Wo sind die Gutmenschen?
Einmal mehr beweisen die Gutmenschen der Schweiz und dem Rest der westlichen Welt, wie sehr sie Gewalt verurteilen, ganz besonders im Mittleren Osten. Nur hört man sie nicht. Bald erreichen die Schlächter des syrischen Präsidenten Dr. med. Bashar al-Assad die zehntausend Opfer Marke. Davon sind offiziell fünfhundert Kindern, die, so steht es in den Medien, mit Bedacht, Sorgfalt und einstudierter Brutalität umgebracht worden sind. All das nur um seine eigene Macht und die der alawitischen Minderheit, zu der seine Familie gehört, über Syrien zu sichern. Dazu ein interessanter Artikel Arnold Hottingers im Tages-Anzeiger von gestern. Ich hoffe, Herr Hottingers kommende vier Beiträge dieser Fünferserie werden auch so gut).
Geri Müller, braun-grüner Schweizer Parlamentarier, feiert, statt den syrischen Massenmord zu verurteilen, Hamas-Terror in den Hallen des Bundeshauses. Humanisten, Terrorversteher und Verurteiler von Gewalt im Nahen Osten (besonders israelischer Verteidigungsaktionen) wie Daniel Vischer und Jean Ziegler, bleiben meines Wissen diskret stumm. Es könnte sein, es hätte ihnen von soviel nichtjüdischem Todschlag die Sprache verschlagen. Die Jüdischen Stimmen für den gerechten Frieden haben noch keinen aufmunternden Brief an Herrn Assad geschrieben, sie üben sich in diskreter Stille. Vielleicht denken sie im stillen Kämmerlein darüber nach, wie man Israel die Verantwortung für die syrische Tragödie zuschieben könnte. So wie beim christlichen Massenmord von 1982 in Sabra und Shatila.
Vom Frühling direkt in den Winter
Meine fast von Anfang an bestehenden Zweifel an Motivation und Erfolg des arabischen Winters (früher arabischer Frühling), in meinem Tagebuch wiederholt diskutiert, scheinen sich zu bestätigen. Mit dieser Feststellung stehe ich in keiner Weise alleine da. Die Welt der offenen Augen und Ohren beginnt zu begreifen, wie in Ägypten Islamisten an die Macht gekommen sind, indem sie auf den fahrenden Zug liberaler Initianten der Frühlingsrevolution aufsprangen, obwohl deren Vorstellungen denen einer islamistisch-fundamentalistischen Gesellschaft diametral entgegen steht. Dass die Islamisten (Muslimbrüder und Salafisten) ist in einem Land mit einer analphabetischen Wählermehrheit nicht verwunderlich. Die Einführung der Scharia ist nur eine Frage der Zeit. Auf ähnliche Art und mit ähnlichen Absichten kamen Islamisten in Libyen an die Macht, in Syrien können sie nur durch den Machtverbleib der Familie Assad daran gehindert werden. Syrien hat die Wahl zwischen zwei Übeln: der Diktatur des fundamentalistischen Islamismus oder der sekulären Diktatur einer traditionell korrupten Familie oder Armeeführung. Auch in anderen Ländern, in den dieser arabische Frühling ausgebrochen war, wie Tunesien und Jemen drängen Islamisten zur Macht.
Kulturkampf in Israel
Und damit wir’s nicht vergessen: in Israel ist der Kulturkampf zwischen extrem religiösen Kreisen und der sekulären Mehrheit offen ausgebrochen. Es entwickelt sich eine teilweise gewalttätige Auseinandersetzung um die Zukunft des Staates der Juden. Soll er demokratisch und modern bleiben, soll Religion endlich den ihr zustehenden Platz in der Privatsphäre des einzelnen Bürgers statt in der öffentlichen Politik einnehmen? Oder soll der Weg zurück ins Mittelalter, in die Macht religiöser Eiferer und weg von der heutigen offenen demokratischen Gesellschaft eingeschlagen werden? Dieser Konflikt beruht auf falschen und von mir schon oft genug beschriebenen politischen Prioritäten. Kurz, es gibt die Wahl zwischen modernem und demokratischem Zionismus, mit Platz für alle Minderheiten oder autokratische Theokratie, in der jüdisches Land und Religion, also die Halacha, exklusiv das Leben der Bürger bestimmen, Demokratie und Freiheit auf Platz zwei – wenn es dafür überhaupt noch Platz gibt. Aehnliches gilt auch für israelische Ultranationalisten, unter ihnen sekuläre, denen biblisches Land wichtiger ist, als eine freie und demokratische Gesellschaft. Die Ähnlichkeit mit den Vorgängen in der arabischen Welt ist frappant, doch überlasse ich es dem Leser, selbst die noch grundsätzlichen Unterschiede zwischen Israel und der arabischen Welt herauszuschälen. Das zu tun könnte einfacher nicht sein.