Es gibt ein Thema, das ich bisher fast gänzlich links liegen gelassen habe, weil es mich abstösst. Es ist die politische Situation nach den kürzlich stattgefundenen israelischen Parlamentswahlen. Diese haben zu einem wahrhaften Rechtsrutsch geführt, der mir und vielen andern nicht nur peinlich ist, sondern zu wirklicher Besorgnis Anlass gibt. Araber und Juden sind politisch nach rechts gewandert und versöhnliche Menschen blieben verloren in der Mitte. Diese Rechtswanderung verstärkt die gegenseitige Abneigung und Hass.
Morgen soll diese Situation in Umm El-Fahm auf die Probe gestellt werden – ob sie in offene Gewalt umschlagen wird? Zwei prominente jüdische Faschisten, Anhänger des Rabbi Meir Kahane, wollen in dieser arabischen Stadt demonstrieren, wofür wird nicht genau ausgesprochen. Es ist jedoch leicht zu verstehen, dass diese Demonstration professioneller Araberhasser den Zweck hat die arabische Minderheit Israels zu provozieren und ihr zu zeigen, wer Herr im Haus sei und wie sehr dieser Herr, von dem sich die meisten Juden mit Eckel abwenden, diese Mehrheit nicht mehr in Israel will. All das im Namen der Thora und der Halacha, wie einer dieser Irren namens Ben Gvir, soeben am Radio bekanntgab. Grundsätzlich kann jeder Bürger Israels jeden Ort im Lande besuchen. So wie der Faschist Baruch Marzel durch Umm El-Fahm spazieren darf, kann der frühere Bürgermeister Umm El-Fahms und Mitglied der islamischen Bewegung Israels, mein Bekannter Scheich Hashem Abd El-Rahman, sagen wir mal, Zichron Ya'akov besuchen und bei Majunka Kaffee trinken. Doch wieder einmal wird die freie israelische Gesellschaft gefordert und ihre Freiheiten werden missbraucht. Auf meine Idee, die Stadt solle den Marzel und seine Kumpane einfach nett mit Kaffee und Kuchen empfangen und ihm so den Wind aus den Segeln nehmen, meinte mein Freund Said, die Idee sei wundervoll aber für einen Araber sei es einfach nicht möglich, in dieser Situation seinen Cool zu behalten. Schade, unsere Araber könnten so ihr Ansehen in Israel enorm steigern und Marzel & Co. mit ihrem Hass wären der Lächerlichkeit preisgegeben. Hoffen wir, es werde niemand verletzt.
Nun ist es so, dass in Israel die Bezeichnung politisch links oder rechts sozial und wirtschaftlich wenig Bedeutung besitzt. Rechts heisst Patriotismus bis hin zum extremsten Nationalismus, fundamentalistische Religiosität und Hass auf den "Andern" (nicht nur, aber hauptsächlich, unsere arabischen Bürger und Palästinenser) mit Religion und freier Marktwirtschaft gespickt. Linke nenne sich jene Israelis, die sich für Frieden und Zusammenleben mit Arabern im In- und Ausland einsetzen, deren wirtschaftliche Überzeugung hingegen von sowjetischer Planwirtschaft bis hin zum marktwirtschaftlichen Kapitalismus reicht und somit mit westlich linker Ideologie wenig gemeinsam hat. Soziales oder was man dafür hält, wurde zur Sache individueller Politiker aller Parteien, von der ultraorthodoxen Schas bis zur kommunistischen Hadash. Oft habe ich den Verdacht, dass Sozialanliegen einzig dem Stimmenfang dienen, einem Phänomen der Politik, das in allen Ländern vor Wahlen zu finden ist. Die wenigen Politiker, wie etwa den von mir geschätzten Fürsorgeminister Itzchak Herzog oder die Erziehungsministerin Yuli Tamir haben gute, sogar hervorragende Pläne, die zu realisieren ihnen aus Finanz- und vor allem aus durchtriebenen Koalitionsgründen sabotiert werden.
Zwar hoffe ich, entgegen allen Vorzeichen, dass Bibi Nethanyahu's geplante Regierung mit rechtsextremistischen und ultraorthodoxen, den Staat ablehnenden Parteien nicht zu Stande kommen wird. Yvet Lieberman als Aussenminister kann ich mir nicht vorstellen, wer wird ihn empfangen und ihm zuhören wollen. Auch wenn er vordergründig willkommene Ideen im Zusammenhang mit Israel's Wahl- und Regierungssystem hat, verdächtige ich ihn autoritärer Absichten. Er will ein Präsidialsystem. Das gibt es in Russland, in den USA und in Frankreich, um einige Beispiele zu nennen. Oder früher in Irak, mit Präsident Saddam Hussein. Das amerikanische System finde ich gut, es beruht auf "checks and balances", der Präsident wird durch das Parlament kontrolliert und muss sich dort demokratisch durchsetzen. Auch funktioniert die "Dreieinigkeit" der Exekutive (Präsident), Legislative (Parlament) und Judikative (Gerichte) hervorragend und führt zu einer Stabilität der Regierung, um die sie zu beneiden ist. Ich verdächtige Lieberman hingegen der Absicht, ein russisches System, vor allem in der Dritten Welt kopiert, eines autoritären Präsidenten, dem Parlament und Gerichte (und Medien) oft de facto untergeordnet sind und diese zu Statisten macht. Diesen Eindruck von Liebermans wirklichen Absichten, vermittelt seine Unterstützung für gerichtliche Unabhängigkeit gefährdende Massennahmen des heutigen Justizministers Friedman, mit denen dieser Israels Obergericht politisieren will und seine rassistischen Aussagen gegen Israels Arabern, zu denen eine obligatorische Loyalitätsbezeugung gegenüber dem Staat gehören soll. Als Vertreter aus Russland stammender Israelis ist seine Abneigung gegen ultraorthodoxe politische Zwänge mehr als verständlich, richtet sich diese vor allem gegen Teile dieser Minderheit. Doch scheint er nichts dagegen zu haben, mit eben diesen in der Regierung zu sitzen und deren Erpressungen entgegenzunehmen. Dass er dazu noch unter Verdacht steht, kriminelle Geschäfte zu machen, sollten ihn von der Politik disqualifizieren. Doch in einem Land, in dem sogar dem langjähriger Noch-Ministerpräsident Olmert ähnliches passiert, ist ehrenhaftes Benehmen anscheinend kein Thema.
Als Ganzes betrachtet enttäuschen mich alle "Parteien der Vernunft" (Meretz, Arbeitspartei, Kadima und Likud). Sie vermitteln den Eindruck, das Ego der einzelnen Politiker sei wichtiger als das Wohlergehen des Landes. Nethanyahu will so sehr wieder Ministerpräsident werden, dass er mit extremsten Rechtsparteien und religiösen Antizionisten eine kaum funktionstüchtige Regierungskoalition einzugehen bereit ist – obwohl er weiss, dass er damit dem Land innen- und aussenpolitisch schadet. Zippi Livni fühlt die Verantwortung für das Land weniger, als die Verantwortung für ihre Partei Kadima und sich selbst und weigert sich eine breite Koalition der zwei Grossparteien zusammen mit der Arbeitspartei und Meretz einzugehen. Barak's Drang nach dem Stuhl (Stuhldrang?) des Verteidigungsministers hat, so scheint es, eher egoistische Züge zur Befriedigung eigenen Egos, denn ohne Kadima ist die Arbeitspartei in der Koalition politisch wertlos. Die Extremisten bleiben in der Regierung und die Arbeitspartei mit ihren nur dreizehn Sitzen, dient dem Regierungschef als Feigenblatt. Verantwortung für das Land als oberste Motivation eines Politikers, scheint es nicht zu geben – gerade in einer Zeit weltweiter Feindschaft gegenüber Israel und dem jüdischen Volk weltweit.
Mit diesem innenpolitischen Hintergrund schadet sich Israel weit mehr, als Hamas, Hisbullah und der Rest der arabisch-islamischen Welt zusammen es fertig bringen.
Sonntag, 22. März 2009
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