Mittwoch, 3. April 2013

Reflexe statt Reflexionen


 
Auf meinen Tagebucheintrag von 21.3.2013, in dem ich Christian Morgensterns Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ in den Kontext nahöstlicher Hassideologien stellte, meldete sich ein wirklich guter Freund, der findet, ich dürfe es nicht den Lesern überlassen, sich über von mir erwähnte Beispiele ohne Quellenangabe zu informieren. Das sei journalistisch nicht seriös, denn man könne dem Leser nicht zumuten, selbst ein gewisses Grundwissen zu einem ihn interessierenden Thema zu besitzen. Ich kann diesen Einwand verstehen und – up to a point – auch zustimmen. Doch bin ich der Meinung, ein interessierter Leser könne sich zu jedem Thema nur dann ein wirkliches Bild machen, wenn er sich nicht gänzlich auf die Medien verlässt, sondern sich aus eigener Initiative Informationen sucht. Das wäre reinstes Konsumieren - für Reflexion, Vergleiche, Hintergründe oder Kontext besteht kein Interesse, von Neugier über die Realität ganz zu schweigen. Mir wurde in Managementkursen stets eingebläut, Information sei eine Holschuld. Also nicht auf den Hinterbacken sitzen bleiben und warten bis man sie bringt, sondern aufstehen und sie sich selbst beschaffen.  

Nichtsdestotrotz will ich hier unter anderem zum Thema meines vorgängigen Tagebucheintrags im Nachhinein (wofür ich mich entschuldige) einige Beispiele mit Quellenangabe aufführen. Es geht darum, zu zeigen, wie „Israelkritiker“ jede noch so klare Gelegenheit nutzen, Tatsachen zu verdrehen und ihrer jeweiligen Ideologie anzupassen. In diesem Fall, Israel auch dann einen Strick zu drehen, wenn Fakten das Gegenteil beweisen. Es sind Medienschaffende, Hobbykommentatoren, die hier ihre Seele auslüften dürfen. 

Zur Geschichte der Autobusse für palästinensische Arbeiter aus der besetzten Westbank:

"Busse sind ein Symbol für Rassentrennung”, sagt Hagit Ofran von der israelischen Friedensgruppe "Schalom Achschav (Frieden Jetzt). „Es könnte einen Grund geben, weshalb das Interesse daran so groß ist. Die Segregation ist überall ein Problem, aber beim Thema Busse sieht es besonders schlecht aus. Quelle: wallstreetjournal.de vom 05.03.2013".

Apartheid in Israel: Spezielle Busse für Palästinenser  - Seit Montag verkehren von der Grenzen zum Westjordanland Busse, die nur für Palästinenser zu benutzen sind und diese zur Arbeit nach Israel bringen sollen. Siedler hatten in der gemeinsamen Nutzung von Bussen ein Sicherheits-Risiko gesehen. - (...) Nach dem Bau einer Mauer gab es allerdings keine Bus-Anschläge mehr in Jerusalem. Daher ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet jetzt die Palästinenser eine Demütigung hinnehmen müssen, die stark an die Rassentrennung in den US-Südstaaten oder an die Apartheid in Südafrika erinnert. Quelle: http://www.palaestina-portal.eu/texte/rassismus.htm

Tolles Land, dieses Israel (Ironie). Pfuii… Die haben aus ihrer eigenen Geschichte nichts gelernt und unterdrücken und diskriminieren ein ganzes Volk und Zugezogene. Ein solches Land muss laut Vereinter Nationen doch eigentlich strengsten Sanktionen unterworfen werden und boykottiert werden. Stattdessen schenken wir Deutsche denen noch Kriegsgerät mit dem sie dann ungestraft andere Nationen bedrohen und terrorisieren. Also ich kaufe nichts aus Israel und boykottiere alle ihre Produkte. Kein Gemüse aus dem Aldi, etc… Quelle: Leserkommentar zum Autobusthema in den Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten.de

Rosa Parks durfte wenigstens den Bus benutzten, sollte aber für Weiße aufstehen. Die rassistischen Besatzer in Palästina lassen die Palästinenser in ihren Bussen nicht mehr mitfahren? Wieviel Apartheid braucht es noch damit die bedingungslose Unterstützung für Israel aufhört und gleiche Menschenrechtsstandards angelegt werden, auch in der Berichterstattung. Aber es wird sich in Schweigen gehüllt! Quelle: Kommentar in einer schwer zu identifizierenden Website - http://urs1798.wordpress.com/2013/02/28/

Da kann man an die Erklärung des früheren südafrikanischen Ministerpräsidenten Hendrik Verwoerd denken, der süß lächelnd das Gute an der Rassentrennung pries. Sie befördere das gut Nachbarschaftliche (“good neighborliness”) Quelle: http://www.transatlantikblog.de/2013/03/06/israel-separate-busse-fuer-palaestinenser-westbank/
 
Linke Kreise zeigen sich über die Neuerung schockiert. «Haaretz» spricht in einem Kommentar vom «Bus zur israelischen Apartheid» und erinnert an die Geschichte der Rassentrennung in den USA. Die Chefin der linken Meretz-Partei, Zehava Gal-On, schrieb in einem Brief an den Verkehrsminister, dass ethnisch getrennte Buslinien für «rassistische Regimes» zum Stil gehören, in einer Demokratie aber «unannehmbar» seien. Quelle: 20 Minuten. (Haaretz und Meretz haben inzwischen ihre ersten Reflexkommentare revidiert).
 
Hier schreibt ein linker Altnazi: Napp, Karl schrieb am 4. März 2013 um 23:56: "Mich würde auch nicht wundern, wenn die Israelis für den Sammeltransport der Palästinenser Müllwagen einsetzen würden. Und zwar solche, die nach dem Losfahren die Ladung per Hydraulikpresse zu handlichen Päckchen verarbeiten. Den Spruch mit dem Biomüll und der Vergasung spare ich mir jetzt." Quelle: Kybeline.com.
 
Ganz Aktuell, aber an einem anderen Beispiel: neu ist der Aufschrei, durch die palästinensische Führerschaft gekonnt und mit viel Erfahrung spontan organisiert, der Israel für den Krebstod eines palästinensischen Zuchthäuslers und Mörders verantwortlich macht, welcher vor gestern in einem israelischen Spital starb. Er starb an Krebs, hätte deshalb entlassen werden sollen, um zu Hause zu sterben, doch der Tod war schneller als die israelische Gefängnisbürokratie. Israel sei schuld an seinem Tod – wieder macht sich der Idiotenreflex bemerkbar, zu dem George Orwell die Feststellung machte: „Es gibt Ideen, die so dumm sind, dass nur ein Intellektueller sie glauben kann“ (“Some ideas are so stupid that only intellectuals believe them.”). Quellen dazu gibt es zuhauf.
 
Abschliessend ein ganz feine Zusammenfassung aus Heplev:
http://heplev.wordpress.com/2013/03/13/von-al-durah-zu-badawi-todlicher-journalismus-und-wie-palastinenser-mit-ihrer-propaganda-konsens-herstellen/.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wenn mich an einem Artikel etwas besonders interessiert und ich in weiteren Quellen als die vom Blogbetreiber angegebenen nachschauen will, bleibt mir das unbenommen!
Dieser Artikel zeigt mir, dass Quellenangaben auch unnötig, ja regelrecht störend sein können! Ich habe den Artikel "… weil, […], nicht sein kann, was nicht sein darf ….“ mehr angesehen als "Augenzeugenbericht“ von jemandem, der direkt "vor Ort“ ist und die Dinge "hautnah“ kennt als eine Abhandlung zu einem Thema, bei der man dann selbstverständlich Quellenangaben macht!
Hier im vorliegenden Artikel erscheinen mir die Quellenangaben künstlich aufgesetzt! Wie hieß es doch am Anfang, ich zitiere: "… ein interessierter Leser könne sich zu jedem Thema nur dann ein wirkliches Bild machen, wenn er sich nicht gänzlich auf die Medien verlässt, sondern sich aus eigener Initiative Informationen sucht. […] Mir wurde in Managementkursen stets eingebläut, Information sei eine Holschuld. Also nicht auf den Hinterbacken sitzen bleiben und warten bis man sie bringt, sondern aufstehen und sie sich selbst beschaffen.“
Genau so sehe ich es auch!