16.3.2009
Seit bald zwanzig Jahren sind der Filmer und Journalist Urs Emmenegger und ich dicke Freunde. Wir haben zusammen Abenteuer erlebt, Filme gedreht und viel Spass gehabt. Zudem isst er gerne ähnliches wie ich und liebt, ebenso wie ich, guten Jazz. Auch Urs erhält mein Tagebuch und schrieb mir kürzlich einen sehr langen Brief. Mit seinem Einverständnis veröffentliche ich diesen, zusammen mit meiner Antwort. Das Ganze wird zu einem sehr langen Tagebucheintrag, aber ich hoffe, dass meine lesenden Freunde dafür genügend Geduld aufbringen:
Lieber Paul, liebe Lea
ich will Euch mal persönlich anschreiben, weil ich in der Regel nur im Rahmen des überaus verdienstvollen, tapferen und erfreulichen, aber auch so unglaublich unperfekten, tendenziösen, enervierenden und irritierenden Rundversands von Euch höre.
Vorerst einmal: ich hoffe, dass es Allen in Eurer Familie gut geht, so gut's eben gehen kann oder hoffentlich doch besser! Ich wünschte, meine Situation liesse es zu, mich davon für eine längere Zeit vor Ort zu überzeugen.
Paul, Dein Tagebuch: siehe oben. Ich bin ja selbst weit vom Schuss, nachkriegs-dauerverwöhnter, unbehelligter Schweizer. Leute in Eurer Situation rümpfen über Kritik von solcher Seite irgendwie legitimerweise die Nase.
Angestossen vom Beitrag "Warum ich ein schlechter Jude bin", möchte ich nun einmal eine Kritik vorbringen, weil mich die verrückte Tragik der Welt seit meiner leider einzigen Reise nach Israel als Zwanzigjähriger und meinen Erfahrungen im Biafrakrieg manchmal fast physisch beschäftigt.
Grundsätzlich: ich finde es störend, dass ich mich zur Sorte der Gutmenschen zählen und naiv die Sache des Teufels betreiben soll, nur weil ich einzelnen Aspekten israelischer Politik diametral entgegenstehe. Kein Mensch wird mich je davon überzeugen können, dass man Terrorismus mit konventionellem Krieg ausrotten kann, oder dass die gewaltsame Besetzung von Land unter irgendeinem Vorzeichen über längere Zeit zu rechtfertigen ist.
Vielleicht gerade weil ich ein privilegierter Schweizer bin (wie mir damals einige ziemlich arrogante Sabras herablassend, höhnisch und verächtlich versicherten: wir haben ja nur eine Puppenarmee), ist es mir völlig egal, ob jemand Jude, Araber, Chinese oder Tibeter oder weiss was ist. Ich habe einfach immer wieder festgestellt: Der ein paar lächerliche tausend Jahre alte menschliche Kulturlack ist zwar von atemberaubender Verschiedenartigkeit, aber unglaublich dünn.
Die bornierten Sabras mochte ich nicht, andere hingegen schon; hätten mir die von der ersteren Sorte ihre Verachtung an der Bahnhofstrasse gezeigt statt an der Dizengoff, hätte ich eine Schlägerei begonnen. Den Araber Ismail und seine Familie, die mich zu Weihnachten 1965 in Nazareth beherbergten, mochte ich sehr, aber das jugendliche Arschloch in mir nahm ihm die Ärmlichkeit sowie den Geruch seiner Umstände irgendwie übel, weil sie mich in meinem Bewusstsein störten.
Den Holocaust überlebenden Gershon in Ein Gev verehrte ich ob der unerschütterlichen menschlichen Wärme, die er ausstrahlte, den Vogelvergifter Chaim aus Marokko hasste ich, weil er seine Mordaktion scheinbar unberührt durchführte. Die kühle Gelassenheit meiner einheimischen Altersgenossen bewunderte ich ob der Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Uzi griffbereit unter dem Bett aufbewahrten; die affektierte französische Jüdin im Ulpan verabscheute ich – nicht, weil sie nicht mit mir ins Bett wollte, sondern weil mir ihr schrilles Gerede über angebliche Vorzüge der jüdischen gegenüber andern Religionen und Wesensarten auf die Nerven ging. Aber die kleine rundliche Korporalin Zippi liebte ich echt, obwohl sie von Sex vor der Ehe nichts wissen wollte, weil sie eine lustige, völlig unvoreingenommene Sicht der Dinge hatte. Undsoweiter.
Biafra: da war ich ein Gutmensch, der helfen und Leiden lindern wollte (und es auch tat, das ist unbestritten). Aber Körper- und andere Gerüche bauten eine unsichtbare Barriere; bei der Servilität vieler Einheimischer war ich nicht sicher, ob sie aus der Not oder nicht am Ende doch angeboren war; vielen Weissen und Schwarzen, mit denen ich zusammenzuarbeiten hatte, traute ich trotz Parteinahme
nicht über den Weg; als erklärter Atheist stellte ich erstaunt fest, dass meine zuverlässigsten und als einzige über alle Zweifel erhabenen Gewährsleute die katholischen irischen Missionare waren.
Was ich sagen will: Risse im menschlichen Kulturlack haben in der Regel banale Ursprünge, ebenso wie Sympathie oder Aversion. Die Skala der typischen Riss-Reaktionen reicht von 1 bis 100, von üblen Gedanken über Klatsch bis Totschlag, und sie sind per definitionem nie aus kühler Vernunft geboren. Dazu kommen natürlich die diffusen, genetisch oder aus der Tradition wirksamen überpersönlichen Erfahrungen, die mit Sein oder gar Überleben zu tun haben. Dass Juden glauben, sie würden getötet, weil sie Juden sind, ist aus zweitausend Jahren Geschichte heraus auch für einen Nichtjuden völlig nachvollziehbar. Wie könnte es anders sein! Dass ein Araber, den Juden seinerzeit enteignet und aus Palästina oder bereits Israel vertrieben haben, Juden hasst, scheint mir ebenso nachvollziehbar. Dass ähnliches in den besetzten Gebiete immer noch geschieht (es soll mir kein Israeli behaupten, dem sei nicht so, denn das Gebiet ist real militärisch besetzt mit allen Begleitumständen), ist konkrete Nahrung für den Hass und die entsprechende Tradition der folgenden Generationen. Wie könnte es anders sein!
Der Reflex, alles Israelkritische als antisemitisch zu bezeichnen, steht jedoch auf einem andern Blatt. Und wieder eine ganz andere Geschichte ist die dumpfe Rückständigkeit, in der Fundamentalisten jeglicher Farbe ihr Gefolge gefangen zu halten belieben. Ob Juden oder Araber, Schweizer, Amerikaner, Afrikaner, Chinesen oder Tibeter undundund.
Ich hasse sogenannten Rassismus jeglicher Art aus tiefstem Herzen – obwohl ich mich gewissen höchstpersönlichen Reflexen aus dieser Ecke (die gibt's, sonst gäbe es den Begriff nicht) keineswegs immer entziehen konnte und kann. Und den Papst und seine Hierarchie mit ihrer blödsinnigen "alleinseligmachenden Kirche": ich könnte sie alle erwürgen (allerdings nur symbolisch). Und Juden, die einen Begriff wie "erwähltes Volk" wörtlich nehmen: pfui Teufel. Und Islamisten, die unter irgendwelchen religiösen Vorwänden ihren rein egoistischen Patriarchalismus auf die Spitze treiben und den Frauen ihre Rechte absprechen: Ausrotten mit Feuer und Schwert! Auch wieder nur symbolisch, natürlich, aber nachhaltig. Und bigotte Amerikaner, die eine (buchstäblich verstanden) lächerliche biblische Schöpfungsgeschichte zur Grundlage naturwissenschaftlicher Lehre machen wollen: nach Guantanamo, dann hätte das Unding doch noch einen guten Zweck gefunden.
Also doch ein Rassist – ein schlechter Christ? Oder einfach ein dünnscheissender Liberaler? Wie würde ich mich verhalten, mich einstellen, denken in Eurer Situation, in dieser absoluten Nähe zur realen Tragödie? Darf man das Wort anwenden, denn das hiesse: es gibt keine der menschlichen Vorstellungskraft zugängliche Lösung? Würde sich irgendeine Nation in Eurer Lage anders verhalten als ihr?
Ich bewundere Euch, dass Ihr da seid und Euch äussert in diesem Land, wo es beinahe soviele politische Parteien wie Leute gibt. Ich bewundere die Initiative und gestaltende Kraft, die Ihr zeigt in Euren Engagements, zum Beispiel mit dem arabischen Freund, dem Galeristen.
Ich bin gleichermassen misstrauisch gegen die definiert pro-israelischen wie die erklärt pro-palästinensischen Aktivisten und Organisationen. Also bitte: nennt mich nicht wieder einen naiven Gutmenschen und Terroristenversteher. DAS BIN ICH NICHT. Was ich bin: ein leidenschaftlicher Gegner aller Verfechter absoluter Wahrheiten.
Beste Grüsse und Wünsche aus der Schweiz
Urs
Lieber Urs,
ich erhalte oft Post zum Tagebuch. Zustimmung und Kritik halten sich die Waage. Mit deinen fast drei Seiten hast du mir eine enorme Freude gemacht. Du gehst in die Details, strengst den Kopf an und unterstützt mich wo es zählt, obwohl du gar nicht mit allem einverstanden bist und anders siehst, was ich von mir gebe. Zwischen zwei alten Freunden wie uns, die sich leider viel zu wenig sehen, erhält ein solcher Dialog die Freundschaft.
Also zu deinem Brief:
Erstens, bist du in meinen Augen kein Gutmensch. Zwischen einem Gutmenschen und einem guten Menschen gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Du warst in Biafra und hast geholfen, ohne Indoktrination. Dass du im Zusammenhang mit deinem Israelaufenthalt vor Jahrzehnten auch unangenehme Erfahrungen gemacht hast, die angenehmen nimmt man bekanntlich als selbstverständlich hin, hat deine Sicht von Israel bis heute mitgeprägt - das ist Schade. Doch anderes hat dir eben auch oder trotzdem gefallen. Als ich nach meiner Schweizer RS nach Israel kam und dort zwei drei Jahre später nochmals eine RS leistete, wurde ich als Rekrut Instruktor fürs Rakrohr, da ich dieses Unding in der Schweiz gelernt hatte, und erfuhr so einen gewissen Respekt für die Schweizer Armee. Aber zwischen einer Armee die alle paar Jahre in einen Krieg gerät und diesen gewinnen muss und einer Armee, die eigentlich keinen Feind ins Auge zu nehmen hat, gibt es einen Unterschied in der Geisteshaltung. Ich denke, da wirst du mir zustimmen. Gerade in der israelischen Armee wurde das Schweizer Milizsystem anerkannt und organisatorisch bis heute angewendet. Arrogante Typen, wie von dir beschrieben, gibt es bis heute noch, aber es gibt auch andere. Zweitens, die Charakterisierung meines Tagebuches (es hat inzwischen um die 2000 Leser) ist fabelhaft und freut mich ungemein.
Zu meinem Lieblingsmenschentyp, dem Gutmenschen, habe ich versucht eine Definition zu erstellen. Hier ist sie in kürze und könnte wohl erweitert werden:
Was ist ein Gutmensch?
· Sein Einsatz ist Glaubenssache, eine Art Fundamentalismus. Er hasst mit Inbrunst.
· Lässt sich ausschliesslich von Indoktrination leiten, wie Vorurteile und Emotionen, kein Interesse an Realität, geschichtlichem Hintergrund, Kontext - er ist dafür nicht empfänglich.
· Hat die Wahrheit gepachtet und sucht dafür Bestätigung. Wer ihm die Wahrheit nicht bestätigt wird beschimpft, ist ein Imperialist, Kolonialist, ist "für die Besetzung" des Westjordanlandes und anderes Schlimmes mehr.
· Schämt sich seiner Herkunft, ob Volk, Religion oder gesellschaftlichem Status. Diese Scham ist Teil seiner Motivation.
· Ist unbewusst oder bewusst Rassist, der sich auf einen Problem-Schauplatz fixiert und alle anderen ausblendet - das ist vor allem beim israelisch-palästinensischen Konflikt klar zu sehen. Darfur etc. interessiert nicht. Auf meine Frage in der NZZ, warum das so sei, erhielt ich vor allem antisemitische Erklärungen, zum Teil in philosemitischem Gewand.
· Gibt vor Krieg zu hassen, ist jedoch gewalttätig in Wort (Leserbriefe) und Tat (neuestes Beispiel: Die gewalttätigen Demos in Malmö gegen israelische Tennisspieler). Zudem, wer ist nicht gegen Krieg. Doch gegen Krieg zu sein, ohne das mit seinem Feind abzustimmen ist Selbstmord – was Gutmenschen ja von Israel verlangen. Doch mit dieser Einstellung in gedankenloser Fixierung, wäre Hitler und seine Ideologie/Religion nie beseitigt worden und auch die seit 1904 in der Schweiz überlebenden Reste meiner Familie gäbe es nicht mehr.
Wie du aus meinem Tagebuch bestimmt mitbekommen hast, habe auch ich keine Freude an vielen Dingen der israelischen Politik. Gerade was heute passiert mit Lieberman, der, falls er in die Regierung kommt und sogar Aussenminister werden soll, unser Land mit seinem stalinistischen Gehabe in den Dreck ziehen wird - habe ich einen gewaltigen Horror. Aber dagegen schreiben, reden und demonstrieren ich und viele Freunde, den wir haben Angst, aber nicht vor den Arabern. Auf der anderen Seite, so lange in der arabischen Welt keine Friedendemonstrationen mit 200'000 bis 300'000 Teilnehmern abgehalten werden, hält sich meine Begeisterung für unsere Nachbarn in Grenzen. Wie du ebenfalls gelesen hast, halte ich das Festhalten an der Westbank einen grundsätzlichen Fehler. Aber die Erfahrung mit Gaza schreckt ab - der palästinensische Freiheitskampf ist Teil des islamistischen Religionskriegs, dem Jihadismus geworden. Wir Juden und auch die Christen können mit Gott streiten, dem Islamisten ist das eine Todsünde. Was bleibt, ist - leider - nur noch das Abwarten und Tee trinken. Denn ginge es nur um Gebiete, liesse sich darüber reden. Mit religiös Motivierten kann man das nicht, nicht mit unseren und nicht mit den islamistischen. Denn für die ist Israel nur der erste, nicht aber der endgültige Schauplatz ihre Kampfes. Denkt jemand irgendwann darüber nach, warum die Hisbullah im Libanon gegen uns Krieg führen wollen? Sie sind keine Palästinenser, hätten eigentlich mit Israel keinen Konflikt, aber sie wollen es zerstören.
Wie du in deinem Brief feststellst, ist die Westbank besetzt. Das ist nie schön, war aber vor der Intifada weit weniger schlimm. Vor uns war die Westbank von den Jordaniern besetzt, die für die aufmüpfigen Palästinenser (damals waren sie noch West-Jordanier) nichts taten die sich sehr gerne mit ihrem Verlust abfanden und auch heute noch nichts von ihnen wissen wollen. Die Grenze zu Israel war offen, die Palästinenser waren bei uns, wir waren bei ihnen. Nie vergesse ich den in unserem Quartier herumkreuzenden VW-Transporter mit der weiss-grünen Nummer, aus dessen Lautsprecher die mit arabischem Akzent gesprochenen jiddischen Worte "Alte Sachen, alte Sachen" dröhnten. Er suchte alte Sachen, war ein Brockenhaus auf Rädern. Es gab gegenseitige Freundschaften, man ging Einkaufen und besuchte sich. Es kam Oslo - eine Zukunft war in Sicht, ein Staat Palästina und ein Staat Israel, schön nebeneinander, ohne Besetzung und ohne Terror. Ende 2000 änderte sich das. Erst wurden israelische Besucher ermordet, dann kamen die Selbstmordterroristen, die in kürzester Zeit um die Tausend israelische Juden und Araber umbrachten, Zivilisten, wie du weisst. Es wurde auf Wunsch des Volkes ein Trennzaun errichtet, der Terror flaute instantly ab. Israel hatte sich damit ohne Blut zu vergiessen verteidigt. Über den Rest will ich nicht schreiben. Erstens kennst du ihn so gut wie ich, zweitens wurde damit die gutmenschliche Abneigung gegen Israels Drang, sich zu verteidigen, öffentlich. Dass es auch Morde an unschuldigen Palästinenser in der Westbank gab, darf nicht unterschlagen werden. Doch immerhin sitzen diese jüdischen Mörder, falls sie überlebten, im Zuchthaus und werden höchstens von unseren Kahanisten verehrt.
Ein Gedanke lässt mir keine Ruhe: Warum werden die Palästinenser ausserhalb Israels durch ihr künstlich erhaltenes Flüchtlingsdasein missbraucht. Wir Juden, die Sudetendeutschen, die aus der Türkei vertriebenen Griechen und viele andere haben sich in der Welt integriert und das Flüchtlingsdasein ist nur noch Folklore. Nur den Palästinensern wurde von der arabischen Welt die Aufgabe verpasst Berufsflüchtlinge zu sein. Nur in Israel gibt es keine palästinensische Flüchtlingslager, in allen unseren Nachbarländern sind diese noch vorhanden, auch wenn sie inzwischen grösstenteils zu gewöhnlichen Wohnquartieren, sogar mit Villen, geworden sind. Aber Flüchtlingslager sind sie noch immer.
Zum Abschluss eine Richtigstellung: Ich bin Jude, glaube aber nicht an einen lieben Gott. Trotzdem bin und bleibe ich Jude, so wie einer Schwarzer ein Schwarzer bleibt, es ist schlicht unmöglich jemand anderer zu sein. Mein Vater, als Jude geboren, liess sich zweimal taufen, erst evangelisch und einige Jahrzehnte später als Katholik. Das, weil er gelegentlich von Leuten gefragt wurde, was er vorher war. Man hat auch den christlichen Russak als Saujuden beschimpft – hinter dem Rücken, selbstverständlich, denn damals war Antisemitismus noch ein Tabu. Mein Vater war ein kreativer Mensch mit Humor und hat das mit Fassung ertragen. Dass von der jüdischen Religion ausgetretene Juden vom jüdischen Klerus nicht mehr als Juden gesehen werden, hat ihnen im Dritten Reicht rein gar nichts genützt. Juden sind eine Schicksalsgemeinschaft, egal ob Sepharden, Aschkenasi, Orientale, Jemeniten, Äthiopier oder Inder. Religion gibt einen Teil des Hintergrundes, der Geschichte für jeden Menschen. Ich weiss nicht ob du gläubiger Christ bist, ob du nur ablehnst Kirchensteuer zu zahlen, Atheist bist oder Agnostiker. Darüber haben wir nie gesprochen, weil es unwesentlich ist. Das Christentum ist eine Religion und hat unendlich viel zur westlichen Kultur beigetragen - aber es ist eine reine Religion, die man ablegen kann. Ein Christ, der seine Religion ablegt ist kein Christ mehr. Deshalb rätsle ich noch über den Titel deines Briefes nach (Weil ich ein Christ bin - wirklich?). Dass Aspekte des israelischen Lebens von religiösen Parteien bestimmt werden, ist ein demokratischer Skandal - leider ist da kein Ende abzusehen. Ich wollte, wir hätten die Trennung von Staat und Religion wie in Europa, doch stellte ich erstaunt fest, dass sich auch säkulare Juden, aus einer Nostalgie heraus, sich über Religion definieren und sich nicht dafür einsetzen, die Macht des jüdischen Klerus zu brechen. In Israel wird so demokratischer Fortschritt behindert und das Judentum hat für viele ein abweisendes Gesicht bekommen.
Mehr ein andermal. Dann, wie üblich im Zeughauskeller bei Wädli, Herdöpfelsalat und Bier.
Euch beiden herzliche Grüsse auch von Lea, die sich ganz besonders über deinen Brief freute. Dein Paul
Montag, 16. März 2009
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