Mittwoch, 23. September 2009

Es geht auch anders

Meine Erfahrungen der letzten zwanzig Jahren an antisemitisch-antiisraelischen Diskussion haben mich geprägt. An solchen, meist von Palästinaphantasten organisierten Panelgesprächen und Diskussionen, erlebte ich viel verbale und einmal sogar physische Gewalt gegen Juden. Seither rate ich meinen Freunden oft ab, an solchen „freien“ Aussprachen teilzunehmen – vielleicht aus einem gewissen Verantwortungsgefühl gegenüber meinen Freunden heraus.

Doch anscheinend ändern sich die Zeiten. Vor drei Tagen wurde mir per E-Mail das „Buch“ eines Herrn Dr. Alfred Rudorf zugesandt. Beim Lesen seiner Seiten, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Er gibt sich als Mediator, der seine Kenntnisse über den Israel-Palästinakonflikt ausschliesslich aus Literatur, Medien und der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP) bezieht, bewusst nie in Israel und Palästina war und darauf erst noch stolz ist. Er findet es sei sein Vorteil, Fakten ausschliesslich aus dritter Hand zu kennen und sich nicht durch Augenschein, Erleben der Tatsachen, Wissen über Tradition und Kultur des Anderen und direkten Gespräche verwirren zu lassen. In einem hat Rudorf allerdings recht: mit seinem Zitat von Albert Einsteins: „Probleme kann man niemals mit der selben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. Aber eben, das war der Jude Einstein, der das bemerkte, und leider ist es so, dass weder Nethanyahu noch Lieberman sich diese Überlegung zu Eigen machen. Aber das tut in dieser Region ohnehin niemand, denn Hamas in aller Offenheit und Fatah ausschliesslich in arabische Sprache, finden das Endziel der Vernichtung Israels noch immer das Gelbe vom Ei.

 Zudem scheint Herr Dr. Alfred Rudorf es mit Offenheit (Ehrlichkeit?) nicht allzu ernst zu nehmen, er liess sich als Mitglied der GSI (Gesellschaft Schweiz-Israel) aufnehmen und verbarg deren Vorstand seine Angehörigkeit zu den Terrorverstehern des GSP. Nachdem dies aufgeflogen war, sagten sich Mitglieder des GSI Vorstandes von ihm los – doch herausgeworfen haben sie ihn (noch) nicht und hoffen auf seinen „natürlichen“ Abgang.

 Gestern Abend fand in der Kirche Oberstrass, die so verstand ich von Freunden, oft als Versammlungsort der Schweizer Palästinafans dient, ein Panelgesprächsabend statt. Teilnehme Daniel Vischer, Dr. Rudorf und mein enger Freund Rabbiner Tovia Ben-Chorin. Gesprächsleitung Reinhard Meier, pensionierter NZZ-Redaktor und ein wirklicher Kenner der Materie. Ich verstehe mich mit ihm sehr gut, auch wenn wir nicht immer derselben Ansicht sind. Ich war entsetzt, denn für mich waren solche Diskussionsabende bisher gesundheitsschädlich die Juden, die nicht unter Selbsthass leiden. Meine telefonischen Ermahnungen an Freund Tovia fruchteten nicht, er findet man muss sich solchen Herausforderungen stellen. Ich wurde vom Saulus zum Paulus – doch Tovia wurde, so wurde mir schon um acht Uhr früh Israelzeit begeistert berichtet, zum Star des Anlasses, spielte Rudorf und sogar Daniel Vischer an die Wand, sie blieben gesitted, während Reinhard Meier die Diskussion souverän und mit Aplomb geleitet habe.

 Mit welchen Argumenten war Tovia Ben-Chorin an diesem Abend so erfolgreich? Es waren nicht nur seine Argumente, sondern auch sein Humor, sein umfassendes Wissen zum Thema Israel und dessen Probleme, seine tiefe Liebe zum Zionismus, die auch eigener Kritik standhält, seine gedankliche Modernität und, das liebe ich an ihm so sehr, seine tiefe Menschenliebe und, wie sich das hier zeigte, sein Mut sich Israelkritikern zu stellen.

 Drei Beispiele von Tovia Ben-Chorin’s Aussagen :

 Zum Shoa: „der Shoa darf nicht zur Politik benutzt werden. Ben Gurion tat das nicht, Begin leider schon. Israel ist nicht wegen dem Shoa entstanden, sondern auf Grund der Arbeit der zionistischen Bewegung in den Jahrzehnten vorher. Der Shoa hat [leider] höchstens nachgeholfen“. (Das erinnert mich an die Professorin Ruth Gavison, die mir einmal sagte, der Zionismus im damaligen Palästina habe nach dem Zweiten Weltkrieg die notwendige „kritische Masse“ der Zahl Juden in Palästina erreicht, die, unterstützt durch die von ihnen erbauten Infrastrukturen, zur Staatsgründung führte).

 Zitat aus dem Koran: „Und Wir gaben dem Volk [den Juden], das für schwach galt, die östlichen Teile des Landes zum Erbe und die westlichen Teile dazu, die Wir gesegnet hatten. Und das gnadenvolle Wort deines Herrn ward erfüllt an den Kindern Israels, weil sie standhaft waren; und Wir zerstörten alles, was Pharao und sein Volk geschaffen und was an hohen Bauten sie erbaut hatten“. (Sure 7.137/Quelle: http://www.theology.de/schriften/koran)

 An westliche „Israelkritiker“ und Politiker: „Man kann nicht eine westliche Denkform auf den Nahen Osten zwingen“.

 Tovia Ben-Chorin trug ein sehr treffendes Gedicht seines Vaters Schalom Ben-Chorin s.A. vor, das den Titel „Wenn ich ein Fischlein wär…“ trägt.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid!“
Das trifft nicht immer zu.
Man teilt und feilt – doch ob das heilt…
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?

Bis jetzt hat man sich nur gekeilt
Allein das Land blieb heil:
Was eh zu klein, jetzt wird’s geteilt
Und jeder hat sein Teil!

Ob das so salomonisch ist –
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?
Ich fürcht, dass das mehr komisch ist
Und keinem bringt es Ruh.

Wenn zwei nicht satt zu kriegen sind
Mit e i n e m Braten schon,
Ob die dann wohl zufrieden sind
Mit halber Portion?

Die Rechnung geht halt gar nicht auf
Wie man’s auch dreht und wendt.
So hemmt man nicht des Schicksals Lauf
Wenn’s ringsum schon brennt.

Ich weiss schon w i e zu teilen wär,
Zu löschen auch der Brand:
Die Juden kriegen halt das Meer
Die Araber – das Land.

Das nennt man dann „binational“
Ist auch humanitär.
Nur eins daran ist recht fatal:
Was tut der Jud im Meer?

Auch wenn ich nur ein Fischlein wär
Ein End hätt die Geschicht –
Ich schwämm vergnügt im blauen Meer…
Doch leider bin ich’s nicht.

Wie gesagt, es geht auch anders. Tovia Ben-Chorin und Reinhard Meier haben das vorgeführt.

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