Donnerstag, 30. April 2009

Yom Ha'atzma'ut - Israels Unabhängigkeitstag

29.4.2009



Gestern Abend wurde der Opfer der Kriege Israels, zusammen mit den Opfern des arabischen Terrors gedacht. Heute Abend wird dieser Gedenktag von den Feiern des Israelischen Unabhängigkeitstags abgelöst. Die offizielle Feier in Jerusalem geht gerade zu Ende – morgen wird Israel ein einziger gigantischer Verkehrsstau werden, die Bürger – vor allem Juden und Drusen - fahren zu Picknicks und überfüllen jeden freien Platz in der Natur. Das ist schön so, der Picknick, nicht die Staus, die kein Picknick sind. Die offiziellen Feiern beider Tage, die des Opfergedenkens und der Unabhängigkeit sind beide sehr militärisch geprägt. Damit steht Israel nicht allein, Nationalfeiertage vieler Länder haben diese leidige Eigenschaft, aber in Israel hat es einen wirklichen Grund. Trotz Feiern und schönen Reden sind wir noch immer im Krieg und es sind eben die Soldaten, die die Fehler der Politiker ausbügeln müssen, um den Weiterbestand unseres demokratischen Staatswesens – der einzigen wirklichen Demokratie in dieser Gegend islamischen Hasses, Gewalt und Rassismus. Das ist bestimmt der Hauptgrund für den mangelnden Frieden und für das noch immer mangelnde Vertrauen der Israelis an eine wirkliche Friedensbereitschaft seiner Feinde.

Israel hat in den 61 Jahren seines Bestehens Fehler gemacht. Man kann lesen es habe auch Friedenschancen verpasst – theoretische wenigstens, denn im Nachhinein ist man immer klüger. Aber Israel hat auch viele Risiken für Frieden auf sich genommen. Die Antwort darauf waren überwiegend Raketen, Terrorismus, Aufrufe zum Hass, Verleumdungen, mehr Blutvergiessen und weniger Sicherheit. Und nicht zu vergessen, eine fortlaufende historische Kampagne mit dem Ziel, Israels Existenz zu delegitimieren. Bernard Lewis, der grosse alte Mann aus Princeton, Doyen des Orientalismus und der Islamwissenschaften, sagte es so: "Es gibt keinen Kompromiss zwischen Existenz und Nichtexistenz." (Zwar wird Bernard Lewis angeklagt, er streite den türkischen Völkermord an den Armeniern (1915) ab, was aber nicht stimmt. Was er nicht anerkennt, sind die Parallelen zwischen dem jüdischen Holocaust der Nazis und dem Schicksal der Armenier, eine Haltung, die er in einer gefilmten Konferenz sehr interessant erklärt. Aber das gehört nicht zum hier behandelten Thema.) Zurück zu Israel. Lewis bringt mit seinem Satz die Problematik von Israel's Überleben auf den Punkt, den Klugscheisser aus der israelkritischen Szene nicht akzeptieren wollen. Können könnten sie schon, dazu aber müssten sie Ballast ablegen, Ballast wie vorgefasste ideologische Überzeugungen, die Feigheit sich der Wahrheit zu stellen, Anerkennung eines Teils der nichtjüdischen Umwelt zu verlieren und noch Einiges mehr, wie etwas Antisemitismus und – wo angebracht – Selbsthass, der durchaus nicht jüdisch zu sein braucht. Dann gibt es noch ein Kategorie Israelkritiker, die mir erst kürzlich aufgefallen ist. Das sind ältere Menschen, früher prominent und einflussreich, die aus der verzweifelten Furcht heraus, diese Prominenz zu verlieren, auf den israelkritischen Zug aufspringen. Ich will hier keine Namen nennen, es gibt sie in Israel, in der Schweiz, in Deutschland und auch in den USA. Das ist sehr schade, denn sie könnten, falls ihre Prominenz echt statt nur leer ist, anstatt Israels Existenz gehässig zu untergraben, mithelfen politische und soziale Probleme zu lösen – auch wenn sie vorgeben, mit ihren zweifelhaften Aktionen und Aussagen gerade das tun zu wollen. Wir haben in Israel gerade heute einen unglücklichen Überhang rechtsextremer Politik, dem Resultat von einundsechzig Jahren Krieg und wirklicher arabischer Friedensverweigerung und Gewalt. Das hat bei den vergangenen Parlamentswahlen Israels durchgeschlagen, denn bei weitem nicht alle Wähler eines Nethanyahu, Lieberman oder noch Schlimmerer (die es tatsächlich gibt) hat eine supernationalistische oder gar rassistische Auffassung. Ich denke man könnte es ein wenig mit den palästinensischen Wahlen in Gaza vergleichen, bei denen Hamas gewann, allein aus dem Abscheu des Bürgers vor der Korruption der Fatah heraus. Vor diesen Wahlen wurden Gazas Bürger von Fatah betrogen und jetzt von Hamasschergen umgebracht, ausgehungert (wobei darüber stark übertrieben berichtet wird), religiös unterdrückt und wiederum um die Unterstützungsgelder aus Europa und der USA betrogen. Diese werden von Hamas in Waffen und Terrorplanung investiert, statt wie von den Gebern vorgesehen, den Gazanern zu helfen ihre Infrastruktur auszubauen, Soziales und Wirtschaftliches wieder in den Griff zu bekommen, Dinge die durch die Machenschaften und Prioritäten der Hamas bewusst vernachlässigt werden und unter dem Krieg gelitten haben.

Seit Wochen werde ich gefragt, ob ich nicht Angst vor dem neuen amerikanischen Präsidenten Barrack Obama hätte, er würde Israel schaden, weil er versuche, mit dessen Feinden zu reden, statt wie bisher Präsident Bush, verbohrt jedes israelische "Mauern" gutzuheissen. Viele werden durch meine Antwort enttäuscht. Ich denke, dass nach Jahrzehnten erfolgloser Friedenverhandlungen (der Frieden mit Ägypten und Jordanien ist ein Frieden der Regierungen – und wer weiss was sein wird, wenn Mubarak nicht mehr da ist oder König Abdullah gestürzt würde), ein neuer Weg versucht werden muss. Zwar zweifle ich, dass Obama mit den Iranern Erfolg haben wird. Der Hass der Mullahs auf uns Juden ist so gross, von rein abstraktem religiösem Hass motiviert und somit Teil ihres Glaubens geworden. Die Notwendigkeit, identisch mit der anderer muslimischen Staaten, Israel als Sündenbock zu haben, ist für sie unersetzlich und obwohl künstlich und nicht geschichtlichen Realitäten entsprechend, dass Obama weder mit Logik noch Charme etwas erreichen wird. Ich kann mich irren, doch ein neuer Weg sollte gesucht und versucht werden – abbrechen kann man ihn jederzeit. Das gilt ebenso für Hamas und Hisbullah. Aus Furcht vor Iran und seinen Atombomben sind zurzeit die meisten arabischen Staaten relativ nett zu uns und bieten Frieden an. Der arabische Friedensplan der Saudis sollte wenigsten diskutiert werden. Gerade diese Gelegenheit müsste Obama ergreifen und ein wenig Druck auf die israelische Regierung ausüben – ich könnte mir sogar vorstellen, dass ein solcher Zwang Nethanyahu helfen würde, damit seine eigenen Rechtextremen unter Druck zu setzen. Wie alles ist dieser Gedanke eine Theorie – doch gibt es Theorien die zur Realität werden - der Zionismus ist so ein Fall, er hat sich erfüllt. Sich jedoch vor den heutigen Amerikanern zu fürchten ist völlig falsch und könnte dazu führen, dass Israel Obama auf einmal auf gut arabische, aber nicht jüdische Art als Sündenbock benutzen würde – das wäre ein weitere Fingerzeig, wie weit Israel auf Stil und Niveau arabischer und mittelöstlicher Politik gesunken wäre. Bis heute ist der Antizionismus unter anderem der Zwillingsbruder des Antiamerikanismus, der gerade heute weniger denn je am Platz ist.

Wie gesagt, heute war Nationalfeiertag, wir haben im Garten Steaks, Hamburger und Würstli gebraten – ich habe Heimweh auf Bratwürste und Cervelats.

Samstag, 25. April 2009

Aus der Presse

25.4.2009

Über den Mord in Payerne im April 1942 am jüdischen Viehhändler Arthur Bloch aus Bern ist ein Buch erschienen, das in der NZZ ausführlich rezensiert wird. Zwar sollte die Geschichte, die Jacques Chessex erzählt, jedem Schweizer bekannt sein, es sei denn, man versuche dem Thema schweizerischer Nationalsozialismus während den Nazijahren bewusst aus dem Weg zu gehen. Wie es heute in Payerne geschieht, wo Chessex mit dem, in meinen Augen meist ehrenwerten Titel "Nestbeschmutzer" bedacht wird. Chessex wurde an der Fasnacht verspottet, die Stadt weigert sich bis heute, der Tat und dem Opfer zur Kenntnis zu nehmen und zu gedenken.

Dazu zwei Gedanken. Erstens, was wäre geschehen, wenn Adolf Hitler trotz der für ihn hilfreichen und beidseitig gewinnbringenden Zusammenarbeit mit der Schweizer Industrie und Banken, in die Schweiz einmarschiert wäre? Als dies in Österreich geschah, wurde Nazideutschland von Menschenmassen hysterisch begrüsst und die österreichischen Nazis und eine grosse Mehrheit des Volkes bemühten sich sofort ihre Vorbilder aus dem Dritten Reich (dem dann ab sofort auch Österreich angehörte), zu übertreffen. Wenn ich die Vorgänge in Payerne, den Mord sehe ich als einen Akt vorauseilendem Gehorsams, viele Reaktionen unter Medienkonsumenten und die Berichte über heute Selbsterlebtes meiner Tagebuchleser zum Thema Juden berücksichtige, hat sich seither wenig geändert. Zwar war ich in den Vierzigerjahren noch ein Kind und kenne die Zustände jener Zeit in der Schweiz vor allem aus der Literatur und von Hanni Zweig, aber ich mache mir gelegentlich Gedanken zum Vergleich Österreich-Schweiz. Solche Überlegungen wären grundsätzlich überflüssig, wäre nicht der offene Antisemitismus in der Schweiz heute für jeden zu sehen, zu lesen und zu hören, am Ansteigen. Was auch immer, viel hat sich nicht verändert, ausser, dass wir Juden heute nicht nur Feinde haben, sondern, im Vergleich zu den Kriegsjahren, sich nichtjüdische Freunde laut und vernehmlich für Juden und Israel einsetzen. Nicht nur aus evangelikalen, sondern auch aus sekulären politischen und privaten Kreisen, die weit aktiver sind, als wir Juden in der Schweiz. Auch wenn diese Kreise in der Minderheit sind. Doch wärmen wir dieses Thema nicht wieder auf.

Heute fand ich im Tages-Anzeiger ein hervorragendes Interview mit dem SIG Präsidenten Dr. Herbert Winter. Ich war freudig überrascht zu lesen, wie er souverän und faktenkundig die ihm gestellten Fragen beantwortete. Er liess sich weder vom Interviewer noch durch Aussagen des EDA (Schweizerisches Aussenministerium) ins Bockshorn jagen und kann zwischen Wichtigem und Ablenkendem unterscheiden. Ich möchte an dieser Stelle Herbert Winter herzlich danken und widerrufe, was ihn betrifft, meine bisher gemachten Stänkereien gegen die SIG. Möge er in diesem Stil weitermachen, er beweist Talent und könnte dieses für die Schweizer Juden weiterhin gewinnbringend einsetzen. Der Gemütszustand des Schweizer Judentums, zwischen Ignoranz und Panik, schreit geradezu nach pro-aktiver Führung – jetzt hat sich die richtige Person, so denke ich, dazu geoutet. Zu seiner Aufgabe gehörend, sehe ich auch unseren Schweizer Juden wieder Mut zu geben, ihr Rückgrat zu stärken und für sich selbst einzustehen, statt das Feld weichknochigen Ersatzjuden zu überlassen, die es nicht einmal wagen, für sich selbst einzustehen und statt dessen dem Schweizer Antisemitismus in den A. kriechen. Ist das klar genug?

Freitag, 24. April 2009

Presseleuchten

24.4.2009

YouTube ist für vieles gut. Hier, von einem Freund zugespielt, eine kleine Reportage über die jüdische Genfer Demonstration anlässlich der Rassistenkonferenz in Genf dieser Tage. Ich bin überzeugt, dass Demonstrationen, in denen, wie hier, nicht nur gegen den gängigen Antisemitismus gekämpft wird, sondern eine besondere Würde und auch Fröhlichkeit dazu gehört, Schule machen müssen. Juden, besonders junge, zeigen Präsenz, haben Mut und Zivilcourage. Ich hätte gerne gewusst, wie viele Schweizer Juden dabei waren. Hier bitte die Reportage.

Wie viele Schweizer Israelis lesen wir täglich in den Online Ausgaben der NZZ und des Tages-Anzeigers, gelegentlich auch in anderen Schweizer Zeitungen. Ich wenigsten, lese sehr gerne auch den Spiegel und Die Zeit, zwei deutsche Wochenzeitschriften. Der Unterschied zwischen deutschen und schweizerischen Zeitungen ist frappant. Deutsche Journalisten setzen unseren Hauskonflikt in einen historischen Kontext, sehen ihn nicht nur als einen Streit um Land, sondern berücksichtigen auch religiöse Hintergründe, von Hassan Al-Banna bis zur heutigen Hamas und Hisbullah. Hisbullah hat nicht einmal vordergründig eine territoriale Ausrede für ihren Hass auf uns Juden – denn sie sind erstens Libanesen, zweitens Schiiten und drittens führen sie stellvertretend für ihren iranischen Paten, Krieg gegen Israel. Auf Grund, so denke ich, ihrer aggressivsten islamistischen Auslegung des Dar al Islam. Die Schweizer Presse – wenige Ausnahmen vorbehalten – begnügt sich mit Sensationen, hängt ihre Kommentare daran auf und denkt nicht daran, Berichte in den historischen Kontext zu setzen. Nicht in einen Eintageskontext, sondern in den historischen Kontext, seit der Gründung des Zionismus, dem Aufbau des jüdischen Staates, der unter anderem auch zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten für die arabische (heute palästinensische) Bevölkerung bot und immer mehr bietet – auch wenn es noch besser sein könnte. Aber unsere Araber leben in einem Staat, der ihnen volle politische Rechten gewährt (was sie damit tun, steht auf einem anderen Blatt) und können, wenn sie wollen, auf westlichem Niveau leben. Nach der Staatsgründung in 1948 bis nach dem Sechstagekrieg war Israel für Europa ein Beispiel für heldenhaftes Siegen gegen blutrünstige Feinde, Pioniere, die Wüsten und Sümpfe urbar machten und die Malaria besiegten, erfolgreich arme Juden aus der ganzen Welt integrierte, in Landwirtschaft, Industrie und Kultur unglaubliches leistete. Israel wurde zum Traum idealistischer Jugendlicher und ein herrliches Beispiel für den Erfolg sozialistischer Ideologie ohne Stalinismus, man denke an den Kibbuz und seine europäischen nichtjüdischen Fans, die in Massen nach Israel kamen, um mit aufzubauen, das Kibbuzerlebnis zu geniessen und das israelische Volk zu bewundern. Wir waren damals, kurz gesagt, in der westlichen Welt ein Hit. Als ehemaliges Kibbuzmitglied (1958-1966) kann ich das bezeugen.

Das hat sich elementar geändert. Nach dem Sechstagekrieg gab es die drei NEINs von Khartum, an die sich niemand erinnern will, denn sie symbolisierten den arabischem Hass auf Israel und den arabischen Selbstbetrug, der bis heute noch geltenden Motivation arabischer Völker, denen Selbstkritik ein Fremdwort ist. Dann gab es den Yom-Kippurkrieg, den Krieg arabischer Psychohygiene, denn er wurde ausgelöst, um die verlorene arabische Ehre wiederherzustellen. Für den arabischen "Sieg" in diesem Krieg gibt es in Kairo ein Siegesmonument, dieser Sieg wird jedes Jahr gefeiert, obwohl er eigentlich die grösste Niederlage Ägyptens in all seinen Kriegen mit Israel war. Scharon mit seinen Soldaten war beinahe schon in Kairo und hatte eine ganze ägyptische Armee eingekesselt. Nur der Druck der Grossmächte rettete die Araber vor grösster Schande und Israel vor noch mehr Eroberungen. Seither ist das winzige Israel zum Watschenmann der internationalen Politik geworden, obwohl es eigentlich nur überleben will. Ich gebe zu, die jüdische Besiedlung in der Westbank war nicht sehr gescheit, doch sie ist, so denke ich, eine der Resultate der drei Khartumer Neins: 1. Nein zur Anerkennung Israels, 2. Nein zu Verhandlungen mit Israel, 3. Nein zu Frieden mit Israel. Amos Elon beschreibt diesen Zustand ausführlich in seinem Rückblick auf die Geschichte Israels "Was ist falsch gelaufen?", den zu lesen sich lohnt.

Obiges als Ausschnitt der Hintergründe bisheriger Vergeblichkeiten der Friedenssuche. Es braucht zwei Parteien, um Frieden zu finden und Frieden zu schliessen. Beide müssen die Kosten, das Risiko und die Ehrlichkeit des Partners abwägen. Es scheint, dass wir heute in Israel eine Regierungskonstellation haben, die für einige der Friedensbedingungen anscheinend wenig zu haben ist. Das war auch schon völlig anders. Es gibt neben für mich nicht akzeptierbaren nationalistischen Gründen, auch das Vertrauen in den Partner und die Erfahrungen, die durch die Abzüge Israels aus dem Libanon und dem Gazastreifen gemacht worden sind, zu berücksichtigen. Denn in den Medien ist wiederholt zu verstehen, dass von Israel Risiken verlangt werden, die es sich heute nicht, vor zwanzig oder dreissig Jahren aber vielleicht hätte leisten können, doch damals keine Partner (ausser Jordanien und Ägypten) fand. Der von den Medien nie erklärte Unterschied zwischen israelischen und palästinensisch/arabischen Friedensgelüsten, ist die Tatsache, dass sich Israel, im Gegensatz zu den Arabern, einen wirklichen Krieg (im Gegensatz zu Kriegen gegen Terrororganisationen wie Hamas und Hisbullah) nicht verlieren darf. Es geht immer grundsätzlich um seine Existenz.

Was Schweizer Journalisten aus Israel oft vorzuwerfen ist, ist Negatives von Israel's Feinden als Aufhänger zur Anprangerung vermeintlicher oder gelegentlich sogar wirklicher israelischer Fehlleistungen zu missbrauchen. Hier ein Artikel von Claudia Kühner im Tages-Anzeiger vom 22.4.2009, der dies klar und eindrücklich demonstriert. Dazu will ich eine Geschichte über A. Lawrence Lowell, einem historischen Antisemiten und Präsidenten der amerikanischen Harvard Universität in den zwanziger Jahren, ausschnittsweise wiederholen. Ich erzählte sie vor Jahren (7.12.2005) in meinem Tagebuch. Sie illustriert diesen Trick ganz wundervoll:
… Auch wird über Lowell erzählt, er habe sich generell und laut gegen jüdische Studenten ausgesprochen, weil sie bei Prüfungen betrügen würden und überhaupt unübliche Eigenschaften besitzen. Auf den Einwand, dass alle Studenten ähnliches täten und statistisch gesehen, Studenten nichtjüdischer Herkunft noch wesentlich Unehrlicheres praktizierten, habe er gesagt: „Lenkt nicht ab, wir reden von Juden“.
Ein Ärgernis mit wenig Lichtblicken sind Leserkommentare, die ich gelegentlich im Tages-Anzeiger und der NZZ verfolge. Viele sind unterdrückt oder unterschwellig antisemitisch, auch wenn, wie ich vor kurzem feststellte, dass extreme Fälle hastig aus dem Web entfernt werden. So wie ein Leserkommentar in der NZZ-Website, als Reaktion zu den Aussagen des SIG Präsidenten Herbert Winter, in dem er als (an die ganz genaue Phrase kann ich mich nicht erinnern) "Jude mit Geld", einer der bekannten antisemitischen Schablonen bezeichnet wird. Als ich einige Stunden später diesen Brief ausdrucken wollte, war er nicht mehr da. Es ist vielleicht nicht immer Antisemitismus, aber wenn ich sehr viele Leserbriefe lese, in denen geschichtliche Fakten verdreht oder einfach ignoriert werden, frage ich mich, warum diese Leserbriefschreiber dies tun. Entweder sie wissen es wirklich nicht besser – dann wäre es an den Redaktoren, historische Tatsachen in ihren Berichten wiederzugeben. Leserbriefschreiber scheinen mehrheitlich ausser Vorurteilen, keinerlei Wissen über die Geschichte des Nahen Ostens, des Zionismus und Islam zu haben. Vielleicht haben sie gar keine Zeit [oder Interesse, Uri], sich eine wirklich fundierte Meinung zu bilden, wie ein Leserkommentar von Heiri Müller vermutet. Aber eine Meinung wollen sie trotzdem haben und geben sie kund.

Womit wir wohl leben lernen müssen, auch wenn es ärgert.

Mittwoch, 22. April 2009

Der Tag darnach

21.4.2009

Der Tag nach dem Schweizer Skandal an der Menschrechtskonferenz in Genf ist fast so hektisch wie das schäbige Verhalten der Schweizer Regierung und das beeindruckende Verhalten nicht nur westlicher Staaten als Reaktion zu Ahmedinejad's Aufruf zu Israel's Vernichtung. Auf meinen Kommentar im gestrigen Tagebuch erhielt ich eine Menge Zuschriften, oft mit Links versehen. Ich bin froh, dass nur zwei dieser Schreiben mit Ausdrücken versehen waren, die ich nicht gerne lese oder höre und ich habe die beiden Freunde darauf aufmerksam gemacht. Eine hat sich sogar schon entschuldigt! Guter Stil.

Inzwischen habe ich in einer israelischen Gratiszeitung eine Liste jener Länder gesehen, die dem Ahmedinejad während seinen Hasstiraden aus dem Plenum demonstrativ entflohen sind. Das sind: Estland, Belgien, Grossbritannien, Bulgarien, Dänemark, Tschechische Republik (zieht sich ganz aus dieser Konferenz zurück), Zypern, Österreich, Finnland, Frankreich, Griechenland, Jordanien (!), Ungarn, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Portugal, Rumänien, Slowaken, Spanien, Schweden und Slowenien. In einer anderen Zeitung fand ich auch noch Marokko dabei. Dazu kommen die Länder, die die Konferenz von Anfang an boykottieren.

Die Schweiz, die damit Mahmud Ahmedinejad zu unterstützen scheint, blieb "neutral" sitzen. Zur EU gehört sie zwar nicht, aber bisher dachte ich sie teile deren westliche Werte. Bundesrat Merz wusste wohl nicht so recht was er tat, ich bin wirklich überzeugt, dass er sich zu Micheline Calmy-Rey's Hampelmann machen liess. Denn sie bestimmt die Aussenpolitik, auch wenn sie schon einmal vom Gesamtbundesrat zurückgepfiffen worden ist. Merz ist zu seinem Pech gerade Bundespräsident. Doch diese Feststellung macht die Affäre nicht tolerabler. Soeben war in der NZZ zu lesen, MCR sei nun doch noch an die Rassistenkonferenz gekommen, so wie der Samichlaus am 6. Dezember Kinder besucht. Sie sei zufrieden mit dem Abschlussdokument. Über ihren Freund Mahmud scheint sie kein Wort zu verlieren. Es stellt sich die Frage, wieweit sie sich mit seiner antisemitischen Psychose identifiziert.

Weit mehr als obiges stimmt mich die Stimmung der anscheinenden Mehrheit der Schweizbürger traurig, soweit sie aus Leserbriefen in der deutschsprachigen Schweizerpresse zu verstehen ist. Antisemitismus setzt sich durch, die typischen Stereotypen über uns Juden werden schamlos angebracht, die Lügen über Israel Schandtaten repetiert und ausgeschlachtet - die "Israelkritik" wird immer mehr zu einem Mischmasch alter Nazitheorien und neuerer Verteufelung Israels aus der sich als "Linke" Clique bezeichnenden modernen Israelhasser, seien sie aus jüdischer oder nichtjüdischen Kreisen. Extremisten verlieren ihre politischen Ansprüche, Linke und Rechte vereinigen sich in ihrem Hass auf Israel und sich selbst. Eigentlich wollte ich einige Muster aus Leserbriefen aus der NZZ und dem Tages-Anzeiger zitieren, die ich noch heute früh gelesen hatte. Aber inzwischen haben die beiden Redaktionen offenbar gemerkt wessen Geistes Kinder ihren Website beschmutzen – es gibt keine grobantisemitischen Leserbriefe mehr, nur noch Texte, in den Antisemitismus impliziert zu finden ist. Trotzdem, Chapeau, ihr Redaktoren.

Die Zeit ist gekommen, dass sich anständige Schweizer, es gibt eine ganze Menge davon, sich zu wehren beginnen und auf die Barrikaden steigen, statt sich zu ducken. Wir Juden haben in der Schweiz noch viele Freunde und mit diesen zusammen muss es möglich sein, der Front der Israel/Judenhasser zu entgegen zu stehen. Nicht nur mit ausgeklügelten Argumenten und philosophischen Betrachtungen, denn diese haben sich, alleinstehend, als nutzlos erwiesen. Sie sollten stattdessen verbunden mit der Faust auf den Tisch kombiniert werden, durch Teilnahme an Demonstrationen und Diskussionen, an denen man sich nicht einschüchtern lassen darf und seine Argumente energisch und selbstsicher einbringen und die Verbindung zum Kontext herstellen muss. Ich gebe zu, das kann gefährlich sein, doch wenn das Schweizer Judentum eine Zukunft haben will, dann muss es sich mit Energie wehren und für sich selbst einstehen. Israel und seine Juden sind keine Unschuldslämmer, aber es muss überleben - genau so, wie die freie Welt den Nationalsozialismus überlebt und kompromisslos bekämpfen musste und entsprechend handelte, denn aus einer schwachen Position heraus kann Israel nicht überleben. Seine Nachbarn sind nicht Österreich, Italien, Frankreich und Deutschland, sondern arabisch-muslimische Staaten mit einer anderen Kultur und völlig andern Werten, die sich heute, unter dem Einfluss des fundamentalistischen Islams, noch weiter von allen Vorstellungen westlicher Kultur entfernt. Ich rede da aus eigener Erfahrung. Sogenannte jüdische Friedensexponenten, deren Motivation, neben ihrem jüdischen Selbsthass, vor allem das Einschmeicheln in die nichtjüdische Schweizer Gesellschaft ist, aus einer Unfähigkeit mit ihrem schweizerisch-jüdischen Selbst fertig zu werden, haben diese islamistischen Werte adoptiert, oder zumindest akzeptiert, ohne jedoch zu verstehen, wie gefährlich das für sie selbst ist. Für die meisten von uns ist das Judesein in einer nichtjüdischen Mehrheit kein Problem - für einige eben doch.

Etwas möchte ich einmal mehr feststellen. Ich bin kein Colonel Blimp mit der Überzeugung "My country, right or wrong". In einer Umgebung, in der seit etwa neunzig Jahren ein religiöser Antisemitismus, von der aus Ägypten stammenden Islamischen Bruderschaft in Palästina eingeführt, herrscht, haben sich heimatlose Juden seither eine Heimat erschafft, der seinen Bürgern (Juden, Araber und anderen Minderheiten) einen Sozialstaat westlicher Prägung bietet. Einen demokratischen Staat mit Meinungs- und Pressefreiheit und allem, was dazu gehört – ein immenser Gegensatz zu den Gesellschaften der Angst der arabischen Welt um uns herum. Dafür stehe ich ein, ohne jedoch den Blick für die bisher noch immer vorhandenen Missstände verloren zu haben. Wir haben einen modernen Staat, dessen Demokratie mal nach Links, mal nach Rechts rutscht – je nach jeweiligen politischen Umständen. Die heutigen Umstände haben uns eine teilweise rechtsextreme Regierung gebracht – darüber schrieb ich schon in früheren Tagebucheinträgen. Dagegen reden, schreiben und demonstrieren meine in sozialdemokratischer Tradition verwurzelten Freunde und ich, alles in demokratischem Rahmen und durch verschiedene Medien. Politischer Extremismus, wie die faschistoiden Siedler, ihre Sympathisanten und ihr Messianismus, arabischer Extremismus von Scheich Reid Salah, der Parasitismus der ultra-orthodoxen jüdischen Szene, die teilweise gar den jüdischen Staat ablehnen, aber sehr gerne seine sozialen Dienste und Möglichkeiten anzapfen – das sind alles Dinge, die wir nicht mögen, da sie eines demokratischen Staates nicht würdig sind. Würdig oder nicht, es gibt bei uns Meinungsfreiheit, die, ausgepresst bis zum letzten Tropfen, ein Grundwert unserer Staatsform bleibt, die alle diese teilweise gefährlichen Spinner zulässt, so lange sie nicht Gewalt anwenden. Israels Gefängnisse sind leider mit nicht wenig Gewalttäter gefüllt, Juden, die Araber en gros umbringen oder terrorisieren und Arabern, die dasselbe mit Juden tun. Warum soll es anders bei uns sein, als in der Schweiz, in der heute, wie oben angedeutet, ein Rassismus gegen Juden, auch Antisemitismus oder klarer, Judenhass genannt, zu finden ist, vielleicht schlimmer als in den dreissiger und vierziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Ich und meine Freunde stehen zu diesem Staat, von dem heute so viel Gutes von den Medien totgeschwiegen und von seinen Feinden verleugnet wird. Wohl weil Positives keine Schlagzeilen macht. Die Welt befindet sich in einem Krieg der Werte. Die Wahl zwischen Werten des tiefsten Mittelalters oder des demokratischen Heute fällt wenigstens mir nicht schwer.

Montag, 20. April 2009

Das Lächeln des Goebbels


20.4.2009

Heute Abend erhielt ich den Anruf eines guten Freundes, einem in der Schweiz geborenen Israeli, der seit Jahrzehnten mit seiner Familie als Landwirt in einem Kibbuz an der nördlichen Grenze des Landes lebt. Er sagte: "Ich muss mit jemandem reden, der "Schwyzerdütsch" spricht. Es ist das erste Mal in all den Jahren in Israel, dass ich mich schäme, Schweizer zu sein." Wie auch er, verfolgten wir das UNO-Theater in Genf, den Auftritt Ahmedinejads und seine höhnischen Lügen und Verleumdungen über uns Juden und unserem Staat, Israel. Wir waren froh, dass zehn Staaten das Rückgrat hatten von vorne herein auf eine Teilnahme an der Rassistenkonferenz der UNO zu verzichten und freuten uns, das viele andere Staaten, vor allem der EU, die Konferenz demonstrativ verliessen, als Ahmedinejad Ansprache mit ihren Ungeheuerlichkeiten neue Höhen der Boshaftigkeit erreichten. Wir sahen das goebbelsche Lächeln auf Ahmedinejads Gesicht, als die Zivilisation die Halle verliess. Wir freuten uns, dass der dänische Delegierte, wie nicht anders zu erwarten, den üblen Worten des iranischen Hitlerimitators eine saftige Absage erteilte.

Bei all dem war die Schweiz vielleicht physisch präsent, aber als Mitglied der zivilisierten Welt abwesend. Vor allem Rückgrat zeigte sie, traditionell bei aussenpolitischen Angelegenheiten, nicht. Mein Freund aus dem israelischen Norden schämt sich Schweizer zu sein, nicht nur weil dieser Kongress des Rassenhasses überhaupt in der Schweiz stattfindet, dass die Schweiz "neutral" wieder einmal nicht Stellung gegen das Übel schlechthin nimmt, sondern vor allem, weil sie nicht verhinderte, dass gerade dieser Kongress am Abend des Holocaust-Gedenktages stattfindet, der in Israel und von Juden in aller Welt begangen wird. Er empfindet das als einen Schlag ins Gesicht jedes Juden. Gerade an diesem Tage schenkte die Schweizer Regierung dem Judenhasser Ahmedinejad die Bühne und die Aufmerksam der Welt. Gerade an diesem Tag "durfte" der Schweizer Bundespräsident diesen Haman unserer Tage empfangen und mit ihm parlieren. Das gehört zum diplomatischen Protokoll. Zwar hörte ich von einem Mitglied der Schweizer Botschaft in Tel Aviv in den Fernsehnachrichten, Bundespräsident Rudolf Merz hätte Ahmedinejad ermahnt, Menschenrechte im eigenen Lande einzuhalten und das legale Morden von Kindern, Frauen, Homosexuellen, Bahais und sonst unbequemen Menschen bitteschön zu unterlassen. Da diese Ermahnung nicht öffentlich geschehen ist, glaube ich ihnen, Herr Bundespräsident Merz, nur bedingt. Allerdings denke ich, dass Merz, ein grundsätzlich anständiger und nicht krankhaft eitler Mensch und Freund Israels, von seiner Aussenministerin dazu verdonnert worden ist, statt ihr die Stellung zu halten und sich neutral zu geben. Calmy-Rey war zu dieser Zeit vielleicht in der jüdischen Reformgemeinde in Genf, um den Holocaustopfern zu gedenken.

Also, per Saldo freuen wir uns nicht. Ein schwarzer Tag für die UNO, für uns Juden und vor allem für die Schweiz. Auch wenn ein wichtiger Teil der zivilisierten Welt heute Stellung gegen die Barbarei schlechthin genommen hat.

Sonntag, 19. April 2009

The company you keep ......

19.4.2009

In Deutschland gibt es seit wenigen Monaten eine neue jüdische Zeitschrift. Sie heisst "SEMIT" und Claudio Casula hat dazu in seinem deutschsprachigen Blog einiges zu sagen, das mir so sehr gefällt, dass ich dazu ein paar Worte verlieren will. Claudio drückt sich sehr bildlich aus, um dieses neueste Druckprodukt zu beschreiben. Nur schon der erste Satz, den ich hier auszugsweise zitiere, bringt die Problematik auf den Punkt: "…. SEMIT aus dem Hause Abraham Melzer, eine Wichsvorlage für Israelhasser und andere gescheiterte Existenzen." Sein kristallklarer Gebrauch der deutschen Sprache macht sämtliche Zweifel des Lesers zum Thema vollberuflicher Israelkritiker überflüssig – oder eben, der Leser kann sich hinter den farbvollen Ausdrücken Casulas mit der Feststellung verschanzen, solche sprachliche Derbheiten nehme er nicht zur Kenntnis. Doch er ist ehrlich und offen, wie auch andere, z.B. Henryk Broder, Melanie Phillips, der Wissenschafter Matthias Küntzel, der Kreateur vom "Lizas Welt" Blog und andere, die offen sagen, was sie denken und nicht auf der Suche nach Streicheleinheiten aus Kreisen der Apologeten jihadistischen Terrors sind.

Vor einem Jahr stellte sich Claudio Casula so dar, wie er sich sieht. Das ohne Häme und, für einmal, ohne Zynismus, mit Ausnahme des dritten Satzes. Hier seine Selbstbeschreibung im Zitat:

"Ich bin kein Rassist. Ich bin nur ein Palästinakritiker. Kritik an Palästina, finde ich, darf in Deutschland kein Tabu sein. Man wird doch die palästinensische Politik noch kritisieren dürfen, oder sind wir schon wieder soweit? Gerade weil mir das Schicksal Palästinas so am Herzen liegt, muss ich diese wichtige und notwendige Kritik üben, um meine palästinensischen Freunde von ihrem Irrweg abzubringen, der beide Völker nur ins Unglück stürzt. Gerade als Deutscher kann ich zu ihrem Judenhass nicht länger schweigen." Claudio Casula

Damit spricht Casula zwei Dinge an: Man darf nicht nur Israel kritisieren, sondern auch Palästina. Im Gegensatz zur Israelkritik, braucht man dabei kaum zu lügen, solange wenigstens nicht, wie man als Journalist, Anti-Israel Ideologe oder selbsthassender Jude, sich nicht manchen Zugang und persönliche Kontakte zur palästinensischen Welt des wirklichen und auch potemkinschen Geschehens verbauen will. Wir alle wissen, dass kein Land der Welt so stark und umfassend angeschwärzt und kritisiert wird, wie dieser jüdische Ministaat Israel im östlichen Mittelmeerraum. Dabei stimmt ebenso, dass kein Land von seinen eigenen Bürgern so stark und umfassend kritisiert wird, wie eben Israel selbst. Das ist gut so, wir sind stolz auf diesen Beweis seiner eigentlich schon überbordenden Gesellschaft der Freiheit, im Gegensatz zur arabischen Gesellschaft der Angst, in der Kritik am Eigenen nicht toleriert wird und Gefängnis oder oft gar den gewaltsamen Tod bewirkt.

Der zweite Punkt seines Artikels über die Klientel der Zeitschrift SEMIT – ich fand unter deren Leserzuschriften den Brief einer bekannten Persönlichkeit der Schweizer Gruppe "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina" - ist die Definition jüdischer Antiisraelkritiker. Diese lautet: "Wer Freude an den Ergüssen von Avnery, Langer, Hass, Pappé, Neudeck und Konsorten hat und darauf steht, den jüdischen Staat hemmungslos zu denunzieren, zu delegitimieren, zu dämonisieren und zu dehumanisieren ….". Deshalb wäre es wichtig, dass Israelkritiker dieser Gattung, sich Casulas Selbstdefinition zu Herzen nehmen würden, denn was er sagt, auch wenn er es nicht ganz so exklusiv meint wie diese, wenn sie mangels wirklicher Argumente ihren vielzitierten "Holocaustkeule" Vorwurf bemühen.

Die Frage der Motivation

Hier bitte eine (etwas lang geratene) Bemerkung zur Motivation extremistischer jüdischer israelkritischer Gruppen in der Schweiz, da sie mir in diesem Land am "nächsten" stehen. Ich mag sie nicht, akzeptiere aber ihr Recht einseitig zu sagen und zu lügen, was sie wollen. Sie sind in ihrer Humorlosigkeit und Sucht zu Selbstdarstellung ein dankbares, wenn auch gefährliches Ziel für Ironie und, leider, Zynismus. Vielleicht auch für den Psychoanalytiker, der in die Tiefen jüdischen Selbsthasses eindringen will. Ich wurde einmal gefragt, ob ich diese Friedhofsfriedensbewegten verachte. Zwar blieb ich damals aus Höflichkeit eine Antwort schuldig, doch die Frage beschäftigt mich weiter. Vielleicht bemitleide ich sie nur für ihre Unfähigkeit, sich für etwas einzusetzen, das als einzige Antwort zu den historischen Verfolgungen des jüdischen Volkes gedacht ist (ob der Zionismus sein Ziel erfüllen wird, wird sich zeigen. Eine Alternative hat noch niemand gefunden). Die Arroganz, als Einzige wissen zu wollen, was für mich und den Rest der israelischen Bevölkerung gut sei, ihr völliger Verlass auf die Theorien, Schriften und Aussagen einer kleinen Zahl extremer jüdischer Theoretiker (Uri Avnery, Norman Finkelstein, Noam Chomsky, Ilan Pappé, Gideon Levy und ähnlicher Geister), führte zu Gruppierungen, die in der Schweiz heute den Ton angeben, da die jüdische Öffentlichkeit verschämt kaum Stellung zur "Israelproblematik" nimmt. Das überlässt sie mehrheitlich und schamlos seinen zahlreicher werdenden nichtjüdischen Freunden. Vor etwa einem Jahr versicherte mir ein Mitglied der jvjp aus Zürich (für mich stellvertretend für die gesamte Zunft), sie liebe Israel. Zwar besuche sie das Land nur alle paar Jahre, "weiss" aber alles über dessen Politik und Gesellschaft, wohl da sich an oben genannten Quellen orientiert, organisiert Vorträge mit "israelkritischen" Referenten, verkauft palästinensisches Olivenöl (ich selbst kaufe Tchina aus Nablus (weit besser als alle israelischen Tchinas und in vielen Supermärkten zu haben) und Olivenöl aus Umm El-Fahm) und ist Erstunterschreiberin der "Human Rights in Israel" Kampagne, die sie sich wohl vom bald die Schweiz besuchenden Menschenrechtschampion Ahmedinejad unterstützen lässt. Tolerante Schweizer nennen diese durchaus legitime Kampagne höflich einen Ausdruck schweizerischer Meinungsfreiheit. Ich nehme für mich in Anspruch, dass Kritik andersrum nicht weniger legitim ist. Wie wäre es, wenn eine Kampagne für "Human Rights in Switzerland" gestartet würde, mit dem Ziel, sagen wir, einer Verurteilung des Landes wegen seiner Behandlung ausländischer Flüchtlinge in den letzten Jahrzehnten, herbeizuführen. Oder wegen Unterstützung von Steuerflucht und Geldwäsche von Fluchtgeldern, so Entwicklungsvölker mit Schweizer Hilfe aushungernd und der Korruption ihrer Eliten überlassend.

Zwei Fehlleistungen als Beispiele

Statement von Shelley Berlowitz: "Eine mit den modernsten Waffen aufgerüstete regionale Militärmacht führt Krieg gegen eine Zivilbevölkerung in Gaza, aus deren Mitte heraus selbst gebastelte, eingeschmuggelte Raketen auf israelische Zivilisten abgeschossen werden". Von Hamas hat sie wohl noch nie gehört. Shelley Berlowitz schreibt in diesem Satz "aus deren Mitte heraus" werden Raketen nach Israel geschossen, damit wohlwollend zur Kenntnis nehmend, dass Hamas ihre eigene Bevölkerung zur Geisel genommen und zu unfreiwilligem Märtyrerschicksal erkoren hat. Die erwähnten selbst gebastelten Raketen sollen wohl Spielzeuge sein, eine Art Wasserpistolen mit Düsenantrieb. Dass diese "Spielzeuge" zahllose israelische Opfer gefordert haben, wird schlicht unterschlagen. Genau so die Tatsache, dass israelische Erwachsene und Kinder zu Hunderttausenden unter psychischen Störungen leiden, nicht weniger als Erwachsene und Kinder in Gaza. (Zitat aus meinem Leserbrief im Tachles 14/2009)

Der Appell in Tachles 10/2009: Der Aufruf "für ein Israel, das Menschenrechte wahrt", impliziert, dass Israel Menschenrechte eben nicht wahre. Dass es nicht so ist, weiss jeder, der sich mit der Materie seriös befasst, auch wenn in Kriegssituationen es gelegentlich einen Notstand dieser Art geben kann. Das ist gerade der Punkt – diesen Schwätzern fehlt die Empathie und das Interesse, die Wirklichkeit des Krieges überhaupt zu verstehen, ihre einäugige Sicht sieht nur ein bösartiges Israel und übersieht alles andere. Aber in keinem Krieg wurden Zivilisten so intensiv gewarnt und von eigenen militärischen Absichten auch noch schriftlich in Kenntnis gesetzt, wie im Zweiten Libanonkrieg und dem Gazakrieg. Diese Rücksichtsnahme führte sogar dazu, dass Soldaten geopfert wurden, um palästinensische Zivilisten zu schonen, wie in Jenin demonstriert. Hamas konnte sich in Gaza an den Warnungen orientieren, wo es seine Zivilgeiseln "gewinnbringend" platzieren könne.

Weitere Punkte

Die Initianten irren sich nicht in ihrer Annahme, sie seien die humanistische Minderheit und jüdische "Elite" der Schweiz. Juden in der Diaspora werden sich zwar weiterhin gedrängt fühlen, sich erklären zu müssen – etwas, das es in Israel nicht gibt. Israels Minderheiten sind die "Anderen". Ob diese sich in einem Erklärungsnotstand befinden, kann ich nicht beurteilen. Aber gerade Israel wird über politische Fragen der Menschenrechte diskutiert, gestritten und demonstriert. Und gerade in Israel werden vom arabischen Islam rassistisch verfolgte nichtarabische muslimische Flüchtlinge aufgenommen. Hunderte Darfuris und Sudanesen erhielten inzwischen ihre israelische Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis (Tagebuch 3.2.2009). Sie flohen nach Israel nicht nur vor sudanischem Terror, sondern vor der gegen sie ausgeübten Verfolgung in Ägypten und anderen arabischen Staaten. Viele sind inzwischen selbstversorgend – jüdische Israelis haben sich für sie eingesetzt und üben erfolgreich Druck auf die Regierung aus. Die Motivation der Schweizer Initianten für ihre verantwortungslose Initiative allein, wäre eine Untersuchung wert.

Ich möchte aus Platzgründen nicht auf weitere Punkte der drei Statements eingehen – nirgends wird der Verteidigungsnotstand Israel erwähnt, der auch weiter bestehen wird, wenn nach dem Abzug aus Gaza auch die Westbank judenfrei gemacht würde. Die Geschichte des Nahen Ostens der letzten hundert Jahre wird ausgeblendet, einen Kontext für den heutigen Zustand gibt es diese Propagandisten der Menschrechte – oder was sie dafür halten – nicht. Die Anteilnahme der Initianten gilt ausschliesslich den Palästinensern, auch wenn gelegentlich von der Seele Israels zu lesen und zu hören ist.

Die Gurus der Initianten sind Fanatiker wie Norman Finkelstein, Ilan Pappé und ähnliche grosse Geister. Bestimmt mehr bewusst denn unbewusst, werden wirkliche Friedensorganisationen wie "Frieden Jetzt", die Frauen "Machsom Watch" und der "Frauen in Schwarz", das "Perez-Center for Peace", die Organisation "Sikkuy" und andere Menschenrechtsorganisationen, die wirkliche Arbeit leisten, ausgeblendet. Oder, um mein persönliches Engagement ans Licht zu bringen, die Sozial- und Friedensarbeit meines Freundes Said Abu-Shakra in Umm El-Fahm, der statt viel zu weinen und zu klagen, schon weit über Tausend gefährdete arabische Jugendliche von der Strasse und damit von Drogen, Kriminalität, religiösem Extremismus und Terror bewahrt hat. Seine Galerie für zeitgenössische Kunst in Umm El-Fahm ist zum Treffpunkt vieler Friedensfreunde geworden. Dort treffen sich Künstler, Politiker, Sozialarbeiter, Intellektuelle, egal ob Juden, Araber, Drusen, Ausländer und Israelis. Dort treffen sich mutige Menschen und Organisationen, deren Motivation nicht egoistische Selbstbestätigung, Furcht vor der Anklage doppelter Loyalität, die Befindlichkeit sich in einem ständigen Erklärungsnotstand um ihr Judentum zu finden und anderen jüdische Neurosen ist.

Eine Anmerkung: Es würde wirklichen Mut von diesem Komitee verlangen, wenn es, statt auf Israel herumzuhacken, die goldene Gelegenheit der baldigen Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf beim Schopf ergreifen würde um wirkliche Menschenrechtsverletzer wie Iran an den Pranger zu stellen, dessen Verständnis von Menschenrechten täglich in den Medien illustriert wird. Irans Mullahs und ihr bestes Stück, Ahmedinejad (der in Genf sein wird), führen die Ideologie Hitlers weiter, stossen aber damit kaum und vor allem bei der Schweizer Aussenministerin nicht, auf Verurteilung. Das als Anstoss für einen alternativen und realitätsbezogenen Einsatz im wirklichen Sinne der Menschenrechte. Aber eben, dazu bräuchte es Mut. Mut oder Zivilcourage ist aber schwierig für Friedenstheoretiker, die sich nie um ihr Leben sorgen mussten und wirkliche existenzielle Probleme nur aus den Medien kennen und für das, was sie propagieren keine persönliche Verantwortung zu übernehmen haben. Damit wird Israelkritik motiviert durch jüdischen Selbsthass. Es gibt auch gute sachliche Israelkritik, es gibt kriminelle antisemitische Israelkritik, es gibt haredische Israelkritik, die Israel aus religiösen Gründen das Existenzrecht abspricht. Beschämend ist vor allem die erstgenannte.

Warum der israelische Rechtsrutsch?

Ich denke, die Mehrheit der israelischen Bevölkerung, dazu gehört auch die Mehrheit unserer arabischen Bürger und Freunde, wollen Frieden und ein gewaltloses Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern. Leider werden beide Völker seit Jahrzehnten von extremistischen Politikern und einem fundamentalistischen und reaktionären Klerus in allem dominiert und behindert, das mit Territorien, Friedensbestrebungen, Zusammenleben, gegenseitigem Vertrauen und Ähnlichem zu tun hat. Ein Alles oder Nichts ist das Resultat – so bleibt es beim Nichts. Die israelischen Wähler könnten diese Situation demokratisch bereinigen, die Palästinenser, deren Demokratie eine Farce ist, können das nicht. Ihre Gesellschaft der Angst und anderer Traditionen lassen das noch nicht zu. Seit dem israelischen Exodus aus Gaza und dessen blutigen Folgen für die dortigen Palästinenser und den israelischen Städten im Umkreis des Gazastreifens, ist das Vertrauen der Israelis in eine Friedenslösung in neue Tiefen gesunken, vorhandenes Vertrauen in den palästinensischen Partner ebenso. Das gibt nationalistischen Parteien Auftrieb. Die bisherige, auch von mir stets abgelehnte Behauptung, Palästinenser seien unfähig einen eigenen Staat zu führen, schien sich bestätigt zu haben. Das führte zum fatalen Rechtsrutsch bei den vergangenen Knessetwahlen, deren Resultat mit einem Wort zu begründen ist: "Raketen aus Gaza".

Freitag, 3. April 2009

Wafa Younes

3.4.2009
Wafa Younes, die israelische Musiklehrerin aus dem Dorf Ara im Wadi Ara ist zu einem Medienstar geworden. Aber, als ich heute Said Abu-Shakra anrief, musste ich erfahren, dass er diese Frau zwar gut kenne, aber über den Skandal um ihren Einsatz mit den geigenden Kindern aus Jenin nichts wusste. Er erzählte mir, dass Wafa ihn vor Monaten fragte, wie er ihr Projekt beurteile. Er habe ihr gesagt, sie solle es durchführen, aber auf persönliche und politische Widerstände gefasst sein. Genau das ist eingetroffen, nur noch extremer, sogar lebensgefährlicher als von Said vorausgesehen.

In einem anderen Zusammenhang, mit der israelischen Entsalzungstechnologie, die weit entwickelt aber bisher in Israel selbst kaum angewendet wird, habe ich einige Kommentare gelesen, die auf einen ähnlichen Geisteszustand, eine ähnliche "Liebe" zu Israel und seinen Juden wiedergibt, wie ihn die Fatah in Jenin besitzt. Diese hat inzwischen zwar bekanntgegeben, das alles sei nur auf unsäglichen Druck von Seiten der Hamas geschehen. Hier eine Auswahl Weisheiten zum Thema israelischer Wasserentsalzung – die auch zur Wasserversorgung umliegender Nachbarländer, vor allen Jordanien und Palästina, vorgesehen ist:

- "Eine zerstörerische Verschwörung der Israel Lobby gegen amerikanische Interessen" – Charles Freeman
- "Hardliner Juden befassen sich mit hartem Wasser" – Robert Dreyfuss, The Nation
- "Israel Apartheid in Aktion" – Jimmy Carter
- "Talmudischer Trick der internationalen jüdischen Finanzwelt" – Kahlid Amayreh
- "Lieber verdursten, als zionistisches Wasser trinken" – Ismail Hanyiye
-"Jedermann weiss, dass Juden die Quellen vergiften" – Mahmoud Ahmedinejad

Im Englischen gibt es den Spruch "Cut off your nose to spite your face" (Schneide deine Nase ab, um dein Gesicht zu kränken/strafen) – ich hoffe, dass es unnötig bleibt, den Sinn dieser Aussage erklären zu müssen. Oder die Geschichte des Skorpions und dem Frosch, die einem täglich oder wenn immer selbststrafende Reaktionen der palästinensischen Welt stattfinden, einfällt:
Ein Skorpion trifft an einem Ufer auf einen Frosch und fragt: "Kannst du mich bitte auf deinem Rücken über den Fluss tragen? Ich kann – wie du sicher weißt – nicht schwimmen." Der Frosch hat zunächst Angst vor dem giftigen Skorpion und antwortet: "Nein, das werde ich nicht tun. Ich befürchte, dass du mich Mitten auf dem Fluss mit deinem giftigen Stachel stichst und wir anschliessend beide ertrinken." Der Skorpion erwidert: "Aber, lieber Frosch, das wäre noch nicht vernünftig. Wir würden beide ertrinken, wenn ich dich auf dem Fluss stechen würde." Die Antwort überzeugt den Frosch. Als er mit dem Skorpion auf dem Rücken in der Mitte des Flusses angekommen war, sticht der Skorpion plötzlich und überraschend den Frosch in den Rücken. Sterbend fragt der Frosch den Skorpion: Warum hast du das getan? Du wirst auch ertrinken." Und der Skorpion antwortet: "Lieber Frosch, ich bin ein Skorpion. Ich kann einfach nicht anders. Mit Vernunft hat das nichts zu tun."
Nochmals meine Bemerkung zum Thema aus dem letzten Tagebucheintrag, leicht à jour gebracht: Das Ganze erinnert an ähnliche Phänomene aus der palästinensischen Welt, in der Hass auf Israel und Juden oberstes Gebot ist, wichtiger als Frieden, Nahrung, Erziehung und Gesundheit. Erinnern wir uns an das Verbot von Hamas, die will, dass palästinensische Kranke nicht mehr in israelischen Spitälern behandelt werden dürfen. Nehmen wir als Beispiel das Torpedieren der Aktion "Eine Stimme" des Palästinensers Sari Nusseibeh und des jüdischen Israeli Ami Ayalon, in der sie eine Million Unterschriften für ihren gemeinsamen Friedensplan gesammelt hatten, Unterschriften palästinensischer und israelischer Menschen. Palästinensische Extremisten bedrohten Zusammenkünfte, Konzerte und Diskussionen dieser Bewegung – heute spricht kein Mensch mehr davon – sie wurde wegterrorisiert. Frieden planen verboten!

Zahlreiche meiner Freunde und Bekannten sind der Meinung, dass die neue israelische Regierungskoalition mit Lieberman nach kurzer Zeit auseinanderfallen werde. Hoffentlich stimmt diese Prophezeiung. Mit der Philosophie des Hasses einiger ihrer Mitgliedsparteien könnte es durchaus geschehen, dass sich israelische Extremisten unter den Mächtigen ähnlich verhalten könnten, wie die oben geschilderten Fatah und Hamas Brüder.

Ich sprach mit Wafa Younes, sie wohnt nur etwa zwanzig Autominuten von uns entfernt. Said Abu-Shakra hatte mir vorgeschlagen, ihr meine Wertschätzung auszudrücken. Zu Said sagte sie, wenn ihr jüdische Sponsoren Geld gäben, würde sie in Jenin ein Irrenhaus einrichten, um Zahariah Sbeidi, ein junger, aber schon pensionierter Fatah Terrorist und Medienstar und seine Anhänger dort einzuweisen. Er habe ihr ihren Rausschmiss aus Jenin mitgeteilt und sie gleich persönlich hinausgeworfen. Wafa hat Humor und anscheinend unendliche Energie. Unser kurzes Gespräch hat mich überzeugt, dass sie nicht aufgeben wird. Sie fürchtet nicht um ihr Leben, sondern im Gegenteil, der Skandal hat sie zusätzlich motiviert, weiter zu machen.