Montag, 24. Juni 2013

Die Frechheit des Jahres

In seinem neusten Artikel in Haaretz vom 20. April 2017 hat Gideon Levy wieder einmal zugeschlagen. Wie ich haben einige tausend Leser ihr Abo von Haaretz annulliert sehr viele davon, wieder wie ich, mit der Begründung den von Gideon Levy geschrieben Hass auf Israel, seine Lügen zur selbst verursachten Not der Palästinenser in den besetzten Gebieten der Westbank und letztendlich sein absolutes Desinteresse für die Opfer palästinensischen Terrors seien ein Skandal. Nach der Kündigung meines Abos rief mir zweimal ein Mitglied der Haaretz-Redaktion an und wollte wissen warum. Nachdem ich ihm mein Missfallen über Gideon Levy ausdrückte und sagte, dass ich denke Gideon Levy sein eigenes Geschreibsel kaum selbst glauben werde, sagte mir der Redaktion, ich könnte da Recht haben. Levis hier erwähnter Artikel in Haaretz (http://www.haaretz.com/opinion/1.784352), von dem ich den Eindruck erhielt er sei in zwei verschiedenen Versionen veröffentlicht worden, ist eine Beleidigung jedes Lesers, der sich seinen Manipulationsversuchen verweigert. Durch meine Tätigkeit in einer grossen arabischen Kunstgalerie hatte ich die Ehre Gideon Levy wenige Male persönlich zu treffen und mit ihm Worte zu wechseln. Die Einseitigkeit seiner Interessen und seine totale Humorlosigkeit stiessen mich ab.

Seine Persönlichkeit ist wundervoll dargestellt in Tuvia Tenenboms Buch «Catch the Jew!» S. 119 125. Ich besitze nur die englische Orginalausgabe. Hier daraus ein paar punktuelle Juwelen, von mir zum Teil selbst übersetzt:

·        Frage an Levy: Ist die israelische Nation von Natur aus brutal? Antwort: Absolut nicht: Aber in einem sind sie (die Israeli) anders in ihrer Mentalität als andere Nationen: in ihrem Glauben sie seien das auserwählte Volk ...., seien besser als andere, es gebühre ihnen mehr als anderen ......

Mein Kommentar: auch wenn das mit dem «auserwählten Volk» ein völliger Käse ist, bleibt diese Aussage die traditionelle Ansicht eines Antisemiten oder jüdischen Selbsthassers.

·        Levy: «ich vergleiche Israel mit Südafrika während der Apartheid».

·       Gideon Levy spricht nicht Arabisch. Als Antwort auf die Frage, wie er denn über die fürchterlichen Dinge, welche Israels Armee in der Westbank anrichte berichten könne ohne Arabisch zu verstehen, weist er darauf hin, dass sein Team aus Arabischsprechern bestehe. Damit sind diejenigen, die nicht Arabisch sprechen, ihren Übersetzern völlig ausgeliefert und unfähig sich selbstständig eine eigene Meinung zu bilden.

·        Eine interessante Aussage von Levy: «Ich denke», sagt er Tenenbom, «dass der durchschnittliche Palästinenser zweifellos mehr den Frieden will, als der durchschnittliche Israeli». Sind in dieser Aussage arabische Israeli eingeschlossen? Auch sagt er im gleichen Abschnitt: «Alle meine Freunde sind Israelis. Ich habe keine palästinensischen Freunde». Ein trauriges Geständnis. Levy widmet sein ganzes Leben der palästinensischen Sache, doch kein Palästinenser befreundet ihn. Da ihn das nicht zu stören scheint, könnte man auf den Gedanken kommen, die Palästinenser als Menschen seien ihm eigentlich egal.

·        Er sei ein israelischer Patriot, sagte er zu Tenenbom. Er wolle dass sein Israel, seine Juden zum einem Volk der Übermenschen werden und Gewehrkugeln mit einem Kuss beantworten würden, statt sich zu verteidigen. Kurz: Juden sollen Jesus sein und am Kreuz sterben. Ich nehme an, dass diese Auslegung levyscher Ideologie von Tenenbom stammt.

Levy geht wöchentlich leidende Palästinenser in der Westbank besuchen, deren Leiden er dann in der Wochenendausgabe von Haaretz publiziert. Das kann ich bestätigen, denn noch immer lese ich diese Ausgabe. Über israelische Terroropfer (Juden und Araber) berichtet er nicht, das interessiert ihn nicht.

Gideon Levy hat eine Marktlücke entdeckt, die er endlos ausquetscht. Diese Marktlücke heisst «Israelische Besetzung und die Leiden der Palästinenser», ohne dies in irgend einen Kontext zu setzen. Damit wurde er völlig und ohne wirklichen Grund zum zum anerkannten Guru westlicher antiisraelischer Kreise und «Experten» dieses Themas. Einen Kontext für das von ihm berichtete und kritisierte damit wiederhole ich mich unterlässt er grundsätzlich zu erwähnen.

Ich nehme an, dass er mit dieser seiner Marktlücke gut verdient und auch israelische Einkommenssteuer zahlt, mit denen die bösen Israelis die armen Palästinenser sekieren können. Nevermind deren Terror und Judenhass und dessen israelische Opfer, Juden und Araber.

Es gibt vieles in Israel, das stark verbesserungswürdig ist. Wie beispielsweise die Regierungspolitik im Zusammenhang mit dem Gesundheits- und Schulwesen. Die Verteilung staatlich-finanzieller Mittel ist skandalös, Religion wird in jeder Hinsicht missbraucht, nicht gegenüber arabischen Bürgern, sondern gegenüber jenen Bürgern (auch jenen der arbeitenden Minderheiten), die dem Staat beitragen, statt ihn durch unberechtigte finanzielle Ansprüche oder Verweigerung bürgerlichen Pflichten zu plündern. Das sind Probleme, die ich hier nur als die wirklichen Probleme Israels nenne. Die Not der Palästinenser ist vor allem ein politisch motivierter Etikettenschwindel, fast ausschliesslich beruhend auf palästinensischer Lügenpolitik und der absolut Korruption und internen Gewalttätigkeit  palästinensischer Politik und ihrer Vertreter. Das ist ein Thema dem Gideon Levy noch nie ein Wort gewidmet hat. 
 

Dienstag, 11. Juni 2013

Im Journal21 habe ich einen israelkritischen Artikel von Judith Bernstein "Frieden Ade" kommentiert. Ihr seid eingeladen beides zu lesen.

Samstag, 8. Juni 2013

Endzeit-Sehnsüchte und Träume von Gross-Israel




Am 7.6.2013 wurde im Journal21 der zweite Teil meines Berichtes über eine von Evangelikalen beherrschten Gruppe von Israelaktivisten veröffentlicht.

Samstag, 1. Juni 2013

Rückzug

Ich wollte auf dieser Tagebuchseite einen auf den ersten Blick interessanten Artikel veröffentlich. Doch es stellte sich heraus, dass dessen Herkunft äusserst fragwürdig ist und ich habe ihn aus diesem Grund entfernt.

Ich bitte um Entschuldigung. Uri

Dienstag, 30. April 2013

Liebe Freunde von Uris Tagebuch aus Israel. Ihr seid eingeladen meinen heutigen Artikel im Journal21 zu geniessen. Danke. Euer Uri

Montag, 15. April 2013

Mein fotografierender Enkel



Lea und ich sind mit neun Enkeln gesegnet. Natürlich sind sie alle Genies. Hier einer davon: Yonathan. Er ist der drittälteste und der, der bei seiner Brit Mila (Beschneidung) auf meinen Knien lag. Das war noch in Rüschlikon am Zürichsee. Also bin ich nicht nur sein Opa, sondern auch sein Sandak, so eine Art Götti.  

Heute ist Yonathan Berufsoffizier in der IDF (im vergangenen Jahr wurde er "Katzin Mitztajen" des Militärabschnitts Norden) und ein fabelhafter Photograph. Mir geht es mit diesem Tagebucheintrag um letzteres. Anlässlich Leas und meines gemeinsamen hundertfünfzigsten Geburtstages im vergangenen Sommer, sagte Yonathan in einer von uns nicht erwarteten kleinen Ansprache, er habe die ersten Grundsätze der Fotografie von mir gelernt - aber heute bringe er mir moderne Fotografie bei. Genau so ist es!

Ich möchte hier und in folgenden Einträgen einige seiner Photographien zeigen. Es sind keine Schnappschüsse, sondern Arbeiten, an denen Yonathan zu einem grossen Teil viele Stunden arbeitet.

 Selbstportät mit Schwester Na'ama - © Yonathan Russak


Golanhöhe im Winterwetter - © Yonathan Russak


© Yonathan Russak
 
Blick auf Hauaf - © Yonathan Russak

Samstag, 13. April 2013

Frühe Empathie


 

In der Times of Israel war heute ein erleuchtender Artikel zu lesen, der die Empathie und die Offenheit gegenüber der vorauszusehenden arabischen Minderheit im kommenden Staat der Juden dokumentiert.
 
 
Drei Offizielle, der kommenden Regierung Israels, darunter der spätere Minister Bechor-Shalom Sheetrit, machten sich in den Tagen vor der Staatsgründung Gedanken, wie der Staat Israel auf Arabisch genannt werden sollte. Ein Dokument dazu wurde am vergangenen Donnerstag (11.4.2013) vom Staatsarchiv freigegeben. Es handelt sich um eine Empfehlung für den Namen des Staates Israel in arabischer Sprache aus dem Mai 1948, in der folgendes rapportiert wird:

Das Dokument erwähnt drei Optionen: Palästina oder Filastin, Zion oder Sayoun, Israel oder Eesra‘il (Isra’il). Die drei Offiziellen arbeiteten unter zwei Annahmen: ein arabischer Staat würde, gemäss UNO-Resolution 181, neben dem Staat Israel entstehen und der jüdische Staat werde eine grössere arabische Minderheit enthalten, deren Gefühle berücksichtigt werden müssen.
Der Name Palästina wurde abgelehnt, da der zu entstehende arabische Staat neben Israel, voraussichtlich diesen Namen tragen würde. Das würde für Verwirrung sorgen. Der Name „Zion“ (Sayoun) wurde ebenfalls abgelehnt, da das Wort Zion (oder Zionist) in der arabischen Welt zu einem abschätzigen Ausdruck geworden war. Das Wort „Zion“ würde es arabischen Israelbürgern erschweren, sich mit dem neuen Staat zu identifizieren. Am Ende entschied sich die Kommission für die Bezeichnung Eesra’il, oder Israel. 

Dieses Detail aus der frühen Geschichte Israels, dokumentiert die Tatsache, dass es unter den Gründervätern unseres Landes solche gab, die sich über die Gefühle der Araber im Land Gedanken machten. Ebenso zeigt es, dass diese Gründerväter und Offiziellen, sich über arabische Gefühle klar waren und sie berücksichtigen wollten. Ein Fall menschlicher Empathie und Rücksichtnahme auf den Schwächeren. Diese Tatsache, die der verlogenen und von „Israelkritikern“ erfundenen These, Israel hätte von Anfang seines Bestehens an die Vertreibung der lokalen Araber und der Verhinderung einer arabischen Minderheit geplant widerspricht, sollte etwas Sand in die Argumente dieser Israelhasser streuen.

Dieser Bericht repräsentiert sicherlich nicht die politische oder menschliche Einstellung aller damaligen Politiker Israel, auch wenn es damals keinen jüdischen Nationalismus gab, der sich mit dem heutigen einiger faschistoider rechtsextremistischer Parteien vergleichen lässt. Aber die Reaktion der arabischen Welt auf die Ausrufung des Staates Israel, machte alle vorherigen friedenspolitischen Anstrengungen hinfällig. Aus einer guten Nachbarschaft wurde nichts. Nicht dass Israel vom Angriff der Palästinenser und ihren arabischen Sympathisanten völlig überrascht worden war, doch war es bereit mit seiner uneingeschränkten Akzeptanz der UNO-Resolution 181, seiner künftigen arabischen Minderheit das Leben in einer demokratischen Gesellschaft mit jüdischer Mehrheit und der Wahrung und Ausübung ihrer eigenen Kultur zu ermöglichen. Doch die Araber Palästinas wussten es besser und das Resultat davon ist heute für die gesamte Welt klar zu sehen - wenn diese es sehen will.

Donnerstag, 11. April 2013

2 X Persönliches



Holocaust-Gedenktag im Dor Tiv’on

Lea und ich sind umgezogen. Seit dem 31. Dezember 2012 leben wir aus gesundheitlichen Gründen in einer sogenannten Alters-Residenz. Ich beschreibe sie gerne als eine Kreuzung von Luxushotel und Kibbuz. Ein wunderschönes grosses Haus im Grünen mit fast zweihundert Wohnungen und etwa 250 AKs, („alte Kacker“), einer treffenden amerikanisch-jiddischen Bezeichnung. AKs mit Format. Ein neuer Lebensabschnitt für ältliche aschkenasische Juden. Uns gefällt‘s. Wir kochen selbst oder gehen aus oder gehen zu Freunden. Wir sind selbstständig und frei, haben unser Auto und können tun und lassen was wir wollen. Der Swimmingpool ist göttlich, die Folterkammer, in die ich nicht darf, ebenso. Zudem gibt es einen Theatersaal für 250 Personen, in dem wöchentlich verschiedene kulturelle Anlässe stattfinden, eine fabelhafte dreisprachige Bibliothek (Hebräisch, Englisch, Deutsch), Billard und Pingpong, ein grosser Raum für Malerei, Töpferei und ähnlichem und, nicht zu vergessen, ein Raum für Bridgespieler/innen. Einen Coiffeursalon hat es auch. Dort wurde mir für vierzig Schekel innert drei Minuten das Haar auf einen Millimeter kurz geschoren. Es sieht aus, als hätte ich eine rasierte Glatze. Oder wie ein Rekrut der amerikanischen Marines. Ich fühle mich kahl. Meiner neuen Freundin, der blonden Betriebschefin Nira, gefällt‘s, meiner Lea nicht.

Für uns ist es zum Teil eine Rückkehr in den Kibbuz, in dem Teilnehmen und Beitragen gross geschrieben wurde. Neben dem Schwimmen, mache ich in einer englischsprachigen Poesiegruppe mit, es ist a lot of fun, die Leute sind unterhaltend und ich fühle mich dort ausgezeichnet. Für nächstes Mal habe ich eine hervorragende englische Übersetzung von Christian Morgensterns „Die unmögliche Tatsache“ bereit. Das, obwohl ich eigentlich für Poesie nie viel am Hut hatte. Dann gibt es einen wöchentlichen Runden Tisch, an dem ich mich vergass und dreissig Minuten lang über mich selbst quatschte (ich musste mich vorstellen) und niemand mich unterbrach. Gott, sind die Leute höflich. Und dabei herzlich. Dann gibt es einen monatlichen Vortrag im Kultursaal zu einem Thema der Antike. Bisher über den Gilgamesch-Epos und dessen Parallelen zu Erzählungen im Alten Testament und anderen Religionen des östlichen Mittelmeeres und Mittleren Ostens. Dann ein Vortrag über den Trojanischen Krieg. Diese Vorträge, in bestem Hebräisch gehalten von einem Jecken meines Alters, sind ein Vergnügen. Yehuda Adler, so heisst er, besitzt einen dramatischen Stil, seine Stimme, manchmal vehement, dann wieder ruhiger aber nie leise, fasziniert mich. Wie hypnotisiert sitzen die Leute da und saugen sich die Erzählungen ein. Einmal war ich an einem Shabbatabend an einem Jazzkonzert. Ich kam einige Minuten früh und setzte mich vorne in die zweite Reihe. Der Saal war fast leer. Nach einigen Minuten Konzert, drehte ich mich um und stellte fest, dass der Saal fast völlig voll besetzt war – voller AKs, vor allem Frauen, die mit Händen und Füssen den Rhythmus mitschlugen. Flotte Weiber! Das Konzert war sehr schön und wurde von einem Altisten und einem russischen Akkordeonisten hervorragend bestritten. Ich kannte das Akkordeon bisher kaum als Jazzinstrument, bestenfalls beim Zydeko, der jazzigen Musik der Cajuns in Louisiana. Nach Konzertschluss fachsimpelte ich noch zusammen mit meinem neuen Freund Sam (85) und dem Saxophonisten. Auf Hebräisch nennt sich der gebürtige Amerikaner Sam Israel. Er ist Berufsmusiker, Hansdampf in allen Musiksparten und Besitzer einer Unzahl Musikinstrumente, Tuba, Gitarre, Posaune und was noch. Singen tut er auch.

Unsere Alters-Residenz heisst Dor Tiv’on und ist, dem Namen entsprechend in Tiv’on, einem Ort, nicht so lebendig wie Zichron Ya’akov, aber ebenso schön. Dazu nur zwanzig Autominuten von unserer Tochter Dvorit in Haifa entfernt.

Vor wenigen Tagen fand im Theatersaal die Feier für den Holocausttag statt. Wie ich hörte, sind etwa dreissig Prozent der Bewohner Dor Tiv’ons Holocaustüberlebende. Im Gegensatz zu den Feiern, die man im Fernsehen betrachten kann, war ich sehr beeindruckt – denn wir haben inzwischen einige dieser Holocaustüberlebenden kennengelernt. Es wurden sechs Kerzen angezündet, jede von einen Holocaustüberlebenden. Eine Kerze für jede Million ermordeter Juden.
 
Unsere Holocaustüberlebenden gehören nicht zu den vielen, die heute im Staate Israel notleiden. Sie haben es, trotz ihrem Schicksal, geschafft nach dem Krieg in Israel ein normales Leben aufzubauen. Wer das nicht konnte wird bis heute von der Regierung vernachlässigt, eigentlich betrogen. Schon David Ben Gurions Regierung, der seinerzeit mit Konrad Adenauer (gegen den Willen von Menachem Begin und seinen Rechtsextremisten) den Vertrag für deutsche Wiedergutmachung aushandelte, unterschlug deutsche Gelder und integrierte sie ins israelische Budget, statt sie den Holocaustüberlebenden weiter zu geben. Nur jene, die ihre Renten direkt von Deutschland beziehen, kamen zu ihrem Recht. Diese Tradition der Schande hält bis heute an. Das ist eine der grossen, der Öffentlichkeit im Grossen und Ganzen unterschlagenen Skandale. Heute sterben täglich, so war in Haaretz zu lesen, 37 Holocaustüberlebende. So spart die Regierung Geld. Zum ersten Mal wurde dies von Nethanyahu anlässlich seiner Rede an der offiziellen Feier in Jerusalem thematisiert. Wer weiss, vielleicht hat dies eine Verbindung zum neuen Finanzminister Israels, Yair Lapid, dessen Vater Tommy auch ein Holocaustüberlebender gewesen war. Es wäre höchste Zeit, diesen Schandfleck der Geschichte Israels zu entfernen. Im Gegensatz zu den Problemen mit seinen Nachbarn und den Palästinensern, ist dieses völlig  hausgemacht. Ich hoffe sehr, dass dieses Problem, das eigentlich mit dem Regierungsbudget gar nichts zu tun haben sollte, sind es doch vor allem deutsche Gelder, verschwindet.

Positiv ist heute, dass dieses bisherige Fehlverhalten israelischer Regierungen endlich thematisiert worden ist. Gerechtigkeit ist in Sichtweite – hoffentlich habe ich Recht.

Das Geburtsrecht Steine zu werfen - mein Brief an Haaretz

Ich finde Haaretz eine sehr gute Zeitung. Für Leute, die keine Kritik vertragen, ist sie allerdings ein rotes Tuch. Eigentlich eine Eigenschaft ganz in meinem Sinne. Trotzdem habe ich mein Abo annulliert, da sie Schreibern wie Amira Hass und teilweise auch Gideon Levy, Gelegenheit gibt Israelhetze zu betreiben und im vorliegenden Fall, Fräulein Hass ein Honorar dafür bezahlt den Versuch palästinensischer Gewalttäter mir und anderen Israelis mit Steinbrocken den Kopf einzuschlagen, als empfehlenswert betrachtet. Das passt mir nicht und ich kündigte. Ich hoffe, exzellenten Haaretz-Journalisten wie Ari Shavit, Aluf Benn, Nehemia Strassler und anderen, damit nicht ans Eingemachte gegangen zu sein.

Rabotai,

After having read more than once Amira Hass' article "The inner Syntax of throwing stones" in past Wednesday's issue I wish, after much deliberation, to cancel my subscription of Haaretz with immediate effect.

Amira Hass' "understanding" of everything, even hurting and killing by Palestinians is her right and freedom of expression. It is also my right to react to it the way I do. Palestinians have as little right to kill as do Israelis right wingers and settlers. To my mind Amira Hass suffers from something similar to the Stockholm Syndrome. To her and Gideon Levy as well, Palestinians possess the freedom to commit any crime as long they connect it to their so called fight for freedom, whatever that means in their culture, that since the past Twenties, introduced and  promoted by the Mufti Hadj Amin al-Husseini and the Muslim Brothers' Hassan al-Banna, both Nazis admirers and activists of the first hour, seems to be their main aim in live. Arabs, for the whole world to see, seem to be unable to deal with freedom. At least that is the impression provided by the happenings in their world.

Also I refuse to identify myself with the settler movement (far from it) and support basically the today called Palestinians to have their own state. However,  Palestinian education to Jew hatred and their activities in this respect, dissuades anyone with an open mind, independent of ideology, to support them today. It seems to me, that all Zionist parties (even Meretz) in Israel have come to similar conclusions.  

As long as Amira Hass and to some extend Gideon Levy are given space in Haaretz to provide their poisonous input for the "Israel critical" world, providing them with the excuse to say "Jews themselves say so“ I shall not keep my subscription of Haaretz. Sorry!

Please confirm my cancellation, Paul Russak

PS: a copy of this letter is sent to a number of friends.

Übrigens, meine Annullation ist bisher noch nicht bestätigt worden.

Mittwoch, 3. April 2013

Reflexe statt Reflexionen


 
Auf meinen Tagebucheintrag von 21.3.2013, in dem ich Christian Morgensterns Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ in den Kontext nahöstlicher Hassideologien stellte, meldete sich ein wirklich guter Freund, der findet, ich dürfe es nicht den Lesern überlassen, sich über von mir erwähnte Beispiele ohne Quellenangabe zu informieren. Das sei journalistisch nicht seriös, denn man könne dem Leser nicht zumuten, selbst ein gewisses Grundwissen zu einem ihn interessierenden Thema zu besitzen. Ich kann diesen Einwand verstehen und – up to a point – auch zustimmen. Doch bin ich der Meinung, ein interessierter Leser könne sich zu jedem Thema nur dann ein wirkliches Bild machen, wenn er sich nicht gänzlich auf die Medien verlässt, sondern sich aus eigener Initiative Informationen sucht. Das wäre reinstes Konsumieren - für Reflexion, Vergleiche, Hintergründe oder Kontext besteht kein Interesse, von Neugier über die Realität ganz zu schweigen. Mir wurde in Managementkursen stets eingebläut, Information sei eine Holschuld. Also nicht auf den Hinterbacken sitzen bleiben und warten bis man sie bringt, sondern aufstehen und sie sich selbst beschaffen.  

Nichtsdestotrotz will ich hier unter anderem zum Thema meines vorgängigen Tagebucheintrags im Nachhinein (wofür ich mich entschuldige) einige Beispiele mit Quellenangabe aufführen. Es geht darum, zu zeigen, wie „Israelkritiker“ jede noch so klare Gelegenheit nutzen, Tatsachen zu verdrehen und ihrer jeweiligen Ideologie anzupassen. In diesem Fall, Israel auch dann einen Strick zu drehen, wenn Fakten das Gegenteil beweisen. Es sind Medienschaffende, Hobbykommentatoren, die hier ihre Seele auslüften dürfen. 

Zur Geschichte der Autobusse für palästinensische Arbeiter aus der besetzten Westbank:

"Busse sind ein Symbol für Rassentrennung”, sagt Hagit Ofran von der israelischen Friedensgruppe "Schalom Achschav (Frieden Jetzt). „Es könnte einen Grund geben, weshalb das Interesse daran so groß ist. Die Segregation ist überall ein Problem, aber beim Thema Busse sieht es besonders schlecht aus. Quelle: wallstreetjournal.de vom 05.03.2013".

Apartheid in Israel: Spezielle Busse für Palästinenser  - Seit Montag verkehren von der Grenzen zum Westjordanland Busse, die nur für Palästinenser zu benutzen sind und diese zur Arbeit nach Israel bringen sollen. Siedler hatten in der gemeinsamen Nutzung von Bussen ein Sicherheits-Risiko gesehen. - (...) Nach dem Bau einer Mauer gab es allerdings keine Bus-Anschläge mehr in Jerusalem. Daher ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet jetzt die Palästinenser eine Demütigung hinnehmen müssen, die stark an die Rassentrennung in den US-Südstaaten oder an die Apartheid in Südafrika erinnert. Quelle: http://www.palaestina-portal.eu/texte/rassismus.htm

Tolles Land, dieses Israel (Ironie). Pfuii… Die haben aus ihrer eigenen Geschichte nichts gelernt und unterdrücken und diskriminieren ein ganzes Volk und Zugezogene. Ein solches Land muss laut Vereinter Nationen doch eigentlich strengsten Sanktionen unterworfen werden und boykottiert werden. Stattdessen schenken wir Deutsche denen noch Kriegsgerät mit dem sie dann ungestraft andere Nationen bedrohen und terrorisieren. Also ich kaufe nichts aus Israel und boykottiere alle ihre Produkte. Kein Gemüse aus dem Aldi, etc… Quelle: Leserkommentar zum Autobusthema in den Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten.de

Rosa Parks durfte wenigstens den Bus benutzten, sollte aber für Weiße aufstehen. Die rassistischen Besatzer in Palästina lassen die Palästinenser in ihren Bussen nicht mehr mitfahren? Wieviel Apartheid braucht es noch damit die bedingungslose Unterstützung für Israel aufhört und gleiche Menschenrechtsstandards angelegt werden, auch in der Berichterstattung. Aber es wird sich in Schweigen gehüllt! Quelle: Kommentar in einer schwer zu identifizierenden Website - http://urs1798.wordpress.com/2013/02/28/

Da kann man an die Erklärung des früheren südafrikanischen Ministerpräsidenten Hendrik Verwoerd denken, der süß lächelnd das Gute an der Rassentrennung pries. Sie befördere das gut Nachbarschaftliche (“good neighborliness”) Quelle: http://www.transatlantikblog.de/2013/03/06/israel-separate-busse-fuer-palaestinenser-westbank/
 
Linke Kreise zeigen sich über die Neuerung schockiert. «Haaretz» spricht in einem Kommentar vom «Bus zur israelischen Apartheid» und erinnert an die Geschichte der Rassentrennung in den USA. Die Chefin der linken Meretz-Partei, Zehava Gal-On, schrieb in einem Brief an den Verkehrsminister, dass ethnisch getrennte Buslinien für «rassistische Regimes» zum Stil gehören, in einer Demokratie aber «unannehmbar» seien. Quelle: 20 Minuten. (Haaretz und Meretz haben inzwischen ihre ersten Reflexkommentare revidiert).
 
Hier schreibt ein linker Altnazi: Napp, Karl schrieb am 4. März 2013 um 23:56: "Mich würde auch nicht wundern, wenn die Israelis für den Sammeltransport der Palästinenser Müllwagen einsetzen würden. Und zwar solche, die nach dem Losfahren die Ladung per Hydraulikpresse zu handlichen Päckchen verarbeiten. Den Spruch mit dem Biomüll und der Vergasung spare ich mir jetzt." Quelle: Kybeline.com.
 
Ganz Aktuell, aber an einem anderen Beispiel: neu ist der Aufschrei, durch die palästinensische Führerschaft gekonnt und mit viel Erfahrung spontan organisiert, der Israel für den Krebstod eines palästinensischen Zuchthäuslers und Mörders verantwortlich macht, welcher vor gestern in einem israelischen Spital starb. Er starb an Krebs, hätte deshalb entlassen werden sollen, um zu Hause zu sterben, doch der Tod war schneller als die israelische Gefängnisbürokratie. Israel sei schuld an seinem Tod – wieder macht sich der Idiotenreflex bemerkbar, zu dem George Orwell die Feststellung machte: „Es gibt Ideen, die so dumm sind, dass nur ein Intellektueller sie glauben kann“ (“Some ideas are so stupid that only intellectuals believe them.”). Quellen dazu gibt es zuhauf.
 
Abschliessend ein ganz feine Zusammenfassung aus Heplev:
http://heplev.wordpress.com/2013/03/13/von-al-durah-zu-badawi-todlicher-journalismus-und-wie-palastinenser-mit-ihrer-propaganda-konsens-herstellen/.

Donnerstag, 21. März 2013

„…weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Christian Morgensterns Gedicht: „Die unmögliche Tatsache“ in der krummen Realität der „Israelkritiker“

 

Die unmögliche Tatsache 

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

"Wie war" (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
"möglich, wie dies Unglück, ja - :
daß es überhaupt geschah? 

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift? 

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?" 

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im Klaren:
Wagen durften dort nicht fahren! 

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf. 

Israelhasser haben es schwer. Immer auf der Suche nach negativem, möglichst Ungerechtem oder gar Blutrünstigem über Israel und seinen bösen Juden, müssen sie oft äusserst phantasievoll und erfindungsreich sein, um ihre Dummheit zu beweisen. Nie kommen sie auf die Idee irgendwelche in den Wind gestellte „Fakten“ zu überprüfen, was stets dazu führt, Nachrichten und deren dahinterstehende „Fakten“ ihrer Ideologie anzupassen. Mit anderen Worten: bewusst zu lügen. 

Ich will hier einige Beispiele dieses Phänomens aufführen. Vielleicht ist es amüsant, aber typisch und dumm sind sie auf jeden Fall. Es geht diesen vor Judenhass platzenden Terror-Sympathisanten vor allem darum, Israel jeweilige Motivation zu verdrehen, ja ins Gegenteil zu verfälschen. Hier, bitte, in würziger Kürze: 

Viele Palästinenser arbeiten in Israel, um ihre Familien zu ernähren. Bis zur Zweiten Intifada erreichten sie ihre Arbeitsplätze im eigenen Auto, mit Bussen und Sammeltaxis, sogar per Autostopp. Nach Ausbruch der Intifada Zwei und den palästinensischen Massenmorden an Israelis (Juden und Araber) wurde der Sicherheitszaun errichtet, der auf der einen Seite den palästinensischen Selbstmordtourismus fast gänzlich abbrach, aber auf der anderen Seite die Bewegungsfreiheit der Palästinenser einschränkte. Auch weiterhin arbeiten viele von ihnen in Israel, doch müssen sie sich an bestimmten Grenzdurchgängen durchschleusen lassen. Auf der israelischen Seite warteten Busse, Kleinbusse und Taxis, die Palästinenser an den Arbeitsort zubringen. Die Anbieter dieser Transporte schröpften die ohnehin nicht gerade reichen Palästinenser, es entstand eine eigentliche Transportmafia. 

Nun entschloss sich die israelische Regierung diesem Zustand ein Ende zu machen. Sie stellt den Arbeitern Busse zur Verfügung, die sie für einen Viertel des bisherigen Preises an ihren Zielort brachten. Busse, die für diese palästinensischen Arbeiter bestimmt sind, um ihnen ihren Transport zum Arbeitsplatz zu vereinfachen und zu verbilligen. 

Und schon springen gutmenschelnde Israelkritiker auf diesen fahrenden Bus. Sie schreien Apartheid, kann es doch nicht sein, dass die israelische Regierung etwas ohne rassistische Hintergedanken für Palästinenser tut. Ein Bus nur für Palästinenser? Das kann nur Apartheid sein! Zwar ist diesen Arbeiter unbenommen, auch heute noch ihre privaten teuren Taxis bemühen, sind wir doch ein freies Land. Doch warum sollten sie? Wieder einmal haben die üblen Gedankenmanipulationen mieser Hasser keine Grenzen. Wie alle Extremisten, links oder rechts, a priori humorlose Menschen, verstehen sie Christian Morgensterns Schluss, dass, eben nicht sein kann, was nicht sein darf, als grundsätzlichen Teil ihrer Ideologie, einer sehr ernsthaften Ideologie, das sei gewiss, die auch den Spruch des Morgenstern nur todernst nehmen kann. 

Weiter erinnere ich mich an das fürchterliche Foto eines blutüberströmten Palästinensers, hinter dem ein israelischer Polizist mit erhobenem Stock steht. Leider mussten Israelkritiker ihre Freude einschränken, denn das Opfer war ein jüdischer Student aus Amerika, der von seinem Vater sofort erkannt worden war. Er war von diesem Polizisten vor einem palästinensischen Lynch gerettet worden. 

Oder wie wär’s mit der inzwischen gerichtlich enttarnten Fälschung des Todes von Mohammed al-Dura, dessen Erschiessung durch israelische Soldaten von einem Filmjournalisten arrangiert worden war und dann Gemüter erhitzte. Der kleine Mohammed soll noch immer leben. Doch die ach so kurze Gelegenheit Israel zu verleumden wurde mit Begeisterung wahrgenommen.  

Es geschehen im Nahen Osten bis heute sich laufend verschlimmernde monströse Blutbäder. Israel ist als Staat kein Engel und es geschehen gelegentlich schlimme Dinge. Denn Israel ist vor 66 Jahren ein permanenter Krieg aufgezwungen worden. Und in jedem Krieg geschehen nicht immer gewollte Dinge. „La guerre c’est la guerre“ wie mein weiser Freund Roger Guth wiederholt von sich gibt. Die ersten, die sich darüber aufregen sind die Israelis selbst, weil sie sich schämen und Übergriffe so weit wie möglich berichtigen wollen. Aber verglichen mit allem, was in unserer Nachbarschaft täglich geschieht ist Israel ein Waisenhaus voller Waisenknaben.

Dienstag, 19. März 2013

Nach den israelischen Wahlen - der neue Hoffnungsträger



Seit Wochen wurde täglich klarer, dass Yair Lapid, der eigentliche Sieger der vergangenen Parlamentswahl, mit seiner politischen Karriere die Träume seines verstorbenen Vaters Tommy erfüllen will. Dieser wollte ein kulturell westliches Israel, demokratisch und säkular, ohne Erpressungen durch ultraorthodoxe Sektierer.

Sein Ziel hatte Tommy Lapid nicht erreicht. Ich bin überzeugt, dass seine politischen Enttäuschungen mitschuldig an seinem frühen Tod waren. Nun liegt es an seinem Sohn Yair, das Ziel seines Vater soweit wie nur möglich zu erreichen.*

Neuer Wind im Erziehungsministerium?

Mit seinen entschlossenen Verhandlungen mit Bibi und mit Hilfe seines neugewonnenen Freundes Naftali Bennett von der nationalreligiösen Siedlerpartei hat er Vorbedingungen geschaffen, die seinem Vater Tommy, seinerzeit Justizminister der Regierung Olmert, nicht zur Verfügung gestanden hatten. Die wohl wichtigste davon ist die parteiinterne Bestimmung, die Yair Lapid den Parteivorsitz bis 2020 sichert. Tommy Lapid hatte die Kontrolle über seine Partei durch den Aufstand junger und machtbesoffener Mitglieder verloren, die ihn herausekelten und prompt die Partei zerstörten.

Yair Lapid sicherte seiner Partei unter anderem das Finanzministerium und, nicht weniger wichtig, das Erziehungsministerium und das Gesundheitsministerium. Israel Schulen wurden seit der Machtübernahme durch den rechtsgerichteten Likud, besonders von der damaligen Erziehungsministerin Limor Livnat, qualitativ fast zerstört. Zum Entsetzen vieler Lehrkräfte in Volks- und Hochschulen bekam nationalistische Indoktrination Vorrang vor fachlicher und humanistischer Bildung.

Entmachtung der Ultraorthodoxen

Nun haben es Yair Lapid und seine Parteikollegen in der Hand, den religiös und nationalistisch korrumpierten Staat wieder auf die Reihe zu bringen. Es sind andere und offene Kriterien zu setzen, mit denen die staatlichen Mittel wieder vermehrt in die staatlichen Schulen und Hochschulen fliessen, statt an parasitäre haredische (ultraorthodoxe) Bibelschulen, die dem Staat und seinen arbeitenden Bürger absolut nichts bringen, ihn jedoch gnadenlos aussaugen.
All das in völligem Gegensatz zu den Schulen und Hochschulen der ersten drei bis vier Jahrzehnte des jüdischen Staates. Mit dem Wahlresultat seiner Partei hat Lapid die Haredim (die politische organisierte Ultraorthodoxie) entmachtet und so Netanyahu dessen bisherige automatische, weil kaufbare parlamentarische Mehrheit entzogen. Mit diesem bürgerlichen Zünglein an der Machtwaage wird, so ist zu hoffen, diese Regierung, die ohne Linke und Ultraorthodoxe auskommen muss, trotzdem zum humanistischen Gesellschaftsverständnis zurückfinden, das dem wirklichen Israel zugrunde liegt.

Das Spektrum der Lapid-Partei

Interessant an Lapids Partei „Yesh Atid“ (Es gibt eine Zukunft) ist die Zusammensetzung ihrer Knesset Fraktion. Dort gibt es u.a. einen Lokalpolitiker, zwei orthodoxe Rabbiner, davon einer ehemaliger Schulleiter und jetzt Erziehungsminister, die langjährige Bürgermeisterin von Herzliya, den Bürgermeister der Wüstenstadt Dimona, einen ehemaligen Chef der Spionageabwehr, einen Journalisten (neben Lapid, der ja auch einer ist), eine äthiopische Rechtsanwältin und einen äthiopischen Rechtsanwalt, eine säkulare - Talmud unterrichtende - Hochschullehrerin, einen ehemaligen hohen Polizeigeneral und eine Frauenrechtlerin.

Eines ist damit erreicht: Lapids Partei zeigt sich nicht als Jobverteilungsagentur für Parteimitglieder, sondern als bisher erfolgreiche Vertretung akzeptierbarer Prinzipien – ein Novum in der Politik Israel, seit der Likud vor Jahrzehnten die Macht ergattert hat.

Neue Mindestgrenze für Einzug in die Knesset

Ein wichtiger von Lapid und Bennett gewonnener Punkt ist das von zwei auf vier Prozent angehobene Minimum der Wählerstimmen, um überhaupt als Partei in die Knesset einziehen zu dürfen. Damit sind vor allem die aschkenasischen (osteuropäischen) Haredim und die arabischen Parteien betroffen, die sich nun über einen Zusammenschluss für die nächsten Wahlen Gedanken machen müssen.

Da Lapid eher zukunftsgerichtete Ministerien (Finanzen, Wirtschaft, Erziehung und Gesundheit) gewonnen hat, statt sich vor allem mit sicherheits- und aussenpolitischen Dingen zu befassen, steht, so denke ich, Wirtschafts- und Sozialpolitik für ihn im Vordergrund. Nethanyahus Macht hat nach diesen Wahlen plötzlich Grenzen gefunden, und das Duo Lapid/Bennett hat in den Verhandlungen um die Regierungsbildung demonstriert, dass man sich nicht von Bibi über den Tisch ziehen lassen muss.

Arbeitspartei mit vagem Profil

Anderes in dieser neuartigen, von politischen Neulingen durchsetzten Politlandschaft bereitet Sorgen, auch wenn die Freude über die Teilentmachtung Bibis noch im Vordergrund steht.

Es gibt in der Knesset keine wirkliche Linke mehr, ausser Meretz, einer Partei mit heute sechs Sitzen (vor den Wahlen drei) und der jüdisch-arabischen kommunistischen Partei Hadash mit heute drei Sitzen. Die Arbeitspartei hat unter ihrer Chefin Shelly Yachimovic eine Regierungsbeteiligung abgelehnt. Erstens will sie nicht einer Regierung von Netanyahu angehören - ein respektabler Einwand. Und zweitens interessiert sich Shelly fast ausschliesslich für Soziales und wirtschaftliche Umverteilung.

Besetzte Gebiete – eine zweitrangige Frage?

Was in den besetzten Gebieten und im Zusammenhang mit Friedensverhandlungen geschieht, ist ihr zweitrangig – eine Einstellung, die ich, wenn auch nicht so extrem, teilen kann. Die Zeit ist gekommen, Israel die in den letzten Jahrzehnten innenpolitisch teilweise verlorene ethische Basis zurückzugeben. Das Ideal einer für alle Bürger gerechten Gesellschaft, eines nicht schweinischen Kapitalismus à la Netanyahu und seiner oligarchischen Freunde, einer Gesellschaft, in der alle am gleichen Strick ziehen und nicht nur Rechte konsumieren sondern auch Pflichten erfüllen. Einem Land, in dem nicht Rechtsextremisten, orthodoxe und säkulare, rassistische Gesetze durchzubringen versuchen, die nur durch den entsetzten Druck vieler anständiger Bürger und den Höchsten Gerichtshof bisher abgewendet worden sind.

Kampf um den Erhalt der Demokratie

Nun liegt es an der Knesset und deren vor allem menschlichem Anstand statt nationalistisch-rassistischem Getue verpflichteten Mitgliedern, eine Politik nationaler Versöhnung zu führen. Ich wiederhole: Israel ist ein demokratischer Staat, der alles tun muss, einer zu bleiben. Zu leicht ist es, einer der manchen unserer Nachbarn ähnlichen Politik der religiösen Intoleranz und des Hasses zu verfallen, die alles Fremde ablehnt und für alle Misserfolge aussenstehende Sündenböcke sucht und für nichts Eigenverantwortung übernehmen will.

Israel liegt in einer eher barbarischen Region, in der Hass, fehlgeleitete Religion und Terror den Alltag bestimmen. Noch sind wir Israelis davon weit entfernt, müssen aber kämpfen - wirtschaftlich, politisch und sozial – um als Land demokratischer Traditionen zu überleben. Nicht als Teil der in dieser Region verbreiteten Willkür und Gewalttätigkeit, sondern als Teil moderner westlich-demokratischer Überzeugung.



*Yair Lapid: „Memories after my death“, Elliot & Thomson, 2011
(Dieser Artikel ist heute auch im Journal21 erschienen)