Hier einige Zitate aus einer Rede gehalten vor fast 2000 Jahren (in den Jahren 66-70 unserer Zeitrechnung) von Ananus, einem Hohepriester der Juden, zur Zeit als die Zeloten die Macht an sich rissen und das jüdische Volk terrorisierten (Die Zeloten führten am Ende die Zweite Zerstörung des Tempels und die Zerstreuung des jüdischen Volk herbei, ein ganz und gar nicht einmaliges Ereignis der jüdischen Geschichte, weder in Motivation noch Resultat). Die Zitate stammen aus Flavius Josephus’ „Der jüdische Krieg“, 4. Buch, 3. Kapitel, 162 (10.). Die Sprache ist altertümlich, obwohl eine leicht modernisierte Version aus 1836 (L.V. Rieger & Comp.), 1901 revidiert worden ist. Ich habe sie so übernommen, wie ich sie gefunden habe. Wer sich für das Ganze interessiert, lese am besten das vollständige Werk, am billigsten zu haben in der Goldmann Gelbe Taschenbücher Ausgabe in zwei Bänden (1642/43), die auch sprachlich etwas (aber nicht viel) weniger antiquiert wirkt.
Was ist da zu lesen? Hier einige Beispiele:
162 (10.) Als nun wieder einmal das Volk bei einer solchen Versammlung war, und sich allgemein der Unwille über die Besetzung des Heiligthums [durch die Zeloten], die vielen Plündereien und Meuchelmorde [durch die Zeloten] Luft machte, ohne dass man jedoch schon den Muth gefunden hätte, sich zur Rache dafür aufzuraffen, da man die Zeloten, wie es auch der Sachlage entsprach, für schwer angreifbar hielt, da trat Ananus in ihrer Mitte auf, erhob zuerst seinen Blick wiederholt zum Tempel, wobei sich seine Augen mit Thränen füllten, und begann dann folgendermaßen: ….
167 Habt ihr sie denn nicht damals, als sich die ersten zusammenrotteten, und ihre Zahl noch geringe war, voll Nachsicht gewähren lassen und so durch euer Stillschweigen selbst zu ihrer Vermehrung beigetragen? Habt ihr nicht auch, wie sie sich ihre Hände zu wappnen begannen, ruhig zugesehen, um so das Schwert der Räuber euch an die eigene Kehle zu setzen,
168 anstatt schon ihren ersten Anlauf zu unterdrücken, als sie zunächst nur mit Schmähungen sich an eurem Fleisch und Blut vergriffen? Ihr aber habt euch darum gar nicht gekümmert und so die Schurken auch noch zum Rauben und Stehlen förmlich herausgefordert und kein Wort dazu gesagt, als sie selbst ganze Häuser zu verwüsten anfiengen. ….
178 Sonach wollten wir also zwar die Herren der Welt nicht mehr dulden, wohl aber die Tyrannei unserer Stammesgenossen uns gefallen lassen.
179 Es dürfte indes verzeihlich sein, wenn Jemand einem auswärtigen Herrn gehorcht, weil ihn eben einmal sein Glücksstern verlassen hat, aber dem Schurken im eigenen Hause den Platz räumen, das ist gemein, weil selbstgewollt.
189 Gebet euch andererseits der vollen Ueberzeugung hin, dass, wenn wir den Sturm auf das Gesindel wagen, das schlechte Gewissen ihren Arm lähmen, und dass den Vortheil der Höhe kluge Berechnung unsererseits wettmachen werde.
Ananus sieht in den in seinem Aufruf nicht die Römer als hauptsächliche Feinde der Juden, sondern die Zeloten (auf Hebräische „Kanaim“), die durch ihren Fanatismus das jüdische Volk, durch seinen Aufstand gegen Rom in den Abgrund führte. Dieser Aufstand hatte rund eine Million tote Juden gekostet. Ananus war ein Gegner der Zeloten und wurde, wie viele andere Juden, von diesen ermordet.
Warum bringe ich ausgerechnet solche literarische Antiquitäten? Ersten ist es immer wieder interessant Flavius Josephus zu lesen. Erst las ich, als Primarschüler, „Der jüdische Krieg“ von Lion Feuchtwanger und dann dasselbe Thema nochmals aus der Feder von Flavius Josephus. Beide stehen noch heute in meiner Bücherei. Schon sehr lange nicht mehr war das dort behandelte Thema so aktuell wie heute. Wo sehe ich Parallelen?
Nehmen wir 178: „Sonach wollten wir also zwar die Herren der Welt nicht mehr dulden, wohl aber die Tyrannei unserer Stammesgenossen uns gefallen lassen“. Die Herrscher der Welt, die uns mit recht wenig Erfolg „tyrannisieren“, sind die UNO und die arabische Welt. „Unsere Stammesgenossen“, das sind die Parteien und Vertreter der extremen nationalistischen Parteien, die organisierten Siedler, ultraorthodoxe Parteien, die dem Land viel Substanz stehlen und deren „zionistischen“ Flügel sich in der Westbank nicht nur siedelnd bemerkbar macht und weitere reaktionäre Bewegungen der jüdischen Gesellschaft.
Die Römer nehmen in dieser Parallele einen hinteren Platz ein. Vielleicht so wie heute die Palästinenser, die eine Bedrohung für Israel darstellen, mit der wir aber – im Unterschied zu den Römern vor zweitausend Jahren – fertig werden. Ich habe wiederholt geschrieben und stehe dazu, dass die grösste Gefahr für das Überleben Israels nicht von den Arabern kommt, sondern von unseren eigenen nationalistischen Extremisten und Grossisraelromantikern, den Zeloten unserer Tage, den politischen Apokalyptikern unser Tage, wie es Carl Schneider im der Propyläen Weltgeschichte (Band 4) in Bezug auf die Originalzeloten gekonnt schreibt. Das sind nicht nur die extremistisch rechten Parteien, das sind genau so die heutigen Kahanisten, gewisse aber doch zahlreiche Rabbiner und Ideologen des Gush Emunim, die Juden in Hebron und die Hügeljugend, die palästinensische Olivenhaine zerstören, palästinensische Familien attackieren, Betende ermorden, Moscheen anzünden und sich so benehmen, wie sie es anscheinend vom palästinensischen Terrorismus gelernt haben. Sie haben die Träumer, die dennoch Realisten waren (Ben Gurion: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“), die Sozialisten, Marxisten und wenige religiöse Pioniere, deren Ideologie, Hartnäckigkeit und Hände das Land aufbauten und zum Grünen brachten, abgelöst. Heute lässt sich die israelische Regierung von unseren modernen Zeloten, die bewaffnet und voller Hass auf vernünftige Juden, Araber und jeden der nicht so agiert wie sie, manipulieren. Diese Zeloten heutiger Tage sind nicht alle religiös, es gibt unter ihnen auch sekuläre Ideologen eines reaktionären Nationalismus und der Reaktion und Auslöser der (sagen wir es mal offen) Kolonisation der Westbank, denen es nichts ausmacht über ein anderes Volk, den Palästinensern, zu herrschen oder es zu verjagen und es fast so sehr terrorisieren, wie diese sich selbst terrorisieren - das aber nur nebenbei.
Es geht nicht darum, dass wir die besetzte Westbank von heute auf morgen verlassen, wie es in Gaza und Südlibanon geschah – Fehler, aus denen wir gelernt haben sollten. Dazu ist es zu spät. Wir hätten in 1967 diese Westbank wieder freigeben müssen, doch Übermut und eine übersteigerte Selbstsicherheit (als „Miteroberer“ der Westbank war ich war auch davon befallen) gehörte in den folgenden Jahren zur nationalen Psyche Israels und verhinderten weiseres Denken, auch wenn die „drei Neins aus Khartum“, diesem nie abgeklungenen Ausdruck grundsätzlichen arabischen Judenhasses, keinerlei offizielle Kontakte zu arabischen Staaten gestatteten. Yeshayahu Leibowitz warnte schon damals eindringlich davor in den besetzten Gebieten zu bleiben, die Besetzung würde uns korrumpieren - was tatsächlich auch geschah. Er warnte nicht aus Liebe zu den Palästinensern, sondern aus Liebe zu Israel. Israel könnte, so sagte er, ein faschistischer Staat werden – es gibt heute einflussreiche Kräfte, die in diese Richtung arbeiten: die Zeloten unserer Tage. Nicht nur sie, die den Beweis ihrer Absichten schon unzählige Male erbracht haben, denken wir an Rabins Ermordung, an die Tötung der 29 betenden Muslime in Hebron und andere von Juden verübten rassistische Untaten in Israel selbst und in der Westbank. Auch wenn die überwältigende Mehrheit der Israelis diese nicht akzeptiert und die Täter – falls sie überleben – ins Zuchthaus wandern, weisen solche „zelotische“ Aktivitäten in eine fatale Richtung. Nach politischen Morden aus jüdischer Hand wird zwar nicht in den Strassen getanzt und Bonbons verteilt, wie in Palästina üblich, statt dessen schämt sich die grosse Mehrheit der Israelis und trauert. Denn damit sänken wir auf ein Niveau, das ein anständiger Jude nicht ertragen kann. Das aus dem Schweizerischen abgeleitete Sprichwort „Wir doch nicht, die anderen tun’s ja auch“ (Mir nöd, die ja au!) wäre dann nicht mehr ganz so amüsant.
Wir brauchen unsere palästinensischen Nachbarn nicht besonders lieben oder von ihnen nicht geliebt werden. Alles was wir wollen ist Frieden und ein normales Zusammenleben – ob diese Nachbarn das auch wollen, lasse ich hier für einmal offen. Als Individuen kann man auch mit Palästinensern und aus der Westbank Freundschaften pflegen, wie ich sie mit israelischen Arabern und Drusen pflege. Das geschieht und ist ein Lichtblick und eine Hoffnung für die Zukunft.
Die pro-palästinensische Terrorlobby, wie etwa die „Jüdinnen und Juden für einen gerechten Frieden in Palästina“, einer aus den USA stammenden Ideologie, jedoch auch in der Schweiz lautstarken internationalen Gruppierung extremistischer Apologeten jeglicher palästinensischen und islamischen Missetat, die, wenn man ihre Argumentation und ihre Aktionen verfolgt, Israel grundsätzlich ablehnt und den palästinensischen Terror „versteht“, hat in den Zeloten von heute ein verständliches Ziel für ihre Angriffe auf Israel gefunden. Ein gefundenes Fressen, sozusagen. Leichtfertig, als hätten sie aus der Geschichte nichts gelernt, gehen „unsere“ gewalttätigen Spinner mit dem jüdischen Staat auf eine rückwärtsgewandte fundamentalistische Weise um, die seine Zukunft gefährdet und auf die Länge sogar dieser Terrorlobby und deren Klientel recht geben könnte, auch wenn diese es nicht verdient.
Mittwoch, 20. Januar 2010
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