Wenigstens in Deutschland habe ich mit meinem Bericht über den BUYkott in Montreal offene Türen eingerannt. Als Kommentar in meinem Blog ist die Antwort von Kerstin und Markus eingetroffen, die mir
ihre eigene Arbeit im eigenen Blog darüber vorstellten. Darin habe ich übrigens etwas Zusätzliches gelernt: Waren, die mit einem nummerierten Strichcode bezeichnet sind (das sind die meisten), dessen Nummer mit 729 beginnt, sind israelische Produkte. Das könnte, bei entsprechender persönlicher Einstellung, bei Einkäufen hilfreich sein.
Zum Thema. Im Laufe des Jahrs fand ich heraus, dass es in Deutschland verschiedene Blogger gibt, die in ein ähnliches Horn blasen, wie ich. Alle habe eines gemeinsam: Wir verehren Henryk W. Broder, seine Sicht der Dinge, seinen Schreibstil und seine Furchtlosigkeit, sich nicht von „Political Correctness“ verarschen zu lassen. Viele dieser Blogger sind in der Spalte
„Uri Russak empfiehlt wertvolle Links” zu finden.
Selten habe so gelacht, wie über
Claudio Casula’s Persiflage Günter Wallraffs, die ich einfach herrlich finde. Auch ihr sollt sie lesen:
Unter Juden
November 3, 2009 von Claudio Casula
Einen Monat lang war Günter Wallraff immer wieder als Araber in Israel unterwegs: bei einem Fußballspiel in Jerusalem, auf Wohnungssuche in Kiriat-Arba, vor einer Tel Aviver Disco. Heraus kam ein erschütternder Erfahrungsbericht. Spirit of Entebbe dokumentiert Auszüge.
Mit gefärbten Haaren und Schnurrbart investigativ unterwegs – das war ich vor vielen Jahren schon, als „Ali“. Insofern keine neue Erfahrung für mich. Nur dass ich diesmal nicht in Deutschland recherchiere. Als Achmed al-Jihad will ich erfahren, wie es sich als Palästinenser in Israel lebt, wohl wissend, dass das Unternehmen nicht ohne Risiken ist. Dazu habe ich zu oft „heute-journal“ gesehen.
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Vor dem Teddy-Stadion hat sich eine grölende Menge eingefunden. Die Fans des hiesigen Fußballclubs Bejtar Jerusalem sind berüchtigt für ihre rechtsradikale und natürlich araberfeindliche Einstellung. Ich bin mir des Risikos bewusst, schon weil ich heute Morgen meine Garderobe in leicht provokanter Stimmung ausgewählt habe: ein „Free Palestine – From The River To The Sea“-Shirt. „Long live Balestine!“ rufe ich den entgeistert dreinblickenden Hooligans zu, dann nehme ich die Beine in die Hand. Erst an der übernächsten Straßenecke halte ich schnaufend inne. Erst jetzt wird mir klar, dass ich gerade noch so mit dem Leben davongekommen bin.
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Am Abend begebe ich mich zum „Goocha“, einem angesagten Fischrestaurant an der belebten Dizengoff Street. Es ist rappelvoll. Ich beschließe, durch eine prägnante Ausdrucksweise keinen Zweifel an meiner arabischen Herkunft aufkommen zu lassen. „Blease“, sage ich zur Kellnerin, „is it bossible to dine here tonight“? – „Sorry“, wimmelt mich die junge Frau mit einem arroganten Ausdruck im zugegebenermaßen bildhübschen Gesicht ab, „but you see, it’s already crowded.“ Das hätte ich mir gleich denken können. Ich bin sicher: Sie hätte mir auch keinen Tisch zugewiesen, wenn einer frei gewesen wäre. Der alltägliche Rassismus hat viele Gesichter.
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Die Gegend um die Central Bus Station ist traditionell übel beleumundet, hier treiben sich allerlei Galgenvögel und Bordsteinschwalben herum, auch viele ausländische Arbeitnehmer aus Rumänien, Thailand, Schwarzafrika. Eine junge Dame aus dem horizontalen Gewerbe spricht mich an: „Na, Motek, wie heißt du denn?“ – „Wall- äh, Walid!“ stottere ich. In der Aufregung (Natascha ist spärlichst bekleidet) hätte ich um ein Haar meine wahre Identität preisgegeben. Schließlich dürfte mein Name weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannt sein. Mein Experiment wäre damit vorzeitig beendet gewesen. So aber geht noch mal alles glatt. Zu Recherchezwecken folge ich Natascha auf ein schäbiges Zimmer. Hinterher knöpft sie mir dann aber doch deutlich zu viele Shekel ab, wie mir scheint. Das habe ich nun von meinem „Walid“. Im Nachhinein bedaure ich es, nicht ausnahmsweise mal den tumben deutschen Touristen gemimt zu haben.
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Ungewohnt fühlt er sich an, dieser Sprengstoffgürtel, den ich mir im Internet bestellt habe. Obwohl ich ihn nur mit einigen Packungen Tempo-Taschentüchern ausgestopft habe, kann ich ein mulmiges Gefühl nicht leugnen. Jetzt noch eine Kefiya, das traditionelle arabische Tuch um den Hals geschlungen, und los geht es. Ich mische mich unter das Jungvolk, das vor einer Discothek auf Einlass wartet. Es ist fast elf und schwülwarm, ich schwitze unter dem Mantel, den ich so über den Gürtel gestreift habe, dass er ansatzweise zu erkennen ist. Das Palituch ist auch nicht ohne, aber was tut man nicht alles, wenn man undercover recherchiert. Mein Aufzug verfehlt seine Wirkung nicht, ich spüre die unverhohlen misstrauischen Blicke. Laut rufe ich „Allahu akbar!“, und sofort stürzt sich ein Wachmann mit Bulldoggengesicht wie ein Berserker auf mich, schlägt mich fast bewusstlos. Mit diesem Gewaltausbruch habe ich nicht gerechnet, schützend halte ich meine Hände vors Gesicht. So also ergeht es einem Araber in Israel. Die Erfahrung erschüttert mich zutiefst. Noch einmal schlägt der Security-Mann zu, dann verliere ich das Bewusstsein.
Ich erwache im Ichilov-Hospital. Eine Schwester, offensichtlich eine Russin, tupft vorsichtig meine Wunden ab. Mein Kopf schmerzt, und ich scheine überall blaue Flecken zu haben. Schemenhaft kann ich einen Arzt erkennen, er trägt eine Kippa, sieht eigentlich nicht unsympathisch aus. Er schüttelt den Kopf. „Are you crazy?“ fragt er. Auch hier wieder: die blanke Fremdenfeindlichkeit. Wahrscheinlich ist es mein Schnurrbart, der mich in seinen Augen zum Untermenschen macht. Natürlich behandelt er auch Araber, aber er tut es nicht gern, das sieht man ihm an. Er deutet fragend auf meine Kleider, die jemand achtlos über den Stuhl geworfen hat. Ich aber beiße die Zähne zusammen und beschließe, mich nicht auf Diskussionen einzulassen. Noch ahne ich nicht, dass der Shin-Bet, Israels berüchtigter Geheimdienst, bereits ein Auge auf mich geworfen hat. Ist es jetzt schon verboten, „Gott ist groß!“ zu rufen?! Wohl nur, wenn es ein Muslim macht. Ich kann gar nicht sagen, wie abstoßend ich diese Intoleranz finde. Mein Zimmernachbar ist ein Jude aus Netanya. Ich versuche ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber er dreht sich nur wortlos zur Seite. Später bekommt er Besuch von einer jungen Frau, die beiden verständigen sich durch Gebärdensprache. Na gut. Aber dass er taubstumm ist, bedeutet ja noch lange nicht, dass er mit mir geredet hätte, wenn er es könnte. Nach meinen Erfahrungen hier können durchaus auch Behinderte Rassisten sein.
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Es kommt zwar vor, dass mich Menschen hier vordergründig freundlich behandeln, mir zulächeln, den Weg erklären und „You’re welcome“ sagen, aber das wirkt irgendwie herablassend, so als wollten sie sagen: „Ich (als Angehöriger des auserwählten Volkes) kenne den Weg, du (Araber) kennst ihn nicht, und ohne mich wärst du völlig hilflos.“
So ergeht es mir überall im Land, ob ich mit meinem Marwan-Barghouti-Shirt bei den „Victims of Arab Terror“ um eine Spende bitte, mich in Kiriat-Arba um eine Wohnung bewerbe oder versuche, auf die Rednerliste beim Yisrael-Bejtenu-Parteitag zu kommen. Auch ins Büro des Ministerpräsidenten lässt man mich nicht hinein, obwohl ich Benjamin „Bibi“ Netanjahu nur mal guten Tag sagen möchte. Der Rassismus reicht hier also bis in die höchsten Staatsämter.
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Die demütigende Personenkontrolle am Airport in Tel Aviv ist die vorerst letzte schlimme Erfahrung, die ich in diesem Apartheidstaat mache. Auf dem Rückflug nach Deutschland denke ich noch lange über meine erschütternden Erlebnisse nach. Ich habe den falschen Oberlippenbart wieder abgenommen, meine Brille wieder aufgesetzt, trage jetzt ein ganz normales Che-Guevara-Shirt. Fast bin ich mir ein wenig fremd geworden. Aber was ist das im Vergleich zum Schicksal der Palästinenser, die täglich als Bürger dritter Klasse diskriminiert werden.
Mein einziger Trost ist, dass sich mein Buch verkaufen wird wie Schnittbrot.