Montag, 28. September 2009

Ein kleines Stückchen jüdische Geschichte

Es ist eine der zahlreichen Pflichten eines Juden, sich auch an jene seiner Brüder zu erinnern, die, falls sie überlebten, aus arabischen Ländern flohen um, meist in Israel, eine altneue Heimat zu finden. Ich fand zufällig in einem mir unbekannten Blog einen kleinen Artikel mit der kurzen Geschichte der Juden Libyens zu erstellen, angefangen mit dem faschistischen Rassismus der Italiener in 1938 bis zum Tode des letzten Juden in 2002. Ich möchte dem einen Film in fünf Teilen beifügen (Teil 1/Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5), der die Geschichte durch Zeugen untermauert. Diese fünf Filmchen behandeln allerdings alle Juden aus arabischen Ländern. In Libyen gab es dreissigtausend Juden, eine relativ kleine Zahl verglichen mit der Zahl Juden in Ägypten, Irak, Jemen, Iran und anderen islamischen Ländern, die ähnliche Schicksale erlitten, auch wenn dort heute noch kleine „Restbestände“ leben, die Vorzeigejuden der jeweiligen Machthaber. Also, hier bitte diese kleine Geschichtslektion, die besondern heute recht interessant ist, da sich der Zeltbewohner Ghaddafi momentan mit der Schweiz im Clinch liegt und sich in der UNO vor wenigen Tagen unterhaltend als Clown betätigt hatte.

Der Untergang des libyschen Judentums

Der libysche Oberst Ghaddafi weiss alles über Juden. Juden zogen sich wie Araber an und lebten in Harmonie mit diesen, so sagte er dem Time Magazine. Aber sie gehen auf eine Katastrophe zu, weil sie es wagten einen jüdischen Staat zu haben, statt einen solchen mit den Palästinensern zu teilen. Ghaddafi spricht hier das islamische Dhimmitude Konzept an – Juden sind „unsere Juden“, die sich von Arabern beschützen lassen müssen. (Das gilt auch für Christen und ist von Bat Ye’or in ihrem Standardwerk „Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam“ beschrieben).

So erfolgreich war die Koexistenz in Libyen, dass unter Ghaddafi Libyen völlig judenrein wurde! Hier ein kurzer Abriss neuerer Geschichte über die Juden Libyens:

1938 Italienische Rassengesetze werden in Libyen auf die 30'000 Juden angewendet. 600 Juden sterben im Arbeitslager Giado.
1945 Zweitägiges Pogrom: 130 Juden werden getötet.
1948 14 Juden in einem Pogrom getötet.
1949 - 1952 90% aller Juden Libyens fliehen nach Israel.
1951 Die libysche Verfassung wird abgeschafft. Ministerpräsident Mahmud Muntassar sagt, Juden hätten in Libyen keine Zukunft.
1952 Libyen verbietet Auswanderung und tritt der Arabischen Liga bei.
1953 Libyen unterschreibt den anti-jüdischen Wirtschaftboykott. Es werden nächtliche Razzien in jüdischen Häusern durchgeführt um „zionistisches“ Material zu finden.
1954 Der jüdische Sportklub Makkabi wird geschlossen.
1958 Der jüdische Gemeinschaftsrat wird gemäss Gesetz aufgelöst.
1961 Das Gesetz verlangt eine offizielle Bestätigung wahrer libyscher Nationalität – die allen Juden, ausser sechs – verweigert wird.
1961 Vermögenswerte libyscher Juden in Israel werden beschlagnahmt. Ausschliesslich libysche Bürger dürfen Immobilien besitzen, Juden sind damit ausgeschlossen. Juden wird das Stimmrecht entzogen.
1963 Der jüdische Führer Halfalla Nahum, 84 Jahre alt, wird ermordet.
1967 Sechstagekrieg. Juden spenden für die palästinensische Sache. 60% des jüdischen Besitzes in Tripoli wird zerstört, italienische und jüdische Geschäfte verbrannt. Zehn Juden werden getötet.
1970 Ghaddafis Regierung konfisziert sämtlichen jüdischen Besitz im Ausland.
2002 Esmeralda Meghnagi, Libyens letzter Jude (eine Jüdin), stirbt.

(Quelle: Le processus de discrimination des juifs de Libye by Maurice Roumani, in La fin du judaisme en terres d'Islam (ed Shmuel Trigano)

Ein judenfreier Staat – ist der feuchte Traum jedes palästinensischen und jihadistischen Terroristen (und seiner Terrorapologeten), nur müsste er sich dann, neben der eigenen Bevölkerung, die unter hausgemachtem Terror schon seit Jahrzehnten leidet, nichtjüdische Opfer suchen. Ghaddafi hat beides geschafft.

Samstag, 26. September 2009

Der höhere Standard

Der von anderen Mitgliedern der israelischen Akademia als Vielschreiber und Hansdampf in allen Gassen gelegentlich belächelte Prof. Barry Rubin, Historiker und Politikwissenschaftler eines Thinktanks in Herzlia, schreibt tatsächlich pausenlos Bücher und Kommentare, dass man auf den Gedanken kommen muss, sein Tag habe sechsunddreissig statt 24 Stunden. Doch was er schreibt ist oft sehr interessant und ich finde seine Bücher instruktiv und leicht zu lesen, auch wenn sein Stil anderen Leuten vielleicht zu humorig-aggressiv erscheinen mag. Rubin ist ein nicht allzu friedensbewegter Zeitgenosse, er findet Obama einen anständigen Menschen, der einfach zu blauäugig sei, aber noch auf die Welt kommen werde. Dieser Prozess, so scheint mir, hat vor kurzem angefangen, wenigstens in Hinblick auf Iran. Rubin ist weder nationalistisch noch sehr, wie schon gesagt, friedensbewegt. Er versucht Realist zu sein und kommt, wenigsten bei mir, so an.

Barry Rubin schrieb vor einem Monat einen gar nicht langen Artikel zur Haltung der Medien gegenüber Israel und bespricht die alte faule Ausrede, dass man Israel gegenüber einen höheren Standard des Benehmens erwarte. Dann, so findet er, müsse man auch einen höheren Standard für die Berichterstattung darüber erwarten. Rubin schlägt folgende Antwort an jene Medienprofis vor, die von höherem Standard für Israel schwafeln. Sein Artikel ist kurz, sodass ich ihn von mir ins Deutsche übersetzt, wiedergebe:

„Sie sagen, dass Sie auf Grund historischer Tatsachen höhere Erwartungen an Juden und Israel stellen. OK. Aber es gibt andere historische Tatsachen, die beachtet werden müssen: Antisemitismus, bewusste Verleumdungen und ehrliche Missverständnis gegenüber Juden, wie auch bewusste Verleumdungen und Missverständnis gegenüber Israel. Sie sollten auch einen höheren Standard darüber haben, wie Juden und Israel [durch die Medien] fair behandelt werden.

Meist wurden in der Geschichte falsche Annahmen oder Konzepte angewendet: Juden ermordeten den Mann aus Nazareth, Juden ermordeten den Mann aus Mekka, Juden haben Quellen vergiftet, Juden versuchen das Christentum zu zerstören, Juden sind für den Sozialismus und den Kapitalismus verantwortlich, Juden seien keine loyalen Bürger und so weiter. Übrigens sind das nicht nur bei muslimischen Mehrheiten verbreitete Vorurteile, sondern sie breiten sich heute schnell auch im Westen aus, teilweise gerade wegen Ihrer Berichterstattung

Wenn Sie also sagen, Sie würden Juden und Israel an einem höheren Standard messen, sollten Sie sich daran erinnern, dass diese Juden immer niedrigen Standards ausgesetzt waren, falsch angesehen, falsch verstanden und verlogen beschrieben worden sind. Es gibt Leute, oft gerade jene Zeugen, auf deren Aussagen ihre Anprangerungen Israels beruhen, die ein eigennütziges Interesse daran haben, dass Israel schlecht dasteht. Diese Leute sind willig zu lügen, genau so wie Journalisten and andere, die zu Israel feindselig eingestellt sind. Wie werden Sie dieses Ungleichgewicht korrigieren?

Gerade deshalb werde ich sie für ihre Berichte und Darstellungen über Israel und Juden an einem höheren Standard messen.“

Ich selbst möchte dazufügen, dass dieser für Juden angewendete „höhere Standard“ reinster Rassismus ist, nicht gegenüber uns Juden, sondern gerade gegenüber unseren Gegnern, die damit vor allem kulturell und ethisch als nicht voll den heutigen Erwartungen entsprechend eingestuft werden. Ob das stimmt, steht hier nicht zur Diskussion, doch wenn diese Ansicht von Medienleuten des "höheren Standards an Israel" Gedankens wirklich so vertreten wird und nicht nur gedanklicher Faulheit entspringt, werden sie noch unglaubwürdiger, als sie schon sind.

Freitag, 25. September 2009

Um jeden Preis?

Bevor ich einsteige: meine Freundin Hanni Zweig aus Egg bei Zürich hat mich gebeten, sie nicht anonym zu zitieren. Sie war es, die den tadelnden Kommentar zum seine Notdurft gezielt ausübenden Hündchen schrieb, aber jetzt ist der Schleier gelüftet. Jemand schrieb mir, dieser Kommentar könne nur aus der ganz linken Ecke sein. Das stimmt nicht! Als guter Freund komme ich natürlich ihrem Wunsch gerne nach.

Es gibt eine Wahrheit, die täglich auf verschiedene Art bestätigt wird. Der palästinensisch-arabische Konflikt mit Israel, der, ist mit westlichen Augen betrachtet, ausschliesslich ein Konflikt um ein Stück Land. Das war es vielleicht einmal, ist es jedoch heute mit Nachdruck nicht. Solange der politische Islam die arabische Politik beherrscht wird sich das nicht ändern. Es war schon in den zwanziger und dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als in Ägypten durch die Ideologie der damals entstandene Muslimische Bruderschaft der Samen des heutigen arabischen Antisemitismus zu spriessen begann, kein Streit um Land, sondern ein mit reaktionären religiösen Gründen geförderter Judenhass. Diese, von den Islamisten der ersten Stunde und Gründern dieses fortschrittsfeindlichen Islam, Hassan Al-Banna und Sayed Qutb theologisch untermauert, fand in den Nazi-Ideologen Deutschlands schon früh verwandte Seelen im Hass gegen die Juden, egal ob in Palästina oder anderswo. Heute ist dieser Islamismus der muslimischen Brüder in der arabischen Welt tonangebend, seine Exponenten Hamas, wie die diversen Terrorverbände in Palästina, Irak, Afghanistan, Jemen und die schiitische Variante Hisbollah in Libanon, sehen Israel als nichtmuslimischen Fremdkörper in einer rein arabisch-muslimischen Region, den zu vernichten mit religiösen Vorschriften begründet wird.

Natürlich kamen 1948 Araber Palästinas um ihre Dörfer und Städte. Lange nicht alle, etwa 600'000, weniger als es in dieser Zeitperiode jüdische Flüchtlinge aus arabischen Ländern gab (von denen keine in Flüchtlingslagern wohnen). Es sollte, wie es die frühere Erziehungsministerin Yuli Tamir durchsetzte, aber von ihrem Nachfolger wieder aus dem Lehrplan entfernt werden soll, auch die sogenannte Nakba, dem mit der Gründung Israels verbundene, aber von der arabischen Welt völlig selbst verschuldeten Verlust ihrer Existenz im damaligen Palästina und heutigen Israel, respektiert werden. Das, ohne die Nakba auch nur im Entferntesten mit dem Holocaust zu vergleichen – ein gedanklich absurder, gar obszöner Schluss, in islamischen Kreisen ausserhalb Israels jedoch lebendig wie noch nie. Diese Haltung ist rein politisch bedingt und beruht ausschliesslich auf von Moschee und Staat gefördertem Judenhass. Dass wir Israelis etwas mehr Empathie, wie wir sie für uns selbst von der Welt erwarten, den Palästinensern in gebührendem Mass zeigen sollten, ist ein Gebot der Fairness, denn sie haben ihr Narrativ der Geschichte, so wie wir die unsere haben. Aber die Palästinenser und ihre Führung machen uns das Sympathisieren schwer, Terror ist nicht verständigungsfördernd, sondern kreiert das Gegenteil: Abneigung und Misstrauen. Das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge beruht auf ihrer Weigerung, sich mit Israel und den Palästinensern beschäftigende UNO-Resolution anzuerkennen. Stattdessen griffen sie Israel an. Denn UNO-Resolution 181 sah einen arabischen und einen jüdischen Staat vor. Heute wird dieser Grund des Konflikts, der Verlust ihrer Existenz im heutigen Israel unter dem Motto „Land für Frieden“ verhandelt, doch kommt man nicht vom Fleck, weil, so denke ich inzwischen, der Grund des Landverlustes vorgeschoben ist. Heute haben die meisten Israelis, von Links bis Rechts, begriffen, dass das endgültige Ziel palästinensischer Aspirationen nicht nur Ostjerusalem und die Westbank ist (Gaza haben sie ja schon als Geschenk erhalten, der Dank ist uns bestens bekannt), sondern auch Tel Aviv, Haifa, Beer Sheva und den Rest des heutigen Israels. Denn der Islam schreibe vor, dass islamisches Land nicht von Ungläubigen besessen und regiert werden darf.

All das sind Fakten, die leider von vielen Aussenstehenden, wie westliche Politiker und Teile des Publikums dieser Länder, nicht wahrgenommen und verstanden werden oder verstanden werde wollen. Die arabische Welt wird mit westlichen Massstäben gemessen, die grundsätzlich nicht anwendbar sind. Rabbiner Tovia Ben-Chorin’s vorgestern zitierte Mahnung: „Man kann nicht eine westliche Denkform auf den Nahen Osten zwingen“ ist klar genug. Oder in Anlehnung an Herbert Lüthy’s berühmtes Buch aus den Fünfziger Jahren „Frankreichs Uhren ticken anders“, muss weit emphatischer noch gesagt werden „Arabiens Uhren ticken anders“, denn im Gegensatz zu Frankreich und dem Resten Westeuropas gibt es zwischen der arabisch-islamischen Welt und Israel und anderen Staaten der freien westlichen Welt (was nicht geographisch gemeint ist), nicht nur den Unterschied in Schattierungen, sondern es sind zwei verschiedene Zivilisationen – tiefstes Vormittelalter gegenüber aufgeklärter Modernität und geistiger Beweglichkeit. Nicht nur Tovia Ben-Chorin hat dies angesprochen, sondern Ministerpräsident Nethanyahu hat es heute Abend in seiner Rede – der sogar zahlreiche israelische Kritiker seiner Politik beistimmen – angetönt. Nicht ganz so elegant wie der Tovia, dafür aber wortgewaltiger und in der UNO.

Es ist wieder einmal die Zeit den Hauptgrund für israelische „Störrigkeit“ in Erinnerung zu rufen. Israels Kritiker vergessen gerne, dass sich Israel keinen Verlust eines wirklichen Krieges à la Unabhängigkeitkrieg in 1948, den 6-Tagekrieg und 1967 oder Yom Kippurkrieg 1973 leisten kann. Es wäre dann einfach nicht mehr da – Punkt! Schalom Ben-Chorin’s wundervolles Gedicht „Wenn ich ein Fischlein wär…“, gestern im Tagebuch abgedruckt und inzwischen schon mehrfach begeistert kommentiert, bringt das ebenfalls auf den Punkt. Lieber „Israelkritiker“, wenn ihr das wisst oder gar versteht und es euch nicht kratzt, ja dann …. Das A-Wort will ich mir da sparen.

Ein anderer Punkt in diesem Zusammenhang: Der Ausdruck „um jeden Preis“ darf nicht um jeden Preis angewendet werden. Um jeden Preis ein Friedensabkommen zu haben, das nichts garantiert, dessen Regelungen nicht durchgesetzt werden können und nur als eine weitere Stufe zur „Endlösung“ für Israel und seine Juden dienen soll – nein danke. Um jeden Preis mit seinen Feinden einen Dialog zu führen, auch wenn bestenfalls nur der eigene Tod besprochen werden kann – nein danke. Diese Liste kann weitergeführt werden. Oh, da kommt mir noch ein Punkt in den Sinn: um jeden Preis nett sein miteinander - auch wenn der Partner schon sein Messer wetzt – anwendbar auf die Möglichkeit mit Hamas zu reden, deren erklärtes und einziges Ziel die Zerstörung Israels und seiner Juden ist und den armen Palästinensern einen mittelalterlichen todessüchtigen Islam aufzuoktroyieren. Sogar von Israelis selbst wird immer wieder vergessen, dass es heute um die Existenz Israels geht, die von arabisch-islamistischen Extremisten prinzipiell abgelehnt wird und nicht um die Rückkehr einiger Flüchtlinge oder um eine Verschiebung des Sicherheitszauns ein paar hundert Meter mehr westlich oder östlich. Das gleiche gilt auch für die Hisbollah im Libanon, deren Absichten für Israel undiskutierbar die gleichen sind. Nur hat Hisbollah nicht einmal die Ausrede, ihre alte Heimat befreien zu müssen, denn mit Palästina hat sie keinerlei historische Verbindung. Nehmen wir ruhig auch den Iran auf diese Liste. Dazu kommt mir ein treffendes Zitat des iranischen Schriftstellers Kader Abdolah in den Sinn: "Wenn man mit dem Koran ein Land regieren will, wird es die Hölle!" Kader Abdolah lebt in den Niederlanden. Dort kann er das sagen.

Lieb sein ist nett, überleben ist besser! Letzteres um jeden Preis!

Mittwoch, 23. September 2009

Es geht auch anders

Meine Erfahrungen der letzten zwanzig Jahren an antisemitisch-antiisraelischen Diskussion haben mich geprägt. An solchen, meist von Palästinaphantasten organisierten Panelgesprächen und Diskussionen, erlebte ich viel verbale und einmal sogar physische Gewalt gegen Juden. Seither rate ich meinen Freunden oft ab, an solchen „freien“ Aussprachen teilzunehmen – vielleicht aus einem gewissen Verantwortungsgefühl gegenüber meinen Freunden heraus.

Doch anscheinend ändern sich die Zeiten. Vor drei Tagen wurde mir per E-Mail das „Buch“ eines Herrn Dr. Alfred Rudorf zugesandt. Beim Lesen seiner Seiten, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Er gibt sich als Mediator, der seine Kenntnisse über den Israel-Palästinakonflikt ausschliesslich aus Literatur, Medien und der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP) bezieht, bewusst nie in Israel und Palästina war und darauf erst noch stolz ist. Er findet es sei sein Vorteil, Fakten ausschliesslich aus dritter Hand zu kennen und sich nicht durch Augenschein, Erleben der Tatsachen, Wissen über Tradition und Kultur des Anderen und direkten Gespräche verwirren zu lassen. In einem hat Rudorf allerdings recht: mit seinem Zitat von Albert Einsteins: „Probleme kann man niemals mit der selben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. Aber eben, das war der Jude Einstein, der das bemerkte, und leider ist es so, dass weder Nethanyahu noch Lieberman sich diese Überlegung zu Eigen machen. Aber das tut in dieser Region ohnehin niemand, denn Hamas in aller Offenheit und Fatah ausschliesslich in arabische Sprache, finden das Endziel der Vernichtung Israels noch immer das Gelbe vom Ei.

 Zudem scheint Herr Dr. Alfred Rudorf es mit Offenheit (Ehrlichkeit?) nicht allzu ernst zu nehmen, er liess sich als Mitglied der GSI (Gesellschaft Schweiz-Israel) aufnehmen und verbarg deren Vorstand seine Angehörigkeit zu den Terrorverstehern des GSP. Nachdem dies aufgeflogen war, sagten sich Mitglieder des GSI Vorstandes von ihm los – doch herausgeworfen haben sie ihn (noch) nicht und hoffen auf seinen „natürlichen“ Abgang.

 Gestern Abend fand in der Kirche Oberstrass, die so verstand ich von Freunden, oft als Versammlungsort der Schweizer Palästinafans dient, ein Panelgesprächsabend statt. Teilnehme Daniel Vischer, Dr. Rudorf und mein enger Freund Rabbiner Tovia Ben-Chorin. Gesprächsleitung Reinhard Meier, pensionierter NZZ-Redaktor und ein wirklicher Kenner der Materie. Ich verstehe mich mit ihm sehr gut, auch wenn wir nicht immer derselben Ansicht sind. Ich war entsetzt, denn für mich waren solche Diskussionsabende bisher gesundheitsschädlich die Juden, die nicht unter Selbsthass leiden. Meine telefonischen Ermahnungen an Freund Tovia fruchteten nicht, er findet man muss sich solchen Herausforderungen stellen. Ich wurde vom Saulus zum Paulus – doch Tovia wurde, so wurde mir schon um acht Uhr früh Israelzeit begeistert berichtet, zum Star des Anlasses, spielte Rudorf und sogar Daniel Vischer an die Wand, sie blieben gesitted, während Reinhard Meier die Diskussion souverän und mit Aplomb geleitet habe.

 Mit welchen Argumenten war Tovia Ben-Chorin an diesem Abend so erfolgreich? Es waren nicht nur seine Argumente, sondern auch sein Humor, sein umfassendes Wissen zum Thema Israel und dessen Probleme, seine tiefe Liebe zum Zionismus, die auch eigener Kritik standhält, seine gedankliche Modernität und, das liebe ich an ihm so sehr, seine tiefe Menschenliebe und, wie sich das hier zeigte, sein Mut sich Israelkritikern zu stellen.

 Drei Beispiele von Tovia Ben-Chorin’s Aussagen :

 Zum Shoa: „der Shoa darf nicht zur Politik benutzt werden. Ben Gurion tat das nicht, Begin leider schon. Israel ist nicht wegen dem Shoa entstanden, sondern auf Grund der Arbeit der zionistischen Bewegung in den Jahrzehnten vorher. Der Shoa hat [leider] höchstens nachgeholfen“. (Das erinnert mich an die Professorin Ruth Gavison, die mir einmal sagte, der Zionismus im damaligen Palästina habe nach dem Zweiten Weltkrieg die notwendige „kritische Masse“ der Zahl Juden in Palästina erreicht, die, unterstützt durch die von ihnen erbauten Infrastrukturen, zur Staatsgründung führte).

 Zitat aus dem Koran: „Und Wir gaben dem Volk [den Juden], das für schwach galt, die östlichen Teile des Landes zum Erbe und die westlichen Teile dazu, die Wir gesegnet hatten. Und das gnadenvolle Wort deines Herrn ward erfüllt an den Kindern Israels, weil sie standhaft waren; und Wir zerstörten alles, was Pharao und sein Volk geschaffen und was an hohen Bauten sie erbaut hatten“. (Sure 7.137/Quelle: http://www.theology.de/schriften/koran)

 An westliche „Israelkritiker“ und Politiker: „Man kann nicht eine westliche Denkform auf den Nahen Osten zwingen“.

 Tovia Ben-Chorin trug ein sehr treffendes Gedicht seines Vaters Schalom Ben-Chorin s.A. vor, das den Titel „Wenn ich ein Fischlein wär…“ trägt.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid!“
Das trifft nicht immer zu.
Man teilt und feilt – doch ob das heilt…
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?

Bis jetzt hat man sich nur gekeilt
Allein das Land blieb heil:
Was eh zu klein, jetzt wird’s geteilt
Und jeder hat sein Teil!

Ob das so salomonisch ist –
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?
Ich fürcht, dass das mehr komisch ist
Und keinem bringt es Ruh.

Wenn zwei nicht satt zu kriegen sind
Mit e i n e m Braten schon,
Ob die dann wohl zufrieden sind
Mit halber Portion?

Die Rechnung geht halt gar nicht auf
Wie man’s auch dreht und wendt.
So hemmt man nicht des Schicksals Lauf
Wenn’s ringsum schon brennt.

Ich weiss schon w i e zu teilen wär,
Zu löschen auch der Brand:
Die Juden kriegen halt das Meer
Die Araber – das Land.

Das nennt man dann „binational“
Ist auch humanitär.
Nur eins daran ist recht fatal:
Was tut der Jud im Meer?

Auch wenn ich nur ein Fischlein wär
Ein End hätt die Geschicht –
Ich schwämm vergnügt im blauen Meer…
Doch leider bin ich’s nicht.

Wie gesagt, es geht auch anders. Tovia Ben-Chorin und Reinhard Meier haben das vorgeführt.

Freitag, 18. September 2009

Dreimal Bösartiges

Das Hündchen

Das Bild des kackenden Hündchens hat mir böse Post eingebracht. Jemand schrieb: „Zudem wünsche ich mir (und Dir), dass Du solche Bilder wie im letzten mail jedenfalls an mich nicht mehr verschickst. Vom Iraner halte ich so wenig wie von allen Judenhassern, aber auf dieses Niveau wünsche ich mich nicht zu begeben.“ Über Geschmack soll man nicht streiten. Für jemanden, der mich und mein Volk so durchdringend hasst und umbringen will wie Klein-Adolf Ahmedinejad, der das Land in dem ich mit meiner Familie lebe von der Landkarte wischen will, ist das Geschmackloseste nicht geschmacklos genug. Geschmacklosigkeit kann doof, frech und sogar beleidigend sein, tödlich ist sie aber nicht. Das Foto mit dem Hündchen ist unvergleichlich harmloser, als die Atombomben, an denen der Iran gerade bastelt. Auf der anderen Seite fragte ein Leser aus Deutschland an, ob er das Bildchen auch verwenden dürfe, es sei super.

Avi, der SEMIT

Wenn wir schon bösartig sein wollen: Ich konnte mir heute nicht verkneifen in der Hauszeitschrift des jüdischen Selbsthasses, dem „SEMIT“ des Abraham Meltzer zu wühlen. Das ist höchst ungesund, der Blutdruck und der Zuckerspiegel steigen in gefährliche Höhen. Immerhin fand ich in der Rubrik Leserbriefe das Schreiben eines Mitglieds der „Schweizer Juden und Jüdinnen für einen gerechten Frieden ... „. Damit wurde mir diese Schmierenpostille zwar nicht sympathischer, doch ein ganz wenig heimischer halt schon. Aus Schweizer Feder ist folgendes zu lesen:

Kol ha kawod, Herr Meltzer! Wir gratulieren aus Zürich zu diesem wertvollen Beitrag zur deutschsprachigen jüdischen Diskurs!

Ich möchte sie auch persönlich abonnieren.

B’schalom

…… Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina

Mich beeindruckt, neben der göttlichen Rechtschreibung, vor allem die hier gewünschte Möglichkeit, den Herrn Avi Meltzer abonnieren zu können. Lässt man seine Luft heraus und steckt ihn jeden Monat in eine Tüte, lässt die Post ihn ins Haus liefert und in den Briefkasten steckt! Mit was wird er sich in den vielen Haushalten beschäftigen, in denen er abonniert ist? Putzen und Kochen könnte ihn vom Eifern und Geifern abhalten? Wäre das nicht eine Verschwendung seiner kostbaren Zeit? Doch genug dieser Blödeleien.

Nach fünf Minuten Lektüre im „SEMIT“ finde ich Hendryk Broder nicht mehr nur sehr gut und seine Arbeit äusserst wichtig, sondern er wird mir persönlich sympathisch, was bisher nicht der Fall war. Die SEMITEN dieser gleichnamigen Zeitschrift greifen ihn mit Worten und Schmähungen an, die so schmutzig sind, dass sie sogar mich ekeln. Auch wenn Broder mit sehr spitzem Bleistift schreibt und in seinen Ausdrücken ganz und gar nicht zimperlich ist – verglichen mit diesen SEMITEN ist sogar er die Höflichkeit selbst.

Der Goldstone Bericht

Nun doch zu wirklich Ernstem, jedoch auch Bösartigem in der Wirkung. Nach Veröffentlichung des Berichtes zu den vermeintlichen Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen Israels im vergangenen Gazakrieg, wird in Israel wieder einmal ganz vehement diskutiert. Israel hat einen Fehler gemacht – kaum im Gazakrieg, sondern mit Nethanyahus Entscheid Richter Goldstones Wunsch, die israelische Regierung möge sich an seiner Untersuchung beteiligen, abzuschlagen. Damit habt hat unser Regierungschef Goldstones Kommission völlig dem Einfluss und den Lügen der Hamas ausgeliefert. Was er sah waren zerschossene Häuser und kranke Menschen. Alles andere wurde ihm mündlich oder schriftlich vorgelogen, insbesondere die Erklärung auf die Frage „warum“. Es sind die gleichen Palästinenser der extremistischen Sorte, welche die Mohammad Al-Dura Geschichte über den kleinen Jungen, der von israelischen Soldaten erschossen worden war oder die Story des Massakers von Jenin mit den fünftausend Opfern ersannen – beide Fälle flogen auf und wurden als Erfindungen der palästinensischer Terroristen und ihrer Sympathisanten blossgestellt. Das sind nur zwei Beispiele palästinensischer Manipulationen und Lügengeschichten. Israel mit Serbien und Ruanda zu vergleichen, wie das nun geschieht, ist nicht statthaft und reinster Antisemitismus. Goldstone berichtet immerhin aus eigener Initiative auch über Menschenrechtsverbrechen der Hamas, denn sein Auftrag vom UNO-Menschenrechtsrat (in dem nun wirkliche Menschenrechtsverbrecher das Sagen haben) beinhaltete das nicht. Goldstone wird nun auch von der sich beleidigt gebenden Hamas angegriffen, doch die Welt nimmt das nicht zur Kenntnis. In der heutigen Ausgabe der Herald Tribune ist ein von Goldstone selbst geschriebener Artikel zu finden. Wie er schreibt hatte er tatsächlich gezögert die Auftrag anzunehmen, tat es dann aber. Aus diesen Artikel ist zu ersehen, dass er Israel und Hamas auf dieselbe Stufe stellt – die Demokratie Israel und die fundamentalistische Terroristenbande Hamas. Dieser grundsätzliche Irrtum, zusammen mit der fehlenden Kooperation Israels, machte es ihm leicht, das von seinem Auftraggeber, wie es heisst, aufoktroyiertes Resultat bestätigt zu sehen. Die israelische Armee hat neben dem taktischen oder strategischen Auftrag, den es zu erfüllen gibt, auch die Pflicht seine eigenen Soldaten bestmöglich vor Schaden zu bewaren. Diese Tatsache war Goldstone nicht bekannt oder er hat sie ganz einfach ignoriert.

Goldstone hätte den Auftrag, in dem Israel seine Mitwirkung verweigerte, ablehnen müssen. Vielleicht war es sein Pflichtgefühl, das ihn daran hindert. Ohne den Bericht gelesen zu haben – wie viele der unzähligen Kritikern taten das – möchte ich zwei Dinge in Erinnerung rufen: der Gazakrieg war eine zahllose Male verschobene Reaktion auf Tausende von Raketen aus Gaza. Diese Raketenangriffe forderten weniger Opfer als der israelische Verteidigungskrieg in Gaza, etwas das allerdings nur palästinensischer Unfähigkeit zuzuschreiben ist, etwas „fehlerfrei“ zu tun – mit Ausnahme, sich selbst explosiv zu entleiben. An der guten Absicht zur Opfermaximierung unter den Juden, hatte es der Hamas nicht gefehlt. Doch das Leben in den Dörfern und Städten um Gaza herum wurde zur Hölle, Kinder und Erwachsene erlitten psychische Schäden. Was ich Goldstone vorwerfe ist, dass er den für Kriege unzulässigen Begriff der „Unverhältnismässigkeit“ einbringt, denn damit verbietet sich jede effektive Selbstverteidigung gegenüber Feinden, wie jene Israels, Terroristen übelster Art, denen das Leben sogar ihrer eigenen Menschen nichts wert ist und sie diese ausschliesslich als Verbrauchsmaterial und ziviles Kanonenfutter betrachten. Krieg ist, das weiss ich aus eigener Kriegserfahrung und daraus folgenden jahrelangen Albträumen, unschön, unangenehm und gefährlich. Krieg heisst Zerstörung von Leben, Gesundheit, menschlichen Schicksalen und Besitz und enthält eine eigene, nicht vorhersehbare Dynamik, die sich erst im Nachhinein definieren lässt. Israel, wie beispielsweise die USA und ihre Alliierten der EU im Irak und Afghanistan, wie die Russen in Tschetschenien, nicht mit traditionellen Armee Krieg führt, sondern mit Terroristen mit vormittelalterlichen Vorstellungen und Zielen, die die Genfer Konvention und die UNO-Menschenrechte stets in Anspruch nehmen, dieser aber prinzipiell nie selbst einhalten, sind faire Kriegsführung sehr oft zum ideologischen Boomerang gegen konventionelle Kriegsführung geworden. Ich weiss nicht wie und ob solche Kriege endgültig gewonnen werden können – bisher war das nicht der Fall. Goldstone, vom proislamistischen UNO-Menschenrechtsrat manipuliert, hat das offensichtlich nicht begriffen und ist in diese Falle getappt. Aber nicht er, sondern Israel ist das Opfer. Israel ist klein, hat kein Erdöl und wenig internationale Macht und muss sich gefallen lassen, was weder der US-Armee, ihren europäischen Verbündeten und der russischen Armee zugemutet wird.

Unglücklicherweise ist Goldstones Bericht ein Dokument, auf das sich nun alle selbsternannten (siehe oben) „Israelkritiker“ und andere Antisemiten stürzen werden, denn nun glauben sie, sich auf einen jüdischen Richter und auf die zweifelhafte UNO-Menschenrechtsorganisation berufen zu können. Der Bericht ist das Resultat von Goldstones Naivität und Unkenntnis islamistischer Religion, Ethik und Traditionen, aber auch das Resultat von Nethanyahus Arroganz. Schade. Bei jenen, die uns nach dem Leben trachten herrscht dieser Tage Feststimmung.

Donnerstag, 17. September 2009

Gegensätze

Mein Cousin Ernst überraschte mich mit einem ausdrucksstarken Bild. Es hat’s in sich. Wollte man die dargestellte Zeitschrift auswechseln (Photo Shop macht’s möglich), könnte das Ziel dieser hier demonstrierten biologischen Aktivität nach Bedarf, Aktualität und inneren Zwängen angepasst werden. Ich will keine Vorschläge vorbringen, jedoch auf die bewundernswerte Treffsicherheit des Schützen hinweisen.

Doch man kann auch anders miteinander umgehen. Freund Peter sandte mir aus Haaretz einen wunderschönen Artikel mit Bild über eine jüdische Reformgemeinde in Amerika, die ihre Synagoge einer muslimischen Gemeinde für die Zeit des Ramadans zur Verfügung stellt. Neben der Gemeinde „Beth Chaverim“ in Ashburn, Virginia, vermietet in derselben Stadt auch die Gemeinde „Northern Virginia Hebrew Congregation“ ihr Gotteshaus an Muslime. Doch wie ich las, ist diese kommerzielle Transaktion der kleinere und rein formale Teil dieser Kooperation. Juden und Muslime lernen einander privat kennen, Muslime sehen wie Judentum funktioniert und seine Religion ausübt. Der Imam besuchte den Freitagabendgottesdienst und predigte dort, Rabbiner Robert Nosanchuk tat dasselbe an muslimischen Gottesdiensten am selben Ort.
„Leute sehen die jüdisch-muslimischen Beziehung als einen Konflikt, doch hier werden Stereotypen aus dem Wege geräumt“, sagte der im Sudan geborene Imam Mohammed Magid der All Dulles Area Muslim Society. Die jüdische Gemeinschaft nicht nur toleriere ihn und die Muslime, sondern ihre Mitglieder hätten sie ausgesprochen herzlich willkommen geheissen. Wie Magid sagt, hätte ein Mitglied der Moschee ihm gesagt: „wenn ich das nächste Mal einen Juden sehe, werde ich ihn mit anderen Augen betrachten“.

Rabbi Robert Nosanchuk meint, diese Beziehung funktioniere in beide Richtungen. „Man lernt jemanden erst dann wirklich kennen, wann man ihn zu sich nach Hause einlädt, sein Gesicht wieder erkennt und sich die Namen seiner Kinder gemerkt hat.“
Zahlreiche Muslime kommen heute nur noch in die Moschee der Synagoge. Man findet es dort gemütlich und es seien immer freie Parkplätze zu finden. Der Imam scherzte sie sollten anschliessend doch gleich noch für den jüdischen Freitagabendgottesdienst bleiben.

Donnerstag, 10. September 2009

Mein Medienabenteuer

Ich surfe gelegentlich im Internet oder werde durch die Mail von Freunden auf bemerkenswerte Artikel gestossen. So geriet ich auf die englischsprachige Webseite der bekannten arabischen on-line Zeitung „Aljazeera“. Es gibt dort viel zu lesen, ganz besonders über arabische Verschwörungstheorien. Ich stiess auf einen Artikel „The Arabs are not the problem“. Kurz und prägnant wird in drei Sätzen einmal wieder die Mär „bewiesen“, dass nicht arabische Terroristen der Al-Quaida den schlimmsten Terroranschlag aller Zeiten, den 9/11, zu verantworten hätten, sondern die amerikanische Regierung. Man wurde auch eingeladen, diesen Artikel zu kommentieren. Ich machte davon gebrauch und schrieb bewusst einen höflichen, aber doch leicht provokativen Brief, gab alle geforderten Informationen, schrieb Israel als Domizil und sandte den Leserbrief los. Innert kürzester Zeit kam er zurück und ich wurde aufgefordert eine ganze Anzahl Worte meines Kommentars zu entfernen, da sonst mein schöner Aufsatz nicht publiziert werde. Denkend, dass vielleicht mein Domizil das ausgelöst haben könnte, schrieb ich statt Israel nun Switzerland, doch wieder wurden meine schönen Worte refusiert. So sieht das ungefähr aus (leichter brachte ich es nicht fertig, meine paar Sätze mit zu kopieren, doch der Layout ist in obigem Link ersichtlich, aber ich habe versucht das Untenstehende mit Stichwörtern zu erklären):

WARNING: THIS INFORMATION MAY BE MADE PUBLIC


“The Arabs are not the problem”   [Titel des Aljazeera Artikels]


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The following words in red color are none approved posting words or have spelling mistakes.


Please correct the words and submit the form, othewise if you are sure from your words please submit the comment for review


Your Name:    Paul Russak


Country:         Israel/Switzerland


Title: Arabs are to blame  [mein Titel] 


Comment: Do NOT use special characters: - + < > ( ) { } $ % * & ! _ / \ ^ : ; @
Do NOT use any numbers: 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Racism and reference to religion is banned.      [Bedingungen]


Characters left: arab religious violence terror jews western arab arab hatred nazis terror al quaida hisbullah hitlers racial actions having arab 2005 honors arab [von mir genutzte verbotene Wörter]

Nach nochmaligem Absenden erhielt ich untenstehende Mitteilung, aus der ich eigentlich nur schliessen kann, dass meine weisen Worte und Ermahnungen an die arabische Welt kaum publiziert werden.

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Ich weiss, dass wir glücklichen Mitglieder einer freien und offenen Gesellschaft, in unseren Medien keine solche Zensur kennen. Auch über Juden und Araber darf geschimpft werden. Dann darf man zurück schimpfen, was meist auch publiziert wird. Bei Aljazeera darf man nur über Juden und Amerikaner schimpfen und sie beleidigen, aber das Wort "arab" ist auf dem Index. Aljazeera gilt als relativ liberal – mein Gott, wie würden andere arabische Medien reagieren, besonders jene in arabischer Sprache, in denen oft das Gegenteil dessen berichtet wird, was arabische Politiker und Kleriker in Arabisch ihrem Volk sagen. Gibt es bei uns verbotene Worte, verbotene Gedanken und Begriffe, die von vornherein vom Gebrauch ausgeschlossen sind? Mit politischer Korrektheit haben die Aljazeera Vorschriften nicht zu tun, sondern mit der arabischen Weigerung, sich Kritik zu stellen. Bitte beachtet die oben gezeichte Liste verbotener Worte, die Aljazeera Zensurcomputer in meinem Artikel gefunden hat. Sie demonstrieren auf prägnante Weise, wie das Gegenteil einer freien Presse funktioniert, denn ich schrieb weder Rassistisches, Schimpfwörter noch Pornografisches. Sogar Religion liess ich aus dem Spiel. Provokation war natürlich vorhanden, die der Computer mittels seiner verbotenen Wörterliste ausmachte. Als ich die zur Publikation zugelassenen Kommentare (am Ende des Kurzartikels) mit ihren verlogenen Behauptungen las, all die Geschichtsverdrehungen und Phantasien, den aufgestauten Hass und Kommentare politisch korrekter Amerikaner und Europäer, dann sehe ich eine Verständigung zwischen der arabischen Welt und Israel und dem Rest des freien Westens gar nicht so plastisch.

Samstag, 5. September 2009

Aufregendes und Anregendes

Die Sünde christliche Kirchen zu bauen

Nicht dass ich die christliche Religion besonders schätze, doch immerhin verfolgt und verbrennt sie ihre Abtrünnigen und Andersgläubigen seit längerer Zeit nicht mehr. Beim Islam, dessen Aufklärungsperiode noch immer auf sich warten lässt, sind Christenverfolgungen jedoch heute gross in Mode. Das bestätigt auch die Aussage eines islamischen Klerikers, es sei eine Sünde christliche Kirchen zu bauen. Das reiht sich nahtlos an die Serie bestehender Christenverfolgungen in Ägypten, Palästina, Irak, Saudiarabien, Sudan, Pakistan etc. wo Christen ermordet, gelyncht, verjagt, oder wenn sie Glück haben, freiwillig fliehen dürfen. Ich möchte darüber nicht wieder ins Detail gehen, ich habe schon genügend darüber geschrieben. Was mich jedoch noch immer befremdet ist die Tatsache, dass die christliche Welt sich darüber nicht sichtbar aufregt und vor allem nichts für ihre verfolgten christlichen Brüder im Vorderen Orient tut. Mir ist klar, dass ich solches aus jüdischen Augen sehe. In der jüdischen Welt ist Solidarität ein Grundpfeiler, gewachsen und gelegentlich vergessen aus den Erfahrungen der seit zwei Jahrtausend bestehenden Verfolgung des jüdischen Volkes, besonders durch die christliche Welt. Auch wenn diese jüdische Solidarität heute besonders unter „progressiv denkenden“ Juden in der Diaspora wackelt. Oder gar wenn wir an den an den aschkenasischen Religionsrassismus gegenüber äthiopischen Juden in Israel denken, über den sich gerade dieser Tage jeder anständige Israeli aufregt, wie hier Jaques Ungar im Tachles.

Wer sich für diesen Problemblock interessiert findet in der „The Christian Post“ interessante Informationen. Nur noch eines: wenn man in den Medien wühlt, könnte man auf die Idee kommen, dass wir Juden uns mehr um die Christen und ihr Schicksal Sorgen machen, als die Christen der Welt, von denen vielleicht einige wenige diskret und ohne, den Erdölgeschäften wegen, geschäftsschädigende Wellen zu erzeugen.

Müsterchen palästinensischen Unsinns:

Der Oberkadi (oberster islamischer Richter) der PA, Sheikh Tayseer Rajab Tamimi, sagte am vergangenen Mittwoch, es gebe keinerlei Beweise zur Unterstützung des jüdischen Anspruchs auf Jerusalem und dass Juden je dort gelebt und der Tempel dort je existiert habe. Tamimi behauptet das israelische Archäologien zugegeben hätten, dass in Jerusalem nie Juden gelebt hätten. (Quelle Jerusalem Post, Khaled Abu Toameh, 27.8.2009). Hier eine Richtigstellung. Quelle Jewish Virtual Library:

Seit fast zwei Jahrtausenden wohnen Juden in Jerusalem. Seit 1840 bilden sie die zahlenmäßig stärkste Bevölkerungsgruppe der Stadt (s. Karte von Jerusalem von 1912). In Jerusalem steht die Westmauer des Tempelbergs, die heiligste Stätte des Judentums.

Jerusalem war zu keinem Zeitpunkt der Geschichte Hauptstadt eines arabischen Staatengebildes; im Gegenteil, während des größten Teils der arabischen Geschichte war die Stadt völlig unbedeutend. Unter muslimischer Herrschaft war Jerusalem nicht einmal Provinzhauptstadt, und es war auch nie ein islamisches Kulturzentrum. Den Juden ist die ganze Stadt heilig, die Muslime verehren nur eine einzige Stätte darin - den Felsendom, nicht die Stadt selbst. "Für einen Muslim", so schrieb der Engländer Christopher Sykes, "besteht ein ganz entscheidender Unterschied zwischen Jerusalem und Mekka oder Medina. Die beiden letzteren sind heilige Orte mit heiligen Stätten. Jerusalem dagegen hat", so notierte er, "außer dem Felsendom keine größere Bedeutung für den Islam."

                                    Jahr       Juden        Muslime       Christen          Gesamt
                                   
                                   1844         7120            5000              3390              15510
                                   1876        12000           7560              5470              26030
                                   1896        28112           8560              8748              45420
                                   1922        33971         13411              4699              52081
                                   1931        51222         19894            19335              90451
                                   1948      100000         40000            25000            165000
                                   1967      195700         54963            12646            263309
                                   1987      340000       121000            14000            475000
                                   1990      378200       131800            14400            524400
                                   1998      433600       182000            14000            633700
                  
Uri Avnery liegt quer – aber wem?

Vor kurzem schrieb ich irgendwo, dass ich Uri Avnery nicht zu den antisemitischen Gutmenschen vom Dienst zähle, da er trotz seinen heutigen Trötzeleien, im Laufe seines Lebens für Israel grosse Verdienste erworben hat. In Israel wird er nicht mehr ernst genommen, im deutschsprachigen Europa schon, denn, erstens, spricht er ein wunderschönes Deutsch und, zweitens, erspart er so seinen Anhänger, die sich ihrem Judentum entziehen wollen, die Notwendigkeit Hebräisch zu lernen. Es ist schade, dass er sein Talent nicht für besseres einsetzt. Doch für einmal hat er sich stolz gegenüber dem „israelkritischen“ Pöbel in die Nesseln gesetzt und ist in verschiedenen Sprachen unter Beschuss gekommen. Er hatte sich öffentlich und dezidiert gegen die Anklage Israel sei ein Apartheidstaat, ausgesprochen. Ich will nicht wieder den alten Morgenstern zitieren, doch in den Augen vieler seiner bisherigen Anhänger hat Avnery ein Sakrileg begangen. Ich bringe hier, sogar in deutscher Sprache, seinen Artikel zur Kenntnis meiner lesenden Freunde. Den verbalen Dreck, mit dem er jetzt beworfen wird, ihn drucke ich lieber nicht ab, er ist jedoch leicht im Internet zu finden. Wieder einmal wird bewiesen, wie ideologisch festgefahren und verlogen die sogenannten „israelkritischen“ Kreise argumentieren.

Zwar bringt Uri Avnery noch immer nicht akzeptierbare Argumente, doch schon auf den ersten Blick erkennt er die fatale Ähnlichkeit zwischen einem Boykott Israels and den nazistischen Aufrufen: „Kauft nicht bei Juden“. Weiter und noch wichtiger, deckt er denn Unsinn der Vergleiche zwischen Israel und Südafrika auf und zwar genau so, wie jeder, der sich nicht durch antisemitischen Selbsthass seiner Sinne beraubt jeden Mist nachplappert, der ihm unbesehen ins Hirn gestopft worden ist. Interessant ist auch die Erinnerung an die Überwindung des Hasses zwischen Schwarzen und Weissen und die daraus erfolgte Erstellung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission. Sämtliche Grundlagen der Vergleiche zwischen dem ehemaligen Südafrika der Buren und Israel sind so verschieden, dass sich keinerlei Parallelen anbieten. Dafür wird es umso klarer, dass dieser sich auf „Apartheid“ stützende Boykottaufruf, sich auf nicht vorhandene Argumente stützt. Nur schon zum unbändigen religiös-ideologische Judenhass der islamischen Welt, der in die gesamte Jugend dieser Völker eingetrichtert wird, gibt es keine Parallelen zum Verhältnis Schwarzer und Weisser im ehemaligen Apartheid-Afrika.

Sollte sich jemand über Uri Avnerys Sympathie für Bischof Tutu und dessen Naivität aufregen, so soll er – ich teile sie mit Avnery. Der letzte Satz in Avnery’s Artikel ist es wert.

AUTOR: Uri AVNERY
Uebersetzt von Ellen Rohlfs

WIE SEHR hat der Boykott Südafrikas tatsächlich dazu beigetragen, um das rassistische Regime zu stürzen? In dieser Woche sprach ich mit Desmond Tutu über diese Frage, die mich schon seit langem bewegt.

Keiner ist kompetenter, diese Frage zu beantworten, als er. Tutu, der südafrikanisch anglikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger, war einer der Verantwortlichen für den Kampf gegen die Apartheid und später der Vorsitzende der „Wahrheits- und Versöhnungskommission“, die die Verbrechen des Regimes untersuchten. In der vergangenen Woche besuchte er Israel mit den „Elders“, einer Organisation älterer Staatsmänner aus aller Welt, die von Nelson Mandela gegründet wurde.

Die Sache mit dem Boykott kam diese Woche wieder zur Sprache, nachdem Dr. Neve Gordon in der Los Angeles Times einen Artikel geschrieben hatte, in dem er zu einem weltweiten Boykott Israels aufgerufen hatte [deutsche Fassung hier]. Er bringt das Beispiel Südafrika, um zu zeigen, wie ein weltweiter Boykott Israel zwingen würde, die Besatzung zu beenden, die er mit dem Apartheid-Regime verglich.

Ich habe Neve Gordon seit vielen Jahren gekannt und geschützt. Bevor er Dozent an der Ben-Gurion-Universität in Beersheba wurde, organisierte er viele Demonstrationen gegen die Trennungsmauer im Jerusalemer Raum. An vielen von ihnen nahm auch ich teil.

Leider kann ich ihm dieses Mal nicht zustimmen – nicht bei dem Vergleich mit Südafrika und nicht bei der Wirksamkeit eines Boykottes gegen Israel.

Die Meinungen über den Beitrag des Boykotts zum Erfolg des Anti-Apartheid-Kampfes gehen auseinander. Entsprechend einer Ansicht war er entscheidend. Andere Ansichten behaupten, sein Einfluss sei marginal gewesen. Einige glauben, dass es der Kollaps der Sowjetunion gewesen sei, der entscheidend war. Nach diesem hatten die USA und ihre Verbündeten keinen Grund mehr, das Regime in Südafrika zu unterstützen, das bis dahin als Pfeiler des weltweiten Kampfes gegen den Kommunismus angesehen worden war.

„DER BOYKOTT war ungeheuer wichtig“, sagte mir Tutu, „viel wichtiger als der bewaffnete Kampf.“

Es sei daran erinnert, dass Tutu, nicht wie Mandela, ein Advokat des gewaltfreien Kampfes war. Während 28 Jahren schmachtete Mandela im Gefängnis. Er hätte jeden Augenblick frei kommen können, wenn er ein Statement unterschrieben hätte, das den „Terrorismus“ verurteilte. Er verweigerte dies.

„Die Bedeutung des Boykotts war nicht nur wirtschaftlicher Art“, erklärte der Erzbischof, „sondern auch moralisch. Die Südafrikaner sind z.B. ganz wild auf Sport. Der Boykott, der ihre Teams daran hinderte, im Ausland an Sportwettkämpfen teilzunehmen, hat sie sehr getroffen. Aber die Hauptsache war, er gab uns das Gefühl, dass wir nicht alleine sind, dass die ganze Welt mit uns ist. Das gab uns die Kraft, weiter zu machen.“

Um die Wichtigkeit des Boykottes zu zeigen, erzählte er mir noch folgende Geschichte: 1989 wurde der moderate weisse Führer Frederic Willem de Klerk zum Präsidenten von Südafrika gewählt. Nachdem er sein Amt angetreten hatte, erklärte er seine Absicht, eine multi-ethnische Regierung einzusetzen. „Ich rief ihn an und gratulierte ihm. Das erste, was er sagte, war: „Werden Sie nun den Boykott abbrechen lassen?“

ES SCHEINT mir, dass Tutus Antwort den grossen Unterschied zwischen der südafrikanischen Realität von damals zu der unsrigen von heute unterstreicht.

Der südafrikanische Kampf war der zwischen einer grossen Mehrheit und einer kleinen Minderheit. Unter einer allgemeinen Bevölkerung von fast 50 Millionen kamen die Weissen auf weniger als 10%. Das heit, dass mehr als 90% der Bewohner des Landes den Boykott unterstützten – trotz des Argumentes, dass sie selbst darunter leiden würden.

In Israel ist die Situation genau umgekehrt. Die Juden stellen mehr als 80% von Israels Bürgern dar und eine Mehrheit von 60% im ganzen Land zwischen Mittelmeer und Jordan. 99,9% sind gegen einen Boykott Israels.

Sie werden nicht das Gefühl haben, „die ganze Welt ist mit uns“, sondern eher „die ganze Welt ist gegen uns.“

In Südafrika half der weltweite Boykott, die Mehrheit zu stärken und für den Kampf, zu ermutigen. Die Auswirkung eines Boykottes auf Israel würde genau das Gegenteil bewirken: er würde die grosse Mehrheit in die Arme der extremen Rechten treiben und eine Festungsmentalität gegen die „antisemitische Welt“ schaffen. (Der Boykott würde natürlich einen anderen Einfluss auf die Palästinenser haben, aber das ist nicht das Ziel jener, die ihn befürworten).

Völker sind sehr unterschiedlich. Die Schwarzen Südafrikas unterscheiden sich sehr von den Israelis und den Palästinensern. Der Kollaps des unterdrückerischen rassistischen Regimes führte nicht zu einem Blutbad, wie vorausgesagt worden war, sondern im Gegenteil: zur Errichtung der Wahrheits- und Versöhnungskommission. Anstelle von Rache, Vergeben . Denjenigen, die vor der Kommission erschienen und ihre Untaten zugaben, wurde verziehen. Das war im Einklang mit der christlichen Religion, und es war auch im Einklang mit dem biblischen Versprechen: „Wer aber seine Sünden bekennt und von ihnen lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.“ (Sprüche 28,13)

Ich sagte zu dem Bischof, dass ich nicht nur die Verantwortlichen bewundere, die diesen Weg eingeschlagen haben, sondern auch die, die ihn akzeptierten.

EINER DER tiefsitzenden Unterschiede zwischen den beiden Konflikten ist der Holocaust.

Jahrhunderte lange Pogrome haben sich in das Bewusstsein der Juden eingeprägt und damit die Überzeugung, dass die ganze Welt darauf aus sei, sie zu vernichten. Dieser Glaube wurde hundertfaltig durch den Holocaust verstärkt. Jeder Israeli lernt schon in der Schule, dass „die ganze Welt schwieg“, als sechs Millionen ermordet wurden. Dieser Glaube steckt in den letzten Winkeln der jüdischen Seele. Selbst wenn dieser Glaube schlummert, ist er schnell hellwach.

(Es ist diese Überzeugung, die es letzte Woche für Avigdor Lieberman möglich machte, das ganze schwedische Volk wegen eines idiotischen Artikels in einer schwedischen Boulevardzeitung anzuklagen, mit den Nazis kollaboriert zu haben.)

Es mag wohl sein, dass die jüdische Überzeugung, „die ganze Welt ist gegen uns“ irrational ist. Aber im Leben von Völkern wie auch im Leben von Individuen ist es irrational, das Irrationale zu ignorieren.

Der Holocaust wird einen entscheidenden Einfluss auf jeden Aufruf zum Boykott Israels haben. Die Führer des rassistischen Regimes in Südafrika sympathisierten offen mit den Nazis und waren während des 2. Weltkriegs deswegen sogar interniert worden. Apartheid gründete sich auf dieselben rassistischen Theorien, die Hitler inspirierten. Es war einfach, die zivilisierte Welt zum Boykott eines widerlichen Regimes zu gewinnen. Die Israelis andrerseits werden als die Opfer des Nationalsozialismus’ gesehen. Der Aufruf zum Boykott wird viele Menschen rund um die Welt an den Nazi-Slogan „Kauft nicht beim Juden!“ erinnern.

Das betrifft nicht jede Art von Boykott. Vor etwa 11 Jahren rief die Gush Shalom-Bewegung, in der ich aktiv bin, zu einem Boykott der Produkte aus den Siedlungen auf. Ihre Absicht war es, die Siedler von der israelischen Öffentlichkeit zu trennen und aufzuzeigen, dass es zwei Arten von Israelis gibt. Der Boykott war auch dafür gedacht, die Israelis zu stärken, die gegen die Besatzung sind, ohne anti-israelisch oder antisemitisch zu werden. Seitdem hat die EU hart daran gearbeitet, die Tore der EU für Produkte der Siedler zu schliessen – und kaum einer hat sie des Antisemitismus’ angeklagt.

EINES DER Hauptschlachtfelder für unsern Kampf für Frieden ist die öffentliche Meinung in Israel. Die meisten Israelis glauben heute, dass Frieden wünschenswert, aber unmöglich sei (natürlich wegen der Araber). Wir müssen sie davon überzeugen, der Frieden sei nicht nur gut für Israel, sondern auch wirklich zu erreichen.

Als der Erzbischof fragte, was wir, die israelischen Friedensaktivisten, hoffen, sagte ich ihm: wir hoffen, dass Barack Obama einen umfassenden und detaillierten Friedensplan veröffentlicht und mit voller Überzeugungskraft der USA durchsetzt, um die Parteien dazu zu bewegen, ihn anzunehmen. Wir hoffen, dass die ganze Welt sich hinter diese Bemühungen stellt. Und wir hoffen, dass dies helfen wird, die israelische Friedensbewegung wieder zurück auf ihre Füsse zu bringen und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es möglich und wert sei , den Weg des Friedens mit Palästina zu betreten.

Keiner, der diese Hoffnung hegt, kann den Boykottaufruf gegenüber Israel unterstützen. Diejenigen, die zum Boykott aufrufen, handeln aus Verzweiflung. Und da liegt die Wurzel des Uebels.

Neve Gordon und seine Partner bei diesen Bemühungen sind an den Israelis verzweifelt. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass es keine Chance gibt, die israelische öffentliche Meinung zu verändern. Ihrer Ansicht nach kommt keine Rettung aus Israel selbst. Man muss die israelische Öffentlichkeit ignorieren und sich darauf konzentrieren, die Welt gegen Israel zu mobilisieren. (Einige von ihnen denken sowieso, dass der Staat Israel demontiert und durch einen binationalen Staat ersetzt werden sollte.)

Ich teile keine dieser beiden Meinungen – weder die Verzweiflung über das israelische Volk, dem ich angehöre, noch die Hoffnung, dass die Welt aufstehen und Israel zwingen wird, seinen Weg gegen seinen Willen zu ändern. Damit dies geschieht, muss der Boykott weltweit in Bewegung kommen, die USA muss sich ihm anschliessen, die israelische Wirtschaft muss kollabieren und die Moral der israelischen Öffentlichkeit muss zusammenbrechen.

Wie lange wird dies dauern? Zwanzig Jahre ? Fünfzig Jahre? ewig?

ICH Fürchte, dass dies das Beispiel einer falschen Diagnose ist, die zu einer falschen Behandlung führt. Um genau zu sein: die falsche Annahme, dass der israelisch-palästinensische Konflikt der südafrikanischen Erfahrung ähnelt, führt zur falschen Wahl der Strategie.

Die israelische Besatzung und das südafrikanische Apartheidsystem haben gewisse ähnliche Charakteristika. Auf der Westbank gibt es Strassen „nur für Israelis“. Aber die israelische Politik gründet sich nicht auf Rassentheorien, sondern auf einen nationalen Konflikt. Ein kleines, aber bezeichnendes Beispiel: einem weissen Mann und einer schwarze Frau (oder auch umgekehrt) war es in Südafrika nicht erlaubt zu heiraten, und sexuelle Beziehungen zwischen ihnen war ein Verbrechen. In Israel gibt es solch ein Verbot nicht. Andrerseits kann ein arabisch israelischer Bürger, der eine arabische Frau aus den besetzten Gebieten heiratet (oder auch umgekehrt) seinen/ihren Ehepartner nicht nach Israel bringen. Der Grund ist, die jüdische Mehrheit in Israel zu bewahren. Beide Fälle sind verwerflich, aber grundsätzlich verschieden.

In Südafrika gab es eine totale Übereinkunft zwischen den beiden Seiten über die Einheit des Landes. Der Kampf ging um die Herrschaft. Sowohl die Weissen, als auch die Schwarzen betrachteten sich als Südafrikaner und waren entschlossen, das Land zusammenzuhalten. Die Weissen wollten keine Teilung und konnten es tatsächlich nicht wollen, weil sich ihre Wirtschaft auf die Arbeit der Schwarzen gründete.

In diesem Land haben die israelischen Juden und die palästinensischen Araber nichts gemeinsam – kein nationales Gefühl, keine gemeinsame Religion, keine gemeinsame Kultur und keine gemeinsame Sprache. Der weitaus grösste Teil der Israelis wünscht einen jüdischen (oder hebräischen) Staat, der weitaus grösste Teil der Palästinenser wünscht einen palästinensischen (oder islamischen) Staat. Israel ist nicht von palästinensischen Arbeitskräften abhängig – im Gegenteil. Es vertreibt die Palästinenser von ihren Arbeitsplätzen in Israel. Aus diesen Gründen gibt es jetzt einen weltweiten Konsens, dass die Lösung in der Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel ist.

Zusammengefasst: die beiden Konflikte sind grundsätzlich verschieden. Deshalb müssen auch die Methoden des Kampfes notwendigerweise anders sein.

NOCH EINMAL zurück zu Erzbischof Tutu, einer attraktiven, sympathischen Persönlichkeit. Er sagte mir, dass er häufig bete und dass sein Lieblingsgebet folgendes sei (ich zitiere aus dem Gedächtnis):

„Lieber Gott, wenn ich Unrecht habe, mach mich bitte willens, meinen Fehler einzusehen. Und wenn ich Recht habe – mach, dass es erträglich ist, mit mir zu leben.“
(Quelle: www.avnery-news.co.il/english/index.html)

Dienstag, 1. September 2009

Fussballtherapie

Heute Abend hielt Meir Cohen eine Menge Bälle. Meir Cohen ist Torhüter der israelischen Fussballmannschaft „Bnei Sakhnin“ (Söhne von Sakhnin), der Stadt Sakhnin im westlichen Galiläa. Über Sakhnin's Fussballklub habe ich vor Jahren schon ein oder zwei Mal geschrieben und noch immer zieht mich jedes seiner Spiele an den Fernseher. Heute Abend spielten sie gegen ihren Erzgegner „Beitar Jerusalem“, einem Klub, der schon einige Male Landesmeister geworden ist, aber seit über einem Jahr dahinserbelt, seit sein Gönner, der russische Oligarch und (wie es scheint) Wirtschaftsflüchtling Gaydamak aus Israel fliehen musste. Der Jerusalemer Klub trägt auf seinen gelben Leibchen die Aufschrift „Genug der Gewalt“ (Dai Le’Alimuth), was gar nicht scherzhaft gemeint ist, denn seine Fans sind primitive Rassisten, die mindestens schon zweimal verhinderten, dass der Klub arabische Spieler aufnehmen durfte und dass er wegen dem Benehmen dieser Fans vor leeren Tribünen spielen musste. Doch zurück zu „Bnei Sakhnin“. Zwar ist diese Mannschaft der Stolz seiner arabischen Stadt, doch spielen bei ihr nicht nur arabische Fussballer (Christen und Muslime), sondern auch Juden wie Meir Cohen, der einen sehr unarabischen Namen trägt. Der Trainer ist Jude, denn in diesem Beruf sind, wie man mir sagte, in Israel noch keine Araber zu finden. Als begeisterter Lehnstuhl-Fussballer und Fernsehsportler - ich war zwar auch bei Spielen von Makkabi Haifa an der frischen Luft ihres Stadions „Kiriat Elieser“ - weiss ich auch, dass es eine stolze Anzahl sehr guter arabischer Spieler auch in anderen israelischen Fussballklub der Topliga gibt, die zudem in die israelische Nationalmannschaft aufgeboten werden. Übrigens, das Spiel endete 0:0, ein Erfolg für „Bnei Sakhnin“ und ein Misserfolg für „Beitar Jerusalem“.

Ich habe eine Schwäche für „Bnei Sakhnin“. Die Mannschaft und ihre Fans sind auch Fans der „Makkabi Haifa“ Mannschaft, die in der letzten Saison Landesmeister wurde und deren Fan ich bin. Das ist eine Gemeinsamkeit, die jedoch nicht darüber hinweg täuschen darf, dass die Stadt Sakhnin, obwohl sie im Vergleich zu Umm El-Fahm, einer Islamistenstadt, in der ich mich recht oft aufhalte, eine sekuläre Stadt ist, jedes Jahr mindestens einmal unangenehm auffällt. Das ist am Tag der „Nakba“, dem von israelischen Arabern als Tag der *Katastrophe* gefeierten Gedenktag der selbst verursachten Flucht eines Teiles der arabischen Bevölkerung Palästinas, anlässlich der Gründung des Staates Israel in 1948. Dann fliegen die Steine in Sakhnin, mehr als in den meisten anderen arabischen Orten, es werden aufputschende Reden gehalten und Juden meiden an diesem Tag die Stadt. Trotzdem lebt dort meines Wissens ein junger Jude, der nach seinem Militärdienst für ein Jahr in Galiläa leben wollte und sich für Sakhnin entschied. Wie zu lesen ist, wurde er äusserst freundlich aufgenommen – ganz im Gegensatz zu arabischen Israelis, die sich in einem jüdischen Dorf niederlassen wollen und stets abgewiesen werden, ein unschönes, rassistisches und völlig undemokratisches Phänomen, das besonders in Galiläa schon verschiedentlich für beschämendes Aufsehen sorgte. Ob Teddy Fassberg dort noch lebt, weiss ich nicht, doch seine Artikel in der englischsprachigen Presse über sein Leben in Sakhnin sind sehr lesenswert und stellen einen Menschen vor, der nicht hassen kann und sein Leben gerade deshalb geniesst. Auch er ist zum Fussballfan geworden und schreibt, wie auch ich, wie Fussball zur treibenden Kraft der Stadt Sakhnin geworden ist – trotz Demos an den Nakbatagen.