Samstag, 10. September 2011

Im Nahen Osten nicht viel Neues



Der Hintergrund

Ich mag unter den israelischen Parteien den Likud nicht, noch weniger die Faschistoiden der extremen Rechten, angefangen bei Lieberman bis hin zu den Araber und sogar moderate Linke hassenden Siedlertypen und parasitären Extrafrommen. Leser meiner Zeilen wissen das und das Warum brauche ich daher nicht zu wiederholen.

Aber trotz dieser extrem ideologischen Landschaft der rechten Seite von Israels politischem Spektrum ist seine Situation der „Isolation“ nur relativ wenig auf seine eigene Politik zurückzuführen, im Gegensatz zu dem was uns Kommentatoren einzureden versuchen. Diese übertrieben dargestellte israelische Isolation in der Welt hat vor allem einen Grund: die westliche Welt versteht bis heute nicht, in welch hypergewalttätigen und irrationalen Ecke der Welt der kleine demokratische Staat Israel sich behaupten muss! 

Israel lebt in einer Region, deren Zivilisation und auch Kultur sich seit fünfhundert Jahren nicht mehr entwickelt hat. Sie ist also in der Situation Europas vor fünfhundert Jahren stehen geblieben. Eine Aufklärung des Islams und seiner Gesellschaft hat es nie gegeben, Literatur wird im Vergleich zum Rest der Welt (auch ehemalige Kolonien sind dabei), in Mengen herausgegeben, die gerade im Vergleich zu industrialisierten Ländern (also nicht nur dem Westen) einen kleinen Bruchteil derer Menge Literaturerzeugnisse beträgt. Das ist eine Tatsache, die sich schwer mit der wundervollen Literaturgeschichte der alten arabischen Welt verträgt. Vom Analphabetismus ist fast die Hälfte der arabisch Menschen dieser Welt betroffen. Noch nie war es so leicht zu beobachten, wie die arabische/islamische Gesellschaft mit ihren fast 400 Millionen Seelen der Gewalttätigkeit verfallen ist, wie sehr Frauen auf schlimmste Art und Weise, entrechtet, unterdrückt und getötet werden. Andersgläubige werden verfolgt und ihre Religionen sind oft verboten. Die Zahl der Christen nimmt dramatisch ab, in Irak sind es seit dem Sturz Saddam Husseins gerade noch 40% der früheren Zahl, in der palästinensischen Westbank fliehen Christen in den Westen - in Bethlehem sind statt den früheren 80%, gerade noch etwas 20% der Einwohner Christen. Der Islam, die Leitreligion der arabischen Welt, hat sich seit Jahrhunderten nicht entwickelt und trägt nichts dazu bei, die arabische Gesellschaft zu modernisieren. Weder sozial, wirtschaftlich oder gar wissenschaftlich. Diese Gesellschaften sind rückwärtsgewandt und arabische Menschen, die sich Fortschritt und Freiheit wünschen, müssen sich zu deren Realisierung vorwiegend ins Ausland absetzen. Obwohl man, vielleicht sogar mit Recht, denken kann, dass die grosse Mehrheit der arabischen Völker friedlich leben und arbeiten möchte, wird die arabische und islamische Welt heute von deren extremistischen und gewalttätigen Gruppen vertreten – moderate Kräfte sind terrorisiert und schweigen. All das ist hervorragend dokumentiert, wie in den Human Development Reports der UNO.
 
Die Situation

Gelegentlich, wenn ich Grossdemonstrationen in arabischen Städten im Fernsehen verfolge, in den Hunderttausende oder Millionen hysterischer Menschen toben und Parolen der Gewalt gegen den Westen, die USA und Israel (meist im Multipack) schreien, erinnere ich mich an alte Nachrichtenfilme aus Nazideutschland, in denen Massenaufmärsche zu sehen sind – ähnlich in Konzept und Aussage, auch wenn die Nazis viel ordentlicher und im Stechschritt marschierend zu sehen waren. Noch sind wir nicht so weit wie Deutschland, das den Zweiten Weltkrieg verlor und es fertigbrachte, mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen (was Japan bis heute nicht getan hat). Nach dem Krieg und bis heute, will keiner je ein Nazi gewesen sein. Aber so weit, dass kein Araber je Jihadist gewesen sein will, sind wir im Nahen Osten noch lange nicht. Vorher muss noch einiges geschehen, vor allem in der arabischen Psyche, Erziehung und Politik.

Die demokratische Welt des Westens ist/war sich gewohnt mit arabischen Tyrannen – seien sie Könige oder (meist militärische) Diktatoren - zu leben und sie zu Partnern für ihre Geschäfte zu haben. Zurzeit wurden und werden einige zu Fall gebracht, ohne dass jedoch demokratische Verhältnisse am Horizont zu erkennen sind. Ob sich das in der Anerkennung Israels als demokratischer Staat der Juden auswirken wird oder nicht, bleibt noch unklar.
Auch wenn die heutige Regierung Israels mit Lieberman und Nethanyahu der Welt nicht den Eindruck besonderer Friedensliebe vermittelt und mit einigem Recht, als unversöhnliche, arrogante Vertreter des Grossisraelgedankens gesehen werden, sind sie nur bedingt für den Zustand der sogenannten „Isolation“ Israels verantwortlich. Was Friedensverhandlungen mit den Palästinensern betrifft, sollte es heute jedem wirklich vorurteilslosen Betrachter klar sein, dass weder Mahmud Abbas noch Bibi Nethanyahu einen wirklichen Frieden wollen. Ersterer führt Arafats Tradition der Verlogenheit fort, der Zweite kann sich nicht von seiner ideologischer Besessenheit lösen. Verhandlungen sollen Selbstzweck sein und übertrieben gesagt, noch einige Generationen weitergeführt werden. Abbas will, so sagte er öffentlich, allerdings nur in Arabisch, die Zweistaatenlösung als ersten Schritt der Ausweitung seines Palästinas bis ans Mittelmeer sehen. Nethanyahu versteckt sich hinter Israels Sicherheitsansprüchen, damit die Siedlungen in der Westbank bleiben.

Neu ist hingegen die Lage gegenüber dem arabischen Frühling, vor allem in Ägypten und der weiter schreitenden religiös-reaktionären Entwicklung der Türkei. Dass es sich hier um eine geplante Aktion Erdogans gegen die Existenz eines jüdischen Staates handelt, sollte inzwischen jedem seit dem Zwischenfall am 29. Januar 2009 an der WEF in Davos und den nachfolgenden Vorfällen klar sein. Seither führt die türkische Regierung ihre antiisraelischen Aktionen planmässig fort. Das hat weder mit Nethanyahu oder Liebermanns kaum je klugen Kapriolen zu tun, sondern mit Erdogans Hass auf Atatürks humanistisches Erbe, das er zerstören will, um seinen Anspruch auf die Führung der islamischen Welt wahr zu machen.

Gestern Nacht fand in Kairo ein Angriff auf die israelische Botschaft durch einen ägyptischen Mob statt. Sechs Botschaftsangehörige mussten evakuiert werden und das Botschaftspersonal musste sich mit Hilfe der ägyptischen Regierung nach Israel retten. Täter waren vordergründig die ägyptischen Revoluzzer, die den „arabischen Frühling“ eingeleitet hatten. Wie ich nun von verschiedenen Quellen höre und lese, waren die wenigen hundert hysterischen Angreifer direkt aus der grossen Moschee gekommen, in der sie, so hörte ich eben, dazu motiviert worden seien. Ob das stimmt, weiss ich nicht, doch es demonstriert, wie weit schon islamische Reaktionäre Ägyptens die Aspirationen der Demonstranten der ersten Stunde abgelöst haben.

1 Kommentar:

Gaby Leibundgut hat gesagt…

Lieber Uri
Danke für Deinen gestrigen Tagebucheintrag. Die klaren Worte zur arabischen Situation veranlassten mich, den ganzen Text mit dem Namen des Autors und dem Zusatz "Schweizer in Israel" auszudrucken. Ich werde ihn an einige meiner politisch interessierten, nicht jüdischen Freunden geben. Die Information durch die hiesigen Medien ist, wie Du weisst, leider sehr einseitig. Da tut es gut, einen solchen Text als Grundlage für die Diskussion zum Nahen Osten zu haben. Die Hintergründe zu kennen sind m.E. wichtiger, als die überzeichneten Sensationsberichte unter dem Titel "Menschenrechte". Vor allem heute, 9/11, wenn man auf allen TV Sendern Rückblicke auf die Geschehnisse in New York und Washington D.C. sieht und klar erkennen kann, was der Hintergrund jener Attacken war. Wie schon 1993 wollte man die USA auch 2001 dazu bringen, sich von ihrer Politik der Unterstützung Israels abzuwenden. Das ist meine Überzeugung. Herzlichen Gruss, Gaby