulturalismus war und als Generaldirektor einem Ministerium im Staate Queensland vorstand, das für Multikulturalismus in diesem Staat verantwortlich war. Er war einer der Gründer multikultureller Medien und Initiant der Integrationspolitik für Flüchtlinge, wofür er mit dem Australischen Orden ausgezeichnet wurde.
Uri Themal wurde 1940 in Berlin geboren und hat mit seinen Eltern den Krieg dort als Illegale überlebt. Uri hat Politologie studiert und ist ausgebildeter Reformrabbiner.
Interview mit Uri Themal
Uri Russak: Wir beide sehen den wachsenden Rassismus jüdischer Israeli gegenüber Minderheiten, vor allem unseren israelischen Arabern aber auch Flüchtlingen aus Afrika und Gastarbeitern aus Fernost gegenüber. Wie konnte sich eine solche Situation im Staat der Juden entwickeln?
Uri Themal: Es ist wirklich schwer zu begreifen und es schmerzt jeden, der das Judentum liebt. Wie sich gerade in Israel ein solches Phänomen entwickeln konnte, hat mit seiner politischen Geschichte zu tun.
Seit Staatsgründung war es nur möglich mit Hilfe von Koalitionen Regierungen zu bilden. In jeder Regierung musste auch religiösen Parteien Platz eingeräumt werden. Da es in Israel keine echte Trennung zwischen Religion und Staat gibt, haben diese Parteien viel Macht. Es gibt in Israel keine Verfassung und wird sie wahrscheinlich auch nie geben. Es gibt zwar ein Grundgesetz, aber dieses gibt nur einen gesetzlichen Rahmen. Wenn dieses Grundgesetz verletzt wird, muss das Oberste Gericht entscheiden. Das heisst, dass es bisher nie eine echte Debatte gab, welchen Charakter der Staat haben soll oder auf welchen ethischen, moralischen und philosophischen Prinzipien er aufgebaut ist. Das Gericht entscheidet nur gerade die bestimmten pragmatischen Fragen, die ihm vorgelegt werden.
Eine Verfassung würde Debatten über den Charakter des Staates verlangen und gerade deshalb wird es wahrscheinlich nie eine geben. Die Debatte würde wohl nie über die Präambel hinwegkommen, in der die Natur des Staates definiert wird: Sind wir ein jüdischen Staat oder ein Staat der Juden? Wenn Netanyahu erklärt, dass wir ein jüdischer demokratischer Staat sind, muss erklärt werden, was das bedeutet. Bisher gibt es kein gemeinsames Verständnis darüber.
UR: Wie verträgt sich Rassismus und Fremdenhass mit Zionismus und Judentum? Ist er diesen nicht diametral entgegengesetzt?
UT: Ja. Rassismus und Fremdenhass sind mit dem Judentum nicht zu vereinbaren. Schon in der Torah wird betont, dass wir den Fremden lieben und schützen müssen, ja, dass er so behandelt werden muss, wie der im Lande ansässige. Dieses Gebot erscheint öfter in der Torah als viele andere, die mit Ritual oder Kriminalität zu tun haben. Aus der Torah bekommen wir auch das Prinzip der Nächstenliebe und vom Talmud Hillels goldene Regel, anderen nicht das anzutun, was uns selber verhasst ist.
Auch mit Zionismus sind Rassismus und Fremdenhass nicht vereinbar. Der politische Zionismus oder jüdischer Nationalismus, entwickelte sich als Reaktion auf 2000 Jahre Judenhass. Die antisemitische Dreyfussaffäre im Frankreich des 19. Jahrhunderts führte schließlich dazu, dass Herzl als Lösung die Gründung eines jüdischen Staates im historischen Land des jüdischen Volkes sah. In anderen Worten, der Staat wurde gegründet um Juden die Möglichkeit zu geben, sich dort vor Rassismus zu schützen. Es ist beschämend, das sechzig Jahre später, gerade hier Hillels Regel auf den Kopf gestellt wird: Hier wird jetzt anderen angetan, was uns verhasst ist!
UR: Wo sind die jüdischen Werte?
UT: Die jüdischen Werte sind da, aber werden verschieden vertreten. Es ist ironisch, dass heute die Werte von Humanität, Gerechtigkeit und Freiheit von den säkularen und liberalen Juden vertreten werden. Es sind die radikal orthodoxen Gemeinden und Parteien, die ihre Existenz damit rechtfertigen, dass sie die Torah und das Judentum schützen, behüten und bewahren wollen, die diesen Hass, Rassismus und Xenophobie verbreiten. Ich frage mich, wo sie das im Judentum finden? Bestimmt nicht in der Torah, die ich lese und auch nicht in meiner jüdischen Tradition!
UR: Wohin führt diese sich fast täglich weiter verbreitende Einstellung des jüdischen Israelis?
UT: Sie führt zur Rechtfertigung jener, die erklären, dass Israel ein Apartheidstaat sei, den man boykottieren muss. Schlimmer noch, sie führt zu interner Spaltung. Wir sind nicht mehr ein Staat, sondern mehrere: säkulare Juden, ultra-orthodoxe Juden, liberale Juden, christliche und muslimische Araber, Drusen sind die großen Gemeinden. Dazu kommen noch Minderheiten wie Fremdarbeiter, Flüchtlinge kommen. Das alles wird zusammen gehalten durch das „Sicherheitsproblem“. Da Israel dauernd von äusseren Feinden bedroht wird, versuchen fast alle im Land irgendwie offene Konflikte zu vermeiden. Sollte aber dieser Rassismus und Fremdenhass konkretere Formen annehmen, gibt es keine Garantie, dass es nicht zu offenen Konflikten kommt. In diesem Falle ist Israels Sicherheit und sogar seine Existenz bedroht, besonders wenn solche Konflikte von den äusseren Feinden ausgenutzt werden.
UR: Wir leben in einer Region religiöser und politischer Extremisten, die die Welt bedrohen. Ist das vorliegende Phänomen jüdischen Rassismus eine Art Anpassung an unsere Umgebung?
UT: Von den Ultra-orthodoxen bestimmt, obwohl nicht bewusst. Es gibt für mich kein unterschied zwischen einem Shaaria Staat wie Iran oder Saudi-Arabien und einem Halachastaat wie ihn die Ultra-Orthodoxen wollen.
UR: Warum findest Du, dass wir jüdischen Israelis uns gegen den Rassismus aus den eigenen Reihen wehren müssen?
UT: Ich bin ein Überlebender der Shoah, ein bewusster liberaler Jude und Zionist. Ich glaube an die jüdischen Werte und Prinzipien, sowie an die historische Notwendigkeit und Richtigkeit der Gründung des Staates Israel. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie diese Werte von Mitgliedern meines Volkes missbraucht und verraten werden. Wenn wir unseren Selbstrespekt erhalten und den Respekt der Welt wieder gewinnen wollen, müssen wir unser eigenes Nest säubern.
UR: Wie manifestiert sich dieser Rassismus und Fremdenhass in unserem Land?
UT: Die Regierung ist machtlos oder hat nicht den politischen Willen Rassismus und Fremdenhass zu bekämpfen, obwohl diese teilweise aus den eigenen Reihen stammen. Unser Innenminister, selbst ein ultra-orthodoxer Jude, will Fremdarbeiter und Flüchtlinge vertreiben und schürt den Hass gegen diese. Orthodoxe Rabbiner, die vom Staat bezahlt werden und zu einem grossen Teile Beamte sind, veröffentlichen Hetzbriefe, dazu aufrufend Arabern keine Wohnungen zu vermieten, ihnen kein Land und Häuser zu verkaufen und sie nicht als Arbeiter anzustellen. Sie entscheiden auch, wer vom Staat als Jude anerkannt wird und daher, wer nach Israel einwandern darf, wer hier als Staatsbürger leben kann, wer hier wen heiraten darf und in welche Schulen ihre Kinder gehen können. Das sind nur einige Beispiele, die ich mit großer Sorge beobachte.
UR: Was kann man dagegen tun?
UT: Da die Regierung fast nichts dagegen unternimmt, muss jener Teil der Bevölkerung, der sich um den Staat und seine Existenz Sorge macht, handeln. Es laufen jetzt schon Klagen vor dem Obersten Gerichtshof, die von NGOs eingebracht wurden. Es muss auch Bürgerinitiativen geben, die Druck auf die Regierung ausüben, im Sinne von Demokratie und jüdischen Werten zu handeln. Diesen Hetzrabbiner muss gekündigt, die Ultra-orthodoxen Parteien müssen aus der Koalition entfernt und Antidiskriminierungsgesetze müssen effektiv durchgesetzt werden. Öffentlicher Druck muss zu Neuwahlen führen, wenn diese Regierung nicht im Stande ist Diskriminierung zu verhindern.
UR: Warum müssen wir uns vor einer Relativierung hüten?
UT: Relativierung ist immer eine Gefahr: Wir sind vielleicht nicht so schlimm wie manche, aber auch nicht besser als viele. Unsere biblischen Propheten wollten, dass wir ein leuchtendes Beispiel für die Völker der Welt sein sollten. Folgendes ist die Antithese der Relativierung: Wir müssen Massstäbe setzen für ethisches und moralisches Verhalten, für Humanität und Gerechtigkeit und danach handeln. Der Olympiasieger misst sein streben nach Erfolg nicht am Verlierer sondern am vorherigen Gewinner und versucht besser zu sein. Relativierung ist eine Ausrede und oft eine Rechtfertigung dessen, was sich nicht rechtfertigen lässt. Wir alle sind mit dem Dialog des Schuldigen aufgewachsen: wenn wir etwas taten, was unsere Eltern uns verboten hatten, benutzten wir die Ausrede, dass andere das auch taten. Wenn ich das sagte, antwortete meine Mutter immer: “Wenn andere ins Wasser springen, tust du das auch?“ Wir Juden sollten uns nicht an den Maßstäben anderer messen und dürfen nicht Menschenrechte verletzen, bloß weil es andere auch tun. Wir dürfen uns besonders nicht am Verhalten unserer Feinde messen. Mit wem vergleichen wir uns? Mit Iran, Saudi-Arabien? Wenn wir das tun, verlieren wir unsere Existenzberechtigung als Staat.
Seit 3500 Jahren haben wir die Werte gesetzt, die heute von den westlichen Demokratien vertreten werden, Werte, die als Grundlagen unserer Zivilisation dienen. Wie vergleichen wir uns mit den Nationen und Völkern, die diese Werte vertreten? Im Moment werden wir von ihnen nicht sehr respektiert. Die Reaktionen schwanken zwischen denen, die uns noch tolerieren bis zu jenen, die uns verachten auf der anderen Seite und dann gibt es viele ehemalige Freunde, die mit uns nichts mehr zu tun haben wollen.
UR: Wird humanistisches Benehmen der Juden von der Umwelt überhaupt wahrgenommen und wenn ja wie?
UT: Die Umwelt schaut mit Sorge auf Israel. Unser Verhalten gegenüber den Palästinensern wird täglich beobachtet und von den internationalen Medien berichtet. Die Schikanen der Siedler gegenüber ihren palästinensischen Nachbarn werden berichtet und der Häuserbau in den Siedlungen ist in ständiger Debatte. Das stellt Israels Rechtstaatlichkeit, sowie seinen Humanismus in Frage.
Vielleicht werden die internen rassistischen Einzelheiten verdrängt von den dramatischen Schlagzeilen anderer Ereignisse wie der Aufstand in Ägypten, Fluten in Australien und Brasilien oder dem Krieg in Afghanistan, aber das bedeutet nicht, dass die Welt davon nichts weiss. Heute kommen Informationen aus persönlichen Quellen und gehen um die Welt mit dem Internet. Diese Informationen formen heute die Weltmeinung fast stärker, als öffentliche Medien.
UR: Welche Massnahmen schlägst Du vor, um diesen Rassismus, der in Israel nun auch schon Gesetzesvorlagen produziert, zu bekämpfen. Was können wir tun und wer muss noch zusätzlich mitziehen?
UT: Wir müssen die Öffentlichkeit in Israel warnen und mobilisieren. Es gibt, Gott sei Dank, noch viele, bestimmt jetzt noch eine Mehrheit, die diese Erscheinungen verabscheut. Diese Kräfte müssen sich zusammen tun und gegen diesen Rassismus öffentlich kämpfen. Jene, die Zugang zu Medien haben, müssen ihre Stimmen hören lassen. Jene, die konkrete Fälle vor Gericht bringen können, müssen es tun. Jene, die Mitglieder von politischen Parteien, die gegen diese Entwicklung sind, müssen ihre Knessetmitglieder dazu bewegen, auf parlamentarischem Weg dieses Krebsgeschwür zu entfernen. Wir alle müssen handeln!
UR: Falls sich dieser israelische Rassismus weiter ausbreitet, siehst Du die Zukunft des Staates der Juden als moderner demokratischer Staat gefährdet?
UT: Ja, wie schon gesagt, ich sehe eine große Gefahr für den Staat Israel. Interner Bürgerkrieg und externer Angriff können zusammen kommen und den Staat zerstören. Aber auch Apathie kann den Staat gefährden, wenn wir den Extremismus nicht beseitigen.
UR: Wie definierst Du und was hältst Du von Begriffen 1. jüdisch-demokratisch, 2. jüdischer Staat und 3. Staat der Juden
UT: Ich glaube, dass alle diese Begriffe problematisch sind.
1. Liberal-jüdisch und demokratisch sind gut miteinander zu verbinden. Viele der jüdischen Werte sind auch Werte der Demokratie. Aber in Israel sehen sich die Ultra-Orthodoxen als die einzigen, echten und legitimen Vertreter des Judentums. Ihre selektive und enge Interpretation des Judentums ist autoritär, demagogisch und anti-demokratisch. Daher werden wir nie eine echte Demokratie sein, solange diese Richtung in der Regierungskoalition sitzt, antidemokratische Gesetze entwickelt und mitbestimmt und Beamte von Steuergeldern bezahlt, die offen gegen alle diskriminieren, die nicht in ihr Bild vom jüdischen Staat passen.
2. Wir sind kein kompletter jüdischer Staat. Zwar gibt es jüdische Elemente, aber das an sich macht nicht den jüdischen Staat: Hebräisch ist die Landessprache, öffentliche Feiertage sind die jüdischen Feiertage, jüdische Bibel- und Geschichtskenntnis sind Pflichtfächer in den Schulen und Eheschliessungen, Zivilstatus und Ritualfragen sind völlig in den Händen des Rabbinats. In absoluter Form würde der jüdische Staat auf jüdischen Gesetzen beruhen und, wie gesagt, würde das zu einer katastrophalen Theokratie führen, die von Natur aus antidemokratisch und autoritär ist.
3. Israel wurde als Staat für Juden gegründet, mit historischer Berechtigung. Aber es ist nicht der Staat der Juden. Mehr Juden leben ausserhalb Israels, als in Israel selbst; in Israel leben Minderheiten, deren grösste die der israelischen Araber von rund 20% ist. Israel ist also ein besonderer Fall und die Frage, ob es ein jüdischer Staat oder ein Staat von Juden ist, muss noch geklärt werden. Inzwischen sollten wir einfach Israel sein, ein demokratischer, pluralistischer Rechtsstaat, der durch Anwendung seiner traditionellen Ethik, Humanität und Gerechtigkeit die Loyalität aller Mitbürger verdient und fördert.
UR: Lieber Uri Themal, ich danke Dir für das Gespräch.
Sonntag, 6. Februar 2011
Ägypten
Zu den Geschehnissen in Ägypten möchte ich mich nicht allzu sehr auslassen. Es kommen mir nur gerade zwei Dinge in den Sinn, die mir zu schaffen machen.
Erstens gab oder gibt es noch Einbrüche und Raub in das einzige Museum, zu dem ich aus nicht ganz erklärbaren Gründen, eine gewisse Liebe empfinde. Dem ägyptischen Museum in Kairo. An das was dort zu sehen ist, trotz oder vielleicht gerade wegen dem dort herrschenden leichten Durcheinander – in der Schweiz würde man sagen „Puff“ – erinnere ich mich mit Nostalgie. Seine Exponate und deren Geschichte, die mir vor Jahren von einem höchst sympathischen Archäologen anlässlich meines fast sechs Stunden dauernden Besuches in Deutsch erklärt worden waren, sind mir noch heute in lebhaftester Erinnerung. Dieses weltweit einzigartige Museum ist heute gefährdet. In den heute dort herrschenden Unruhen, manche nennen es Revolution, kam es schon zu Raub und Zerstörung (siehe Bild). Das bringt mich geradewegs zur Gefahr, welche die Machtübernahme in Ägypten durch die muslimische Brüderschaft in sich bergen könnte. Noch erinnere ich mich an die Zerstörung der zwei Buddha-Skulpturen und anderer buddhistischer Kunst durch die barbarischen Taliban in Afghanistan. Auch die alten Ägypter waren keine Muslime – dass zwischen dem Aufkommen des Islams und den Hochkulturen des Buddhismus und des alten Ägyptens der Pharaonen Jahrtausende liegen, nehmen Islamisten – wie die Geschichte der heutigen Zeit beweist – nicht zur Kenntnis. Das macht mir mehr Sorge, als die Diktatur Mubaraks. Auch nach dreissigjähriger Diktatorenkarriere ist er ein Mensch – also vergänglich, da hilft nichts. Geschichtliche Zeugnisse, die im ägyptischen Museum liegen, sterben nicht – aber sie können mutwillig zerstört werden.
Meine zweite Sorge in Sachen Ägypten ist die Art und Weise wie in der westlichen Presse und Öffentlichkeit die Repression gegen die Muslimbrüder beweint wird. Werden sie wohl ausschliesslich eingesperrt, weil sie fromm sind und auf ihre Art gottesgläubig? Das eben diese Muslimbrüder ihre koptisch-christlichen Mitbürger – die echten Erben der pharaonischen Zeit – jährlich zu Tausenden morden, dass sie seit ihres Bestehens seit Ende der zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, dem Judenhass frönen und den ideologischen Anschluss an den deutschen Nationalsozialismus suchten – das wird geschickt vergessen und der mitfühlenden westlichen Öffentlichkeit unterschlagen. Deshalb hält sich mein Mitgefühl für diese muslimischen Reaktionäre in Grenzen und meine Sorge über deren mögliche Machtübernahme in Ägypten wächst. Gründe dafür gibt es in der neueren Geschichte unserer Region mehr als genug.
PS: Folgender Vermerk wurde mir soeben in Englisch zugestellt:
"Sollten im Laufe der revolutionären Ereignisse in Ägypten die Pyramiden beschädigt oder gar zerstört werden, nehmen sie bitte zur Kenntnis, dass wir diese nicht noch einmal bauen werden.
Hochachtungsvoll, wir Juden"
Mittwoch, 2. Februar 2011
Gruusig
Dieses schöne Zertifikat versinnbildlicht den jüdischen Rassismus politisch extrem rechts stehender religiöser Kreise. Geschäfte in Jerusalem, bei denen es an der Wand hängen wird, wird bescheinigt, dass sie ausschliesslich Juden beschäftigen und, Gott behüte, keine Gojim. Wie viele andere Unverschämtheiten dieser Art wird dieser „Hechscher“ (Kaschrutbescheinigung) des Rassismus nur an Betriebe abgegeben, die von der extremistischen Organisation „Lahava“ (Flamme) erst auf Herz und Nieren geprüft worden sind.
Hier der wichtigste Wortlaut: „Dem Inhaber dieses Geschäftes wird bescheinigt, dass er nur jüdische Arbeitnehmer und keine Feinde beschäftigt“. Listen der Geschäfte, die dieses Zertifikat erhalten haben, sollen in Inseraten in der Presse bekannt gegeben werden.
Die Initiative dazu stammt aus Kiriat Arba. Die Initianten rufen unter anderem jüdische Frauen auf, keine romantische Beziehungen zu arabischen Männer zu haben. In den jüdischen Quartieren Pisgat Ze'ev und Neve Ya’akov, wo neben russischen Einwanderern viele Bratzlaver Chassidim wohnen. hängen inzwischen entsprechende Plakate, schreibt Haaretz.
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