Freitag, 7. Oktober 2011

Zu Yom Kippur



Der Yom-Kippur Krieg 1973


Obwohl 1973 in der Schweiz lebend, war ich auch Bürger Israels. Am 1. Oktober 1973 flogen wir nach Israel um die Bar Mitzwa unseres Sohnes Jehoshua zu feiern. Am 4. Oktober griffen Ägypten und Syrien Israel an und der Yom-Kippur Krieg war ausgebrochen. Wenige Tage später wurde ich eingezogen, während viele andere im Ausland lebende Israelis nach Hause geschickt wurden. Anscheinend war ich schon dazumal populär. Ich blieb im Aktivdienst für 8 Wochen, dann erst durfte ich nach Hause in die Schweiz zurückkehren. Ich bin bis heute meinem damaligen Arbeitgeber Swissair dankbar, meine Familie in dieser Situation umfassend unterstützt und mein Salär auch während dieser Zeit in "fremden" Kriegsdiensten, weiterbezahlt zu haben. Die Anklage gegen mich beim Zürcher Divisionsgericht 6 wurde eingestellt. Der Untersuchungsrichter zeigte Verständnis und auch Sympathie. Da ich auf Grund israelischer Gesetze eingezogen worden, ohne mich offiziell freiwillig zu melden (gewehrt hatte ich mich allerdings auch nicht), hätte ich mich nicht strafbar gemacht.

Meine Aufgabe war es, in einem sehr grossen Armeelager täglich morgens um sechs einen Eisenbahnzug in Empfang zu nehmen, der mit im Kampf beschädigtem schwerem Kriegsgerät beladen war. Ich untersuchte jeden kaputten Panzer, jede Kanone, jedes Raketenträgers etc. darauf, ob sie nicht mit Sprengfallen vermint wären und musste mit Unterschrift bestätigen, es sei koscher. Eine Sprengfalle hatte meinem Vorgänger, wie mir gesagt wurde, bildlich den Kopf gekostet – der Grund dafür mich, da Sprengspezialist, einzuziehen. Zudem entfernten mein Chauffeur und ich die Munition dieser Fahrzeuge und brachten sie anschliessend zu einem Munitionsdepot. Die Tatsache, dass sich in vielen Panzern tote Soldaten, Israelis und Araber befanden, war einer der Gründe, die mir noch für sehr viele Jahre Schlafstörungen verursachte.Dazu ist nur hinzuzufügen, dass ich für die herbeigerufenen Chewra Kaddischa Männer des Militärrabbinates noch immer grosse Hochachtung habe. Sie machten keinerlei Unterschied zwischen arabischen und jüdischen Gefallenen, beerdigten die Muslime temporär und riefen die Zuständigen ihrer Religion das Nötige zu veranlassen. Ausdrücklich sagten sie mir: "Für uns sind alle Toten gleich und wir behandeln Muslime mit der gleichen Achtung wie Juden". Dies Aussage habe ich nie vergessen. Vielleicht ist es interessant zur Kenntnis zu nehmen, dass der Oberrabbiner der Armee zu jener Zeit Mordechai Piron war, in späteren Jahren Rabbiner der Israelitischen Cultursgemeinde Zürich. Dieser Respekt gegenüber toten Feinden ist heute weit weniger vorhanden. Grund dazu ist die Radikalisierung des militärischen Klerus in den letzten Jahren.

Ganz besonders seit wir wieder in Israel leben, kommen diese Erinnerungen an Yom-Kippur hoch. Soweit zur Feier des Tages.

Zu Tode differenzieren

Das Wort „differenzieren“ steht gemässe Duden für:


Wiederholt wird mir vorgeworfen, ich drücke mich in meinen Texten nicht differenziert genug aus. „Du musst doch differenzieren und nicht alles in einen Topf werfen“ sagt man mir. Als ob ich gerade das tue. Differenzieren ist schön, eine seiner Eigenschaften ist Massentrends und Massenverbrechen in einen Haufen Einzelfälle zu zerlegen, um damit zu vermitteln, alles nur als Einzelfälle statt als Ausdruck einer kleinen, grossen oder gar weltumspannenden Gruppierung zu sehen. Zu differenzieren wird in den heutigen Tagen besonders im Zusammenhang mit arabischem Terrorismus oder dem damit verwandten Konflikt zwischen den Palästinensern (früher Südsyrern) und Israel verlangt. Wer nicht genügend differenziert wird zum Islamophoben ernannt.

Millionen Muslimischer Frauen in Ägypten, Sudan, Somalien etc. werden beschnitten. Ein Eingriff, der ihre Gesundheit und Sexualität schädigt und ihren Status als Menschen zweiter Klasse in ihrer Kultur mit noch mehr Nachdruck bestimmt. Differenzieren wir das, ist jede dieser Frauen ein Einzelfall, der als kulturelle Eigenart ihres Volkes verstanden und akzeptiert werden muss. Das, statt diese „kulturelle Eigenart“  als das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich als Menschenrechtsverstoss erster Güte.

Zum Thema Ehrenmorde fand ich im Blog „Politically INcorrect“ zu-tode-differenziert/folgendes: „Winfried Hassemer, früherer Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, sorgt mit der Forderung nach einer strafrechtlichen Relativierung von “Ehrenmorden” für Wirbel. In einem Interview von Spiegel Online sprach sich der frühere Strafrechtsprofessor für mildere Strafen aus. Hassemer sagte wörtlich: “Ich finde, bei einer derartigen Tat müssen auch der soziale Kontext und die Sozialisation des Täters bedacht werden.“ Die auf deutscher Leitkultur basierenden Strafgesetze Deutschlands werden damit unterlaufen und die heutigen zivilisatorischen Errungenschaften relativiert und beschädigt.

In der selben Quelle fand ich einen Abschnitt der auch, ohne Araber zu bemühen, den unbedarften Drang nach Differenzierung, koste es was es wolle, schön beschreibt:

„Wenn ein Mafiakiller einen Richter tötet, ist das nicht sein Beruf? Muss man das nicht differenzieren? Hat der gute Killer das nicht so gelernt, ist es nicht aus seiner Sicht Recht und Ordnung, was er tut? Und wenn eine überforderte Mutter und ihr gewaltbereiter Ehemann ihre beiden Kinder im Schrank einsperren, und qualvoll verhungern lassen, ist es dann nicht das Ergebnis ihrer Sozialisation, ihres sozialen Kontext? Und wo wir schon dabei sind, zu differenzieren: sollten wir dann nicht auch mal die Schuldfrage der Deutschen überdenken? Schließlich war es eben die Kultur der Nazis, Juden zu töten. Und wenn es ihre Kultur war, kann es denn noch böse gewesen sein?“

Noch überzeugender ist folgende Aussage aus demselben Blog:

„So kann man alles zu Tode relativieren, wenn man nur will. Und dabei fast nebenbei die Werte unserer Kultur auf dem Scheiterhaufen seiner eigenen Verblendung verbrennen. Unsere Werte sind nicht relativ, sondern absolut. Mord ist schlecht, ist böse. Unumstößlich, unveränderbar. Denn das Ableben eines Menschen lässt sich nicht relativeren!“.

Dieser Missbrauch des Differenzierens trägt viel zur heutigen durch „Politische Korrektheit“ verursachten Misere bei, in der Schwarz weissgewaschen, Weiss schwarzgewaschen und aus Bösem Gutes herbeigeschwafelt wird. Differenzieren ist eine gründliche Art zu denken, so lange diese Gründlichkeit nicht ins Lächerliche gezogen wird – so wie oben beschrieben. Dann ist sie nicht nur übel, sondern vernebelt unsere Sicht und gefährdet damit unsere Zukunft.

2 Kommentare:

esther hat gesagt…

Oh Uri, bitte lass dich nicht auf endloses differenzieren, anaylsieren, katalogisieren, dämonisieren, paralysieren, hydrolysieren, und was es da sosnt noch für nette Möglichkeiten gibt, Dinge so zu zer-denken, dass ihr ursprünglicher Gehalt nicht mehr erkennbar ist, ein!
Schreib bitte weiter einfach aus dem Bauch heraus!
chag sameach, shana tova ve chatima tova!

Heimo Geske hat gesagt…

à contraire zu Esther's Kommentar: undifferenziert wäre Dein Tagebuch uninteressant für mich - ich finde, du bringst die Themen genau auf den Punkt & hoffe, du differenzierst & analylisierst weiter (dämonisieren oder paralysieren habe ich nicht erkennen können & der Begriff hydrolisieren ist mir bislang unbekannt) - wie sonst soll man kritisieren, Schwachstellen aufzeigen, Stellung beziehen, sich gegen Unrecht wehren - mit einer wischi-waschi-Haltung aus dem Bauch heraus ist das nicht getan - der Bauch gibt gefühlsmäßige Einschätzung, oft recht ungenau, der Verstand gibt klare Einschätzung - sowohl Menschen die nur aus dem Bauch heraus handeln, als auch rein vom Intellekt regierte Menschen sind mir unheimlich - ein gesundes Mittelmaß scheint mir angebracht & IMMER sollte der Verstand den Bauch regieren - nicht umgekehrt!