Donnerstag, 29. Dezember 2011

Der Beweis



 

Man beachte in diesem Filmchen der Antifrauen-Demos in Beth-Shemesh die überragende Ausdruckkraft dieser jiddischsprechenden Pinguine, ihre Diktion und ihren reichen Wortschatz. Peter Bohlen hätte grosse Freuden an diesem Song: "Shikse".

Auf meinen Tagebucheintrag „Parallelen“ (25.12.2011) trafen viele Kommentare ein, einige davon sind zusammen mit dem Artikel im Blog selbst erschienen. Andere sandten mir schlichte E-Mails.


Meine Aussagen wurden heute von Innenminister Eli Ishai, persönlich und am Fernsehen, wenn auch mit anderen Worten offiziell bestätigt!

Der Grund dazu war der Vorschlag die in haredischen Fängen liegende Stadt Beth Shemesh, in zwei separate Städte zu teilen. In eine haredische Stadt und eine Stadt normaler Bürger, die nicht nur gesetzliche Bürgerrechte sondern auch Bürgerpflichten wahrnehmen. Diese Idee wurde von Eli Ishai, dem dafür zuständigen sephardisch-haredischen Innenminister, abgelehnt.

Seine Einwände sind zwar einleuchtend aber beschämend zugleich und machen mich zornig. Gemäss Ishai sind Haredim (er sagte nicht „nur“ aschkenasische) geistig und finanziell unfähig eine nur durch sie bewohnte Stadt zu führen. Die grosse Mehrheit dieser Familien bezahlen (wenn überhaupt) wegen ihrer Armut nur 20% der Lokalsteuern, die, neben den Beiträgen der Regierung, zum Unterhalt des Gemeinwesens notwendig sind. Mit anderen Worten, diese Hobby-Armen werden nicht nur vom Staat direkt unterhalten, sie können ohne Steuern arbeitsamer israelischer Bürger – Juden und Araber – nicht existieren, sondern müssten, Gott behüte, arbeiten gehen.

Dazu zwei Gedanken:

Erstens bestätigt Eli Ishai mit seiner Stellungsnahme das landesweit bekannte und „akzeptierte“ haredische Schmarotzertum, dem er anscheinend hilflos gegenüber zu stehen scheint. Allerdings, dem Politiker Ishai sind mit Sicherheit von mir noch nicht durchschaubare verborgene Motive zuzutrauen.

Zweitens, es bestehen keinerlei Absichten von seiten der Regierung, diesen Zustand zu ändern. Zu teuer ist dem Bibi Nethanyahu sein Ministerpräsidentenstuhl, der ihm weit wichtiger ist, als das Wohl des Staates. Denn er hält es in der Hand, diese Situation zu ändern und sei es nur mit der Änderung seiner Koalitionspolitik. Regierung und Knesset müssten durchsetzen, dass die Gesetze des Landes für alle seine Bürger die gleiche Gültigkeit haben – keine Ausnahmen für religiös durchgeknallte oder für arabische Bürger, welche wenigsten Steuern bezahlen, die israelischen Sozialleistungen ausreizen und unter keinen Umständen ihre israelische Bürgerschaft verlieren wollen, aber trotzdem nur eine kleine Minderheit finden, die für ihr Land ohne Wenn und Aber auch militärisch einsteht. Diese arabische Minderheit wächst und verdient viel Anerkennung – wenn auch vorläufig noch sehr diskret. Doch dies ist ein anderes Thema, das nicht unbedingt hierher gehört.

Montag, 26. Dezember 2011

Parallelen



Erst ein Zitat, geklaut von Claudio Casula:Ich habe die gesamte palästinensische Friedensbewegung zum Essen eingeladen. So teuer wird’s schon nicht werden, Sari Nusseibeh ist ein bescheidener Mensch.“ Man kann auch über Trauriges lachen.

Wir Juden haben uns im Mittleren Osten ganz prächtig eingelebt. Religion und Traditionen des extremistischen Judentums und der extremistischen Muslime in den arabischen Ländern und in den nicht arabischen Staaten Iran und Türkei unterscheiden sich bald nur noch in Äusserlichkeiten – es sei denn, es wird wenigstens im jüdischen Israel etwas Drastisches geschehen. In der islamischen Welt bin ich da weit pessimistischer, trotz arabischem Frühling, der in kurzer Zeit übergangslos vom arabischen Winter abgelöst worden ist.

In beiden Religionen geht es dabei vor allem um "heilige" Traditionen, die meist weit älter sind, als die Religion selbst. Also heidnischen Ursprungs, dem ganz einfach und unreflektiert die jeweilige Religion übergestülpt worden ist. Das gilt für den relativ jungen Islam, aber auch für jüdische Bräuche, für die es immerhin bis gute 3000 Jahre archäologischen Nachweis gibt. Doch der Zustand in der heutigen Zeit ist für beide fatal.

Ich möchte mich auf vier Themen beschränken, bei denen jeder „Versteher“ (ein Broder-Wort) orientalischer Traditionen, seien diese noch so blutrünstig, sein Herz öffnet. Natürlich sind alle vier irgendwie miteinander verbunden. Dabei ist zu betonen, dass auch wir Juden grundsätzlich von der geschichtlichen, geographischen und religiösen Abstammung her zu den Orientalen gehören wollen – auch wenn viele von uns Namen wie Bloch, Müller, Meyer, Dreyfus, Bollag, Leibowitz, Russak oder Rosenstein usw. tragen. Es gibt einen Unterschied zwischen uns vor allem aschkenasischen Juden und der islamischen Welt: wir Juden haben die Aufklärung hinter uns, Muslime träumen noch nicht einmal davon. Doch gibt es leider mehr und mehr israelische Juden, die offensichtlich von dieser Aufklärung nichts mehr wissen wollen. Um das geht es.

Demokratie und freie Gesellschaft
Heute gibt es in muslimischen und israelischen Gesellschaften rechtsextremistische orthodox-religiöse Strömungen. Wie die kürzlichen Wahlen in vom arabischen „Frühling“ betroffenen Gesellschaften zeigen, gewinnen dort reaktionäre Parteien die Mehrheit. Die muslimische Reaktion ist im Aufschwung, die Einführung der Shariah wird verlangt, einer demokratischen Ordnung wird damit die Absage erteilt, denn Demokratie und Religion lassen sich nicht vereinbaren. Religion gehört in einem modernen Staat von diesem grundsätzlich getrennt und privatisiert. Zudem lassen arabische Traditionen eine wirkliche Demokratie nicht zu. Auch wenn die ägyptischen Muslimbrüder öffentlich das Gegenteil erklären. Sind sie erst einmal an der Macht, was die ägyptische Armee zurzeit gewalttätig zu verhindern sucht, bin ich überzeugt, dass diese Macht dann ohne demokratische, sondern mittels islamistischer Politik in eine theokratische Diktatur umgewandelt werden wird. Irans Khomeini hat der islamischen Welt 1979 gezeigt wie man das macht. Bei Ägyptens riesigen Demonstrationen für „Demokratie“ ging es nie um das Einführen eines demokratischen Regierungssystems und einer offenen Gesellschaft, sondern um wirtschaftliche Verbesserung der einzelnen Bürger. Der Islam hat sich, wie seinerzeit in Iran, die ägyptische Revolution angeeignet, wenn nicht gar gestohlen.

Israel wurde fast ausschliesslich von teilweise sogar marxistischen Sozialisten aufgebaut – auch wenn Theodor Herzl, Vater des politischen Zionismus, ein völlig angepasster europäischer Bürger der kolonialistischen Zeit war, wie die meisten der aufgeklärten Juden seiner Zeit. Israel, als Staat nach 1948, sollte nach dem Willen seiner Gründer und Pioniere der ersten Stunde als westlicher, aufgeklärter Staat erdacht und geführt werden, in dem Religion ihre eigene Nische haben sollte. Das ging dreissig Jahre lang einigermassen gut, doch die Gründerväter, zutiefst demokratischer Gesinnung, hatten nicht bedacht, dass eine Demokratie nur mit demokratisch gesinnten Bürgern aufgebaut und erhalten werden kann. Als sich im Laufe der siebziger und achtziger Jahre das Machtverhältnis von linker Aufklärung stetig mehr in einen reaktionären Nationalismus und eine noch reaktionärere ultraorthodoxe Religionsunkultur verwandelte, die erst die Besetzung der 1967 eroberten Westbank ideologische untermauerte und extremistischen Rabbinern der Haredim (Ultraorthodoxie) und der extremistischen Siedler in vielen Bereichen des Staates Macht verschaffte, wurde der humanistische Charakter des Landes sehr stark verändert. Extremisten üben heute starken Einfluss auf Regierung und Armee aus. Noch ist uns die arabische Welt mit ihrer rückwärtsgewandten hasserfüllten Politik in ihrem Wettlauf ins Mittelalter weit voraus, doch Israel scheint aufzuholen.

Frauen
Weder in der traditionell islamischen, noch in der orthodox jüdischen Gesellschaft sind Frauen entscheidungsfrei. Sie sind Besitz der Männer und deren Clans. Freie Partnerwahl gibt es nicht – die Eltern suchen Braut oder Bräutigam aus. Die Frau ist dem Manne untertan, er entscheidet. Ich will hier keine der vielen anthropologisch vielleicht interessanten Einzelheiten über die Stellung und die Behandlung der Frau in diesen zwei Kulturen beschreiben. Nur soviel sei gesagt, dass sich die Situation dieser jüdischen Frauen fast täglich verschlechtert. Sie sollen gezwungen werden in Autobussen nur hinten zu sitzen, nicht zusammen mit Männer auf dem selben Gehsteig zu gehen, ihr Erscheinungsbild wird laufend stärker als nicht bedeckend genug kontrolliert und kritisiert, die Möglichkeit einer jüdischen Burka könnte möglich werden, die Trennung zwischen Frau und Mann (pardon, Mann und Frau) soll immer einschneidender werden. Frauen sollen aus der Öffentlichkeit ganz verschwinden und weder gesehen noch gehört werden. Frauen die sich gegen Zumutungen dieser Art wehren, werden tätlich angegriffen, geschlagen, bespuckt und als Huren beschimpft. Aktivisten, die verbal und physisch auf Frauen eindreschen, kommen vor allem aus jiddisch sprechenden aschkenasischen Kreisen der Ultraorthodoxie. Frauenhass sephardischer und orientalischer Superfrommer scheint weniger entwickelt zu sein. Betrüblich ist die fehlende eindeutige Stellungsnahme haredischer Rabbiner der aschkenasischen Sorte. Der aschkenasische Oberrabbiner Israels, Jona Metzger, wurde darüber am Fernsehen interviewt. Er fand es schicklich, die Taten dieser Frauenhasser zu relativieren. Bisher haben sich fast ausschliesslich sephardische Rabbiner, wie das Knessetmitglied Haim Amsalem, ein wenigstens mir sehr willkommener und unheimlich sympathischer Querschläger der haredischen Welt, der sich ohne wenn und aber vor die verfolgten Frauen stellte, zur Verteidigung der Frauen aufgerafft.

Noch ist der Grad der Entwürdigung der Frau nicht auf muslimisches Niveau gesunken. Noch wurden meines Wissens keine jüdische Frauen wegen einem „Verstoss gegen die Familienehre“ getötet. Unser Hausarzt, selbst Kippaträger, der allerdings meine „linken und modernen“ politischen Ansichten völlig teilt, ist bedrückt. Die Haredisierung der israelischen Gesellschaft sei eine Schande für ganz Israel und gebe dem Judentum einen schlechten Namen. Er ist allerdings überzeugt, dass dieses relativ neue Phänomen gestoppt werden wird. Hoffentlich hat er recht.

Eines noch: in der muslimischen Gesellschaft scheint die Mehrheit Frauenunterdrückung gut zu finden und sich dieser zu widmen. Da sich dagegen niemand freiwillig äussert, bietet sich nur dieser Schluss an. Unter Israels Juden ist hingegen die Reaktion der Öffentlichkeit über diese Vorkommnisse gewaltig. Die Abneigung gegen die Ultra-Orthodoxie nimmt weiter zu, ganz besonders, seit sogar ein siebenjähriges Mädchen von diesen sexbesessenen Gottesfürchtern mehrfach bespuckt, beschimpft und mit Unrat beworfen worden ist.

Mein neuer Freund Avi, der im Shopping Center Lev Hamifratz in Haifa ein kleines Kaffeehaus betreibt und wirklich zuckerlose Gipfeli serviert, erklärte mir folgende Theorie, für Araber und allzu orthodoxe Juden geltend: beiden würden unter gewaltigem sexuellem Druck leiden. Sexuell aktiv dürfen sie erst nach Heirat mit der eigenen Frau werden – vorher kein Sex (das könnte ein Grund dafür sein, warum in diesen Kreisen so jung geheiratet wird). In einer nicht mehr ganz neuen Statistik fand ich vor Jahren die Information, dass 25% aller Kunden israelischer Prostituierten ultraorthodoxe Männer seien. Für muslimische Männer fand ich keine solche Statistik.

Ehre und Schande 
Der Begriff „Ehre“ und dessen Gegenstück „Schande“ sind die Grundsätze arabischer Kultur. Das Wort Respekt gehört dazu. In seinem hervorragenden Buch „The Closed Circle: An Interpretation of the Arabs“ (erschienen leider nur in Englisch, eines der wichtigsten Bücher zum Thema), beschreibt David Pryce-Jones wie diese Begriffe arabisches Denken und Handeln bestimmen. Hier zwei Zitate, die die überragende Wichtigkeit dieser zwei Worte in der arabischen Kultur demonstrieren:

“Lying and cheating in the Arab world is not really a moral matter but a method of safeguarding honor and status, avoiding shame,”

“Honor is what makes life worthwhile: shame is a living death, not to be endured, requiring that it be avenged.”

Die Suche nach Ehre oder deren Erhalt hat, so Pryce-Jones, vor allem anderen Vorrang. Frauen werden durch Väter und Brüder ermordet, weil sie dem gängigen Ideal der Ehre nicht entsprächen und (eingebildete) Schande über die Familie bringen. Generationen widmen sich der Blutrache, statt sich dem Aufbau einer besseren Zukunft zu widmen. Ehre und Respekt der eigenen Person oder dem eigenen Clan ist die Maxime dieser Welt und somit einer der Hauptgründe, ihres zivilisatorischen Stillstandes.

In einer kleinen Broschüre, die mir 2008 von arabischen Schülerinnen des Seminars für Englischlehrerinnen im Beit Berl College geschenkt wurde, beschrieben einige dieser entzückenden Studentinnen ihre Vorstellung über ihren künftigen Ehemann. Respekt und Ehre war das tragende Element. Sie erhoffen (nicht fordern) Respekt und dessen Einverständnis ihr Studium fortsetzen oder einen Beruf ausüben zu dürfen (Uris Tagebuch 1.7.2008).
 
Erfolge in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft
Dazu sollte ein weiteres Zitat von David Pryce-Jones genügen:

“In the years of independence, the Arabs have so far made no inventions or discoveries in the sciences or the arts, no contribution to medicine or philosophy.”

Im Vergleich mit Israel, einem Staat, der in den über sechzig Jahren seiner Existenz der Welt Gewaltiges in Wissenschaft, Kunst, Medizin und Philosophie beigetragen hat, sollte obiges Statement eigentlich eine Herausforderung an die arabische Welt sein. Doch das kratzt sie nicht – nicht einmal das Ehre/Schande Syndrom klickt ein, das für einmal wirklich am Platz wäre. Allgemeinheit und das Öffentliche wird in der arabischen Welt meist negativ empfunden, denn man sieht sie als Bedrohung des Clans und der Familie. Das Ehre/Schande Syndrom ist persönlich oder gehört der Familie. Der Staat oder das Dorf gehören nicht ihr, sondern dem jeweiligen Machthaber, sei er König oder ziviler Diktator, der seine Ehre (sprich seine Macht und den damit gestohlenen Reichtum) vor seinen Feinden (sprich Konkurrenten) meist mit viel Blutvergiessen verteidigen muss – eine Tatsache, die ein Blick in die Nachkriegsgeschichte arabischer Staaten mit Leichtigkeit bestätigt. Das Ehre/Schande Syndrom gilt für die Person, nicht dem Zustand des Landes, der ihn meist nur soweit interessiert, wie er seine persönliche Ehre (sprich Besitzstand und Einfluss) erhalten kann. Obiges Zitat von David Pryce-Jones wird damit bestätigt.


(Dieser Artikel wurde ins Journal21 übernommen. Mein Freund Reinhard Meier, emeritierter NZZ-Redaktor, hat meine Zeilen redigiert. Da ich nun mal in keiner Weise ein Thomas Mann bin, der handschriftlich Druckreifes aufs Papier bringen konnte, bin ich Reini höchst dankbar für sein Arbeit.)

Samstag, 24. Dezember 2011

Bescherung



Heute ist Weihnachtsabend. Viel davon verspürt man in Israel nicht, es sei denn, man begibt sich nach Nazareth oder ins Wadi Nisnas, dem arabisch-christlichen Quartier Haifas. Oder man fährt ins Ausland nach Bethlehem, wo dieser Abend ganz gross begangen wird – so gross, dass sogar Yassir Arafat, zu Lebzeiten Schutzherr des palästinensischen Christentums – jedes Jahr als Ehrengast empfangen worden war und dafür sorgte, dass die Zahl christlicher Bürger dieser Stadt real und auch relativ stark abnahm und heute kaum noch zwanzig Prozent aller Einwohner beträgt (früher waren es achtzig Prozent). Nach dieser Schätzung (die Zahlen sind ungefähre Zahlen) gibt es 162.000 palästinensische Christen im Heiligen Land, 120.000 leben in Israel (innerhalb der Grünen Grenze), 40.000 wohnen im Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), und 2.000 leben im Gaza-Streifen. Mehr als 80 % leben in städtischem Umfeld, 20 % auf dem Lande. Schätzungen zufolge waren vor 1948 etwa 15 % der Bevölkerung Christen; ihre Zahl ging bis 1967 auf etwa 5% im Westjordanland und 1% im Gaza-Streifen zurück. Heute sind weniger als 2% Christen im Westjordanland und weniger als 0,25% im Gaza-Streifen. Diese Angaben stammen von Bischof Yunib A. Mounan, dessen vor einigen Monaten gehaltene Rede ich hier kurz besprechen will.

Diese Rede, gehalten vor einigen Monaten von einem arabischen Christen, ist sehr mutig. Zwischen den Zeilen lese ich die Verzweiflung darüber, sich zwischen Hammer und Amboss zu fühlen, zwischen der Tatsache als schrumpfende Minderheit in einem Land zu leben, dessen muslimische Mehrheit täglich extremistischer wird. Man kann von einem palästinensischen Christen, der in einem Meer muslimischer Mitbürger lebt, realistisch nicht verlangen, dass er in der palästinensischen Öffentlichkeit Sympathie für Israel ausdrückt – auch in dieser Rede demonstriert der Bischof eine gewisse Enthaltsamkeit seiner Aussagen Israel gegenüber. Er lehnt die Sicht, die Flucht der Christen sei auf muslimischen Terror zurückzuführen, öffentlich ab. Das Gegenteil zu behaupten, wäre seiner Gesundheit abträglich. Dann fragt er „was ist das Heilige Land ohne (palästinensische) Christen?“, dem ich höchsten und noch grundsätzlicher beifügen möchte, „was wäre das Heilige Land ohne Juden?“. Es gäbe keines, denn erst die Juden haben es in ein heiliges Land auch für Christen gemacht. Seine Haltung zur Besetzung und zu den Entwicklungen in der Westbank ist israelkritisch – meine ist es ja auch.

Ich las vor kurzem den wenigstens teilweise richtigen Spruch „ein mutiger Muslim, ist ein toter Muslim“. Damit sind, um es ganz sicher zu stellen,  Muslime mit Zivilcourage gemeint. Ich denke das trifft auch auf Christen in der arabisch-muslimischen Welt zu, wie Palästina-Gaza, Irak, Saudi-Arabien, Ägypten – um nur einige zu nennen – täglich demonstriert. Es ist eine Situation, der sich westliche Christen vielleicht nicht bewusst sind, es sich nicht vorstellen können – falls es sie überhaupt interessiert. Christenverfolgungen gab doch für Europäer nur in der Zeit der alten Römer, die ihre Christen noch durch Löwen verspeisen liessen. Der Heilige Abend wäre bestimmt eine Gelegenheit, sich über die verfolgten Christen in arabischen Landen mindestens Gedanken zu machen, statt das (unter anderem) dem Juden, Israeli und Schweizer Uri Russak zu überlassen.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Esthers Tagebuch

Liebe Freunde und andere Leser,

eigentlich hätte ich schon vor Monaten auf den Blog meiner Freundin Esther Scheiner aufmerksam machen sollen, doch ich werde älter und denke vielleicht mehr an weniger wichtiges. Esther schreibt frisch von der Leber weg und beschreibt die kleinen und grossen Dinge in Israel, die ihr aufstossen oder gefallen. Sie, und das gilt auch für ihren Alex, haben sich in der relativ kurzen Zeit in Israel fabelhaft eingelebt, sind sehr aktiv und leisten erfolgreich ihren Beitrag zum Leben in Israel. Ich empfehle Esthers Website allen, die eine zartere und humorvolle Beschreibung israelischer Psyche und israelischer Verhaltensweise kennenlernen wollen.

Montag, 12. Dezember 2011

Ein Gedicht von Konstantinos Kavafis



Als Einstieg eine Feststellung: Im Jahre 2012 wird die grosse Mehrheit der Muslime im Mittleren Osten und Nordafrika von radikalislamistischen Regimen regiert sein, die glauben, dass mit einem Jihad auf Amerika und Israel, mit der Zerstörung Israels, mit der Unterdrückung der Christen, mit dem weiteren Reduzieren des rechtlichen Status der Frau, sie den Willen Gottes, als dessen Diktatoren zu regieren, erfüllen. Ich meine damit Ägypten, Gaza, Iran, Libanon, Libyen, Tunesien und die Türkei. Es könnten noch weitere dazukommen. Das ist das Resultat freier Wahlen in diesen Ländern und beweist eigentlich nur, wie reaktionär die Mehrheit der muslimischen Welt agiert und Demokratie ausschliesslich auf den Akt des Wählens reduzieren.

Das Gedicht des griechischen Dichters Konstantinos Kavafis (1863–1933) „Warten auf die Barbaren“ beschreibt die heutige Situation, besonders mit Hinblick auf Europa, das angstvoll und fast gelähmt das Entstehen einer barbarischen Übernahme entgegen sieht – und nichts tut. Man kann viel in seine Worte hineinlesen, das dieser Situation entspricht.

Kavafis lebte im ägyptischen Alexandrien, das seit seiner Gründung in der Antike von allen im östlichen Mittelmeerraum engagierten Grossmächten kulturell geprägt wurde. Seine Gedichte schrieb er in Neugriechisch, einer relativ neuen und wiedererweckten Sprache, ähnlich wie das heute in Israel gesprochene Neuhebräisch, das auf dem biblischen Althebräisch basiert. Mein Schwager Dov mit dem zutiefst orientalischen Namen Rosenblum, stammt aus Alexandrien. Er und seine gesamte Familie wurden nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 aus Ägypten gejagt, nachdem ihre gesamte Habe vom Staat beschlagnahmt worden war. Identisches fand in anderen arabischen Ländern, in den Juden lebten, statt. Was ist heute von Alexandriens uralter europäischer Kultur geblieben?

 

Warten auf die Barbaren (1904)

Worauf warten wir, versammelt auf dem Marktplatz?

Auf die Barbaren, die heute kommen.
Warum solche Untätigkeit im Senat?
Warum sitzen die Senatoren da, ohne Gesetze zu machen?

Weil die Barbaren heute kommen.
Welche Gesetze sollten die Senatoren jetzt machen?
Wenn die Barbaren kommen, werden diese Gesetze machen.
Warum ist unser Kaiser so früh aufgestanden?
Warum sitzt er mit der Krone am größten Tor der Stadt
Hoch auf seinem Thron?

Weil die Barbaren heute kommen,
Und der Kaiser wartet, um ihren Führer
Zu empfangen. Er will ihm sogar eine Urkunde
Überreichen, worauf viele Titel
Und Namen geschrieben sind.
Warum tragen unsere zwei Konsuln und die Prätoren
Heute ihre roten, bestickten Togen?
Warum tragen sie Armbänder mit so vielen Amethysten
Und Ringe mit funkelnden Smaragden?
Warum tragen sie heute die wertvollen Amtsstäbe,
Fein gemeißelt, mit Silber und Gold?

Weil die Barbaren heute erscheinen,
Und solche Dinge blenden die Barbaren.
Warum kommen die besten Redner nicht, um wie üblich
Ihre Reden zu halten?

Weil die Barbaren heute erscheinen,
Und vor solcher Beredtheit langweilen sie sich.
Warum jetzt plötzlich diese Unruhe und Verwirrung?
(Wie ernst die Gesichter geworden sind.) Warum leeren
Sich die Straßen und Plätze so schnell und
Warum gehen alle so nachdenklich nach Hause?

Weil die Nacht gekommen ist und die Barbaren doch nicht
Erschienen sind. Einige Leute sind von der Grenze gekommen
Und haben berichtet, es gebe sie nicht mehr, die Barbaren.
Und nun, was sollen wir ohne Barbaren tun?
Diese Menschen waren immerhin eine Lösung.
(Übersetzt vermutlich von Wolfgang Josing)

Im Gedicht bereiten sich die alten Römer auf den Einfall der Barbaren vor und planen, diesen bei Ankunft unterwürfig in den Hintern zu kriechen. Ganz besonders wird im ersten Teil des Gedichtes diese geplante Unterwürfigkeit beschrieben. Auch wenn dann die Barbaren nicht kamen (was nicht der Geschichte entspricht), könnte dieses Gedicht eigentlich gut auf das Verhalten verschiedener europäischer Regierungen zutreffen, die noch immer nicht merken wollen, dass die Barbaren schon eingetroffen sind und sich fast, aber noch nicht ganz, heimisch fühlen. Immerhin benimmt sich Israel - obwohl sich europäisch sehend, aber nicht in Europa liegend - anders und weigert sich den Kopf in den Sand zu stecken.

Aber eben, da gibt es ein Problem. Die projizierten Gefahren der Barbaren, werden von Politikern, die heute israelische Politik bestimmen, missbraucht. Über antidemokratische, gar faschistoide Gesetze, die dieser Wochen und Monate in einer Knesset mit rechtsradikaler Mehrheit vorgeschlagen werden, versucht Bibi Nethanyahu und Regierungs- und Parlamentsmitglieder noch weiter rechts von ihm die Demokratie, Israels wertvollstes Gut, auszuhöhlen. Sein Aussenminister Lieberman beneidet Russland und dessen Vladimir Putin, platzt vor Neid über Putins Machtfülle und neostalinistischen Regierungsstil und versucht diesen nachzuahmen. Seine Jünger helfen ihm dabei. Jüdische Rechtsextremisten wie die Hügeljugend der besetzten Gebiete, radikale Siedler und nationalreligiöse Rabbiner, die zum Hass auf Araber und Andersdenkende (man denke an den Mord an Itzchak Rabin), aufrufen und Gewalttaten gegen beide bibeltreu (wie sie meinen) unterstützen, sind eine relativ kleine, aber mächtige Regierungsstrippen ziehende Minderheit, die, bewusst oder unbewusst den Palästinensern hilft, Israel international zu desavouieren. Das hat wenig damit zu tun, dass islamistische Palästinenser Israel und Juden traditionell hassen und terrorisieren, sondern wie bei diesen, stammt die Motivation jüdisch-nationalistischer Juden aus ähnlichem ideologisch und religiös motiviertem rassistischem Hass. Wir sind halt, wie viele alte Israelis meinen, doch Cousins.


Freitag, 9. Dezember 2011

Zukunftsaussichen



Täglich klarer wird die Entwicklung das Abschiednehmen vom arabischen Frühling zum arabischen Winter. Wie im mittelöstlichen Wetter gibt es nur zwei Jahreszeiten – Sommer und Winter. Einen Frühling und einen Herbst gibt es kaum, das Ende des heissen Sommers wird mit kaltem regnerischen Wetter ersetzt, meist von einem Tag auf den anderen. Ähnlich wie die arabische Politik, in der an den Beispielen Ägypten, Tunisien, Jemen, Libyen usw. hoffnungsvolle und grundsätzlich friedliche Demonstration innert Tagen zu Quellen von rassistischem und religiösem Hass geworden sind. Wahlen, von denen Erneuerung und Befreiung der arabischen Gesellschaft von ihren mittelalterlichen und korrupten Fesseln erwartet wird und wurde bringen die reaktionärsten Kräfte zur Mehrheit. In Ägypten errangen die Muslimbrüder und die mordenden Salafisten zusammen über sechzig Prozent der Stimmen, in Tunisien über vierzig Prozent, in Marokko sieht es fast ebenso aus. In anderen Ländern des arabischen Frühlings ist es noch nicht zu Wahlen gekommen. Islamisten haben demokratische Wahlen gewonnen, werden voraussichtlich an die Macht kommen und machen damit diese Wahlen mit Sicherheit zu zweifachen Wahlen: zu den ersten und zu den letzten. Wie im Iran, werden die Wahlgewinner alles tun, um an der Macht zu bleiben, demokratische Wahlen hin oder her. Damit setzen sie die arabische Tradition fort, die allerdings auch schon unter sekulärer Herrschaft seit dem Entstehen arabischer Staaten in den Nachkriegsjahren bestand. Schuld daran sind die wählenden Bürger, doch kann man sie nicht wirklich dafür verantwortlich machen. Tribalistische Gewalt zur Lösung von Problemen ist die dahinter stehende Tradition. Demokratie wird in der arabischen Welt wird noch immer als degenerierte westliche Schwäche verstanden, auch wenn Gutmenschen durch die Medien uns das Gegenteil einzureden versuchen. Der oft gehörte Einwand, die Mehrheit der arabischen Welt sei für Frieden, wirkt sehr fragwürdig, wenn über 60 Prozent der ägyptischen, marokkanischen und tunesischen Bürger islamistischen Fanatiker in ihre postrevolutionären Parlamente wählen oder diesen die Stimmenmehrheit verschaffen.

Ari Shavit hat in einem in der jüdischen Zeitschrift Tachles veröffentlichten Artikel diese fatale Entwicklung beschrieben. Wie auch ich, sieht Shavit eine ähnliche Entwicklung in Israel, in der Extremisten der ultrafrommen und der ultranationialistischen Sorte den jüdisch-israelischen Weg zurück ins schwarze Mittelalter vorantreiben. Der einzige Unterschied ist, wie er schreibt, ist, dass in der arabischen post-revolutionären Welt, die Mehrheit diesen Weg in die Dunkelheit will, während es in Israel eine Minderheit ist, deren finstere Machenschaften von Nethanyahus bestimmt nicht bekämpft, sondern teilweise gefördert werden. Und die weltliche Mehrheit sitzt auf dem Hintern, jammert und schimpft, arbeitet, zahlt mit ihren Steuern diese Misere und „hat keine Zeit“, sich mit Politik zu beschäftigen.

Wie sehr Tommy Lapid in Israels Politszene fehlt!

Montag, 21. November 2011

Was wirkliche Israelfreunde bedrücken müsste



Mit den Arabern werden wir schon fertig, mit jenen die sich heute modisch und politisch korrekt Palästinenser nennen, sowieso. Vielleicht kriegen wir’s sogar hin, mit ihnen in den nächsten Jahrzehnten einen Modus Vivendi zu finden. Dieser muss ja nicht auf der grossen gegenseitiger Liebe gegründet sein (das kommt später ganz bestimmt) – gegenseitiger Respekt, statt gegenseitigem Hass und gegen Israel gerichteter Neid um seine wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sogar seine schwindenden sozialen Erfolge würde vorerst genügen.

Was unseren Staat wirklich bedroht sind eine wachsende Zahl Bürger und grausliger Politiker in rechtsextremen Parteien und Gruppen die einem gewalttätigen reaktionär-religiösem Extremismus mit fast schon sexueller Natur frönen. Deren Parlamentsvertreter entwickeln in rasendem Tempo Gesetzesvorlagen, die gegen Israels arabische Minderheit und auch humanistisch  motivierten Menschenrechtsorganisationen gerichtet sind, die sie nur allein schon für ihr Bestehen bestrafen wollen. Alle paar Tage kommt ein weiterer faschistoider Furz dieser lieblichen Anpasser an den nichtjüdischen Staatsstil eines Meir Kahanes, dem „Gottgesandten“ des jüdischen Faschismus, dazu. 

Soeben habe ich in der wundervollen Sendung „Neues aus der Anstalt“ im Fernsehsender 3Sat den tollen Satz „nur wer die Hosen voll hat, sucht frischen Wind“ gehört. Des Durchschnittsisraelis Hosen sind das leider noch nicht (voll meine ich) – der frische Wind gesunden Wechsels scheint noch nicht gefragt. Ungesunder Wechsel ist mehr im Trend der Zeit, sogar halbvolle Hosen sind da kein Hindernis. Zudem möchte ich vorläufig aufhören, mich zu diesem Thema weiter zu äussern – lieber beschäftige ich mich mit anderem Ungesunden. Wie mit gutem Essen und netter Gesellschaft. Bis mir dann wieder mal die Galle hochkommt über Weiterentwicklungen des Obenerwähnten.


Zum Abschluss ein bescheidener Link zum Nachtisch. Wer erinnert sich nicht an den verlogenen Bericht über den angeblichen Organhandel der israelischen Armee, geschrieben vom Journalisten Donald Bostrom im schwedischen Aftonbladet im März 2010. Im Gegensatz zu diesem erwiesenermassen erfundenen Vorkommnis werden diese wirklichen Untaten von der World Health Organisation (WHO) und Stellen der ägyptischen Regierung bestätigt und dieser profitable Handel auch mit Zahlen abgesichert. Aber eben, es geht hier um Palästinenser und dann erst noch um Hamas. Die dürfen. Das ist wohl ihre kulturelle Eigenart, die solches gestattet. Man frage meine Freunde und Freundinnen für einen gerechten Frieden in Palästina (JVJP). Die werden das gerne bestätigen.

Donnerstag, 17. November 2011

"Guten Morgen, Tel Aviv




Katharina Höftmann hat ein Buch geschrieben: „Guten Morgen, Tel Aviv“ (Heyne Verlag 2011). Sie kritisiert, sie lacht, tobt und schreibt, dass es eine Freude ist. Selten habe ich beim Bücherlesen so gelacht und glaube auch schon ihren wunderbaren Lebenspartner aus dem ff zu kennen. Hier ein Abschnitt, der genau das ausdrückt, was ich auch denke und über das sich mich schon ausgelassen habe. Statt Deutschen kann man ohne weiteres auch Bürger anderer westlicher Länder einfügen. Katharina hat mir erlaubt folgenden Abschnitt in meinem Blog zu zitieren:

"Ich weiß nicht, was ein guter Israeli ist. Aber immer deutlicher wird mir, was ein guter Deutscher ist. Ein guter Deutscher kritisiert Israel. Natürlich als Freund. Ein guter Deutscher legt Wert darauf, dass die Berichterstattung über Israel differenziert von statten geht, natürlich nur dann, wenn sie Gefahr läuft, zu proisraelisch zu sein. Ein guter Deutscher spricht unangenehme Wahrheiten aus, aber hat natürlich auch jüdische und israelische Freunde. Ein guter Deutscher hat sich exzessiv mit den Gräueltaten des Holocaust auseinandergesetzt und daraus gelernt. Kurzum: Ein guter Deutscher weiß es besser."

Gott sei Dank, lässt sich Katharina nicht in eine vertiefte Analyse über die ach so armen und doch so liebevollen Palästinenser ein. Wenn auch nicht ernsthaft, doch voller Ernst beschreibt sie lieber liebevoll Leben und Macken der so verschiedenen Arten der Gattung Israeli, deren menschliche Eigenschaften, Vorlieben und Betätigungen, ihre Familie und die ihres wunderbaren Partners. Doch die perverse politische Situation in unserer Ecke der Welt hat durch die Anzahl Bücher und Medienerwähnungen schon vor langem den Sättigungsgrad an Information und Analysen erreicht. Katharina Höftmann hat sie nicht zum Epizentrum ihrer Ausführungen gemacht. Sie beschäftigt sich stattdessen mit wirklich Wichtigem, nämlich den Menschen, die den grossenteils von den Medien aufoktroyierten Zustand auszubaden haben. Wirklich, das Einzige, das mir in ihrem Buch fehlt sind ein paar Kochrezepte, nicht unbedingt israelische.

Ein informatives Buch zum liebhaben.

Dienstag, 15. November 2011

Wie lange noch israelische Demokratie?



Wie ich selbst, sind fast alle Israelis stolz in einer wirklichen Demokratie zu leben. Der einzigen im gesamten Mittleren Osten und Nordafrika. Exekutive und Judikative sind voneinander unabhängig, die Meinungsfreiheit ist umfassend und jeder darf ungehindert öffentlich sagen, schimpfen und kritisieren was er will. Israel besitzt eine Demokratie ohne wenn und aber westlichen Stils.

In den vergangenen Monaten sind von Parlamentarien vorwiegend rechtsextremer Provenienz Gesetzesanträge eingebracht worden, die mit demokratischen Grundsätzen völlig unvereinbar sind. Dieser Vorgang ist ein gefährliches Zeichen eines gefährlichen Rechtsrutsches in der israelischen Politik. Weg von der demokratischen Tradition des Landes und in die Nähe autoritärem, vielleicht sogar totalitärem, Demokratie verachtendem Staatsverständnis. Etwas das dem israelischen Sommer der Demonstrationen für ein verbessertes Sozialverständnis, gegenseitiger Verantwortung für Staat und Mitbürger, wie eine kalte Dusche entgegensteht und beweist, wie wenig Nethanyahus Regierung sich um den Willen des Volkes schert. Zwar gibt es auch beim Likud Knessetabgeordnete, die diese antidemokratischen Bestrebungen scharf bekämpfen und als wirkliche Demokraten beweisen. Doch sind sie eine Minderheit in ihrer Partei der Scharfmacher.

Hier sollen einige dieser Gesetzesvorschläge und Trends dieser Art kurz beschrieben werden:

Limitierung und Besteuerung ausländischer Spenden an „linke“ NGOs
Mit linken NGOs sind beispielsweise auch rein israelische Organisationen wie „Frieden jetzt“ oder das der Kibbuzorganisation Haschomer Hazair entsprungene Friedenszentrum Givat Haviva gemeint, die in vielen westlichen Ländern Unterstützungsgruppen haben. Aber sie arbeiten für Frieden und stellen – besonders „Frieden jetzt“ erfolgreich israelische Verfehlungen in den besetzten Gebieten bloss. Das missfällt besonders Siedlerkreisen und deren Sympathisanten, die den Zionismus als autoritäres und kolonialistisches Unterfangen sehen wollen, etwas das er nie war und nicht ist. Im heutigen Haaretz ist zu entnehmen, dass rechtsextreme Organisationen weit mehr finanzielle Unterstützung erhalten als „linke“, sehr viel davon Einzelspenden in extremer Höhe.

Verpolitisierung der Gerichte
Hier geht es um die Wahl neuer Richter für das Oberste Gericht Israels, das seit Jahrzehnten eine gegenüber reaktionärer Gesetzgebung und überrissenem Nationalismus vor allem aus rechtsextremer Seite, eine ausgleichende Rolle spielt und von der politisch Rechten als „linksextrem“ betrachtet wird. In einem Gesetzesvorschlag sollen politische Gremien Einfluss auf die Wahl neuer Richter nehmen, was zur völligen Politisierung der Gerichtsbarkeit führen würde. Diese Vorlage wir gerade von Regierungsgremien diskutiert und die Gefahr, dass sie angenommen wird, ist beträchtlich.

Die Armee verfrömmelt und das orthodoxe und ultraorthodoxe Establishment versucht seinen Einfluss stetig zu steigern
Schon im Israel aufgezwungen Unabhängigkeitskrieg in 1948 kämpfen weibliche Soldaten neben ihren männlichen Kameraden. Sie trugen massgeblich dazu bei den arabischen Angriff abzuwehren und das Weiterbestehen des eben entstandenen Staates zu sichern. Leider gibt es heute destruktive Kräfte, die den weiblichen Beitrag zu den erfolgreichen dreiundsechzig Jahren israelischen Bestehens mit Verachtung betrachten. Gemäss orthodoxer Dogmen sollen Frauen nicht gesehen werden, sind zweitklassig und nun wollen einige übersteigert fromme diese „Tradition“ der Armee aufzwingen. Der steigende Einfluss religiös-reaktionärer Sitten und Gebräuche in der IDF (Israel Defense Forces) stellt vor allem nicht akzeptable mittelalterliche Ansprüche an Soldatinnen und beschämt und demotiviert sie. So sollen sie sich nicht mit männlichen Soldaten an öffentlichen Anlässen aufhalten oder gar mitwirken, sondern, wie es die Orthodoxie vorschreibt, sich nur getrennt von ihren männlichen Kameraden aufhalten dürfen. Sie sollen keine kombatante Aufgaben mehr haben, nicht mehr als Waffeninstruktorinnen wirken und auch, wie es extremistische Orthodoxie vorschreibt, nicht vor Männern singen dürfen. Am besten wohl, man würde keine weiblichen Soldaten mehr sehen. 19 Generälen schrieben an den Generalstabschef, diese Ausgeburten frommer Manie zu unterbinden. Sollte das nicht geschehen, würde die IDF vermehrt in den Fängen religiöser Extremisten landen und ihren Anspruch die Armee aller Bürger zu sein verlieren. Die Folgen wären vorauszusehen aber für das Land nicht zu verantworten. Anlässlich einer Feier der Offiziersschule Bahad 1 wurden vier religiöse Kadetten umgehenden aus dem Kurs geworfen, da sie die Feier wegen singenden Mädchen verliessen (fromme Juden dürfen das nicht hören, sie könnten doch eine verbotene Erektion bekommen). Das ist bisher die einzige positive Reaktion auf diesen Skandal. Es müsste gesetzlich geregelt werden, dass Religion in der Armee nichts zu suchen hat, genau so wie sie eigentlich in der Politik auch nichts zu suchen hätte. Sonst gerät die Armee eines Tages in die Situation, dass Rabbiner militärischen Kommandanten Befehle geben würden, was gefährlich und an die Kommissare der Roten Armee erinnert, deren Befehlsgewalt sogar über derjenigen der Generäle lag.

Bestrafung jener, die zum Boykott der Siedlungen und deren Produkte aufrufen und Israels Siedler- und Bauaktivitäten auf der Westbank kritisieren
Ich bin auch kein Sympathisant der Siedler auf der Westbank, verabscheue ihr gewalttätiges Auftreten gegenüber Palästinensern und Juden, die nicht mir ihren Ansichten einverstanden sind. Darüber kann man reden und schreiben – das ist alles diskutierbar. Aber im Israel der freien Gesellschaft herrscht noch immer Meinungsfreiheit und jeder kann und darf offen seine Ansicht zu allen Themen darlegen. Auch wenn das vielen nicht passt. Sollte das geplante Gesetz, das solches bestrafen will, angenommen werden, wird sich Israel zu einem grossen Teil aus der demokratischen Welt selbst entfernen. Es hätte sich dann in seinem Kern einen weiteren Schritt in die politische Unkultur seiner Nachbarländer integriert. Die heutige jüdische Leitkultur ist inhärent westlich und darf sich nicht mit Maulkörben abfinden.

Das Oxymoron – jüdischer Staat mit demokratischer Regierung
Was im Mittelalter die Regel war, ist heute nicht mehr zu vertreten. Man kann ohne weiteres religiös sein und demokratisches Leben achten. Aber in der Politik hat Religion nichts zu suchen. Professor und Alt-Botschafter (Deutschland) Avi Primor vom IDC Herzlia beschrieb das in einem Interview mit der WELT schon in 1999 so:

„… die ultraorthodoxe Schas-Partei (und andere religiöse Parteien in Israel) als undemokratisch, weil sie, so der Alt-Botschafter Avi Primor, „auf göttlichem Gesetz und den Worten der Rabbiner“ statt auf parlamentarischen bzw. demokratischen Grundsätzen beruhe.“

Eine Gesetzesvorlage für einen jüdischen Staat, in der Jüdischkeit als Leitfaden für die Gesetzgebung verlangt wird – demokratische Prinzipien wären dieser untergeordnet – wartet im Rohr. Ich hoffe sie wird zum Rohrkrepierer. Interessanterweise stammt diese Idee vom ehemaligen Geheimdienstchef und Terroristenfänger Avi Dichter, einem sekulären Juden, der als Mitglied der eigentlich sehr bürgerlichen Partei Kadima in der Knesset sitzt. Seine Parteichefin Zippi Livni ist entsetzt über diesen Gesetzesvorschlag und lehnt ihn ab (wie auch den Skandal der Frauenfrage in der Armee). Unterstützung könnte aus rechtsextremen, vor allem religiösen Kreisen, denen Demokratie grundsätzlich ein Dorn im Auge ist. Die Entscheidung ist noch offen.
Soeben wurde mitgeteilt, dass diese Gesetzesvorlage abgeändert worden ist. Demokratie soll nun doch über der Jüdischkeit stehen. Wie genau das aussehen soll, bleibt abzuwarten.

Heiratsgesetz
Palästinenser, die Israelis heiraten, dürfen nach einem neuen Gesetz nicht mehr in Israel wohnen. Ehepartner müssen sich nach dem Parlaments-Beschluss zwischen einer Trennung und einem Wegzug aus Israel entscheiden. Das Gesetz ist rassistisch, undemokratisch und diskriminierend.

Sicherheits-Überlegungen können das neue Gesetz nicht rechtfertigen, betonen Menschenrechts-Gruppen. Die neue Regelung laufe auf eine kollektive Bestrafung hinaus. Auch die Vorsitzende der Meretz-Fraktion in der Knesset, Zahava Gal-On, betonte, man dürfe Sicherheits-Erwägungen nicht zur Begründung "einer solchen Verletzung der Bürgerrechte verwenden".

Schlussfolgerung
Israel muss sich auffangen und den rapid wachsenden Trend weg von demokratischen Prinzipien stoppen und seine Politik wieder vermehrt nach solchen führen. Die grundsätzlich fehlende Bereitschaft der Palästinenser zu einem für Israel akzeptablen Friedensabkommen und die zurzeit von reaktionären Kreisen beherrschte Regierungspolitik macht das schwierig. Ich sehe die heutige Macht in den Händen folgender drei politischer Gruppierungen liegen:

·       Neueinwanderer aus Russland, vertreten durch Aussenminister Yvet Lieberman und seine Anhänger, die einer Art Stalinismus frönen und prinzipiell einen „starken Mann“ als Leithammel wollen. In Lieberman haben sie ihn gefunden.
·       Die Faschistoiden: Siedlerideologen, Nationalreligiöse und rechtsextreme Ultranationalisten (z.B. MK Michael Ben Ari, früherer Rabbi Kahane Anhänger, der den Mord an Rabin durch sein demonstratives Fernbleiben von der parlamentarischen Gedächtnisfeier implizit guthiess).
·       Die von ihren Rabbinern beherrschte Ultraorthodoxie, deren Lebensstil grundsätzlich antidemokratisch ist. Sie verkauft ihre Stimme den Meistbietenden für ihre eigenen parasitischen Anlagen, die, besonders in aschkenasischen Ultrakreisen, von der Ablehnung des Existenzrechtes Israels, traditioneller Ablehnung produktiver Arbeit und überrissenen materiellen Ansprüchen an den Staat geprägt sind.

Die wachsende Macht rechtsextremistischer Kräfte auf Kosten vernünftiger sozial und sicherheitspolitisch ausgleichender Kräfte ist vor allem ein Resultat politischer Misserfolge israelischer Friedenspolitik der vergangenen zwanzig Jahre. Sündenböcke zu suchen ist Unsinn. Die durch und durch unveränderliche Ablehnung sogar kleinster Kompromisse durch bisher sämtliche palästinensische Politiker, beruht auf  ihrer Weigerung jeden möglichen Staat der Juden als derer nationale Heimstätte zu akzeptieren. Sie bestehen auf einen absolut judenfreien Staat der Palästinenser , aber ein Staat der Juden ist für sie ein Tabu. Zur Zeit wird israelische Bautätigkeit in der Westbank als Ausrede bemüht – israelische Zugeständnisse wie der Abzug aus dem Libanon oder der Abzug aus Gaza, wird von unseren Feinden nicht als Zeichen guten Willens verstanden, sondern in traditioneller arabischer Art als Schwäche interpretiert. Das wiederum gibt jenen Israelis Aufwind, die den Standpunkt vertreten Palästinenser verstünden ausschliesslich Gewalt. Und genau diese Israelis bilden heute die Mehrheit in der Regierung Netanyahus – womit der Kreis ausweglos geschlossen ist.

Sonntag, 13. November 2011

Lügner, aber im Plural




Ähnliches ist dem Bibi Nethanyahu selbst auch schon passiert. Nämlich nicht zu merken, dass das Mikrophon nicht ausgeschaltet war. Beim Rabbi Ovadia Joseph, dem spirituellen Kommandanten der ultraorthodoxen Shaspartei der orientalen Juden in Israel, wurde durften alle Anwesenden hören, wie er diesem zuflüsterte, die israelischen Linken – womit die Staatsgründer und ihre politische Nachfolger gemeint waren, keine wirklichen Juden seien – denn sie wüssten nichts über jüdische Religion und Tradition. Arschkriecherei eines Politikers auf Stimmenfang.

Nun wurde Sarkozy erwischt, wie er Osama zuraunte, er könne den Netanyahu nicht ausstehen, denn der sei ein Lügner. Womit er recht hat, ich selbst weiss das auch und habe schon verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht. Er ist sogar ein talentierter Lügner, der die Mehrheit der israelischen Bürger, auch die vernünftigen, an der Nase herumführt. Frieden wird Israel mit ihm nie erreicht werden. Netanyahu hat Glück,  er muss sich fürs Vermeiden eines Friedensabkommens mit Abu Mazen nicht einmal anstrengen, tut dieser doch auch alles, um solches zu vermeiden. Netanyahu hat es sogar leicht, denn solange der Abu Mazen Vorbedingungen für das Abhalten solcher Gespräche stellt, bleibt alles beim Alten. Jeder der Beiden kann den anderen anklagen, Friedensabsichten zu torpedieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zwar Verhandlungen möglich sind, diese aber, wenn sie zu nahe einer Lösung sind, von der palästinensischen Seite abgelehnt werden. Das war so mit Yassir Arafat in Camp David und Taba und das was so mit den Angeboten Olmerts. Mit Netanyahu wird es nicht einmal soweit kommen, weil dieser erstens aus der Geschichte gelernt hat und zweitens eigene ideologische Widerstände für einen Frieden besitzt, die durch seine Koalitionspolitik weiter verstärkt

Zurzeit wird von Abbas der Siedlungsbau in der Westbank als grösstes Hindernis für ein Abkommen vorgeschoben. Der vor etwa einem Jahr durchgeführte zehnmonatige Baustop verstrich völlig ungenutzt – Verhandlungen, wenn solche überhaupt stattfanden, wurden zum Selbstzweck und bewiesen bloss, dass es den Palästinensern  nicht um Frieden geht. Es war eine Wiederholung der Verhandlungen unter US-Präsident Bill Clinton zwischen Arafat und Ehud Barak: palästinensische Friedensverweigerung sobald es ernst wird und ein Resultat in Reichweite ist.

Was sind die wirklichen Gründe für das Scheitern des Friedensprozesses? Wie seinerzeit Arafat kann Abu Mazen einen Staat der Juden prinzipiell nicht akzeptieren, nicht dulden. Da hat sich seit dem verbrecherischen Jerusalemer Mufti und Hitler-Helfer Hadj Amin al-Husseini in den dreissiger und vierziger Jahren gar nichts geändert. Der Mufti war der palästinensische Araberführer, der von Beginn an die Thesen der Moslembrüder Ägyptens adoptierte und in den heute noch gültigen palästinensischen Terror gegen Juden umsetzte. Im Gegensatz zu Israel hat die palästinensische Seite nie auch nur den kleinsten Kompromiss ihrerseits ins Gespräch gebracht, Zugeständnisse kamen stets und ausschliesslich von israelischer Seite. Der Terror läuft momentan auf relativ kleiner Flamme – aber er läuft. Die Erziehung zum Judenhass in palästinensischen Schulen, Moscheen und Medien schreitet fort und verstärkt sich, Abbas verliert darüber kein Wort. Weiterhin besteht seine Philosophie die Vernichtung Israels. Diese sieht er als sein Vermächtnis, geerbt von Arafat, dessen liebe zum Terror wiederum vom Mufti von Jerusalem stammt (was von der Öffentlichkeit mit oder ohne Bedacht ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass Arafats PLO wie auch andere palästinensische Terrororganisationen auch international den Terror, den in Irland, Deutschland, Italien, der baskische in Spanien und andere, die sich alle gegenseitig halfen, durch professionelle und ideologische Ausbildung in seinen Terrorausbildungslagern in arabischen Ländern äusserst aktiv unterstützte). Aber nur Israel wird weltweit als Verursacher der Sackgasse im Friedensprozess gesehen, einer der zahlreichen Perversionen der Wahrheit, die unabhängig von der jeweiligen israelischen Regierungspolitik besteht.

Um gemütliche Friedensverhandlungen abzuhalten bietet sich seit kurzem ein wunderschönes Hotel am Strand von Gaza an. Dort könnten Abbas und Bibi tagelang in Badehosen am Strand sitzen, alkoholfreie Cocktails schlürfen, hübsche Mädchen in Bikinis anschauen und über alles reden, ausser über Frieden zwischen Palästinensern und Juden innerhalb vernünftiger und beidseitig akzeptierter Grenzen. Oder vielleicht doch?  http://www.youtube.com/watch?v=RGVNieY7JbI

Samstag, 5. November 2011

UNESCO und palästinensische Kultur



Regenbogen über Haifa (Photo von Adam Russak)

Mit Kultur hat die Aufnahme der Westbank in die UNESCO – anders weiss ich nicht, wie dieser Noch-NIcht-Staat zu benennen ist – kaum etwas zu tun, sondern nur mit verfehlter Politik. Den Israelis und den Amerikanern ans Bein pinkeln ist die Devise der mehrheitlich aus Versagerstaaten bestehenden automatischen Mehrheit der UNO, die sich mit den Realitäten der Welt nicht auseinandersetzt und vor allem für eigene Torheiten Sündenböcke sucht. Gäbe es nicht das Veto im Sicherheitsrat wäre unsere Welt schon lange zusammengebrochen, denn dann könnte jede Protestbewegung, jede „Befreiungsbewegung“, ja vielleicht jeder Strassenzug als Mitgliedstaat aufgenommen werden, sei er sogar weltweit kriminell oder völlig analphabetisch.



Palästinenser und andere Araber sind beschäftigt, das Narrativ der jüdischen Geschichte durch ein eigenes erfundenes Narrativ zu ersetzen. Nicht über die Umstände des israelischen Unabhängigkeitskrieges von 1948, der Israel durch den arabischen Angriff aufgezwungen worden war, aber über dessen Folgen es durchaus legitim zwei Sichten geben kann, sondern über die Existenz und Jahrtausende alten geschichtlichen Hintergründe des jüdischen Volkes in seiner alten Heimat im Nahen Osten. Soweit zurzeit zu sehen ist, werden zu einem grossen Teil jüdische, in der Bibel genannte Namen und deren Personen arabisiert. Aus dem König David gibt es den Daoud, Jesus wird zum Propheten ernannt, obwohl es damals noch keinen Islam gab – um nur zwei Beispiele zu nennen. Oder der islamische Anspruch auf das über dreitausendjährige Jerusalem: ein jüdisches Quartier in Jerusalem hat es anscheinend nie gegeben, der alte Daoud hat Frauen (und wie es heisst auch Männer) in Arabisch verführt. Damit soll der jüdische Anspruch auf das Heilige Land durch eine nie bestandene Arabisierung der über dreitausendjährige Geschichte des jüdischen Volkes ersetzt werden. Das wird bis zur totalen Lächerlichkeit durchgezogen. Oft denke ich an unsere humorvollen Rabbiner und deren kreatives aber lustiges und originelles Denken und Spässe oder an den christlichen Don Camillo und seinem Peppone – solche Figuren gibt es im Islam nicht. Über sich lachen, irgend etwas Kulturelles oder gar Religiöses in Frage zu stellen, ist eine Todsünde – die heutige Zeit des Jihadismus und Islamismus, deren weltweite Gewalttätigkeit wegen Unsinns wie die Mohammed Cartoons aus Dänemark, präsentiert das täglich jedem, dessen Verstand offen genug ist dies zu akzeptieren. All das als kulturelle Eigenheit abzutun ist vielleicht politisch korrekt aber Selbstbetrug.

Montag, 31. Oktober 2011

Reaktionen bitte - Offener Brief


Liebe Schweizer Jüdinnen und Juden,

Nachdem auf unseren Offenen Brief in der jüdischen Schweizer Zeitschrift „Tachles“ (9.9.2011) an Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, mit einer Ausnahme, keinerlei Reaktion aus jüdischen Schweizer Kreisen erfolgt ist, fragen wir, die Initiatoren, warum das sein kann. Selbst stimm- und wahlberechtigte Schweizer Juden, aber in Israel lebend, sind wir täglich mit jüdischer Israelkritik aus unserem Geburtsland konfrontiert und haben damit Gegenrecht, das wir kompromisslos wahrnehmen. 

Als jemand der sich intensiv und oft mit israelischen Arabern beschäftigt, viele persönlich kennt und besucht, jedoch ihnen gegenüber aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und sie auf Augenhöhe (ein beliebter Ausdruck unter Israels Arabern) direkt und freundschaftlich kritisiert, befremdet mich (Uri Russak) der Leserbrief Bernhard Roms (Tachles, 7.10.2011). Seine nicht ganz klare Bemerkung zum Apartheid-Unsinn gegenüber Israels arabischen Bürgern macht mich stutzig. Gelegentlich vermitteln uns Schweizer Juden, die eine Meinung über Israel äussern, gemischte Gefühle und den Gedanken, sie hätten wenig bis keine Ahnung, von was sie reden oder schreiben. Unsere Erfahrung mit jüdischen, teilweise zionistischen Schweizer Organisationen ist, das geben wir zu, leicht beschränkt, auch wenn Uri einige Jahre Präsident von ARZA Schweiz und Co-Präsident des schweizerischen Zionistenverbandes (s.A.) war. Was wir über die JVJP denken sollte hinreichend bekannt sein: in ihrem Israelhass, dessen Intensität den der Neturei Karta erreicht, ist sie ist eine Schande für die Judenheit. Mit dem Neuen Israel Fond Schweiz hatte Uri die merkwürdige Erfahrung, das seine Anfrage zur Unterstützung  des arabischen Sozialwerks der Kunstgalerie Umm El-Fahm, von dessen Präsidenten in Frage gestellt worden war, nachdem er erfuhr, der Leiter dieses einmaligen Werkes früher höherer israelischer Polizeioffizier gewesen sei. Vielleicht hätte Scheich Raed Salah, Hamas-Filialleiter in Israel, statt dessen ein offeneres Ohr erhalten. Vielleicht hat sich dieser Gesprächspartner verhört, das aber nie richtiggestellt. Uns scheint so etwas dürfe einem offenen, wenn auch Israel gegenüber kritisch eingestellten Menschen, nicht passieren. Oder eben diese Erfahrung enthüllte tatsächlich einen auf vorgefasste Meinungen abonnierten Israelkritiker, der ganz nach Morgenstern denkt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Wir Schweizer Israelis sind heute in der merkwürdigen Lage, dass wir öffentlich vor allem von nichtjüdischer Seite unterstützt werden (wir denken da nicht in erster Linie an evangelikale Christen), sondern an unsere zahlreichen Freunde der GSI und an die nichtjüdischen Mitglieder oder Sympathisanten jüdischer Organisationen wie die Freunde von Kiriat Yearim, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Wir wissen, dass Schweizer Juden sich für Israel einsetzen, oft in Zusammenarbeit mit nichtjüdischen Israelfreunden, unter denen wir inzwischen viele wertvolle Menschen kennengelernt haben. Wir wären unseren jüdischen Freunden sehr dankbar, wenn sie sich mit ihrer Unterstützung Israels etwas öffentlicher exponieren würden. Möglichst ohne wenn und aber. Wie wir, muss man die heutige Regierung Israels und ihre Politik nicht mögen, aber das Land verdient Unterstützung, seine heutige Lage ist – Politik hin oder her - grundsätzlich nicht viel anders als vor 63 Jahren. Die arabisch-muslimische Welt liebt uns kein bisschen mehr als in 1948. Zudem, wer weiss, vielleicht sind auch Schweizer Juden einmal auf den jüdischen Staat angewiesen - um nur einen Grund zu nennen, Israels Existenz politisch zu unterstützen.

Laura und Paul Uri Russak, Zichron Yaakov
Esther und Alexander Scheiner, Zichron Yaakov

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Sonntag, 30. Oktober 2011

Entwicklung der Menschheit



Gelegentlich schaue ich auf der Suche noch Passendem in meiner Bücherei nach. Da bietet sich Erich Kästner an, den ich während meiner Lehrzeit als Verlagsbuchhändler (bei Oprecht) bei meinem sehr fernverwandten Onkel und Verleger Carl Posen vom Atrium Verlag Zürich kennengelernt habe. Mehrmals durfte ich Erich Kästner, dem genialen und humorvollen Autoren, Dichter und Kettenraucher, Zigaretten holen und bin aus nicht klaren Gründen noch immer stolz darauf. Welche Zigarettenmarke er geraucht hatte habe ich vergessen.


Hier die „Entwicklung der Menschheit“ aus seiner Lyrischen Hausapotheke, Worte, die heute noch genau so aktuell sind wie während der Nazizeit, in der er sie schrieb und prompt wieder verhaftet wurde:

Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
Und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur 30. Etage.

Da sassen sie nun den Flöhen entflohn
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telephon.
Und es herrscht noch genau der selbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schiessen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrig lässt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
dass Cäsar Plattfüsse hatte.

Sie haben mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet, sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

Samstag, 22. Oktober 2011

Alan Dershowitz am 22. September 2011 - ohne Wenn und Aber







Viele mit der identischen Krankheit des Israel- und Amerikahasses mögen Alan Dershowitz nicht. Sie fühlen sich beschämt, denn er tut, was sie auch tun sollten, zu welchem ihnen jedoch der Mut fehlt. Seine ehrliche Kompromisslosigkeit überzeugt, doch für Juden hauptsächlich der europäischen Golah (Diaspora) ist er undiplomatisch und strahlt überhaupt keine Angst vor dem „was könnten die Goiim sagen“ aus. Er ist laut aber weiss, von was er spricht. Er geniert sich nicht kompromisslos für Israel einzutreten. Er weiss wo die Prioritäten liegen, nämlich beim Überleben Israels als Heimstatt der Juden. Er legt offen wie verlogen die Stellung der Palästinenser ist, wie sie in English Dinge sagen, denen sie in Arabisch widersprechen. Und er legt offen, wie angstvoll viele Golahjuden reagieren, wenn sie zu Israel äussern müssen. In Kürze: wo ist der europäische Dershowitz? Einer mit Mut und Überzeugungskraft? 

Mit Broder lässt sich Dershowitz nicht vergleichen, denn Broder mischt auch in der Innenpolitik Deutschlands mit und äussert sich als Polemiker, der tatsächlich fast immer Recht hat. Dershowitz spricht als Jurist, muss sich als ein solcher fundierter und völlig ernsthaft ausdrücken, weil - das ist meine persönliche Meinung - ihm der Humor Broders fehlt und er deshalb weit engagierter rüberkommt. Aber eben, einen Juden, der so oft und so überzeugend für Israel eintritt wie Dershowitz - den gibt es in Europa nicht. Wo zum Teufel finden wir eine solche Persönlichkeit in der jüdischen Welt des alten Kontinents?

Dienstag, 18. Oktober 2011

Wieder daheim



Alle paar Monate findet in Israel eine ein- oder mehrtägige Periode statt, während der das ganze Land am Fernseher oder am Radio hängt und Nachrichten verfolgt. Heute war es die Rückkehr Gil’ad Shalit's aus islamistischer Gefangenschaft bei der Hamas in Gaza. Zwar waren wir heute an der Bar Mitzwa unseres Enkels Eran, aber sogar dort drückten die Gäste an ihren Smart-Phones herum, um Live-Berichte zu suchen und die News weiterzugeben.

Selten noch war es leichter die ethische Distanz des Zivilisationsverständnisses zwischen Israel und seiner freien Gesellschaft und der islamisch-arabischen Welt mit ihrer Kultur der Todessehnsucht, des Märtyrertums zu verstehen. Richard Herzinger schreibt: „Es zeigt den fundamentalen Unterschied zwischen einer offenen, demokratischen Gesellschaft und einem zynischen kollektivistischen Unterdrückungssystem.“. Weiter schreibt Herzinger: „Welchen Kontrast bietet ein solches Wertesystem zu den Maximen einer (Un-) Kultur, die den “Märtyrertod” als oberstes Ideal namentlich für junge Männer propagiert und sich nicht scheut, sie im Namen einer Religion als “Selbstmordattentäter” zu missbrauchen! Nichts hat diesen Gegensatz so bösartig auf den Punkt gebracht wie die islamistische Parole: “Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.”

All das wird und wurde heute demonstriert. Die grosse Freude des gesamten Landes über die Rückkehr „seines“ Sohnes Gil’ad aus der Gefangenschaft und die obszönen Festlichkeiten, mit denen die aus israelischen Zuchthäusern entlassenen arabischen Massenmörder von ihren islamistischen Herrschaften und deren hirngewaschenen Untertanen gefeiert werden. Auf der einen Seite freut sich ganz Israel über die Rückkehr Gil’ads in die Freiheit und auf der anderen Seite entzücken sich palästinensischen Massen über die Rückkehr ihrer geliebten Kindsmörder. Neu ist das alles nicht, denken wir an Samir Kuntar, der sich noch heute im Libanon feiern lässt, weil er einen Vater und seine kleinen Kinder mit dem Gewehrkolben erschlagen hat.

Ein weiteres Phänomen ist in diesem Zusammenhang erschienen. Allen, besonders Israels Entscheidungsträgern, ist klar, dass das Freilassen von 450 hauptberuflichen Massenmörder und Terroristen, denen die Möglichkeit verschafft in ihren angestammten Beruf als Killer wieder tätig zu werden. Die Alternative zu diesem Abkommen wäre das Todesurteil für Gil’ad Shalit gewesen. Für einmal hat Nethanyahu menschliche Grösse bewiesen und die einer freien Gesellschaft, die Menschenleben über alles stellt, entsprechende Wahl getroffen. Diese Wahl fördert das Vertrauen unserer Soldaten in ihre politische und militärische Führung, den sie beweist, dass sie ihre Wehrmänner auf dem Schlachtfeld nicht sich selbst überlässt, sondern alles tut, um sie verletzt oder nicht, nach Hause zu bringen. Mit anderen Worten, Israel sieht seine Soldaten nicht als zu verheizendes Kanonenfutter, sondern als jenen Teil der Bürger, der Israel das Überleben sichert und dafür sein Leben riskiert. Im Gegensatz zur arabischen Terrorszene ist der Märtyrertod kein Ideal, sondern tunlichst zu vermeiden.

Terror hat in Israel bisher tausende von Opfern gefordert. Meist sind es Zivilisten, die im Gegensatz zu Soldaten, sich nicht wehren können. Zugedröhnte Selbstmordattentäter sind die Ausnahme, auch wenn sie einen grossen Teil der Opfer verursachen. Familien der Opfer reagieren verschieden. Es gibt solche, die Vereinigungen Hinterbliebener von Terroropfern beitreten und sich gegenseitig helfen, Versöhnung suchen und Kontakte miteinander pflegen. Das gilt ebenso für jüdische, wie auch für arabische Familien, denn auch arabische Israelis werden zu Terroropfern. Oft arbeiten Juden und Araber in solchen Selbsthilfegruppen zusammen und beweisen Charakterstärke, die nicht den Hass pflegt, sondern die Verständigung. Es gibt auch andere, wie jene Familienmitglieder die beim Selbstmordattentat in der Pizzeria Sbarro in Jerusalem Angehörige verloren hatten. Ich weiss man sollte mit ihnen darüber nicht streiten und, auch wenn sie von Versöhnung und Grosszügigkeit nichts hören wollen, sie verstehen. Doch als eine solche Familie, die die Freilassung Gil’ad Shalits vor Israels Obergericht (erfolglos) angefochten hatte, vor Gericht über dessen Vater Noam herfiel und ihn anklagte ihr Leid zu ignorieren, platzte auch mir der Kragen. Als ob Rachegelüste ihre ermordeten Familienmitglieder zurück bringen würden – eine Frage die ihnen Noam Shalit selbst stellte.

Es gibt also zweierlei Wege, sich als Angehörige von Terroropfern diesem Schicksal zu stellen:

Hass und allem, was Hass in einem Menschen aufkommen lässt

oder

mit der Suche nach Versöhnung und der Einsicht, dass Rache niemandem nützt und nur die Seele verhärtet.

Immerhin, meine eigene Erfahrung mit Hinterbliebenen von Terroropfern unter Bekannten und Freunden ist, dass Hass mehrheitlich abklingt, auch wenn die Antipathie gegen Palästinenser in Israel in den letzten Monaten und Jahren exponentiell gewachsen ist. Das verwundert nicht, da palästinensische Hassgesänge gegen Juden nicht am Abklingen sind, sondern zunehmen.

Heute, da auch jüdischer Terror gegen unschuldige Palästinenser, deren Olivenhaine, Moscheen, Häuser und auch ihr Leben in Mode zu kommen scheint und als „Price Tag“ (Preisschild) von fanatisierten Westbankjuden praktiziert wird, müssen wir Israelis besonders vorsichtig sein, palästinensischen Terror gegen jüdischen Terror auszuspielen, so wie es gelegentlich von jüdischen Polit-Extremisten getan wird. Nur schon in reinen Opferzahlen und dem Niveau rücksichtsloser Brutalität sind die Palästinenser diesen Juden weit voraus. Das macht jüdischen Terror aber keineswegs akzeptabler und er muss mit aller Kraft bekämpft werden. Jüdische Terroristen sind für Israel eine Schande, denn sie bringen uns auf ein ethisches Niveau, das uns in unheimliche Nähe des ethischen Niveaus unserer Feinde positioniert. Auf diese Art darf Israel sich unter keinen Umständen in diese Region der Gewalttätigkeit, Korruption und reaktionärer Religionen integrieren.

Trotzdem und zum Abschluss: ich bin heute besonders stolz auf unser Land, einer, das wenn es darauf ankommt, Insel der Humanität in einer sonst trostlosen Umgebung ist. 

Baruch HaBah, Gil’ad Shalit. Jetzt darfst du wieder Sohn deiner Eltern sein, statt Sohn aller Israelis. Oh, zudem Gratulation zu deiner Beförderung vom Korporal zum Sergeant-Major.