Samstag, 28. März 2009

Ueber Musik und Judenhass

27.3.2009


Im Düsteren des "unendlichen" Krieges zwischen Juden und Arabern gibt es immer wieder Ereignisse, die beweisen, dass es auch anders geht – wenn man will und man ein Medium benutzt, das sich dafür eignet. Ein solches Medium ist die Musik. Daniel Barenboims Orchester "West-Östlicher Divan", in dem israelische und palästinensische Jugendliche zusammen klassische Musik spielen, ist inzwischen ein integraler Teil idealistischer Friedenbemühungen geworden, von vielen als naiv empfunden, aber beeindruckend in seiner Zielsetzung und seinem Erfolg im Überwinden feindlicher Vorurteile.

Musikalisch bescheidener, aber menschlich ebenso bedeutend war ein anderer musikalischer Anlass. Organisiert von Shari Arison, der reichsten Bürgerin des Landes, spielten am 26. März dreizehn jugendliche Musiker, Überlebende aus dem Flüchtlingslager in Jenin, für Überlebende des Holocausts in Holon, einer Stadt südlich von Tel Aviv. Palästinensische Kinder wissen nichts über den Holocaust, er wird in ihren Schulen unterschlagen oder wenn nötig, als Lüge der Juden abgetan. "Die Kinder sind aus einem Flüchtlingslager, wir kamen aus einen Konzentrationslager", sagte eine alte Dame aus Polen, die ihre gesamte Familie verloren hatte und im Alter von fünf Jahren in ein KZ kam. Die meisten Kinder waren angewiesen, mit den alten Menschen nett zu sein – vom Holocaust, wie gesagt, wussten sie nichts. "Die Alten hätten eine Krieg überlebt, so wie ihr auch", wurde ihnen gesagt. Allerdings ist Höflichkeit gegenüber alten Menschen traditionell wichtiger Teil arabischer Kultur, etwas von dem sich viele Israelis ein Stück abschneiden sollten. Am Nachmittag desselben Tages spielten die Kinder noch in einem Jugendzentrum im arabisch-jüdischen Jaffa, als Teil dessen Freizeitaktivitäten.

Die palästinensische Musikgruppe wurde vor fünf Jahren von einer israelisch-arabischen Musiklehrerin namens Wafa Younes gegründet. Sie lebt im Wadi Ara, im nahe Umm El-Fahm gelegenen Dorf Ara, Die Musikklassen waren als Therapie gedacht, das Trauma der Zusammenstösse zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten zu überwinden, Zusammenstösse, von denen meist auch Kinder und andere Zivilisten betroffen waren. Wafa sagt, sie glaube nicht an Politiker, sondern nur an Musik und die Kinder. Die Alten konnten zwar mit der arabischen Musik der Kinderband nicht allzu viel anfangen, doch nach Abschluss der Vorführung sagte ein Holocaustüberlebender zu Younes, die Musik sei geradewegs in sein Herz gedrungen. Damit hat diese Konzerttour schon seinen Hauptzweck erfüllt. Dazu kommt, dass die Kinder nach einer zweistündigen und bestimmt völlig überflüssigen Wartezeit an einer Strassensperre, zum ersten Mal in ihrem Leben eine Auslandreise unternehmen durften, an den Meeresstrand gingen und eine kleine, aber vielleicht wichtige Erfahrung über jüdische Menschen machen konnten. Zwar verstehen die alten Aschkenasi wenig von arabischer Musik, aber dieser Mangel wurde von den mangelnden Kenntnissen über die neuere jüdische Geschichte der arabischen Kinder aufgewogen. Die Rührung der Alten und der Respekt der Kinder vor ihnen muss einen Funken gegenseitigen Verständnisses gezündet haben. Das sollte fürs Erste genügen.

Über den bekannten israelischen Journalisten Khalid Abu Toameh habe ich schon einmal (14.2.2009) geschrieben. Er ist Araber (eigentlich eine Schande, das erwähnen zu müssen), ein Veteran mit dreissig Jahren Medienarbeit unter dem Gürtel. Kürzlich war er in Amerika, eingeladen von einigen Universitäten, um Referate zu halten. Er war schockiert zu entdecken, dass an amerikanischen Campussen mehr Sympathie für Hamas herrsche als in Ramallah. So beschreibt er, zusammengefasst, seine Erfahrung.

Professoren und Studenten öffneten sich ihm gegenüber mit Aussagen, die ihm das Gefühl vermittelten er sässe einem Hamassprecher oder einem Möchtegern-Selbstmord-Bomber gegenüber. Was gab es für ihn zu hören:



  • Marvan Barghouti sei mit mehreren lebenslänglichen Strafen im Zuchthaus, nur weil er für Frieden mit Israel eingestanden sei – und nicht wegen Verantwortung für zahlreiche tödliche Terrorattacken. Abu Toameh sei dafür "Lügner" genannt worden, erzählt er.

  • Die Korruption der palästinensischen Behörden sei zionistische Propaganda. Arafat habe wundervolles für sein Volk getan, wie das Errichten von Schulen, Spitäler und Universitäten.

  • An einer Hochschule wurde Abu Toameh als Idiot bezeichnet, als er sagte, Hamas hätte die Wahlen in Gaza nur deshalb gewonnen, weil die Bevölkerung von der finanziellen Korruption der PLO und Fatah genug hatte.

  • An einem anderen Campus nannte man ihn ein "Sprachrohr der Zionisten", denn er sagte, in Israel gäbe es eine freie Presse.

  • In Chicago wurden die Plakate, mit denen zu seinen Referaten eingeladen wurde, mit Hackenkreuzen beschmiert.

Was ihn am meisten beelendete, war an diesen Universitäten Studenten und Professoren zu treffen, die tatsächlich Hamas unterstützen und überzeugt sind, der "Widerstand gegen die Besetzung" berechtige auch den Tod von Kindern und Frauen in explodierenden Autobussen in Jerusalem und anderswo.

Sogar unter den Arabern und Muslimen an diesen Hochschulen traf er mehr Verständnis und Akzeptanz für seine "faire" Analyse des israelisch-arabischen Konflikts, obwohl er mehr oder weniger sagte, was auch die israelische und die palästinensische Regierung verlautbaren lassen. Das beinhaltet die Zweistaaten-Lösung und die Idee der Koexistenz zwischen Juden und Arabern in diesem Teil der Welt.

Die sogenannten pro-palästinensischen "Juntas" an den amerikanischen Hochschulen haben nicht als Hass und Delegitimisierung Israels zu offerieren. Wollten diese Leute sich wirklich für die Palästinenser sorgen, dann würden sie sich für ehrliches Regieren und der Förderung von Demokratie und Freiheit in der Westbank und in Gaza einsetzen, meint Abu Toameh. Der Hass gegen Israel blende diese Kreise so stark, dass sie die wirklichen Probleme der Palästinenser nicht erkennen, nämlich der Anarchie und Gesetzlosigkeit ein Ende zu setzen und die Demontage der bewaffneten Banden, die das Leben von Hunderter unschuldiger Palästinensern auf dem Gewissen haben, durchzusetzen. Die meisten dieser Anti-Israel Aktivisten geben offen zu weder Palästina noch Israel je besucht zu haben. Sie wissen nicht – und wollen auch nicht wissen – dass Juden und Araber miteinander Geschäfte machen, zusammen studieren und sich täglich treffen, eben weil sie wissen, dass ihr gemeinsames Schicksal sie dazu bestimmt, miteinander in dieser Ecke der Welt zu leben.

Was an amerikanischen Hochschulen heute passiert, schreibt Abu Toameh, hat mit Unterstützung der Palästinenser nichts mehr zu tun – es ist nichts als die Förderung des Hasses gegen Israel, den jüdischen Staat. Dazu missbrauchen sie die demokratische Redefreiheit um zu Hass und Gewalt aufzurufen. Es würde ihn nicht wundern, meint Abu Toameh, wenn die nächste Generation von Selbstmordattentätern nicht aus dem Gazastreifen, Pakistan oder Afghanistan kämen, sondern aus den Hochschulen Amerikas.

Khalid Abu Toamehs Erfahrung in den USA lässt sich auf Westeuropa übertragen. Die fanatischen Israelhasser sind dort weniger an den Hochschulen zu finden, sie agitieren in einzelnen politischen Parteien, vor allem der Linken, Politiker, Anarchisten, Chaoten und bürgerliche Antisemiten halten ihre Hassfeste gegen Israel und Juden auf den Strassen, in NGOs und in den Medien ab. Sie organisieren Anlässe, an denen man über Israel herziehen und über die "armen" Palästinenser weinen kann – die Motivation ist identisch. Aber wehe dem, der es wagt eine unabhängige Meinung auszudrücken. In Europa geben sie sich nur weniger akademisch, England ist da die Ausnahme. Und wie in Amerika sind auch in der Schweiz und anderswo in Europa Juden zu finden, die auf diesen Zug des Hasses aufspringen und so glauben, akzeptierbarer zu werden. Alles schon einmal dagewesen.

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